Ausgabe 17/2014 des strassenfeger - SchwarzWeiss

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  • 8/11/2019 Ausgabe 17/2014 des strassenfeger - SchwarzWeiss

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    srasseneger | Nr. | Augus - Sepember | INHALT

    strassen|fegerDie soziale Sraenzeiung srassenegerwird vom Verein mob obdach-lose machen mobil e.V.herausgegeben. Das Grundprinzip des srassenegeris: Wir bieen Hile zur Selbshile!

    Der srassenegerwird produzier von einem Team ehrenamlicherAuoren, die aus allen sozialen Schichen kommen. Der Verkau des sras-senegerbiee obdachlosen, wohnungslosen und armen Menschen dieMglichkei zur selbsbesimmen Arbei. Sie knnen selbs enschei-den, wo und wann sie den srassenegeranbieen. Die Verkuer erhaleneinen Verkuerausweis, der au Verlangen vorzuzeigen is.

    Der Verein mob e.V. finanzier durch den Verkau d es srassenegersoziale Projeke wie die Nobernachung und den sozialen TreffpunkKaffee Bankrot in der Sorkower Sr. 139d.Der Verein erhl keine saaliche Unerszung.

    Liebe Leser_innen,normalerweise ist unsere Arbeit sehr stressig, oftmals verfal-len auch wir dabei in schwarz-weie Denkmuster. Alltag eben.Auch bei einer sozialen Straenzeitung ist das nicht anders.Doch gerade bin ich von der Jahreskonferenz des Internatio-nalen Netzwerks der Straenzeitungen (INSP) in Glasgow zu-

    rckgekehrt. Zusammen mit zwei Kolleginnen haben wir dortmit vielen engagierten Menschen von Straenzeitungen aus allerWelt diskutiert, gestritten, Ideen und Wissen ausgetauscht. Eswar sehr anstrengend, insbesondere in den Workshops und Pa-nelsitzungen den ganzen Tag lang Englisch zu sprechen oder denschottischen Dialekt zu verstehen. Aber es war gleichermaenso inspirierend, so belebend, all diese klugen Leute zu treffen,neue Freundschaften zu schlieen, Kraft zu tanken. Das groeFazit der Tagung fr mich war eine Aussage des INSP-Vorstandsund Chefs des kanadischen Straenmagazins LItinraire,Serge Lareault: Ich sage Euch, gebt niemals auf! Ihr solltet im-mer wissen, das, was Ihr in den letzten 20 Jahren getan habt,das war sehr, sehr wichtig! Auch wenn Ihr vielleicht nicht alleserreicht habt, was Ihr wolltet. Ihr habt Leben gerettet! Es gibtnicht so viele Menschen, die das, was Ihr tut, machen wollen.

    Also in diesem Sinne: Happy Birthdaystrassenfeger

    ! Mehr zurTagung gibt es im Heft (Seite 18).

    Auerdem beschftigen wir uns in dieser Ausgabe mit derKrankheit Borderline (Seite 10), stellen Ihnen eine Hutmache-rin vor (Seite 6) und berichten ber die Ausstellung RisikoFreiheit der Stiftung Berliner Mauer (Seite 14). In der Rubrikart strassenfegerinformieren wir ber die neue Ausstellung vonKlaus Staeck Die Kunst findet nicht im Saale statt (Seite 16).Es freut uns sehr, dass wir Ihnen eine neue Mitstreiterin vorstel-len knnen: Anne Lydia kommt ursprnglich von der Obdach-losentheatergruppe Ratten07. Ab dieser Ausgabe wird sieunter der Rubrik Punk trifft Promi ihre Promi AnnA LYseprsentieren. Diesmal steht ihr Nanette zum 36. Geburtstag desSO 36 Rede und Antwort (S 26). Im Sportteil informieren wirSie ber das 8. PankowFestival des Sportvereins Pfefferwerk

    e.V. (Seite 24) und ber die Schwimm-Europameisterschaftenim Velodrom (Seite 25).

    Ich wnsche Ihnen, liebe Leser_innen, wieder viel Spa beim Lesen!Andreas Dllick

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    SCHWARZ & WEISSSchwarz au wei oder Schwarzer Peer

    Vom Schachspielen eine Vorbemerkung

    Die Humacherin

    Pessimisen OpimisenZieh das kleine Schwarze an

    Zwischen den Exremen: Menschen mi Border-

    line-Srung

    Einache Wel: Schwarz-Wei

    Hans Bayer. Kriegsbericher im Zweien Welkrieg

    Risiko Freihei Fluchhile r DDR-Brger

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    TAUFRISCH & ANGESAGTa r t s t r a s s e n f e g e rKlaus Saeck Kuns finde nich im Saale sat

    Eine Aussellung der Naionalgalerie au Li-

    asulen in Berlin

    I N S PINSPirierende Jahresagung des Inernaionalen

    Nezwerkes der Sraenzeiungen in Glasgow

    s t r a s s e n f e g e r r a d i oDeuschlandradio will sich neu erfinden

    K u l t u r t i p p s

    skurril, amos und preiswer!S p o r t. PankowFesival

    Schwimm-Europameiserschafen in Berlin

    P U N K t r i f f t P R O FDas SO wird

    B r e n n p u n k tKungelei hiner verschlossenen Tren

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    AUS DER REDAKTIONH a r t z I V - R a t g e b e rErsaussatungen Teil

    K o l u m n eAus meiner Schnupfabakdose

    V o r l e t z t e S e i t eLeserbriee, Vorschau, Impressum

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    stras senfeger | Nr. | August - September | SCHWARZ & WEISS

    Vom SchachspielenEine VorbemerkungB E T R A C H T U N G : A n n a G o m e r

    Wir brauchen nicht weit zu gehen:Die Bilder haben wir schnell vorAugen, wenn wir das WortpaarSchwarz/Wei hren. Wir

    denken womglich an solche allgegenwrtigenDinge wie an den Strichcode auf den Waren,an Nummernschilder und an das Klavier, an

    YinYang und an Schach, um nur die verbrei-tetsten zu nennen. Schwarz-Wei-Denken stehtfr die extrem vereinfachte Weltsicht der Kon-flikte und der Propaganda. Schwarz-Wei istaber auch der denkbar schrfste wahrnehmbareKontrast, was wohl auch die Wahl der beidenFarben fr die Nummernschilder und denStrichcode begrndete.

    Unser Sehsinn ist durch ein faszinierendes phy-siologisches Phnomen geprgt, die sogenannteSeitliche Hemmung. An den Gestaltgrenzenhemmt nmlich die Netzhaut bestimmte Lichtim-pulse, sodass das Dunkle dunkler erscheint unddas Helle heller und wir dadurch die Welt schr-

    fer, kontrastreicher sehen. Schwarz erscheintschwrzer, Wei im Verhltnis weier. Doch inder wahrnehmbaren Natur sind Gren wie dasabsolut Schwarze und das absolut Weie nichtwirklich vorhanden. Es sind vielmehr mentaleKonstrukte. Denn das absolut Schwarze, die ab-solute Abwesenheit des Lichts also, gibt es the-oretisch nur in der astronomischen Erscheinungdes Schwarzen Lochs, aus dem selbst das Lichtnicht entweichen kann. Weit weg also, in einerweit entfernten Galaxis

    Und dennoch prgt das Schwarz-Wei-Denkenunsere alltgliche Weltsicht. Schwarz und Weisind keine Farben, das Begriffspaar steht nochnicht einmal nur fr das Visuelle. Sondern frden Kontrast schlechthin. Schwarz und Weisind untrennbar miteinander vereint. Aus ihrer

    Scheidung entsprang einmal in Mythen die Welt.In chinesischen Mythen besiegte der Riese Pangudas Chaos, indem er die schwarze Erde (Yin)und den weien Himmel (Yang) voneinandertrennte. Im biblischen Schpfungsmythos gehtes bekanntlich hnlich vonstatten:

    Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde.Und die Erde war wst und leer, und es war

    finster auf der Tiefe(...)Und Gott sprach: Es werde Licht! Und es ward

    Licht. (1. Mose 1,12,4a)

    Das Begriffspaar Himmel-Erde wird hier mit demdes Lichts und der Finsternis parallel gesetzt.Das Entscheidende fr die europische Welt-sicht und Geschichte ereignet sich jedoch in derBibel noch etwas spter. Der aus den paradiesi-schen Kinderschuhen gehobene Mensch hat vomBaum der Erkenntnis gekostet und kann jetzt dasGute vom Bsen unterscheiden. Et voil! DieGeschichte der ewige Kampf zwischen Gut und

    Bse kann beginnen. Der Mensch wird sterb-lich und in die Welt hinausgestoen.

    Die Gleichsetzung der beiden Seiten Schwarz/Wei bzw. Himmel/Erde mit Kategorien Gutund Bse ist also keine menschliche Konstante.In vielen archaischen Welterklrungsmodellenexistieren das Reich der Toten unter der Erdeund das der Lebenden bzw. der Gtter im Him-mel nebeneinander und durchdringen sich oft.Sie sind wertneutral. So steht auch das chinesi-sche Zeichen YinYang zwar fr die Polaritt derWelt, wobei das Yin mit dem Weiblichen unddas Yang mit dem Mnnlichen gleichgesetztwird. Aber die beiden Ursprnge bilden einGanzes, sie stehen in keinem unlsbaren Kon-flikt miteinander. Vielmehr sind Anteile von Ei-nem im Anderen und umgekehrt stets prsent.

    Keine der beiden Kategorien wird zugunstender anderen abgewertet.

    Warum passiert es aber in der sog. jdisch-christlichen Tradition des europischen Den-kens? Eine mgliche Erklrung knnte in derspteren Beeinflussung des Christentums durchdie Lehre Platos liegen. Seine Ideenlehre gehtvon der Existenz unsterblicher Ideen aus, derenunvollkommene vergngliche Abbilder die mate-rielle Welt ausmachen. Uns eingeschlossen, ver-steht sich. Und was besser ist, liegt auf der Hand.Die Natur ist demnach der Idee unterlegen. Ma-

    terie, Leib, Natur auf der einen Seite also; Geist,Seele, Kultur auf der anderen.

    Zum biblischen Macht euch die Erde unter-tan! ist es auch nicht mehr weit.

    Und so hat sich die europische Tradition wohlimmer mehr verhrtet. Etwas, was ursprnglichEins war, wurde auseinandergerissen. BestimmteEigenschaften wurden nur der einen Seite zuge-schrieben. Andere wiederum ausschlielich aufden entgegengesetzten Pol projiziert.

    Nur ein Beispiel: In der frauenfeindlichenAtmosphre der Frhen Neuzeit, in der vieleFrauen als Hexen verbrannt wurden, habensich die beiden Seiten (einer Medaille, die dasmenschliche Wesen ausmacht?) mit weite-

    Ansich des Augenhinergrundes

    bei der Augenspiegelung. Zenraldie Makula, rechs die Papille

    (Quelle: ReinographyCC BY-SA 3.0)

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    stras senfeger | Nr. | August - September SCHWARZ & WEISS |

    Karikatur:OL

    ren Zuschreibungen angereichert. Der Krper, dieNatur, das Emotionale und das Passive wurden alsweiblich und sndhaft verstanden. Als Etwas, wasvom Mnnlichen, also dem Geist, der Kultur undder Wissenschaft zu bezwingen, zu unterdrckensei. Und so werden heute noch Kinder oft im Geistdieser Ausschlielichkeit erzogen. Den Mdchenwerden das Interesse an Naturwissenschaft, dieStrke und Aktivitt aberkannt. Das Spielzeug feinsuberlich in rosa(warm, Erde) und blau(kalt, Him-mel) getrennt legt den Eltern nahe, wofr sich dieKinder zu interessieren haben. Den Jungen wiede-rum steht bis heute nicht an, Emotionalitt zu zeigen

    und mit Puppen zu spielen. Diese Seite der mensch-lichen Bedrfnisse wird aus den Jungen hinausdivi-diert und auf die Mdchen projiziert. Wer htte denngedacht, dass Rosa und Schwarz, Blau und Wei imSpektrum der Farben so nah beieinander liegen?

    Freilich, unser so vom Auge her bestimmtes Denkenkann ohne Kontrastierungen und Zuspitzungen wohlnicht ganz auskommen. Ein Denken ohne Unter-scheidung ist unmglich. Und oft erscheint uns dieWelt gerade entlang der Konfliktlinien dunkler oderheller als sie wirklich ist.

    Doch darf nicht vergessen werden, dass die scheinbaroffensichtlichen Kontraste und Unterschiede oft Pro-dukte einer langen Reihe von Zuschreibungen sind,also den kollektiven, historischen Denkprozessenund Konflikten entspringen.

