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Sabrina Gollers: Die Welt steckt ja gerade in einer sehr großen Finanzkrise. Sie als ehemaliger Banker - Sie beschäftigen sich noch immer mit ökonomischen Zukunftsthemen, wie sehen sie denn die Rolle der Marktforschung vor diesem Hintergrund? Marktforschung.de: Oliver W. Schwarzmann: "Momentan ist die große St... http://www.marktforschung.de/information/interviews/marktforschung/oli... Das Interview können Sie hier als Videopodcast abrufen. 08.12.2008:
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08.12.2008:
Oliver W. Schwarzmann: "Momentan ist die große Stunde der
Marktforschung, denn jetzt müssen die Unternehmen auf ihre
Märkte hören"
Oliver W. Schwarzmann, Vorstand der Bley
und Schwarzmann AG, stand
marktforschung.de im Rahmen der
"Research & Results 2008" am ersten
Messetag zum Interview zur Verfügung.
Die Fragen für marktforschung.de stellte
Sabrina Gollers.
Das Interview können Sie hier als
Videopodcast abrufen.
Sabrina Gollers für marktforschung.de:
Jetzt stehe ich hier neben Oliver
Schwarzmann, Vorstand der Bley und Schwarzmann AG, die sich auf die Produktion
von Vordenkermedien spezialisiert hat. Herr Schwarzmann, herzlich willkommen.
Oliver W. Schwarzmann: Hallo, herzlich willkommen!
Sabrina Gollers: Was sind denn Vordenkermedien, bzw. was ist ein Vordenker in Ihren
Augen?
Oliver W. Schwarzmann: Also zur Frage eins: Vordenkermedien sind Publikationen, in denen
der Vordenker - in diesem Fall ich - seine Visionen, Thesen, Trends, Erkenntnisse, aufs Blatt
Papier bringt sozusagen.
Und zur zweiten Frage, was ein Vordenker ist: er sucht das Mögliche, er versucht, das
Mögliche zu denken, er versucht, einfach neue Sichtweisen, neue Perspektiven, neue
Möglichkeiten speziell im ökonomischen Bereich bei uns zu finden und neue Wege
aufzuzeigen.
Sabrina Gollers: Wird denn das Vordenken ein immer wichtigerer Erfolgsfaktor im
Unternehmen?
Oliver W. Schwarzmann: Absolut! Wir sehen ja, dass die Zeit, die Entwicklungen immer
schneller gehen, und das heißt, dass wir einfach immer mehr vorausblicken müssen - wohin
entwickeln sich die Märkte, um rechtzeitig mit meinem Produkt, mit meiner Strategie auch da
zu sein. Die Zeit zwischen dem Auswerten der Marktdaten und ihrer strategischen Umsetzung
wird ja immer kürzer, und wir erleben ja, dass die Märkte oft schneller sind als die
Unternehmen, deshalb plädiere ich dafür, dass eine Entscheidung immer nur so gut ist wie
das Maß an Weitblick, mit der sie getroffen wird. Das heißt: je mehr Weitblick ich habe, je
mehr ich Entwicklungen abschätzen kann, desto zielgenauer werde ich mich auf meinem
Markt positionieren können.
Sabrina Gollers: Die Welt steckt ja gerade in einer sehr großen Finanzkrise. Sie als
ehemaliger Banker - Sie beschäftigen sich noch immer mit ökonomischen
Zukunftsthemen, wie sehen sie denn die Rolle der Marktforschung vor diesem
Hintergrund?
Oliver W. Schwarzmann: Krisen sind grundsätzlich Vergrößerungsgläser, wir müssen nun
sehen: die Finanzmarktkriese, die Weltrezession, die ja daraus entsteht momentan, das war
ein kleiner Immobilienhype in Amerika, die Immobilienkriese in Amerika, die eigentlich nun
weltweit die Vermarktungsschwächen unserer Unternehmen offenlegt. Und für die
Marktforschungsbranche sehe ich ein ganz deutliches Signal: die Unternehmen haben es in
den letzten Jahren versäumt, ihre Kunden und ihre Märkte genau kennenzulernen, sonst
hätten sie viel besser auf die Krise reagieren können. Dann wär das mit der Rezession gar
nicht gekommen, weil die Vermarktungsfähigkeiten besser gewesen wären.
Das heißt: Momentan ist die große Stunde der Marktforschung – warum? Weil: jetzt müssen
die Unternehmen auf ihre Märkte hören. Jetzt müssen sie ihre Kunden besser kennenlernen.
