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B47837 Jahrgang 14 / 01_2011 FEBRUAR / MÄRZ 2011 www.crescendo.de PIANO PIANO Die neue Flügel-Elite Jin Ju, Piotr Anderszewski, Nobuyuki Tsujii und Simone Dinnerstein im Porträt DOMINIQUE MEYER Hausbesuch beim neuen Intendanten der Wiener Staatsoper GIOVANNI DI LORENZO Was der ZEIT-Chefredakteur über klassische Musik denkt Ballerina! Wie real ist der Kinoerfolg BLACK SWAN? Ein Interview mit der Legende Maya Plisetskaya Mythos Maya Plisetskaya in den 40er Jahren HEIDELBERGER FRÜHLING 2011 u.a. mit Thomas Hampson, Gautier Capuçon, Pierre-Laurent Aimard, London Philharmonic Orchestra

crescendo-2011-01

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  • B478

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    011

    FEBRUAR / MRZ 2011 www.crescendo.de

    PIANO PIANO

    Die neue Flgel-Elite Jin Ju, Piotr Anderszewski,

    Nobuyuki Tsujii und Simone Dinnerstein

    im Portrt

    DOMINIQUE MEYER

    Hausbesuch beim neuen Intendanten der

    Wiener Staatsoper

    GIOVANNI DI LORENZO

    Was der ZEIT-Chefredakteur ber

    klassische Musik denkt

    Ballerina!Wie real ist der Kinoerfolg BLACK SWAN? Ein Interview mit der Legende Maya Plisetskaya

    Ballerina!Mythos

    Maya Plisetskaya in den 40er Jahren

    HEIDELBERGER FRHLING 2011

    u.a. mit Thomas Hampson, Gautier Capuon, Pierre-Laurent Aimard, London Philharmonic Orchestra

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    EXKLUSIV FR ABONNENTEN Hren Sie die Musik zu unseren Texten aufder crescendo premium-CD. Infos auf Seite 41.

    04

    EDITORIAL Mythos Ballett

    06

    AUTOREN / IMPRESSUMHinter den Kulissen von crescendo

    08

    NEWSDie User stehen auf Klassiker

    Beethoven Top - Orff Flop

    10

    DOMINIQUE MEYER14

    NOBUYUKI TSUJIIDer Pianist aus Japan hat groen Erfolg,

    obwohl er nicht sehen kann

    16

    JIN JU 20

    PIOTR ANDERSZEWSKIDer Pianist der leisen Tne

    22

    KOLUMNEPascal Morchs Gedanken

    ber die Wichtigkeit der Pause

    24

    REZENSIONENAttila Csampai testet seine Favoriten & die

    Redaktion die neuen CDs und DVDs des Frhjahrs 2011

    31

    PORTRTSimone Dinnerstein

    32

    TITEL: MYTHOS BALLERINA 35

    DANIEL HOPEUnser Lieblings-Virtuose schreibt

    ber Geigen-Dealer

    36

    JULIANE BANSEDie Sngerin ber ihren Film

    Der Freischtzund ihr neues Album.

    38

    GIOVANNI DI LORENZODer ZEIT Chefredakteur im

    crescendo-Verhr

    42

    CRESCENDO KIDSWarum knnen Ballerinas auf

    Zehenspitzen stehen?

    44

    PLUS REGIONALHeidelberger Frhling

    46

    TERMINEDie wichtigsten Termine des neuen Jahres

    50

    A.E.CD.M.J.K.Auf eine CD mit Joachim Kaiser.

    Das Thema diesmal: Seine Plattensammlung

    16

    JIN JU Die Chinesin, die kein Star sein will, aber vor dem Papst Klavier spielt.

    31

    SIMONE DINNERSTEINEin Portrt ber die Pianistin,

    die ein groes Gespr fr Bach mitbringt.

    10

    DOMINIQUE MEYER

    Der neue Intendant der Wiener

    Staatsoper ber seine erste Zeit in

    der sterreichischen Hauptstadt.

    32 TITEL Die Primaballerina

    Maya Plisetskaya erklrt die

    Faszination des Balletts

  • { E D I T O R I A L }

    44

    Liebe & Leidenschaft

    Liebe Leser,

    haben Sie Black Swan schon gesehen? Den neuen Hollywood-Film ber die sagenumwobene Welt des Balletts? Nina, gespielt von Natalie Portman, mchte unbedingt die Hauptrolle in Schwanensee. Der Regisseur traut ihr die Rolle nicht zu. Sie sei zu brav. Zu wei. Eben nur die eine Hlfte der Rolle. Also macht Nina sich auf den Weg, das Abgrndige, das Bse, die Schattenseite in sich zu entdecken: den Black Swan. Sie schindet sich und ihren Krper kompromisslos, dringt so sehr ein in das Abseitige, dass das Publikum hinse-hen muss, obwohl es nicht mchte. In diesem Film ist Ballett und vor allem der Weg auf die Bhne nichts Schnes, nichts Leichtes und sthetisches. Es ist das Gegenteil: hsslich, entstellend, zerstrerisch. Aber gerade dadurch erschliet sich die Faszination dieses Metiers: Es muss etwas Magisches haben, wenn ein zartes Mdchen sich so schindet. Trotzdem wollten wir der Sache genauer auf den Grund gehen und trafen fr Sie eine lebende Legende: Die unangefochtene Primaballerina Maya Plisets-kaya. Nur eines vorweg: Geqult habe sie sich nie, sagt sie im Interview (Seite 32) mit unserem Chefredakteur Robert Kittel. Es sei eine wunderbare Zeit gewesen auf der Bhne. Leidenschaft nimmt Leid in Kauf. Kittel vom Ballett-Fie-ber bisher verschont freut sich seit dem Treffen mit dem russischen Star auf den nchsten Ballettabend.