    Schwarzes Loch vor Milchsrae

    (Quelle: Ue Kraus, Insiu r Physik, Universi

    Hildesheim, Tempolimi Lichgeschwindigkei

    htp://www.empolimi-lichgeschwindigkei.de)

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    stras senfeger | Nr. | August - September | SCHWARZ & WEISS

    INFO

    www.xn--berlin-he-heb.de/kollekion.php

    Hte, Hte, HteEin Besuch bei einer HutmacherinR E P O R T A G E : D e t l e f F l i s t e r | F O T O S : T h o m a s G r a b k a

    Eigentlich wollte ich ja bei meinem Besuch in derHutmanufaktur herauskriegen, wie das genau istmit dem Zylinder. Ob es ihn nur in Schwarz gibt,

    Sie wissen schon, so wie ihn die Schornsteinfegertragen. Oder ob es auch weie Zylinder gibt. Doch

    bei Doreen Persche, der Inhaberin des Hutladens KleemannHte in der Schnhauser Allee 131, ist man eher auf sehrelegante Modelle fr die modebewusste Frau oder den adret-ten Herrn geeicht.

    Etwas frher als verabredet treffe ich im Hutladen ein. Einejunge Dame geleitet mich nach kurzer Begrung nach hintenin die relativ kleine Werkstatt. Dort begrt mich freundlichund gut gelaunt die Chefin und Besitzerin des Ladens. FrauPersche erzhlt mir erst mal, dass es in den letzten Jahren wie-der einen regelrechten Hutboom gibt. Immer hufiger wrdenin letzter Zeit gerade junge Leute bei ihr Hte bestellen undkaufen. Anlsse, die stets vornehme Bekleidung verlangen

    wie Hochzeiten, feine Gesellschaften und Empfnge sind derGrund fr Hutbestellungen. Auerdem, so die Hutmacherin,wrden bei ihr Hte fr einen Theaterfundus hergestellt.

    Dann gehts ans Eingemachte: Ich will wissen, wie das genauist mit dem ganz besonderen Hut fr den ganz besonderenAnlass. Doreen Persche erklrt mir, dass jeder Hut nach demindividuellen Kundenwunsch angefertigt wird. Je nach Ge-staltungswunsch dauert es drei Stunden bis zu zwei Tage.Das hngt auch von der Routine und Berufserfahrung desHerstellers oder Herstellerin ab. Auf eine persnliche Bera-tung legt die Chefin grten Wert gelegt. Wenn der Kundenicht genau wei, welcher Hut zu ihr oder ihm passt, danngibt es die entsprechenden Tipps, die bei der Entscheidungs-findung, welches Modell denn nun in Frage kommt, ziel- undgeschmackssicher helfen. Entscheiden muss dann letztend-lich der Kunde selbst. Ein Hut kostet je nach erforderlicherZeit zwischen 50 und 200 Euro plus Materialkosten.

    Nach diesen grundlegenden Erluterungen machtsich die Hutstylistin an die Arbeit und fhrt unsdie Hutherstellung vor. Dabei wird der Filz nass

    durch den Strecker (=Form) gezogen und aufGre korrigiert und gestreckt. Dann beginnteigentlich erst die Hauptarbeit, das Handwerk.Die Bnder und andere Dekomaterialien werdenvon Hand genht. Anschlieend werden Bnder,Netz, Federn etc. mit der Hand und der Klebepis-tole an den Hut festgeklebt. Whrend sie arbei-tet, macht unser Fotograf Thomas ein paar Fotos.Dabei lchelt Frau Persche ein wenig verlegen.Das passt zu ihr, denn sie macht einen sehr be-scheidenen und freundlichen Eindruck, ist sehrkooperativ und gibt mir alle gewnschten Aus-knfte prompt und ohne Zgern. Ich fhle, dasssie ihr Handwerk liebt und stolz darauf ist, es zuprsentieren. Sie erzhlt mir ganz nebenbei, dass

    Sommerhte aus Panama (=Palmenfasern) undStroh bestehen, Winterhte dagegen berwie-gend aus Filz bestehen. Dann ist ein Hut fertig,den sie mir stolz prsentiert. Das ist ja ein kleinesMeisterwerk, denke ich mir.

    Dann unterhalten wir uns noch ganz allgemeinber die Tradition des Hutmachens. Die Chefinerzhlt mir, dass dieser Laden schon seit 1905 alsHutgeschft genutzt wird. Sie selbst sei hier schonseit 1998 ttig. An diesem Standort laufe das Ge-schft sehr gut, es habe nur kurz nach der Wendevorbergehend Probleme gegeben. Wo Sie ihrHandwerk erlernt habe, frage ich sie. Sie antwor-tetet wie aus der Pistole geschossen: Bei meinemOnkel! Weiter erfahre ich, dass der Beruf eigent-lich nicht Hutmacher heit, sondern Modist oderModistin und dass die Lehre drei Jahre dauert.

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    stras senfeger | Nr. | August - September SCHWARZ & WEISS |

    Der eigentliche Hersteller des Hutes ist der Putz-macher, erklrt mir Frau Persche. Der Hutmacher

    erledige nur Ttigkeiten wie das Ziehen der Hte.

    Dann will ich wissen, wie das mit dem Nach-wuchs fr diesen Beruf aussieht. Doreen Perscheerzhlt mir, dass zurzeit zwei Mdchen bei ihrdie Ausbildung zur Modistin machen. Der Um-gang der Chefin mit den Auszubildenden ist lo-cker und umgnglich. Ich habe den Eindruck, alswrden die beiden Mdchen mit groer Freudean ihre Ausbildung gehen. Dann komme ich mitder Auszubildenden Kati ins Gesprch. Ich fragesie, wie denn ein junges Mdchen darauf kommt,Modistin zu werden. Das sei ja schlielich nichtunbedingt naheliegend. Sie berichtet mir, dassihr Vater einen Arbeitskollegen htte, der Kon-takt zum Geschft unterhalten wrde. Nach demAbitur und vor dem Studium hatte sie unbedingtetwas Handwerkliches machen wollen und be-

    gann deshalb hier ein Praktikum zu absolvieren.Die Ausbildung sei sehr interessant und es ma-

    che ihr groen Spa. Durch dieses Praktikum seibei ihr das Interesse an dem Beruf der Modistinendgltig geweckt worden. Deshalb habe sie sichentschlossen, eine Ausbildung bei KleemannHte zu machen.

    Ich fand die Zeit in dem Geschft sehr interes-sant und freute mich besonders ber die Freund-lichkeit und Auskunftsfreudigkeit von DoreenPersche und ihrer Azubine Kati. An dieser Stelledeshalb recht herzlichen Dank. Nicht jederHandwerksbetrieb nimmt sich die Zeit, whrenddes laufenden Betriebes einem neugierigen Jour-nalisten Rede und Antwort zu stehen.

    brigens: Ich habe ganz vergessen, wie das mitden Zylindern ist. Schwarz und wei oder nurschwarz. Vielleicht gehe ich noch mal hin.

    Doreen Peschke verseh ihr Handwerk und sat schwarz bzw. wei geh es bei ihr eher arbenroh um

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    Wer Wei will, mussauch schwarz mgenEine KneipenbetrachtungT E X T : J e a n n e t t e

    Am Tag, als unsere Stammkneipe das letzte Malffnete, begann ein wehmtiger, aber lustigerAbend mit allen Menschen, die einem kneipen-mig ans Herz gewachsen waren. Ein paar Tagevor dem obligatorischen Restetrinken haben wir

    alle zusammen das schnste Silvester seit langem gefeiert.Wir haben gesungen und getanzt bis in den Vormittag. DieKneipe war brechend voll, was allerdings nicht der Besucher-menge, sondern eher der Wohnzimmergre geschuldet war.Geschtzte 30 Quadratmeter Gemtlichkeit gaben uns einzweites Zuhause, in das man sich auch als Frau allein hineintrauen konnte, wenn mal wieder niemand Zeit hatte.

    In der Bar traf man immer jemanden, mit dem man sich berGott und die Welt unterhalten konnte. Vor dem Nichtrau-

    cherschutzgesetz gab es nicht nur Getrnke, sondern auchfrische Pasta in allen Variationen zum Studentenpreis. DieEntscheidung, die aufgrund des Gesetzes fr oder gegen dasRauchen im Gastraum gefllt werden musste, fiel aufs Trin-ken und Rauchen. Damit blieb die Laufkundschaft weg undwir waren vllig unter uns. Die vertraute Umgebung und diekleine Kneipengre waren fr uns als Gste traumhaft, frden Wirt leider nicht zukunftsfhig. Zumal der Vermieter,wie so viele im Szenebezirk Friedrichshain, sein Glck inhohen Mieten suchte. Letztendlich wird nun italienischerKaffee und Zubehr in dem Laden verkauft, der uns vielenette Abende bescherte.

    Das seit Jahren anhaltende Kneipensterben hat Gegnerund Befrworter. Viele sind genervt, dass die Lden, indenen sie seit Jahren mit Hinz und Kunz bei Molle undKorn gesessen haben, nach und nach schlieen und dafrSchickimicki-Bars oder Bio-Fairtrade-Bcherlden ffnen.Zum einen reicht die fr den Berliner typische Flaute imGeldbeutel, ob nun durch Hartz IV oder Niedriglohn, nichtfr die Touristenpreise. Zum anderen ist die Stimmung ineiner Cocktailbar von mindestens 50 Quadratmetern nichtannhernd vergleichbar mit der in einer Eckkneipe. Die Be-frworter dagegen argumentieren mit verlotterten, lautenund vor allem alkoholkranken Nichtsnutzen, die das Stadt-bild verschandeln, dass sie so frsorglich und uneigennt-zig aufbauen wollen.

    Zugegeben, von auen laden Spelunken wie Der Magen-doktor, Berliner Bier-Akademie oder Kaputter Heinrichmit nikotingelben Gardinen und Plastikblumen nicht jedenzum Verweilen ein. Aber auch da muss man unterscheiden es gibt nicht nur schwarz (Eckkneipe) und wei (Cocktail-Msli-Kaffeebar). Und nicht jede Eckkneipe hat den Charmeeiner Messie-Wohnung. Jeder Mensch ist individuell und ent-scheidet selbst, was er fr gemtlich und angemessen hlt.Einer sitzt gern auf Designermbeln und schlrft Long IslandIce Tea, ein anderer neben Kalle an einem Tresen, der seinebesten Jahre schon lange hinter sich hat.

    Noch vor 150 Jahren war Berlin die Stadt mit der hchs-ten Kneipendichte Europas. Die Lebensbedingungen zurJahrhundertwende waren miserabel - die Fabriken stanken,

    die Mietkasernen platzen aus allen Nhten ein Platz imWirtshaus war der ertrglichste Platz. 30 000 lizensierte Lo-kalitten gab es 1930 in der Stadt, 2002 waren es nur noch15 000. In den letzten Jahren gab es mehr Gewerbeabmel-dungen als anmeldungen. Das liegt nicht nur daran, dassdie Mehrheit der Berliner nicht mehr genug Geld haben, ingeselliger Runde den Feierabend oder das Wochenende ein-zuluten. Die Gentrifizierung der Innenstadtbezirke, allenvoran Prenzlauer Berg und Friedrichshain, hat ebenso dazubeigetragen. Nicht zu vergessen die Initiativen gegen Knei-penlrm, die von zumeist Zugezogenen ohne Rcksichtdurchgezogen werden. Der Berliner, der seine Ruhe habenwill, wrde nie auf die Idee kommen, in eine Wohnung ander belebten Kneipenmeile zu ziehen. Aber Klischees hinund Vorurteile her sollten wir uns einmal fragen, wie sichunsere Mitmenschen einen gemtlichen Abend vorstellenund echte Toleranz zeigen fr weie und schwarze Eckenin Berlin!

    Die urale Kneipe Al Berlin musse wegen Genrifizierung schlieen

    (Foo: Andreas Dllick VG Bild-Kuns)

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    Zieh das kleine Schwarzean, das geht immer!Wo Chanel draufsteht, ist nicht immer Chanel drinB E T R A C H T U N G : A s t r i d

    Zeitlos, elegant und klassisch oderwie Coco Chanel 1926 ahnte, Die-ses schlichte Kleid wird eine Artvon Uniform fr alle Frauen mit Ge-

    schmack werden. Die Rede ist vom berhm-ten kleinen Schwarzen, das auch heute nochviele Frauen besitzen.

    Fr fast 90 Jahre hat sich dieses Kleid in derMode gehalten, fast einzigartig ber so eine langeZeit. Zwar hat sich sein Gesicht vom ersten Ent-wurf, der ein oberschenkellanger Pullover mitknielangem Rock war, gendert. Aber auch heutetragen normale Frauen wie auch Prominente esimmer wieder. Und wer von der etwas lteren

    Generation kann schon das kleine Schwarzeaus dem Filmklassiker Frhstck bei Tiffanyvergessen? Spter kamen Zweifel an der Urhe-berschaft von Coco Chanel auf. Doch das ist ei-gentlich Haarspalterei, denn es geht ja um dasKleid, nicht wer es entworfen hat.

    Wenn man im Internet kleines Schwarzes ein-gibt und dann auf Bilder drckt, tauchen Tau-sende auf. Angefangen mit Coco Chanel berAudrey Hepburn, ber Stars und Sternchen beiverschiedenen Anlssen bis hin zum Dirndl-Style. Neugierig klicke ich mich auf die Dirndl-Seite. Tatsache, da verkauft jemand Dirndl alskleine Schwarze. Gemusterte, karierte, ge-

    streifte und auch schwarze Dirndl mit weierSchrze. Was hat das mit dem kleinen Schwar-zen zu tun? Kopfschttelnd kehre ich wiederzur Hauptseite zurck. Weiter mit den Bildern.