Jetzt müssen sie ihre Kundenbeziehungen besser gestalten - und dazu brauche ich
Information über meinen Kunden, und deshalb glaube ich, das dass zur großen Stunde der
Marktforschung werden kann, wenn sie es denn verstehen, diese Situation zu nutzen.
Sabrina Gollers: Und mit diesem immer stärker werdenden Kosten- und
Konkurrenzdruck: glauben Sie dass die Qualität der Marktforschung in Zukunft
darunter leiden wird?
Oliver W. Schwarzmann: Nun es ist so: Wir alle müssen unter Kostendruck arbeiten. Das
heißt aber nicht, dass wir unsere Qualität nach unten korrigieren dürfen, sondern wir müssen
Wege finden, zu geringeren Kosten bessere Qualität zu produzieren - das ist einfach die
Evolution, die am Markt herrscht.
Wenn wir aber jetzt mal von den Kosten weg gehen: ich plädiere immer dafür, wenn der
Kunde begreift, welche Bedeutung das Produkt, das er kaufen soll, für ihn hat, dann wird er
Marktforschung.de: Oliver W. Schwarzmann: "Momentan ist die große St... http://www.marktforschung.de/information/interviews/marktforschung/oli...
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Kunde begreift, welche Bedeutung das Produkt, das er kaufen soll, für ihn hat, dann wird er
nicht den Preis, sondern den Wert für das Produkt bezahlen. Das heißt, wir brauchen ein
Wertbewusstsein für unsere Dienstleistungen. Und wenn es der Marktforschung gelingt, ein
Wertbewusstsein für ihre Dienstleistungen und die Wichtigkeit ihrer Dienstleistungen
herauszustellen, dann werden sie auch ihre Preise durchsetzen können ungeachtet der
Kostenreduzierungsspirale, die wir ohnehin schon haben.
Sabrina Gollers: Stichpunkt Werte: welche Werte werden denn in Zukunft an
Bedeutung gewinnen?
Oliver W. Schwarzmann: Also wir werden in Zukunft ganz deutlich das Thema Vertrauen
wieder ganz groß schreiben müssen, das zeigt ja die Krise. Wir werden das Thema
Gemeinschaft ganz groß schreiben müssen. Das heißt: der Wettbewerb der Zukunft ist ein
Kampf um Gemeinschaften. Wenn es mir heute gelingt, die Loyalität meiner Mitarbeiter und
die Loyalität meiner Kunden zu sichern, dann habe ich schon das größte Wertepotential in
meinem Unternehmen selbst.
Auf der anderen Seite sehe ich einen großen Wandel in der Unternehmenskultur. Die
Unternehmen müssen wieder transparent und offen sein, so dass man sie erkennen kann,
dass man sehen kann, was tun sie, was haben sie für eine Philosophie, was haben sie für
eine Ethik, was haben sie für eine Einstellung zum Thema Ökologie zum Thema Gesellschaft,
auch zum Thema Zukunft. Ich glaube, dass die Unternehmen in Zukunft keine ökonomischen
Positionen am Markt einnehmen werden, sondern gesellschaftliche Positionen. Das heißt, sie
müssen auf die großen Fragen der Menschheit ihre spezifische Antwort liefern, und das ist der
große Wertekanon, den wir auch in Zukunft an den Märkten haben werden.
Sabrina Gollers: Inwieweit müssen denn auch die Marktforschungsinstitute ihrer
sozialen Verantwortung nachkommen?
Oliver W. Schwarzmann: Die Marktforscher müssen sich als intermediär verstehen. Also: sie
nehmen ja die Meinungen, die Gefühle, die Trends am Markt und bereiten sie auf für die
Unternehmen. Und darin steckt ja ein ganz großes soziales Thema. Das heißt, die Emotionen
am Markt, die Befindlichkeit am Markt, die Psychologie am Markt, die ja heute die Märkte
auch in ihrer Entwicklung formt, das müssen die Marktforscher transportieren. Und genau
diese Befindlichkeit, die am Markt herrscht, also nicht die Märkte und den Kunden auf
Statistik, auf Zahlen zu reduzieren, sondern die große soziale Verantwortung der
Marktforschung liegt darin, die befragten Kunden als Menschen darzustellen. Mit Gefühlen,
auch mit paradoxen Aussagen, mit irrationalem Handeln - all das, was in diesem Bereich
dazugehört.