    Das nchste Bild, das meine Aufmerksamkeitbekommt, ist das eines Modells auf dem Lauf-steg. Sie trgt ein kleines Schwarzes, stimmt.Nur, das ist durchsichtig, und darunter trgtdas Modell die passenden Dessous. Jetzt bin ichbaff! Was kann ich denn noch finden. Wie sangNena: Ich will Spa! Nach einiger Zeit habeich kleine Schwarze in fast jedem Stoff gefun-den, auch in Leder. Die meisten sind klassischgeschnitten. Seltsamerweise fand ich auch einenHerren in einem Badeanzug, der Badeanzug warhsslich, der Herr nicht. Und manche der Da-men, die sich ablichten lieen, haben nicht die

    passende Figur fr ein kleines Schwarzes. Damuss es schon ein groes Schwarzes sein.

    Pltzlich tauchen Farben auf. Hallo, das soll daskleine Schwarze sein, ber das wir reden? Ichfinde auch Kleider in Zebrastreifen, nun wirdsalbern. Was Autos, Spinnen und andere Tieremit dem Kleid zu tun haben, will ich erst garnicht wissen. Dann finde ich ein bodenlangesAbendkleid und berlege: Habe ich das kleineSchwarze etwa missverstanden? Ich suche wei-ter und entdecke mehrere berschriften: VonCoco Chanel ber rckenfrei bis sexy. Ich klickeauf sexy. So htte Audrey Hepburn aber nicht vordem Tiffanys stehen knnen. Von Dessous bis

    Lackkleider, die nicht mehr viel Platz fr Tru-mereien lassen, sondern alles preisgeben, findeich dort alles. Mit roten Ohren gehe ich wiederauf die Hauptseite zurck.

    Zurck auf der Hauptseite berlege ich kurz,dann gebe ich noch mal kleines Schwarzes ein.Nur dieses Mal ohne die Bilder. Donnerwetter,es gibt auch kleine schwarze Brautkleider? Alsich die anklicke, sind die wei, aber im Stil desOriginals. Dann werde ich noch mal richtig kre-ativ. Mal sehen, was ich zum kleinen Schwar-zen noch so alles finden kann. Und siehe da:Ein Hotel in Hamburg mit diesem Namen. EinRestaurant in Kln, leider geschlossen. Noch ein

    Restaurant in Kln, das scheint offen zu sein.Einen kleinen schwarzen Kfer, der sich dannals Erdbeerrsselkfer rausstellte. Knnte aberauch ein Kugelkfer gewesen sein. Wahnsinn,was man so alles finden kann, wenn man kleinesSchwarzes eingibt!

    Ich glaube nicht, dass Coco Chanel damalswusste, was sie mit ihrem einfachen klassischenKleid auslsen wrde. Ein kleines schwarzesKleid, das auch heute noch getragen wird, hatmir eine vergngliche Zeit vor dem Computereingebracht. Ich brach ab und zu bei den Bildernin schallendes Lachen aus. Und vor allem fr dieHerren, die manchmal von ihren Frauen hren:Schatz, ich habe nichts anzuziehen! gab es eineAntwort. Liebling, zieh das kleine Schwarzean, das geht immer!

    Das Kleine Schwarze Naaliya Gosiy modeling in

    Cynhia Rowley spring 2007 show, New York Fashion

    Week. (Quelle: Wikipedia/Peer Duhon/Gosiy3edi2CC BY 2.0/)

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    VersehrteExperten haben in den vergangenen Jahrzehnten eineVielzahl neuer Erkenntnisse ber die Borderlinestrunggewonnen und neue Therapieverfahren entwickelt. Frdie Betroffenen bleibt die Erkrankung eine enorme Lei-densgeschichte.T E X T : J u t t a H e r m s

    Viele Borderliner verletzen sich selber. Dasstimmt. Die allermeisten Borderliner sindFrauen. Das stimmt nicht. Borderliner knnenfr das Gegenber sehr anstrengend sein. Dasstimmt. Therapien sind bei Borderlinern prak-

    tisch aussichtslos. Das stimmt nicht. Aber der Reihe nach.Borderline wrtlich bersetzt bedeutet Grenzlinie und ist

    eigentlich kein guter Ausdruck fr die Strung, die er beschrei-ben soll. Der Begriff stammt noch aus dem Jahr 1938. Damalshatte der US-amerikanische Psychoanalytiker Adolf Stern mitPatienten zu tun, die er nicht so recht einordnen konnte. Da sie

    sowohl neurotische als auch psychotische Symptome aufwie-sen, ordnete Stern sie in einer Art bergangsbereich zwischenbeiden Strungen ein und sprach von the border line group.Heute interpretieren viele Betroffene den Ausdruck Borderlinefr sich um: Sie sehen sich als Grenzgnger, als immer naheam Abgrund stehend, immer auf der Kippe.

    Korrekterweise spricht man von Borderline-Persnlich-keitsstrung. Als solche ist sie als eigenstndige psychischeKrankheit im Diagnosekatalog der Amerikanischen Psychiat-rischen Gesellschaft aufgefhrt. Die Bezeichnung der Krank-heit deutet an, dass es hier um eine tiefgreifende, die ganzePersnlichkeit betreffende Strung geht.

    b r i g g e b l i e b e n e K r i e g s v e r l e t z u n g e n

    Die junge Frau, die hier Charlotte heien soll, hat einen festenHndedruck. Zu unserem Treffen hat sie ihren Hund mitge-bracht, der sich im Caf unter den Tisch legt. Charlotte ist 29Jahre alt, hat schwarzgefrbte kurze Haare, ihre Augen fla-ckern aufgrund einer Sehstrung permanent hin und her. Sieist die Einzige, die sich auf Anfragen an Selbsthilfegruppengemeldet hat. Sie sei gerne bereit von sich zu erzhlen, hatsie am Telefon gesagt, heute gehe es ihr ja gut, da knne sievielleicht Vorbild fr andere sein.

    Distanziert und klug erzhlt sie ihre Geschichte, die eineLeidensgeschichte ist. Sie wirkt klar und aufgerumt. Die Di-agnose Borderlinestrung hat sie mit 18 Jahren bekommen.Da hatte ich schon einen Haufen Kliniken und Therapienhinter mir, die alle nichts geholfen haben, sagt sie. In Klini-ken sei sie aber auch nach der Diagnose immer wieder gewe-sen, zur Therapie, oder weil sie in Krisen geraten war. Erst seitein, zwei Jahren kme sie ohne Klinik aus. Es gehe ihr besser,sie sei nicht mehr so krisenanfllig, sei nicht mehr enormen

    Gefhlsschwankungen ausgesetzt. Ich bin ein-fach auch erwachsener geworden. Was brigge-blieben sei aus ihren heftigen Borderline-Jahren,seien ihre Kriegsverletzungen. Sie zeigt ihreHandrcken. Runde, weie Narben sind auf bei-den zu sehen, sie stammen von ausgedrcktenZigaretten.

    Ein Kernmerkmal der Borderlinestrungsind diffuse Spannungszustnde, in die die Be-troffenen immer wieder geraten. Viele von ihnengehen mit diesen Zustnden in der fr Auen-

    stehende so verstrenden Weise der Selbstverlet-zung um. Sie ritzen sich mit Schneidewerkzeu-gen die Haut auf, schlagen Krperteile gegen eineWand oder fgen sich Verbrennungen zu. Sietun das, um aus ihren Hochspannungszustndenhinauszukommen, um Druck abzulassen. Mit-tels bildgebender Verfahren hat man inzwischennachgewiesen, dass die Selbstverletzungen beieiner Vielzahl an Betroffenen dazu fhren, dassdas innere Stresssystem herunterfhrt. Hufighrt man von Betroffenen zudem, sie verletztensich, um mich wieder zu spren.

    W e c h s e l z w i s c h e n I d e a l i s i e r u n gu n d E n t w e r t u n g

    Personen mit einer Borderlinestrung durch-leben zudem das ist ein weiteres zentralesMerkmal der Strung extreme Gefhlslagen.Ein falsch verstandenes Wort, eine vermeintli-che Krnkung knnen ausreichen, um bei ihneneinen heftigen Wutausbruch hervorzurufen. Frihr Gegenber kann das schwer verstndlich undschwer aushaltbar sein. Emotional wichtigenPersonen begegnen die Betroffenen hufig miteinem Wechsel aus Idealisierung und Entwer-tung, es gelingt ihnen nicht, eine konstante Vor-stellung von dieser Person zu bekommen. Auchin Bezug auf das Selbstbild herrschen bei Men-schen mit Borderline-Strung oft Schwarz-Wei-Schemata vor: In einem Moment fhlen sie sichminderwertig, im nchsten gro und allmchtig.Die Schwierigkeit, Graustufen wahrzunehmen,

    Cover eines Buches, das 1989

    ersmals erschien und bis heue in

    akualisierer Fassung augeleg wird

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    stras senfeger | Nr. | August - September | SCHWARZ & WEISS

    Einfache WeltLeben in einfachen Gegenstzen: Schwarz-WeiB E R I C H T : J a n M a r k o w s k y

    Arme Menschen im Wedding als Beispiel: Sie le-sen jeden Morgen ihre Bild? Und was in derBild steht, ist richtig? Sie kommen ganz gutohne Bcher aus? Die Flimmerkiste reicht Ih-nen? Willkommen im Club. 1984/85 hat der

    Berliner Chef der Gewerkschaft ffentliche Dienste Trans-port und Verkehr stolz gesagt: Wenn ich pfeife, dann stehtdie BVG hinter mir und streikt!. Ich erinnerte mich an die-sen Ausspruch, als der Verein Unter Druck Kultur von

    der Strae von Berlin-Mitte mit seinem kreativen Umfeld inden Arbeitslosenbezirk Wedding ziehen musste, und die kre-ativen Angebote des Vereins wie Theatergruppe in der Lufthingen. Das hat sich inzwischen gendert. Nicht gendert hatsich das geringe Interesse an den kreativen Angeboten beiden Menschen in prekren wirtschaftlichen Verhltnissen imKiez. Nach Jahren im Wedding wei ich, das Leben hat hierseinen eignen Reiz. Die Menschen kennen sich seit Jahren,klatschen bereinander, streiten miteinander, helfen einander.Die Solidaritt der Armen macht den Wedding lebenswert.

    Ein Gegenbeispiel: IchMeine Mutter war rztin, mein Vater musste das Studiumder Medizin abbrechen. Mein Vater interessierte sich fr Ge-schichte, Literatur, Theater, klassische Musik, Architektur al-ter Gebude. Als Familienvater fuhr er einige Jahre von Velten

    ins nahe Westberlin. Er hat neben Bananen den Spiegel ge-kauft. Da stand neben kritischen Berichten zur damals aktuel-len Politik auch das Neueste aus der Welt der Wissenschaft. Erhat mir als Jugendlicher davon erzhlt, und bei mir ist einigeshngen geblieben. Dazu kam, dass ich zur Jugendweihe dasBuch Weltall Erde Mensch erhalten habe, damals mit frmich interessanten Beitrgen aus der Wissenschaft, die weitber Inhalte der Schulbcher hinausgingen. Noch als Schlerhabe ich deutschsprachige Zeitschriften ber wissenschaftli-che Ergebnisse gelesen. Ich habe nicht jedes Detail verstan-den, aber mein Interesse wurde geweckt. Wie Wissenschaftfunktioniert, habe ich spter verstanden.

    Ein Lebensmotto haben mir meine Eltern mit auf denWeg gegeben: Sie wurden vom II. Weltkrieg und dessen nichtgrade grandiosem Ende berrascht. Deshalb wollten sie sich

    nie wieder belgen lassen. Meine prinzipielle Distanz zur Ob-rigkeit hat genau damit zu tun.In der eigenen Familie habe ich erleben knnen, dass

    lngst nicht alle Menschen meine Distanz teilen knnen.Meine Mutter war als brave Professorentochter in Vorpom-mern aufgewachsen. Vater, schwer lungenkrank, mussteseine Ruhe haben. Und da musste das ltere Mdchen imStreit mit ihrer Schwester wohl oder bel einlenken. MeineMutter ist ihr Leben lang das brave Mdchen geblieben. Einjngerer Bruder lebt mit seiner schwer behinderten Frau einbescheidenes kleinbrgerliches Leben mit Boulevardblatt alsZeitung und Fernseher als Zeitvertreib. Er war in sehr frherKindheit schwer krank. Die Beeintrchtigung der kogniti-ven Fhigkeiten in frher Kindheit kann nicht ausgeschlos-sen werden. Fest steht, dass er groe Schwierigkeiten in derSchule hatte. An den Diskussionen ber Literatur, Musik undKunst konnte er sich nicht einbringen. Er musste sich aus-geschlossen fhlen. Dubiose Freunde bereiteten ihm einigen

    rger. Er drohte abzurutschen, hat sich dannnoch gefangen. Fr ihn ist das kleinbrgerlicheLeben, dass bei uns am Abendbrottisch verpntwar, schon eine Lebensleistung.

    Wider den einfachen WahrheitenStudenten der Katholischen Hochschule fr So-zialarbeit hatten vor vielen Jahren gemeinsammit dem Klik e.V., einem Kontaktladen frStraenjugendliche, junge Menschen an sozia-len Brennpunkten befragt. Die Interviews wur-den erst in der Auswertung geordnet. Heraus-gekommen ist, dass es den Obdachlosen nichtgibt. Jeder Mensch geht mit dem Umstand, seineWohnung verloren zu haben, anders um, richtet

    sein Leben auf der Strae anders ein. Aufgefallenwar den Studenten, dass viele Jugendliche denmateriellen Mangel beklagten, aber nicht we-nige von der Freiheit schwrmten. Es stellte sichheraus, dass die Jugendlichen, die dem Druckberbemhter Eltern mit Bildungshintergrundentflohen sind, in der Mehrheit die Freiheit desStraenlebens betonten, und die Kids aus pro-blematischen Elternhusern eher den Mangelbeklagten. Die Jugendlichen mit Eltern aus demBildungsbrgertum fanden fr sich auch eher ei-nen Weg aus der Obdachlosigkeit heraus.

    Ein grade zu abschreckendes Beispiel,welchen Schaden einfach gestrickte Menschenanrichten knnen, war Erich Mielke. Die Mit-glieder des Politbros waren kleinliche Spieer.Aber dieser einfach gestrickte Grobian war dieKrnung. Einfach abschreckend.

    Farbernsehger Color 20 VEB Fernsehgerewerk Saur, DDR 1969

    (Quelle: Bundesarchiv Bi ld 183-H0812-0031-001, Werbung, RFT Color 20, FernseherCC-BY-SA-3.0-de)

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    INFO

    Die Aussellung is noch bis zum 16.November zu sehen, glich von 10bis 20 Uhr. Der Einrit is rei.

    Mehr uner www.opographie.de

    stras senfeger | Nr. | August - September SCHWARZ & WEISS |

    Teil der naionalsozialisischen

    Propagandakompanie: Hans Bayer,

    Sommer 1941 (Foo: priva)

    Ernste Wahrheiten,

    heiter verpacktIm Haus der Topographie des Terrors ist derzeit die Ausstellung HansBayer. Kriegsberichter im Zweiten Weltkrieg zu sehen. Als Thaddus Trollwurde Bayer nach 1945 einer breiteren ffentlichkeit bekannt.T E X T : J u t t a H e r m s

    H

    ans Bayer alias Thaddus Troll verffentlicht 1972einen Nachruf auf sich selber. Darin schreibt er,zu Beginn der NS-Diktatur sei er 18 Jahre alt ge-wesen, also intellektuell fhig, sich die Zukunft

    vorzustellen, aber nicht mutig genug, sich ihr ent-gegenzustellen. Er sei den Weg des geringsten Widerstands ge-gangen, habe versucht, sich ohne allzu groe Zugestndnissedurchzumogeln, durchzumauscheln, zu berleben. An andererStelle schreibt Bayer, er sei sieben Jahre Soldat gewesen. SeineTtigkeit als Kriegsberichterstatter deutet er damit nur an. Sohlt er es bis zum Schluss er schweigt darber. 1980 begeht er,der an Depressionen leidet, Suizid.

    Die Ausstellung ber Hans Bayer, die seit Mitte August in derDokumentationssttte Topographie des Terrors zu sehen ist,wirft nun ein Licht auf diese, von Bayer selber verschwiege-nen Jahre. Erstmals berhaupt stehe damit ein ehemaligerAngehriger der sogenannten Propagandakompanien (PK) imZentrum einer Ausstellung, sagt Andreas Nachama, Direktorder Stiftung Topographie des Terrors. Bayer sei kein berzeu-

    gungstter gewesen, so Nachama, jedoch ein Mitwisser, einMitlufer, ein Rdchen im Getriebe.

    Als Hans Bayer 1938 zum Wehrdienst einberufen wird, ister 24 Jahre alt. Studium und Promotion hat er bereits abge-schlossen, er hat Artikel fr regionale Zeitungen verfasst.Dass er schreiben will, wei er, seitdem er jugendlich ist. DieAussicht, Teil der nationalsozialistische Propagandakompa-nie zu werden, sieht er als Chance, auch im Krieg seinen jour-nalistischen Ambitionen folgen zu knnen. Als PK-Mitgliedist er dann im besetzten Polen stationiert, macht 1941 dendeutschen Feldzug gegen die Sowjetunion mit. 1943 wird erChefredakteur der Armeezeitung Der Sieg.

    Mit den sogenannten Propagandakompanien schaffen die

    Nationalsozialisten eine neue Form der Kriegsberichterstat-tung. Die Berichter sind selber Soldaten und rckten mitden kmpfenden Einheiten an die Front vor. So knnen sie alsunmittelbare Augenzeugen vom Kriegsgeschehen berichten.Etwa 15 000 Mnner sind im Zweiten Weltkrieg in den Propa-gandakompanien ttig.

    Joseph Goebbels, dessen Propagandaministerium die Propa-gandakompanien unterstellt sind, beschreibt die Ttigkeit derPK-Mitglieder so: Der PK-Mann ist kein Berichterstatter imherkmmlichen Sinne, sondern ein Soldat. Neben Pistole undHandgranate fhrt er noch andere Waffen bei sich: die Film-Kamera, die Leica, den Zeichenstift oder den Schreibblock.Das von den Berichtern abgegebene Material geht zunchstan Mitarbeiter des Propagandaministeriums. Dort wird es imSinne der NS-Propaganda zensiert und verflscht. Kriegs-berichterstattung war niemals frei, sagt die Kuratorin derAusstellung, Claudia Steur.

    Hans Bayer ist mehrere Male im WarschauerGhetto, unter die Fotos einer Reportage setzter antisemitische Bildunterschriften. Er arbeitetgetreu den Vorgaben seiner Vorgesetzten, brichtnicht aus. Er sieht Freunde sterben, wird Augen-

    zeuge von Kriegs- und Massenverbrechen, vonRaub und Mord. Hatte er eine Wahl? Er hattekeine Wahl, Soldat zu werden, sagt KuratorinSteur, doch die Entscheidung, Teil der PK zuwerden, traf er ganz bewusst.

    Wie so vielen anderen gelingt es Bayer nach1945, seine Karriere in dem Beruf fortzusetzen,den er zuvor in den Dienst der Nazi-Diktatur ge-stellt hatte. Bayer gibt sich den Namen ThaddusTroll, schreibt Feuilletonartikel fr diverse groeZeitungen. Dabei folgt er der Maxime Ernstesheiter verpacken, er hat die Erfahrung gemacht,dass das beim Leser besser ankommt. PolitischeTexte schreibt er nicht mehr. 1967 macht ihn sein

    Buch Deutschland deine Schwaben einem gro-en Publikum als schwbischer Mundartdich-ter bekannt. Bis zu seinem Tod verffentlicht eretwa 70 Bcher. 1969 betreibt er Wahlkampf frWilly Brandt, auf deutscher und internationalerEbene setzt er sich fr die Belange von Publizis-ten und fr freie Meinungsuerung ein.

    Dass Hans Bayer alias Thaddus Troll seineJahre als Kriegsberichterstatter fr die Naziszeitlebens nicht ffentlich gemacht hat, ber-rascht Andreas Nachama nicht. Die Erfahrungzeige, dass man an viele Geschichten von T-tern nicht herankomme, solange die Akteurelebten. Die Biografien der groen Tter, diekenne man heute, so Nachama, mit der Erstel-lung von Biografien wie der von Hans Bayer,stehe man erst am Anfang.

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    INFO

    Erinnerungssttte Notaufnah-mela ger Mari enfe lde

    Sifung Berliner MauerMarienelder Allee 66/80,12277 Berlin

    ffnungszeien:Di. bis So. 10.00 - 18.00 Uhr.Der Einrit is rei.

    Laufzei der Aussellung:23. Augus 2014 28. Juni 2015

    Blick in die rekonsruiere Flch-

    lingswohnung mi Originalmobiliar

    aus den 1950er Jahren

    Sempelinsallaion im Aussellungs-

    raum Das Noaunahmeverahren

    Blick in den Aussellungsraum Das

    Noaunahmeverahren

    Eingangsbereich der Erinne-

    rungsste Noaunahmelager

    Marienelde

    Ein Koffer als Denkmal: Hans-Dieer

    Dubrow und seine Frau flohen

    1953 aus der DDR heue seh ihr

    Fluchkoffer als Erinnerung an das

    Schicksal von rund vier Millionen

    Menschen vor dem ehemaligen

    Noaunahmelager.

    (Foos: www.noaunahmelager-berlin.de /

    ENM And reas Tauber)

    Risiko FreiheitFluchthilfe fr DDR-Brger 1961 1989I N T E R V I E W : A n d r e a s D l l i c k

    25Jahre nach dem Fall der Berliner Mauerwidmet sich nun eine Sonderausstellungin der Erinnerungssttte Notaufnahme-lager Marienfelde den unterschiedlichenAktivitten zur Fluchthilfe von 1961 bis

    1989 als Freiheits- und Widerstandsform. Erstmals sind Ori-ginalobjekte, Fotos und Dokumente von Fluchthelfern zu

    sehen. Informationen zur privaten und organisierten Flucht-hilfe nach dem Mauerbau sind ebenso zu finden wie Expo-nate, Film- und Tondokumente zur Kommerzialisierung derFluchthilfe ab Mitte der 1960er-Jahre sowie zu den Vern-derungen nach dem Transitabkommen. Auerdem werdenden privaten Fluchthilfeaktionen, die es im gesamten Zeit-raum gab, sowie Formen der Fluchthilfe im Jahr 1989 eigeneKapitel gewidmet. Die Ausstellung, die bis zum 28.06.2015luft, wird mit Mitteln der Bundesstiftung zur Aufarbeitungder SED-Diktatur gefrdert. Andreas Dllick sprach fr denstrassenfegermit Dr. Maria Nooke, Stellvertretende Direkto-rin der Stiftung Berliner Mauer und Leiterin der Erinnerungs-sttte ber diese wichtige Ausstellung.

    strassenfeger: Wie kam es zu der Idee, eine Sonderausstel-

    lung zur Fluchthilfe fr DDR-Brger zu organisieren?Maria Nooke: Es gab zwei Grnde. In der Erinnerungs-sttte werden alljhrlich Sonderausstellungen vorbereitet,und es entstand die Idee, in diesem Jahr das Thema Flucht-hilfe aufzugreifen. In der Gedenksttte Berliner Mauer gibtes zahlreiche Kontakte zu Fluchthelfern und den Nachlassder wichtigsten Fluchthilfegruppe, die unmittelbar nachdem Mauerbau mit ihren Aktivitten begann. So konntenwir mit einem kompetenten Team stiftungsbergreifenddiese Ausstellung realisieren.

    Haben sich die Ausstellungsmacher auf Schwerpunkte konzen-triert oder diese Geschichte ganz systematisch aufgearbeitet?

    Da wir uns im 25. Jahr nach der Friedlichen Revolution unddem Mauerfall befinden, wollten wir die Fluchthilfeaktivittenbis zum Ende der Teilung einbeziehen. So entstand die Idee, dieunterschiedlichen Phasen und Formen der Fluchthilfe mit ihrerjeweiligen Spezifik darzustellen. Dabei sind wir auch auf die

    politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedin-gungen eingegangen und haben natrlich die Situ-ation in der DDR als auch in der Bundesrepublikbercksichtigt.

    Auf was fr Dokumente konnten Sie sich sttzen?Das Besondere ist ja, dass wir nicht nur

    Dokumente zeigen knnen, sondern auch vieleExponate, die uns Fluchthelfer oder Flchtlingefr die Sammlung der Stiftung bergeben haben,oder fr diese Ausstellung. Darunter z. B. Uten-silien zur Passflschung oder Werbematerial frFluchthilfe, verschiedene Kommunikationsmit-tel fr die Verstndigung whrend der Fluchthil-feaktionen oder die Schuhe eines Kleinkindes,das 1962 durch einen Tunnel gekrochen ist.Diese Objekte werden durch eine Vielzahl vonFotos und Dokumenten ergnzt, die teilweiseaus den Nachlssen der Fluchthelfer stammen,aber auch aus Unterlagen der Stasi. Diese gebeninteressante Aufschlsse ber die Methoden desMinisteriums fr Staatssicherheit, die Flucht-

    hilfe mit allen Mitteln zu bekmpfen.

    Wie ist die Ausstellung aufgebaut?Der Hauptteil der Ausstellung ist in fnf

    Kapitel eingeteilt, die sich auf die unterschied-lichen Phasen der Fluchthilfe beziehen. Zudemgeben wir Informationen ber die verschiedenenFluchthilferouten in Berlin und ber die soge-nannten Drittstaaten, also Lnder wie die Tsche-choslowakei, Ungarn, Rumnien und Bulgarien sowie ber die rechtlichen Rahmenbedingun-gen in der Bundesrepublik und der DDR.