Und wenn es der Marktforschung gelingt, ihre Ergebnisse, die sie am Markt eruiert, den
Unternehmen auf diese Art und Weise weiterzugeben und zu sagen: hört zu, wir haben am
Markt einen Wertewandel, hört zu, wir haben soziale Trends an den Märkten, hört zu, die
Kunden wollen Gemeinschaft haben, die Kunden wollen deine Unternehmensphilosophie
sehen.
Wenn das die Marktforschung begreift, dass sie dort eine unglaubliche Funktion als sozialer
Intermediär haben kann, dann hat sie gewonnen, dann kann sie genau diesen Bereich, den
sie angesprochen haben, perfekt übernehmen.
Sabrina Gollers: Resultiert Ihrer Meinung nach auch daraus, dass qualitative
Marktforschung eine größere Zukunft hat als quantitative Umfragen?
Oliver W. Schwarzmann: Absolut. Die Märkte sind keine Massenmärkte mehr, wir haben uns
schon lange vom Massenmarkt verabschiedet, wir haben Nischenmärkte, wir haben eine
Differenzierung der Ökonomie, wir haben eine Spezialisierung der Unternehmen, wir haben
eine Fragmentierung des Kundenverhaltens. Das heißt: ich brauche hier eine qualitative
Marktforschung, um diese Differenzierung, diese Fragmentierung, die in den Märkten da ist,
abbilden zu können. Massenbefragungen sind heute für den unternehmerischen Umsatz - und
das lässt sich in den Bilanzen der Unternehmen locker nachweisen - gar nicht mehr relevant.
Sabrina Gollers: Und neben der Nische Vertrauen und Gemeinschaft: Was sind denn
weitere Megatrends unserer Gesellschaft?
Oliver W. Schwarzmann: Gut - wir haben natürlich das Thema Ökologie immer auf dem Tisch.
Das ist ein großes Thema. Wenn ich heute ein Produkt habe, das ich nicht ökologisch korrekt
verkaufe - siehe Automobilindustrie -, dann wird das nicht funktionieren. Ich habe einen
zweiten großen strukturellen Trend, das ist der Trend der Demographie. Wir alle werden
immer älter, und das verändert natürlich auch die Marktstruktur.
In zehn, fünfzehn Jahren werden Senioren zum Beispiel die Konsumstrukturen beherrschen.
Senioren haben andere Bedürfnisse als es vielleicht für junge Menschen der Fall ist. Wenn
sie sich heute anschauen, wenn sie in Werbeagenturen reingehen und deren Zielgruppe
sehen, dann ist das die junge Familie, die es eigentlich gar nicht gibt, oder die junge
dynamische Frau, der junge dynamische Mann, die es in zehn, fünfzehn Jahren gar nicht
mehr geben wird, weil sie demographisch nicht mehr produziert sind.
Das heißt, wir müssen heute auf diesen demographischen Wandel enorm Rücksicht nehmen.
Dann wird auch die die Globalisierung weiter gehen, aber in einer ganz anderen Form. Was
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Dann wird auch die die Globalisierung weiter gehen, aber in einer ganz anderen Form. Was
wir in der Globalisierung derzeit erleben, ist eine Re-regionalisierung. Wenn sie sich die
Märkte anschauen, stellen sie fest, alles was regional ist, ist erfolgreich. Warum ist das so?
Die Globalisierung ist anonym, die Menschen haben Angst vor Globalisierung. Deshalb ziehen
sie sich zurück in ihre Regionen, durch die Regionen werden sie international vernetzen,
deshalb haben wir einen Interregionalisierungstrend. Und aus diesem Trend entsteht ein
neuer Anspruch, ein neuer Trend - das ist der Trend nach Sicherheit, die Suche nach
Sicherheit. Da sind wir wieder beim Stichwort Vertrauen. Das wird in den nächsten Jahren ein
enorm wichtiger Unternehmenstrend sein. Das Unternehmen muss dem Kunden gegenüber
ein hohes Maß an Sicherheitsgefühl produzieren können, damit sich der Kunde dem
Unternehmen auch öffnet. Das sind so die Haupttrends, die ich sehe für die nächsten Jahre.
Und denen werden wir uns stellen müssen.
Sabrina Gollers: Sie haben den demographischen Wandel angesprochen. Wie sehen
denn die Bestager der Zukunft aus?