    Gibt es auch Zeitzeugen, Betroffene, Opfer, diewhrend der Ausstellung zur Wort kommen?

    Ja, natrlich. Wir mssen ja bei so einemumfangreichen Thema exemplarisch arbei-ten. Deshalb werden in jedem Kapitel einzelne

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    Fluchthilfegruppen oder Fluchthelfer mit ihrenAktivitten vorgestellt, die fr diesen Zeitraumtypisch sind. Ebenso werden einzelne Flcht-lingsschicksale vorgestellt. Das ist wichtig, umdie Motivationen von Fluchthelfern und Flcht-lingen zu verdeutlichen. Begleitend zur Ausstel-lung wird es nicht nur zur Erffnung am 22.

    August 2014 Gesprche mit Zeitzeugen geben,sondern auch bei weiteren Veranstaltungen.

    Im Pressetext heit es, dass sich die Expositionunterschiedlichen Aktivitten zur Fluchthilfevon 1961 bis 1989 als Freiheits- und Wider-standsform widmet. Was muss der Besucherdarunter genau verstehen?

    Es ist ja die Frage, wie wir heute im Rck-blick das Handeln der Fluchthelfer bewertenund historisch einordnen. Prof. Peter Steinbach,der fr seine Forschungen zur Widerstandsge-schichte whrend der NS-Zeit bekannt ist, wiesschon vor Jahren darauf hin, dass die Aktivit-ten der Fluchthelfer, die sich mit ihrem Handeln

    nicht nur fr fluchtwillige DDR-Brger einsetz-ten, sondern damit auch ein Signal fr Freiheitund gegen den SED-Unrechtsstaat setzten, alsAusdruck ihres Widerstandswillens zu wr-digen sind. Ob dies grundstzlich so bewertetwerden kann und wo die Grenzen zu ziehensind, stellen wir zur Diskussion. Das Handelnder Fluchthelfer, welcher Gruppe sie auch zuzu-ordnen sind, war vom Artikel 11 des Grundge-setztes abgesichert: Er gewhrt Freizgigkeit fralle Deutschen, auch fr die, die damals in derDDR lebten. Die Fluchthelfer haben ihnen beider Wahrnehmung dieses Rechts geholfen.

    Welche spezifischen Formen der Fluchthilfegab es eigentlich?

    Es gab von Idealismus und politischer ber-zeugung motivierte Fluchthelfer, die sich in

    Gruppen organisierten oder auch einzeln arbei-teten. Es gab Leute, die die Fluchthilfe fr sichals Geschft entdeckten oder auch rein privateFluchthilfe. Unmittelbar nach dem Mauerbauwurde sehr viel mit Pssen gearbeitet, dann be-gannen die Tunnelgrabungen und wenig spterder Umbau von Autos und Fluchthilfe ber dieTransitstrecken, spter ber Ostmitteleuropa.Auch die private Fluchthilfe bediente sich hn-licher Formen. Wer mehr wissen will ist herzlicheingeladen, sich die Ausstellung anzuschauen.

    Haben Sie ein herausragendes Beispiel fr dieBesucher, unter welch schwierigen Bedingun-gen Fluchthilfe berhaupt nur mglich war?

    Bekannt sind natrlich die Tunnelgrabungen,von denen es in Berlin mehr als 70 gab. WenigerAufmerksamkeit galt bisher der Fluchthilfe mitPssen. Da haben wir tolle Beispiele sowohl vonprofessionellen Fluchthelfern, die sich eine rich-tige Flscherwerkstatt aufgebaut haben, als auchvon Privatpersonen, die aus Radiergummis Stem-pel schnitzten. Spannend ist auch, welche Per-sonen bereit waren, so ein Risiko zu wagen. Zuunserer Erffnungsveranstaltung wird der derzei-tige deutsche Botschafter in Moskau als Zeitzeugeanwesend sein, der als Jugendlicher seinem Vetterund dessen Freund mit selbst geflschten Pssendie Flucht von Bulgarien in die Trkei ermglichte.

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    stras senfeger | Nr. | August - September | TAUFRISCH & ANGESAGT a r t s t r a s s e n f e g e r

    Klaus Saeck neben der Lia-

    sule mi seinen Plakaen vor der

    Neuen Naionalgalerie - Plakae von Klaus Saeck

    Die komplizierten Dingeeinfach wiederzugeben,

    das ist meine KunstKlaus Staeck zeigt seine von der Nationalgalerie ausgerichteteAusstellung Die Kunst findet nicht im Saale statt auf 300 Lit-fasulen in den zentralen Bezirken BerlinsR E Z E N S I O N : U r s z u l a U s a k o w s k a - W o l f f

    Am 21. Mai 1471 erblickte Albrecht Drer inNrnberg das Licht der Welt. Zum 500. Ge-burtstag ihres grten Sohnes richtete ihm seineHeimatstadt ein Festjahr aus, das sie sich 6,6Millionen DM kosten lie. Es war das wohl auf-

    wendigste deutsche Kulturfestival aller Zeiten, schrieb DerSpiegel (Nr. 11/1971). Doch fr Aufsehen sorgte eine Aktion,die mit den offiziellen Feierlichkeiten nichts zu tun hatte undprivat finanziert wurde. 300 Plakate nehmen das Festjahraufs Korn. Wirbel um Drers Mutter, lautete die Schlagzeilein der Abendzeitung am 15. Mai 1971. Und weiter im Text:1514 von Albrecht Drer mit Kohle gezeichnet, blickt diealte Dame seit einigen Tagen von 300 Wnden kritisch aufdie Nrnberger Passanten. Denn es wird gefragt: Wrden Siedieser Frau ein Zimmer vermieten? Autor der umfunktionier-ten Zeichnung ist der Heidelberger Knstler Klaus Staeck.

    P a c k e n d e s P l a k a tDrers umfunktionierte Mutter war eines der ersten Pla-kate, das Klaus Stack entwarf und das er im ffentlichen Raumzeigte, denn fr ihn stand von Anfang an fest: Kunst findetnicht im Saale statt. Sein Anliegen bei der zehn Tage dauern-den Nrnberger Plakataktion, Kostenpunkt eintausend DM,war zum einen die Brger zu schocken, sonst wre der Effektweggewesen, zum anderen herauszufinden, ob ein Plakat,das fr keine Produkte oder Veranstaltungen wirbt, sondernInhalte und Botschaften vermitteln oder Fragen aufwerfenwill, auf Interesse stoen kann. Das war in Nrnberg durch-aus der Fall: Die Telefone bei der Stadtverwaltung glhten.Alle wollten wissen, was das eigentmliche Plakat zu bedeu-

    ten hat. Nicht anders erging es dem mit Briefen und Anrufenberschtteten Presseamt der Stadt, dem Kulturdezernat und

    den Mnnern der Planungsgruppe Drer-Jahr,berichtete die Abendzeitung. Und weil in dieserZeit in Nrnberg der Haus- und Grundbesitzer-verein tagte, was Klaus Staeck bei der Vorberei-tung der Plakataktion nicht wusste, schien diein Drers Mutter gestellte Frage sehr aktuellund brisant zu sein. Mit solchen Arbeiten seheich die einzige Chance, die Leute zu packen. DieFrau wrde kein Zimmer finden. Das ist die Heu-chelei, sagte damals Klaus Staeck.

    P o l i t i s c h e P o p k u l t u rSeit dem 7. August erobern Klaus Staecks Pla-kate wieder den stdtischen Raum, diesmal inBerlin. Auf 300 Litfasulen, die ber die ganzeStadt verteilt sind, kann man gegenwrtig dieaus zehn Motiven bestehende Auswahl seinerironischen politischen Plakate aus ber vierJahrzehnten sehen, die, zu Ikonen und Klassi-kern der anspruchsvollen Popkultur geworden,keineswegs antiquiert sind und aktueller dennje wirken. Denn der am 28. Februar 1938 inPulsnitz in Sachsen geborene und seit 1957 inWestdeutschland lebende Jurist, Verleger, Gra-fikdesigner, Karikaturist, Kolumnist, beken-nende Sozialdemokrat und Prsident der Aka-demie der Knste in dritter Amtszeit hat vielenegative Entwicklungen vorausgesehen: sozialeAusgrenzung, Umweltverschmutzung, Ver-nichtung der Ressourcen und Lebensgrundla-

    gen durch den Turbo- und Casinokapitalismus,die Folgen der Globalisierung, die Versklavung

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    stras senfeger | Nr. | August - September TAUFRISCH & ANGESAGT | a r t s t r a s s e n f e g e r

    und Entmndigung der Beschftigten durch glo-bal agierende Grokonzerne, die heuchlerischePolitik, die Misere im Bildungssystem. Was er aufseinen Plakaten einst schrieb und zeigte, schienvielen bertrieben und schwarzmalerisch zu sein,doch seine mahnenden Bilder und Worte sindWirklichkeit geworden. Mein zentrales Themawar immer die Umwelt, sagt Klaus Staeck,doch es ist nicht zu erkennen, dass wir denKlimawandel in den Griff bekommen haben.Ich finde jeden Tag zehn Grnde zu resignierenund habe Mhe, zwei, drei Grnde zu nennen,um nicht aufzugeben. Doch man muss es versu-chen, scheitern kann man immer.

    M h s e l i g e r W e g z u r E r k e n n t n i sKlaus Staecks Credo, das ihn seit ber vierzigJahren zum Handeln motiviert, lautet: Nichtsist erledigt. Als berzeugter Aufklrer mchteer die Leute dazu bewegen, darber nachzuden-ken, was sie tun sollten, damit die Welt etwasbesser und gerechter wird. Wenn es mir ge-lingt, komplizierte Dinge einfach wiederzuge-ben, ist das meine Kunst, meint er. Das schaffter, indem er Ironie und Satire einsetzt: Satireerfordert eine gewisse Anstrengung, was rechtmhsam ist, aber jeder Weg zur Erkenntnisfhrt ber die Mhsal. Klaus Staeck ist einunglaublich produktiver, effizienter und konse-quenter Knstler. Seit 1962 hat er 380 Plakate

    und Postkarten entworfen und in einer Auflagevon etwa 30 Millionen Exemplaren produziert.

    Seine Papierarbeiten, Fotos und Multiples wur-den bisher in rund 3 000 Einzelausstellungen imIn- und Ausland gezeigt. Somit ist Klaus Staecksicherlich der auflagenstrkste Grafiker sowieein Knstler mit den meisten Ausstellungen inDeutschland, womglich sogar weltweit, einer,der von Anfang an die Kunst als Massenwarevertreibt und prsentiert, um seine singulrenBotschaften unters Volk zu bringen. So wie erals Mensch viele widersprchliche Fhigkeitenund Begabungen in sich vereint, hat er stets einsicheres Gehr und einen unverstellten Blickfr die Wirklichkeit, deren Absurditten, Br-che und Widersprche er auf seine einzigartigeWeise sichtbar und verstndlich macht.

    Z u r c k z u d e n A n f n g e nJetzt auch in dieser geballten Form in Berlin:Klaus Staecks Ausstellung Kunst findet nichtim Saale statt ist ein Projekt der Nationalgale-rie. Solange ich Plakate mache, werden sie frtot erklrt, sagt der Knstler. Doch ich bin einPapiermensch und glaube daran, dass auch imdigitalen Zeitalter ein statisches Bild, ein Pla-kat an der Litfasule auf die Menschen wirkenkann, solange sie sich als analoge Wesen verste-hen. Fr die Besucherinnen und Besucher derriesigen Plakatinstallation in den zentralen Be-zirken der Hauptstadt liegt in den Husern derNationalgalerie ein Stadtplan parat, auf dem die

    Standorte der Litfasulen verzeichnet sind.Vor der Neuen Nationalgalerie und dem Ham-

    INFO

    Klaus Staeck Die Kunst findetnich t im S aale stat t

    Eine Aussellung der Naionalgalerieim ffenlichen Raum der Sad Berlin

    Noch bis zum 31. Augus

    www.smb.museum/home.hml

    burger Bahnhof Museum fr Gegenwart stehtwhrend der Ausstellungsdauer jeweils eineLitfasule mit allen zehn in Berlin gezeigtenPlakatmotiven. Ich habe ber 3 000 Ausstel-lungen gemacht, so Klaus Staeck, ob da einemehr oder weniger zustande gekommen wre,wre das fr mich kein Problem. Doch meinePlakate ber den Umweg der Nationalgalerie zuzeigen, ist fr mich der Weg zurck zu den An-fngen. Was in Nrnberg 1971 begann, lsstsich auf den Berliner Straen 2014 gut sehen,gut begehen und gut verstehen. So schliet sichvorlufig der Kreis.

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    stras senfeger | Nr. | August - September | TAUFRISCH & ANGESAGT I N S P

    Alle eilnehmenden Sraenzeiungen haten An-

    sichsexemplare mi zur Konerenz gebrach

    Wir sind INSP!

    Serge Lareaul whrend des Empangs im Rahaus

    von Glasgow

    srasseneger-Fundraiserin Mara Fischer mi dem

    INSP-Mibegrnder John Bird

    Der Knsler John McKay erige au sehr originelle

    Ar und Weise eine Zusammenassung der Work-shops und Panelsizungen an

    18. INSP-Jahreskonferenz1994 2014: 20 Jahre INSPirierende VernderungenB E R I C H T : A n d r e a s D l l i c k

    20 Jahre INSPExklusiv-Interview mit Serge Lareault und John BirdI n t e r v i e w : A n d r e a s D l l i c k

    Serge Lareault (49) ist seit acht Jahren Vor-stand des Internationalen Netzwerks derStraenzeitungen INSP. Auerdem ist erChef des kanadischen Straenmagazins

    LItinraire in Montreal. John Bird (68) ist ei-

    ner der Mitbegrnder des INSP und Grnderder britischen Straenzeitung Big Issue undder Big Issue Foundation. Bird ist Grobri-tanniens berhmtester Sozialunternehmer. An-dreas Dllick sprach mit beiden zum Abschlussder INSP-Konferenz ber Herausforderungen,Siege, Niederlagen und Trume.

    Andreas Dllick: John, Du bist einer der Grn-der des INSP. Was bedeutet das fr Dich?

    John Bird: Das INSP ist ein Bndnis vonvielen Menschen, die sich entschieden haben,Armut nicht mehr zu akzeptieren. Die nicht ak-zeptieren, dass Obdachlose auerhalb der Ge-sellschaft stehen und sie mit Almosen abgespeist

    werden. INSP bedeutet, dass wir ihnen eine Handreichen, ihnen helfen, Arbeit zu finden, Geld zuverdienen und in die Gesellschaft zurckzukeh-ren. Wir sind eine internationale Bruderschaft,ein Orden von Menschen, der sich verpflichtethat, obdachlosen Menschen zu helfen.

    20 Jahre INSP darauf kann man stolz sein,oder?

    Serge Lareault.: Fr mich ist das eine un-vorstellbare Reise. Als wir damals starteten, dawussten wir gar nicht genau, wohin die Reisemit diesem Projekt geht. Ein internationalesNetzwerk von Straenzeitungen war ja etwasvllig Neues. In diesen 20 Jahren sind wir alsBewegung gewachsen und stark geworden. Undwir haben berlebt! 20 Jahre in einem menschli-chen Leben das ist eine lange Zeit. Aber fr ein

    Vom 12. bis 15. August fand in Glasgow die 18. Jah-reskonferenz des Internationalen Netzwerks derStraenzeitungen statt. Mehr als 70 Delegiertevon 42 Straenzeitungen aus aller Welt, darunteracht deutsche Straenzeitungen, errterten vier

    Tage lang gemeinsam mit dem Leitungsgremium des INSP berdie Erfolge, die Probleme, die Herausforderungen und die Zu-kunft der Straenmagazine. Auch der strassenfegerwar vor Ortvertreten: Chefredakteur Andreas Dllick, KulturredakteurinUrszula Usakowska-Wolff und die ehrenamtliche FundraiserinMara Fischer diskutierten fleiig mit. Im Mittelpunkt standenwie immer die obdachlosen und armen Verkufer_innen der

    Straenzeitungen. Dazu gab es einen Tag vor Beginn der Kon-ferenz schon einen Straenzeitungs-Trainingstag. An den dar-auffolgenden Tagen wurden in Workshops und PanelsitzungenThemen wie Netzwerken, soziale Unternehmerschaft, redaktio-nelle Entwicklung, Spendensammeln, Fundraising, Wirtschafts-migration sowie die digitalen Chancen besprochen. Auerdemgab es die jhrliche INSP-Generalversammlung, auf denen dasBoard den Mitgliedern Rechenschaft ber seine Arbeit ablegte.Zu Beginn der Tagung des INSP wurden die Delegierten vomBrgermeister von Glasgow im Rathaus herzlich empfangen.(In der nchsten Ausgabe berichten wir ausfhrlich ber dieTagung des INSP, Anm. d. Red.)

    Netzwerk ist das nicht so lang. Wir wollen nochso viele Dinge aufbauen. Gerade fr mich alsChairman war es in den vergangenen acht Jah-ren ein groes Abenteuer, eine groartige Zeitin meinem Leben. Das Wichtigste war wohl, als

    eine internationale Organisation zu berleben.Unser grtes Problem als INSP ist, unsere Mit-glieder sind sehr arm. Deshalb ist es wunderbarfr mich, dass wir so stark geworden sind undanerkannt sind von der UNO, von der Europi-schen Union.

    J. B.: Der grte Erfolg von ISNP in den 20Jahren ist: Es wchst, es funktioniert, es hilft, esbegeistert und es stellt die wirklich groe Frage:Wie knnen wir verhindern, dass Leute im Regenstehen gelassen werden, im Gefngnis der Ob-dachlosigkeit? Wie knnen wir wirklich Interna-tional helfen? Ich bin ein Internationalist. Ich in-teressiere mich fr ihre Obdachlosigkeit, sei es inChina, sei es in der Stadt Wien. Ich mchte, dass

    dort eine Organisation ist. Die wirklich grteHerausforderung ist, das mglich zu machen.Dafr braucht man Geld und Fhigkeiten. Undich glaube, dass das INSP wirklich noch ein Babyist oder mehr ein Kleinkind, eines, das geradeerst laufen kann. Und es braucht Ermunterung.Wir brauchen mehr internationales Geld hinteruns, um das Netzwerk zu strken. Und die Zei-tungen, die am schwchsten sind. Und wir ms-sen politisches Lobbying betreiben auf eineminternationalen Level.

    Was waren die grten Herausforderungen?S. L.: Die grte Herausforderung war und

    ist, Menschen zusammenzubringen. Wir haben16 Sprachen im Netzwerk und 40 verschiedeneLnder, es gibt die unterschiedlichsten Sichtwei-sen, unterschiedliche Kulturen. Wir sind auch

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    nicht reich. Das ist eine groe Aufgabe, all dieseMenschen und Ideen dazu zu bringen, etwas ge-meinsam zu tun. Einer unser grten Erfolge istder Street News Service, den wir erfolgreich ausder Taufe gehoben haben. Wir hatten dafr nur

    ein Jahr Zeit. Und wir mussten dafr 500 000 bri-tische Pfund aufbringen. Das war sehr stark, undfr viele Straenzeitungen ist der SNS extremwichtig, weil sie kein Geld haben, Journalistenfr Artikel zu bezahlen. Das zeigt die groe So-lidaritt zwischen den Mitgliedern des INSP. Esging uns darum, dass die starken, etablierten underfahrenen Straenzeitungen des Netzwerks denneuen und unerfahrenen Zeitungen helfen. Eineweitere groe Herausforderung war und ist dasFundraising, das Beschaffen finanzieller Mittelfr das Netzwerk, um es auf eine stabile Basiszu stellen. Es ist aber nicht nur fr das INSP eineHerausforderung, sondern fr alle unsere Maga-zine. Aber ich glaube, dass die Partner, mit denen

    wir zusammenarbeiten, das, was wir tun, mittler-weile anerkennen, und deshalb auch bereit sind,uns finanziell zu untersttzen.

    J. B.: Die grten Herausforderungen beste-hen nach wie vor. Da ist der Geldmangel. berdie letzten zehn Jahre gab es eine Reihe von Stra-enzeitungen, die vor 20 Jahren anfingen, dienicht berlebt haben. Dann ist da der Anspruch,dass man die bestmgliche Zeitung produzierensollte; den muss man bestndig aufrechterhalten.Denn die Leute mssen die Zeitungen ja auchlesen, sie mssen durch ein gutes Produkt ani-miert werden, zu ihren Verkufern kommen zumssen. Es macht die Verkufer strker, wennjemand sagt: Ich will das lesen. Ich will dieseZeitung aus Berlin lesen. Oder die aus Hamburgoder aus Tokio. Ich will sie lesen! Manche derZeitungen sind ziemlich schwach, weil sie zu we-

    nig Geld haben. Ich denke, das INSP sollte ver-suchen, so etwas wie ein weltweiter Arzt zu wer-den. Es muss ihnen mglich sein, einzuspringen,wenn da eine Krise ist. Und sie mssen helfen,Leute trainieren, Geld auftreiben, um zu sichern,

    dass Straenzeitungen nicht sterben.

    Gab es auch Niederlagen?J. B.: Manchmal gewinnen wir Kmpfe,

    manchmal verlieren wir Kmpfe. Wenn man ei-nen Kampf verliert, gibt man nicht auf, du hastja noch nicht den Krieg verloren. Wir haben denKrieg nicht verloren, solange wir hier sind. Wirwerden wachsen und uns entwickeln, hoffent-lich in die richtige Richtung. Aber die wichtigeSache ist die, dass wir von unseren Niederlagenlernen. Und viele Niederlagen sind: Mangel anEinkommen, Mangel an Businessfhigkeiten,Mangel an Businessplnen, Mangel an Spenden,Mangel an Botschaftern.

    S. L.: Na ja, ich wrde es nicht gerade Nie-derlagen nennen, aber einige Dinge, die wir ge-macht haben, haben nicht funktioniert. Aber ichschaue nach vorn. In den nchsten zehn Jahrenmchte ich gern einen Art Guide zu verfassen frden besten praktischen Service fr unsere Mit-gliedszeitungen. Wir mssen das Wissen und dieErfahrungen unserer Mitglieder vertiefen. DasProblem ist, dass wir beim INSP nicht gengendfestangestellte Mitarbeiter haben, um genau zuanalysieren und zu dokumentieren, was bei denMagazinen sehr gut funktioniert und was nicht.Unser Plan ist, das in den nchsten drei Jahrenzu erledigen. Dazu gehrt auch, klar zu definie-ren, was die Zukunft der Straenzeitungen seinsoll und wird. Na ja, und die andere Sache ist,dass wir den Street News Service noch stabilermachen und ausbauen mssen. Wenn man be-

    denkt, dass die Straenzeitungen des Netzwerksca. sechs Millionen Leser erreichen, das ist eingroes Pfund, dann ist es bedenklich, dass wirnicht gengend Mitstreiter haben, um promi-nente Untersttzer fr unsere wichtige Sachezu gewinnen. Aber: Wir haben z. B. bei PrinzWilliam und anderen einflussreichen Persnlich-keiten angefragt, unsere Arbeit zu untersttzen.Manchmal klappt es, manchmal nicht. Aber wirgeben nicht auf, im Gegenteil: Wir werden unsauch auf diesem Gebiet stark verbessern.

    Warum untersttzen global Player wie

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    stras senfeger | Nr. | August - September | TAUFRISCH & ANGESAGT I N S P

    Microsoft o. . das INSP nicht finanziell? Die Mglich-keit dazu htten Milliardre wie Bill Gates, Richard Bransonoder Waren Buffet doch!

    J. B.: Die Bill Gates Foundation oder die Bill ClintonFoundation, die haben hunderte von Verpflichtungen. Alles,was wir tun mssen, ist, unseren Weg rein zu kmpfen. Ichrede gerade mit Bloomberg darber. Es wrde dem INSPnicht wehtun, wenn wir groe Firmen gewinnen knnten,uns zu frdern. Oder auch einen engagierten Fundraiser. Ich

    wrde sagen: Up our Game!S. L.: Na ja, wir bekommen immerhin schon seit acht

    Jahren finanzielle Untersttzung von der britischen Regie-rung und von der EU. Was Spenden und Sponsoring von denKonzernen angeht mssen wir erst einmal dafr sorgen, dasssie uns wahrnehmen. Beachtung bei bzw. Geld von den glo-bal Playern zu bekommen, ist uerst schwer. Das ist richtigharte Arbeit, dafr ist unser Team beim INSP zu klein. Aberich habe eine andere Idee, die ich den Straenzeitungen gernvorschlagen mchte: Jede Zeitung stellt uns eine Seite frWerbung zur Verfgung. Damit knnen wir dann zu denUnternehmen gehen und sagen: Wenn Ihr das INSP spon-sert, dann bekommt mehr als hundert Seiten, die von mehrals sechs Millionen Lesern gesehen werden. Das wrde unsals INSP sehr helfen, fr groe Firmen interessant zu sein.

    Wenn Firmen Geld geben sollen, dann wollen sie meist etwasdafr haben. Aber es ist zugegebener Maen schwierig, weileinige unserer Zeitungen gar keine Werbung wollen, anderemgen bestimmte Unternehmen nicht besonders. Deshalbwaren wir in diesem Punkt noch nicht so erfolgreich. Hier inSchottland haben wir allerdings schon einige Firmen, die unsuntersttzen. Aber es richtig: Wir mssen das INSP attraktivmachen fr die Global Player! Das ist eine der Aufgaben frdie nchste Zukunft!