Oliver W. Schwarzmann: Das Marketing stilisiert die Senioren immer als die neuen
Hedonisten, das ist nicht so. Das wird die Marktforschung in ein paar Jahren - schätze ich -
auch beweisen. Die Senioren treten sehr stark als Transfersparer und als Transferinvestoren
auf, das heißt, sie vererben, sie verschenken ihr Geld. Natürlich fließt mehr Geld in ihre
Lebensqualität, aber ich denke, dass das Meiste, was die Senioren an Vermögen angespart
haben, zum Teil in Ihre Absicherung, in Ihre Pflegeabsicherung des Alters gehen wird, denn
wir haben ja nicht mehr in Zukunft ein Alter, das über fünf, sieben oder acht Jahre geht,
sondern wir haben ein Alterspanne, die über zehn, fünfzehn, zwanzig Jahre reicht - ein zweiter
großer Lebensabschnitt, der da finanziert werden muss.
Das heißt: es wird so viel Geld gar nicht übrigbleiben, und sie werden ihr Geld in
Transferleistungen für die jüngere Generation, die sie unterstützt, reinstecken müssen. Ich
denke, die Senioren der Zukunft sind sehr qualitative Konsumenten, wenn wir sie mal vom
Sinne des Konsums sehen wollen. Qualitative, anspruchsvolle Konsumenten mit hohem
Kommunikationsbedürfnis, mit einem hohen Informationsbedürfnis und vor allem mit einem
hohen gemeinschaftlichen Bedürfnis.
Wenn jemand - das können die Marktforscher den Unternehmen sagen als Botschaft - wenn
sie mit Senioren Geschäfte machen wollen, dann müssen sie Begegnungen schaffen, dann
müssen sie Gemeinschaften erzeugen, dann können sie auch mit dem Senior als Konsument
sehr, sehr gute Geschäfte machen. Aber ich wehre mich gegen dieses Bild dieses jungen
Alten, der die Jugendlichkeit um jeden Preis nach vorne stellt. Ich denke, die neuen Senioren
sind so clever und haben ihrem Alter gegenüber so ein hohes Bewusstsein, das sie diese
Jugendlichkeit, diese Antiaging-Bewegung gar nicht nötig haben.
Sabrina Gollers: Jetzt haben wir viel über wirklich langfristige Trends gesprochen - was
ist den Ihrer Meinung nach ein Hype?
Oliver W. Schwarzmann: Ein Hype - ja, wir haben momentan sicherlich einen Sicherheitshype
im Finanzmarkt. Also die Banken, eigentlich alle Finanzdienstleister, werden kämpfen müssen
um die Gunst ihrer Kunden. Denn schauen Sie, als ich noch Banker war, hat man für den
Banker den roten Teppich ausgelegt. Das war der Gewinn, wenn man in der Schule sagen
konnte, man eine Bankerausbildung angefangen. Man konnte jedes Mädchen im Dorf
bekommen, heute ist man Attentatsgefährdet, wenn man sagt, man ist Banker.
Das heißt, dieser Nimbus, dieser Anspruch des Bankers ist passé. Und das war die Basis des
Geschäfts der Banken. Das heißt: wir müssen hier wahnsinnig viel Vertrauen wieder
zurückgewinnen. Also: die Nachfrage nach Sicherheit wird ein großer Hype sein. Ein zweiter
Hype, den ich sehe ist die Forderung nach Nachhaltigkeit. Jeder spricht momentan von
Nachhaltigkeit, obwohl keiner so recht weiß, was es überhaupt ist. Was ist Nachhaltigkeit? Ich
habe gefragt, was sagen die Leute, was ist Nachhaltigkeit, da sagen die alle: das ist
Langfristigkeit. Nein. Langfristigkeit hat mit Nachhaltigkeit nichts zu tun. Nachhaltigkeit
bedeutet Verbesserung, Nachhaltigkeit bedeutet Kultivierung, Nachhaltigkeit bedeutet, eine
höhere Qualität zu erzeugen.
Das heißt: wenn ich heute nachhaltige Investitionen tätige, dann sind das Investitionen, die
zur Verbesserung, zur Kultivierung, zur Erzielung einer höheren Qualität eines Unternehmens
oder eines Marktes induziert sind. Und da ist die Zeitkomponente gar nicht so wichtig, denn
wir leben mittlerweile in komplexen Märkten, die solche starken Wechselwirkungen haben,
dass der Erfolg einer Investition, einer Strategie immer die Frage der Korrelation ist, der
situativen Korrelation.