    Wovon trumt Ihr in Bezug auf das INSP?J. B.: Ich wrde mich freuen, wenn das INSP eine interna-

    tionale Publikation htte, ein Jahrbuch. Etwas, das man jeman-den vor das Gesicht halten kann. Ich wrde mich freuen, zumPremierminister von England zu gehen und zu sagen: Sieh, derBig Issue hat mit der Herstellung von diesem INSP-Jahrbuchgeholfen, und hier ist das Buch jetzt. Ein Jahrbuch in so vielenSprachen, das wre einer seiner grten Vorzge. Es wre so

    wunderbar, es in Franzsisch, Englisch, Deutsch etc. zu haben.S. L.: Ich wnsche mir eine nachhaltige und tragfhige

    Basis fr das INSP, auch was die Zahl der Mitarbeiter angeht.Mit nur fnf Mitarbeitern sind wir einfach nicht gut aufge-stellt. Je mehr Geld wir haben und je mehr Mitarbeiter, destoeinfacher ist es, Leute in die Lnder zu schicken und dortzu helfen, wo es noch keine Straenzeitungen gibt bzw. neuegegrndet wurden. Viele wollen gerne Werbung einbringen,wollen gutes Fundraising machen, wissen aber gar nicht, wie

    man das macht. Auch den Street News Service als Serviceein-richtung des INSP mssen wir weiter strken. Es gibt so vielejunge, aufstrebende Straenzeitungen, die gerade am Anfangstehen, denen wir helfen mssen, die all unsere Unterstt-zung, unser Know-how bentigen. Oder nehmen wir nur dieUSA: In Metropolen wie San Franzisco und in Chicago, dagibt es noch gar keine Straenzeitungen (New York und Los

    Angeles auch nicht!, Anm. d. Red.), das ist ein riesiges Feld,das wir bestellen mssen, weil es dort immens viele obdach-lose Menschen gibt. Da mssen wir etwas aufbauen und dafrbrauchen wir einen starken Street News Service. Na klar, Geldzu haben, ist auch sehr wichtig. Ich bin ein Geschftsmann,ich mag Geld, wenn man damit Menschen helfen kann. Es tutmir richtig weh, wenn ich sehe, wie viele Straenzeitungenzu kmpfen haben mit finanziellen Problemen, dass es ihnen

    schwerfllt, Mitarbeiter fest anzustellen. Da muss sich alsoauch etwas tun.

    Auch der strassenfeger wird in diesem Jahr 20 Jahre jung!S. L.: Ich sage Euch: Gebt niemals auf! Ihr solltet immer

    wissen, dass das, was Ihr in den letzten 20 Jahren getan habt,sehr, sehr wichtig war! Auch wenn Ihr vielleicht nicht alleserreicht habt, was Ihr wolltet. Ihr habt Leben gerettet! Es gibtnicht so viele Menschen, die das, was Ihr tut, machen wollen.Also in diesem Sinne: Happy Birthday strassenfeger!

    J. B.: Ich lerne immer wieder Leute kennen, die mir er-zhlen, ich war in Deutschland, ich war in Berlin, ich habediese wundervolle Zeitung gekauft. Ich kenne viele Leute,jdische Leute, afrikanische Leute, indische Leute, Leute ausder ganzen Welt, die nach Berlin kommen. Und sie gehen zuden Museen, zu den Festivals, und sie erzhlen mir: Oh, ichhabe diese Straenzeitung gesehen! Das ist eine wirklichgute Werbung fr unsere Arbeit!

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    INFO

    stras senf eger Radio

    Mitwochs 17 18 Uhr au 88vier- kreaives Radio rBerlin

    UKW-Frequenzen

    88,4 MHz (Berlin),90,7 MHz (Posdam &Teile Brandenburgs)

    Deutschlandradio

    will sich neu erfindenMit einer Programmreform Fremdkrper beseitigtB E R I C H T : G u i d o F a h r e n d h o l z

    Programmstrukturreformen von privaten Radiosen-dern wie auch ffentlich-rechtlichen Hrfunkan-stalten gehren, wenn schon nicht zum tglichenGeschft, so doch wenigstens zu notwendigen zeit-gemen Anpassungen. Oft angekndigt als die

    Abhebung vom durchschnittlichen Formatradio-Einheitsbrei,bewirken solche Programmreformen nur leider viel zu oft ge-nau das Gegenteil. Im gnstigsten Fall werden solche Refor-

    men unter aktiver Meinungseinbindung des KonsumentenHrer entwickelt und umgesetzt. Die Kunst, es allen Rechtmachen zu knnen, bleibt aber auch dabei eine Illusion.

    R e p r s e n t a t i v a m H r e r v o r b e i

    Was sich die Intendanz und Programmmacher des Deutsch-landradios vornahmen, nennt sich Flottenkonzept und daserklrte der Programmdirektor Andreas-Peter Weber folgen-dermaen: Die drei Programme von Deutschlandradio mitden Schwerpunkten Information, Kultur und Wissen sollennoch besser unterscheidbar werden. Speziell zur nderungdes Programmschemas von Deutschlandradio Kultur wurdennach Angaben von Intendant Willi Steul 4 000 CDs mit ty-pischen Sendungen des Programms versendet und die Emp-fnger danach um ein Urteil gebeten. Aber schon bei einer

    Nachfrage zum Verhltnis der Befragten, nach regelmigenHrern des laufenden Programms und Nichthrern, bleibendie Verantwortlichen eine Antwort schuldig. Wie umstrittendie Programmnderungen selbst im eigenen Haus sind, wurdein verschiedenen ffentlichen Stellungnahmen von Weberund Steul zu den internen Auseinandersetzungen deutlich.

    E i n e M e h r h e i t u n t e r f n f P r o z e n t

    Was geschieht, wenn auch die Hrer nicht mehr nur passivschmollend in der ihnen zugewiesenen Beteiligungsecke ver-harren, wird am deutlichsten in einer Onlinepetition zu dernach 22 Jahren abgesetzten Call-In-Sendung 2254. Nachdem Flottenkonzept bleiben nchtliche Wortformate nunausschlielich dem Deutschlandfunk vorbehalten. Die Kul-

    tur im Deutschlandradio wird zu dieser Zeit auf die Musikbeschrnkt. Unkommentiert hinnehmen wollen das wederdie Hrer, noch einige Mitarbeiter_innen und Moderator_in-nen. Derzeit stehen schon 3 070 Unterschriften gegen dieAbsetzung nur dieser einen Sendung, den 4 000 Anfragenzum neuen Flottenkonzept des gesamten Hauses gegenber.(Stand 20.08.2014)

    Noch grotesker wird es nach den Aussagen von Tho-mas Rudek von der Interessengemeinschaft fr Hrerbetei-ligung im ffentlich-rechtlichen Rundfunk. Er sagte live indomino|talk: In der offiziellen Umfrage des Deutschlandra-dios haben Hrerbeteiligung und speziell die Nachtgesprchein der Sendung 2254 berhaupt keine Rolle gespielt, obwohlsie an sechs Tagen in der Woche seit 22 Jahren zum laufendenProgramm gehrt! Auch war der Rcklauf zu den 4 000 An-fragen mehr als bescheiden. Insgesamt soll es nur 123 valideAussagen gegeben haben. Das sind 3,075 Prozent und in derPolitik irrelevant.

    V e r a n t w o r t u n g s v o l l i g n o r i e r e n

    Offiziell wird diese Zahl natrlich nicht besttigt, aber auchnicht widerlegt oder kommentiert. Den Antrag der Interes-sengemeinschaft zur Offenlegung der angeblich reprsen-tativen Umfrage des Deutschlandradios und der Antwortendarauf lehnt Intendant Willi Steul mit dem Hinweis ab, dasskein Informationsanspruch gegen das Deutschlandradionach dem Bundesinformationsfreiheitsgesetz besteht.Weiter heit es im juristischen Deutsch, dass ein solcher An-spruch nur gegen Bundesbehrden und -einrichtungen gel-tend gemacht werden knne, soweit sie ffentlich-rechtlicheVerwaltungsaufgaben wahrnehmen, was das Deutschlandra-

    dio nach seiner Auffassung nicht leistet. In einem Interviewmit der Stuttgarter Zeitung vom 29.06.2014 legt Steul dannauch noch einmal krftig nach: Grundstzlich freut es mich,wenn Menschen eine Sendung so zu schtzen wissen, dass siedarum kmpfen. Aber als Intendant muss ich die Gesamtstra-tegie im Auge behalten. Wir haben beim Deutschlandfunk diewortorientierte Radionacht eingefhrt. DeutschlandradioKultur setzt in Abgrenzung dazu nachts auf Musik. Da ist2254 ein Fremdkrper. Das klingt nicht nach der Suchenach einem Kompromiss.

    Bis zum 7. September 2014 haben Interessierte nun nochdie Mglichkeit, sich an der Petition1zu beteiligen. Auch sindnoch einige wenige Aufzeichnungen von 2254 im Podcast2

    von Deutschlandradio Kultur nachhrbar.

    1 htps://www.openpeiion.de/peiion/online/2254-nachgespraeche-au-

    deuschlandradio-kulur-reten2 htp://www.deuschlandradio.de/podcass

    Sopp Buton (Collage Auor)

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    stras senfeger | Nr. | August - September | TAUFRISCH & ANGESAGT K u l t u r t i p p s

    skurril, famosund preiswert!Kulturtipps aus unserer RedaktionZ U S A M M E N S T E L L U N G : L a u r a

    SPORT

    ISTAFDie besten Leichtathleten derWelt beim 73. InternationalenStadionfest (ISTAF) am 31.August im Berliner Olympiasta-dion erleben! Eingeladen wurdenneben zahlreichen Weltmeisternund Olympiasieger auch vieleEuropameister von 2014. Dabeisind die deutschen Stars wieLokalmatador Robert Harting(Europameister Diskuswurf),David Storl (EuropameisterKugelstoen), die Sprinter JulianReus, Lucas Jakubczyk, ChristinaSchwanitz (Kugel) und AntjeMldner-Schmidt (3000mH). DieStadiontren ffnen sich um 13Uhr. Los gehts um kurz vor 14Uhr mit den SchlerlufenBerlin hat Talent.

    Eintritt von 9 bis 39Gruppenicke 25.Tickes r das ISTAF am 31. Augus2014 sind online buchbar:E-Mail: [email protected] ber die Tickeholine030/20 60 70 88 99

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    Ino: www.isa.deFoo: Andreas Dllick

    DOKUMENTARFILM

    Alles was wir wollenWie geht das Frau sein heute eigentlich in diesem Land?Alles scheint mglich, wenn man jetzt als Dreiigjhrige insLeben startet, denn die globalisierte Welt bietet mehrOptionen denn je. Auf der anderen Seite sind Vorstellungen,die einst solide zementiert schienen, ordentlich ins Wankengeraten: Niemand glaubt mehr an die liebessicherndeWirkung eines Eherings; ein Studienabschluss fhrt nichtzwangslufig zur Festanstellung von der Rente ganz zuschweigen. ber drei Jahre hinweg begleitete RegisseurinBeatrice Mller drei Frauen auf ihrer individuellen Suchenach dem richtigen Lebensentwurf.

    29. August 2014, 16.30 bis 19 Uhr

    In Anwesenhei der Regisseurin Bearice Mller und einer derProagonisinnenSchirmrau: Heike Gersenberger Gleichsellungsbeaufrage desBezirks Pankow

    Or: Nachbarschafshaus am Teuoburger Plaz, Fehrbelliner Sr. 92,10119 Berlin (U 2, Seneelder Plaz oder U 8, Rosenhaler Plaz)

    Kinderbereuung mglich: Anmeldung bis 26. Augus 2014 - biteAnzahl und Aler der Kinder angeben. Tel. 443 71 78, Email [email protected]

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    VORTRAG

    Kinder & MusikWarum Kinder Musik brauchen, das erklrt der MusikerPhilip Wenzel mit Musikbeispielen in seinem Vortrag. Kinderhaben eine angeborene Fhigkeit zum Singen und zurrhythmischen Bewegung. Wie knnen Eltern diesem natrli-chem Bedrfnis ihrer Kinder nachkommen und es frdern?Worauf sollten Eltern achten, wenn sie ihr Kind an einerMusikschule anmelden? Wenzel erlutert, dass Musik dasSelbstwertgefhl strkt und sich positiv auf die sozialen undsprachlichen Kompetenzen auswirkt und einen Ausgleich beiKindern mit dem Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom (ADS)schafft.

    Fr, 19.09.2014, ab 19.30 Uhr, Eintritt freiEine Veransalung der Volkshochschule Pankow.

    Woldierich-Schnurre-Bibliohek, 13088 Berlin, Bizesrae 41Ino: htp://sadbibliohek-pankow.berlin.de

    THEATER

    ARABBOYRashid ist Arabboy 44 - so nennter sich in den Chatrooms, in denener seine Gewaltvideos verbreitet. Erist Sohn eines libanesischen Kurdenund einer Palstinenserin, ist inNeuklln geboren und aufgewach-sen. Doch er fhlt sich nicht alsDeutscher, nicht als Libanese, nichtals Palstinenser. Rashid schwingtsich zum Kiezknig des Rollbergsauf und gert in einen Rausch vonDrogen, Macht und Gewalt, bis erschlielich strauchelt und von derPolizei gefasst wird. Im Gefngniswartet er auf seine Abschiebung ausDeutschland, dem verhassten Land,das dennoch die einzige Heimat ist,die er je gekannt hat. Neuklln-Trilogie erster Teil - nach demRoman von Gner Yasemin Balci.