Das hat aber nichts mit kurzfristigem Denken zu tun, ich glaube wir müssen aus diesem
Zeitdenken aussteigen, wir müssen einfach unmittelbar kreativ mehr improvisieren, ohne zu
versuchen diesem Nachhaltigkeitstrend, diesen Hype den wir jetzt erleben werden - alle
schreien nach nachhaltigen Produkten, nach nachhaltigen Strategien -, den müssen wir
umsetzen in das Thema Verbesserung und Kultivierung. Ich glaube, dann haben wir viel aus
der Krise gelernt.
Sabrina Gollers: Die Marktforschungsbranche hat ja momentan das Problem, dass die
Bevölkerung immer weniger bereit ist, bei Umfragen mitzumachen. Sie haben eben den
großen Wert Vertrauen angesprochen. Hat dies vielleicht etwas miteinander zu tun?
Marktforschung.de: Oliver W. Schwarzmann: "Momentan ist die große St... http://www.marktforschung.de/information/interviews/marktforschung/oli...
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großen Wert Vertrauen angesprochen. Hat dies vielleicht etwas miteinander zu tun?
Oliver W. Schwarzmann: Absolut! Die Menschen sind immer bereit, ihre persönlichen Daten,
ihre persönliche Befindlichkeit Dritten gegenüber zu äußern. Weil sie ja genau wissen, das
diese Informationen dazu dienen, in Unternehmen als Statistik einzugehen. Ja, der Mensch
will sich nicht als Statist reduzieren lassen, ein Kunde schon gar nicht. Und man hat ja auch
mittlerweile eine Aversion gegen Callcenteranrufe und genau da denke ich, sollte sich die
Marktforschung differenzieren.
Ich sehe eine große Chance für die Marktforschung, wenn sie eigene Kreise aufbaut, eigene
Gemeinschaften aufbaut, wo eigenes Relationship, also eine eigene Vertrauensbildung
herrscht. Damit sind die Daten ja auch viel ehrlicher die die Marktforschung erhebt, und dafür
für die Unternehmen viel wertvoller. Denn jemand, der von einem Anruf genervt ist, der sagt
eben ja, nein und kreuzt das an, was ihm gerade einfällt, und ob die Daten immer dann so
relevant sind und den Markt so wiederspiegeln, wage ich zu bezweifeln. Habe ich aber als
Marktforscher quasi eine eigene Befragungsgruppe, zu der ich regelmäßig Kontakt pflege, die
eine Gemeinschaft von mir ist, dann kriege ich ja ganz andere Aussagen. Das heißt, ich kann
auch in die Tiefe gehen, ich kriege also vertrauenswürdige Aussagen, und die sind viel, viel
wertvoller zur Abschätzung für Unternehmensstrategien.
Und da glaube ich: Wenn die Marktforschung clever ist, baut die sich ganz eigene
Communities auf, mit der sie arbeitet und ruft nicht einmal im Jahr an und sagt: "Hallo, ich
stelle ihnen jetzt fünf Fragen, und in drei Sekunden müssen sie mir die beantworten". Die Zeit
ist einfach vorbei. Der Kunde will sich nicht ausfragen lassen - da müssen wir aufpassen, der
Kunde will sich beteiligen lassen. Seine Meinung ist wichtig, aber das kommt in diesen
Befragungen nicht wirklich raus. Und wenn der Marktforscher dem Befragten das Gefühl
geben kann, er ist wichtig, seine Meinung ist wichtig und sie geht auch nicht unter, dann wird
diese Frustration und dieses Misstrauen gegenüber diesen Marktforschungsbefragungen
auch weniger werden.
Sabrina Gollers: Mit welchen Methoden betreiben Sie denn Ihre Zukunftsforschung?
Oliver W. Schwarzmann: Als ich von der Bank wegging - ich war ja Investmentbanker, das
darf man heute ja auch nicht mehr so laut sagen - habe ich mir auf der Welt, auf der ich
unterwegs war, ein Wissensnetzwerk installiert von Korrespondenten, von Beobachtern, von
Trendscouts, von Leuten, die einfach die Märkte ohnehin beobachten. Dieses Netzwerk habe
ich über Jahre hinweg aufgebaut und gepflegt. Das ist ein Thinktank, der mir Informationen
liefert.
Auf der anderen Seite habe ich ein Kreativteam - das heißt, wir setzen uns zusammen und
schauen uns die Informationen, die uns unsere Beobachtungsstationen hereingeben, an und
versuchen, sie zu interpretieren - kreativ zu interpretiern, weil ich ja als Vordenker gefordert
bin, neue Wege, neue Perspektiven aufzuzeigen. Die Zukunft lässt sich nicht erforschen, weil
sie ja noch nicht da ist.
Das heißt: wir spekulieren natürlich, wir erzeugen fiktive Marktszenarien. Und dazu gehört ein
großes Maß an Informationen, die fundiert sind, aber auch ein hohes Maß an Kreativität und
Gespür für die Märkte. Und das alles werfe ich in einen Topf mit sehr, sehr viel Leuten. Ich
habe eigenes Institut in unserer AG und viele intelligente Leute um mich herum, und das alles
werfen wir in einen Topf. Und aus dem hole ich mir die Interpretationen heraus, die ich dann
als Frontman der Bley und Schwarzmann AG draußen verkünde.
Sabrina Gollers: Herr Schwarzmann, Sie haben jetzt ja schon alles Mögliche erforscht,
gibt es denn für Sie trotzdem noch so ein Traumprojekt, vielleicht auch zu einem
ungewöhnlichen Thema?
Oliver W. Schwarzmann: Ja, ich interessiere mich dafür, wie der Mensch in ein, fünf oder zehn
Millionen Jahren aussieht. Sie wissen ja, dass die Evolution Fähigkeiten ausbildet in der
Selektion auf Umweltbedingungen. Da sich ja unsere Umweltbedingungen in der
menschlichen Gesellschaft, in der Zivilisation permanent verändern - wir haben ja völlig
andere Anforderungen, wir haben ja eine völlig neue Welt, allein die Generation nach uns, die
Generation meines Sohnes, die Generation meiner Enkel wird ja mit virtuellen Erlebnissen
aufwachsen.
In wieweit wird diese Welt, die in Zukunft da ist, auf unsere Evolution Auswirkungen haben?
Wie wird der Mensch, wie werden Sie, wie werde ich, wie werden wir alle in ein, fünf oder
zehn Millionen Jahren aussehen? Da würde ich gerne Evolutionsbiologen, Humangenetiker,
alle dazu einladen zu einer großen Evolutionsparty und da gerne darüber diskutieren.
Vielleicht können Sie es ja möglich machen, das wäre super - wie werden wir in ein paar
Millionen Jahren aussehen? Ich gehe davon aus, das ist vielleicht eine wichtige Botschaft des
Vordenkers, ich glaube, dass der Mensch überleben wird.
Sabrina Gollers: Wie wird sich Ihrer Meinung nach das Internet weiterentwickeln?
Oliver W. Schwarzmann: Das Internet ist ja kein Informationsmedium mehr, sondern ein
Beziehungsmedium. Heute werden im Internet nicht mehr Informationen ausgetauscht,
sondern Meinungen und Beziehungen geknüpft.
Und ich glaube, das ist die ganz große Chance für uns alle, dass wir im Internet, in der
Marktforschung.de: Oliver W. Schwarzmann: "Momentan ist die große St... http://www.marktforschung.de/information/interviews/marktforschung/oli...
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Und ich glaube, das ist die ganz große Chance für uns alle, dass wir im Internet, in der
Virtualität, in der virtuellen Welt des Internets die Idealform unserer Welt produzieren. Und
diese ideale Version dieser virtuellen Welt übertragen wir auf unsere reale Welt und deshalb
glaube ich, dass die virtuellen Utopien, virtuellen Visionen des Internets zum Vorbild der
Gestaltung unserer realen Welt werden. Und somit haben wir dort eigentlich die Erschaffung
des virtuellen Paradieses, das uns hilft, unseren eigenen Planeten zu retten.
Sabrina Gollers: Herr Schwarzmann, die virtuelle Welt wird den Planeten retten, der
Mensch wird überleben und wenn wir es richtig anpacken, wird dies die große Stunde
der Marktforschung - was will man mehr, vielen, vielen Dank für das spannende
Interview und noch viel Spaß auf der Messe.
Oliver W. Schwarzmann: Ich habe zu danken, tschüss miteinander.
Marktforschung.de: Oliver W. Schwarzmann: "Momentan ist die große St... http://www.marktforschung.de/information/interviews/marktforschung/oli...
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