    04./05./06.09. + 10./11.09.jeweils 19:30 UhrOr: Saalbau Neuklln Kulur & Ver-ansalungs GmbH, Karl-Marx-Sr. 141,12043 Berlin

    Tickes: Vorverkau: 15 , ermig: 10 ,Abendkasse: 15 ,ermig: 10

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    VORSCHLAGENSie haben da einen Tipp? Dann

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    stras senfeger | Nr. | August - September TAUFRISCH & ANGESAGT | K u l t u r t i p p s

    SPORT

    Berlin fliegtAm Samstag, 30. August,findet vor der atemberauben-den Kulisse des Brandenbur-ger Tors der Vier-Nationen-Vergleichskampf Berlinfliegt! statt. Die bestenSportler aus Deutschland,Russland, USA und Frank-reich treten im Stabhoch-sprung und Weitsprung an.

    Samstag, 30. August 2014Brandenburger Tor / Pariser Plaz

    Veransalungsbeginn: 14.00 Uhr,Veransalungsende: 16.30 Uhr

    Ino: www.leichahleik.de/er-mine/op-evens/berlin-fliegFoo: Andreas Dllick

    SOMMERFEST

    querstadteinDas Team von querstadtein Obdachlose zeigen ihrBerlin, ein Projekt von Stadtsichten e.V., ldt amSamstag, dem 6. September, zum Sommerfest ein! Frdie bunte Atmosphre und das leibliche Wohl istgesorgt: Das querstadtein-Team bringt Salate, Brotund Kuchen mit, Wasser und nicht-alkoholischeGetrnke werden vor Ort sein. Wir freuen uns auch berden einen oder anderen Beitrag zum Buffet.

    Samstag, 6. September 2014 ab 16 UhrOr: Sharehaus Berlin, Solmssrae 48, 10961 Berlin

    Bite melde Euch bis zum 1. Sepember per E-Mail bei Sandraan und geb Bescheid, ob Ihr allein oder +1 komm, dann

    knnen wir die Mengen r den Einkau besser planen: [email protected]

    Ino & Foo: Georg Duner/www.quersadein.org

    MUSIK

    Berghain Fachwerk Haus

    Fachwerk ist mit seiner sprachlichen Assozia-

    tion zum deutschen Ingenieurs- und Handwerks-wesen mitnichten eine Art Manufactum unterden Berliner Technolabels. Traditions- undQualittsbewusstsein, das schon. Das Label vonMike Dehnert, Roman Lindau und SaschaRydell hat nicht nur sehr viele gute DJ-Tool-Platten verffentlicht, sondern sich zunehmendauch fr Ambient- und House-Strukturengeffnet. Zur Fachwerk-Labelnacht amSamstag, 30.08., gibt es alle wichtigen Acts zuhren, unter anderem eines der seltenerenLive-Acts von Mike Dehnert.

    Samstag 30.08.2014, ab 24 UhrBerghain, Am Wriezener Bahnho, 10243 Berlin-Friedrichshain

    Ino & Foo: htp://berghain.de und www.acebook.com/BerghainPanoramaBarOfficial

    FILM & BUCH

    Radio-HochseeDieser 11. September, mit dem das Radio Hochseewieder beginnt, hat keinen Schrecken. Von Doc Schoko,Falko Hennig und ihrem Experten Christian Bleeswerden Stan Laurel und Oliver Hardy gleichermaenverehrt und so widmen sie den Abend den beidengrten Komikern des 20. Jahrhunderts. Gezeigt werdenentsprechende Ausschnitte aus ihren Werken, so ausThe Lucky Dog, von dem man nicht einmal dasHerstellungsjahr wei. Jedoch ist dieser Film um 1920der erste, in dem die beiden zusammen auftraten. StanLaurel wurde dadurch zum Star, Oliver Hardy spielte ineiner kleinen Nebenrolle den Bsewicht. Wie die beidenzum Erfolgsduo schlechthin werden konnten und wie siesogar den bergang zum Tonfilm schafften, erzhltChristian Blees, Autor von Laurel & Hardy - Ihr Leben,ihre Filme (Trescher Verlag).

    Do, 11. September 2014, 20.30 UhrZ-Bar (Berlin Mite, Bergsr. 2)Einrit 5/8

    Ino:

    www.Falko-Hennig.de, www.acebook.com/alko.hennig/Sadspaziergnge: htp://alko-hennig.blogspo.de/

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    Inklusion wird gro geschrieben

    beim Sporverein Pefferwerk e.V.

    Jede Menge Spa beim 8. Pankow-

    Fesival

    Plaka

    stras senfeger | Nr. | August - September | TAUFRISCH & ANGESAGT S p o r t

    INFO

    Der SV Pefferwerk e.V. ha ca.4 000 Miglieder. 75 Prozen derPeffersporler_innen sind uner 14Jahren al. Dami is Pefferspornich nur der gre PankowerSporverein, sondern auch derVerein mi der gren Beeiligungvon Kindern und Jugendlichen. DenVeranworlichen is bewuss, dassder Spor, neben dem Elernhausund der Schule, ein wichigesLerneld is, nich nur in Bezug audie Bewegungsrderung, sondernauch aus sozialpdagogischerSich. Dieser Veranworung sellensich alle Miarbeier_innen immerwieder gern.

    www.pfefferspor.de

    all inklusive &

    Spiele satt8. PankowFestival des Sportvereins Pfefferwerk e.V.V O R B E R I C H T : S e b a s t i a n Z i n k e & A n d r e a s D l l i c k | F O T O S : A n d r e a s D l l i c k V G B i l d - K u n s t

    Es ist wieder soweit: Am Sonntag, 31.August, steigt von 13 - 18 Uhr in undvor der Max Schmeling Halle das 8. Pan-kowFestival des Sportvereins Pfeffer-

    werk e.V. Seit dem 1. PankowFestival vor achtJahren steht diese Veranstaltung in der Tradition,

    gesellschaftlich relevante Themen mit Sport zuverbinden. Dem Leitbild des Vereins entspre-chend hat man sich bei den Pfeffersportlerninhaltlich mit der Suchtprvention, der Gewalt-prvention und den Integrationsmglichkeitenauseinandergesetzt. Dabei gab es zwei Herange-hensweisen: Einerseits werden aktuelle Projektedes Vereins gezeigt und beworben. Anderseits

    wurden lokale Partner gesucht, die sich schwer-punktmig mit bestimmten Inhalten auseinan-dersetzen, und mit ihnen das PankowFestivalals Kommunikationsplattform nutzen. Einer derwichtigsten Partner ist die Fachstelle fr Sucht-prvention des Bezirksamtes Pankow, speziell

    Yvonne Tenner-Paustian sei hier genannt. Seitder 1. Veranstaltung untersttzen uns auerdemder gemeinntzige Verein mob obdachlose ma-chen mobil, die soziale Straenzeitung strassen-

    fegerund die Velomax GmbH.

    Als Groverein ist es wichtig, praktisch undanschaulich die eigenen Mitglieder darber zuinformieren, welche Arbeitsschwerpunkte derSportverein neben der Sportfrderung hat, undden Menschen in Pankow zu zeigen, welcheMglichkeiten und Wege es gibt, die man ge-meinsam gehen kann.

    Das 8. PankowFestival steht ganz im Zeichender Inklusion. Der SV Pfefferwerk ist schon seit

    1996 im Integrationssport, d. h. im Bereich vonSportangeboten fr Menschen mit und ohneHandicaps, ttig. Der Inklusionsbegriff beziehtsich dabei auf alle Personengruppen, die in denSportstrukturen unterreprsentiert sind und inunserem Umfeld existieren, d. h. nicht nur aufMenschen mit Handicaps. In letzter Konsequenzbedeutet Inklusion fr den SV Pfefferwerk: InKontakt kommen, um Stigmatisierungs-, Dis-kriminierungs- und Marginalisierungsprozes-sen entgegenzuwirken, d.h. Berhrungsngsteund Vorurteile abzubauen. Getreu dem Motto:Vielfalt begegnet man am besten mit Vielfalt,wollen wir auf dem PankowFestival mit einembreiten und bunten Sportangebot werben fr Be-

    wegungsangebote in heterogenen Gruppen. AlleMenschen in Pankow sind dazu eingeladen.

    D a s S p o r t p r o g r a m m : Die Basketballer organisieren ein

    Streetballturnier. Die Kiezkicker veranstalten ein inklu-

    sives Fuballturnier. Tamburello, Rollstuhlbasketball,Wheelsoccer(Rollstuhlfuball),Frisbeegolf & Freestyle, Klettern, Par-kour, Bogenschieen u. v. a. m. kannausprobiert werden.

    Fr die Kleinen gibt es einen riesigenIndoorspielplatz.

    Also: Vorbeikommen und einen schnen sportli-chen Nachmittag haben!

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    srasseneger | Nr. | Augus - Sepember TAUFRISCH & ANGESAGT | S p o r t

    Gold fr Patrick HausdingHeimsieg bei den Schwimm-Europameisterschaften in BerlinB E R I C H T & F O T O S : A n d r e a s D l l i c k ( V G W o r t - B i l d )

    Erster Wettkampf, erster Sieg. Fr den Wassersprin-

    ger Patrick Hausding konnte es bei den Europa-meisterschaften im Schwimmen im heimischenBecken nicht besser laufen. Der 25-Jhrige holtesich im Velodrom vom 1-Meter-Brett mit 428,65

    Punkten die Goldmedaille. Ein super Auftakt, besser gehtes ja nicht als Gold, freute sich Hausding. Es war brigensdie erste internationale Medaille fr Hausding berhaupt indieser Disziplin. Patrick Hausding und Sascha Klein gewan-nen anschlieend mit 461,46 Punkten erneut die Goldme-daille im Synchronspringen vom Turm. Fr die beiden war esbereits der siebte EM-Titel in Serie. Hausding hat sich nochviel vorgenommen. Insgesamt wollte er in fnf Wettkmpfenspringen. Fnf Medaillen seien mglich, wenn er seine Top-Leistung bringe.

    Nicht ganz so gut lief es fr die Beckenschwimmer des Deut-schen Schwimm-Verbands (DSV) bis Dienstagabend. Der Stardes Teams, Weltmeister und Weltrekordler Paul Biedermannverspekulierte sich schon in seinem ersten Wettbewerb, den400m Freistil. Als Vorlauf-Neunter verpasste der 28-Jhrigedas Finale um sieben Hundertstelsekunden. Den Vorwurf, sichverzockt zu haben, wollte er nicht auf sich sitzen lassen. Ichwusste nicht, was kann ich abrufen nach der Krankheit, soBiedermann. Auf seiner Spezialstrecke, den 200 Meter Kraul,konterte Biedermann dann schon im Zwischenlauf. Der Favo-rit zog trotz eines grottenschlechten Starts, Biedermann klebtenoch am Startblock, als sein Nebenmann schon fast ins Wassereeintauchte als Schnellster in das Finale am Mittwochabend ein.

    Die erste Medaille im Velodrom fr die deutschen Schwimmergewann Jan-Philip Glania ber 100 Meter Rcken. Er schlugin starken 54,15 Sekunden als Dritter an. Christian Dienerhatte lange gefhrt, musste aber im Finish seinem starken An-

    gang Tribut zollen. Der vierte Platz (54,23 Sekunden) sorgtebei ihm fr ordentlich Wut im Bauch fr die nchsten Rennen.

    ber 200 Meter Rcken gab es fr die Ex-EuropameisterinJenny Mensing und Lisa Graf leider kein Edelmetall. Graf ver-passte in 2:10,64 Minuten als Vierte knapp eine berraschendeBronzemedaille. Teamkollegin Mensing wurde in 2:11,77 Mi-

    nuten nur Siebte und schwamm eineinhalb Sekunden berihrer Halbfinalzeit. Enttuschend verliefen die Endlufe frSteffen Deibler (Achter ber 50 Meter Schmetterling in 23,64Sekunden) und Hendrik Feldwehr (Achter ber 100 MeterBrust in 1:01,02 Sekunden). (Die Wettkmpfe waren bei Re-daktionsschluss am 20.08.2014 noch nicht beendet.)

    Sehr viel besser war die Ausbeute bei den Freiwasserschwim-mern, die ihre Wettbewerbe auf der historischen Regattastre-cke in Grnau austrugen. Rekordweltmeister Thomas Lurzholte sich nach Silber ber die 5-km-Strecke auch Silber berdie 10 km. Bei Schwimmmarathon ber 25 km gewannLurz die Bronzemedaille. Bei den Frauen siegte Hrle berden Sprintstrecke, die 5 km. Angela Maurer kmpfte sichzum Abschluss der Freiwasser-Rennen ber 25 km zu Bronze.Das gemischte 5-km Freistil-Team holte sich ebenfalls dendritten Platz. Eine rundum gelungene EM fr uns, erklrteFreiwasser-Bundestrainer Stefan Lurz zum Abschluss.

    Paul Biedermann is der Sar des deuschen Schwimmeams

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