    Ebenfalls getroffen haben wir fr diese Ausgabe Do-minique Meyer, der als Nachfolger von Ioan Holender nun die Wiener Staatsoper leitet. Meyer berraschte uns mit einer News, die man in anderen Husern eher an 101. Stelle gesehen htte: Er setzt auf die Kraft der Speisen. Die erste Neubesetzung des Elsssers waren kein Witz die Kche der Opernkantine. Laut Meyer gehen alle Mitarbeiter nun gerne hin, was in der Vergangenheit tatschlich nicht der Fall war. Meyer begrndet es mit den Worten: Oper ist Kommunikation. Anders ausgedrckt: Mit Wertschtzung auf Augenhhe erreicht man mehr. Ich wnsche Ihm von ganzem Herzen, dass er Recht behlt. Das Interview des Kollegen Tobias Haberl lesen Sie auf den Seiten 10 bis 13.

    Werner Dabringhaus, einer der beiden Grnder der Musikproduk-tion Dabringhaus und Grimm, besser bekannt als MDG, rief mich vor Weihnachten an und erzhlte mir von Jin Ju, einer Pianistin, die er gerade zum

    WINFRIED HANUSCHIKHERAUSGEBER

    ersten Mal live gehrt hatte. Dabringhaus, muss man wis-sen, hat auerordentlich kritische Ohren. Ihn zu beeindru-cken ist schwer. Der bliche Superlativ-Marketingrlefanz entlockt ihm nur ein mdes Lcheln. Aber Jin Ju (gespro-chen: Schin Sch) scheint anders zu sein. Ihre Virtuositt beeindruckt ihn, er fhlt sich verstanden, von Ihrer Art zu spielen. Ganz klar: Er ist verliebt. Schn verliebt. Leiden-schaftlich verliebt. Durch sie hrt er Musik neu. Er hrt sie so, wie er es sich immer gewnscht hat. Ich kenne Werner

    Dabringhaus schon sehr lange. Aber so kannte ich ihn nicht. Darum bat ich unseren unkorrumpier-

    baren Autor Michael Horst, sich Jin Ju bei ei-nem der wenigen Konzerte in Deutschland, anzuhren. Horsts Fazit: Beeindruckend hrenswert. Die lesenswerten Details n-den Sie ab Seite 16.

    Als ich in der Redaktionskonferenz die Geschichte von Dabringhaus und Jin Ju

    erzhlte, entbrannte sogleich eine Diskussion ber die in Deutschland noch unterschtzten Pi-

    anisten. Deshalb nden sich neben Jin Ju nun noch drei weitere Klavierknstler in dieser Ausgabe: Piotr Anders-zewski (Seite 20), Nobuyuki Tsujii (Seite 14) und Simone Dinnerstein (Seite 31).

    Und jetzt bin ich gespannt: Welche Knstler hal-ten Sie fr unterschtzt? Wem sollten wir in Zukunft ei-ne Bhne bieten? Wem sollten wir mehr Aufmerksamkeit schenken? Schreiben Sie uns, schreiben Sie gerne auch mir persnlich an [email protected]

    Herzlichst, Ihr

    Ballett muss etwas Magisches

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    Mit dem Album Virtuoso prsentiert sich der GeigerRay Chen, Gewinner des renommierten Concours ReineElisabeth, zum ersten Mal auf CD. Er spielt persnlicheLieblingsstcke wie die Teufelssonate von Tartini, Bachsmonumentale Chaconne, die hchst anspruchsvollenVariationen von Wieniawski sowie die poetische Violin-sonate A-Dur von Csar Franck.His whole performance wasout of this world. De StandaardErhltlich ab 18.02.11

    RAY CHEN VIRTUOSO

    SIMONE DINNERSTEINBACH: A STRANGE BEAUTYSie spielt Bach mit einer Subjektivitt und so vielExzentrik, so viel Ausdruckswut und Manierismus, bei einerderart klugen und bedchtigen Klarlegung der formalenStrukturen, wie es unsere Ohren schon lange nicht mehrgewhnt sind. FAZEine fast lakonische Direktheit des Klangbilds trifftauf eine emotional hochexpressive Diktion. Cicero

    DOROTHEE OBERLINGERFRENCH BAROQUE VERSAILLES 17001740

    Auf French Baroque spielt die Blockfltistingemeinsam mit ihrem Ensemble 1700 Kammermusik

    bedeutender franzsischer Hofmusiker wie Hotteterre,Chdeville, Marais und Couperin von der Zeit Ludwigs

    des XIV. bis zur ra Ludwigs des XV.

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  • 6{ A U T O R E N }

    HINTER DER BHNEDie wahren Helden bei crescendo sind die Mitarbeiter.

    Deshalb der gewohnte Blick hinter die Kulissen.

    TOM WAGNEREs kommt zwar fters vor, aber der Nachname Wagner ist im klassi-schen Musikbereich natrlich nie schlecht. Auch wenn der Berliner Fotograf Tom Wagner wie etwa 100.000 andere nicht direkt mit

    dem Komponisten verwandt ist, hat er fr uns diesmal die chinesische

    Pianistin Jin Ju abgelichtet. Die er-freulichen Ergebnisse der Wagner-Ju-Begegnung knnen Sie auf den

    Seiten 16 bis 18 bestaunen.

    TOBIAS HABERLDer Mnchner Autor reiste

    fr diese Ausgabe nach Wien, um den neuen Intendanten der Staatsoper, Dominique

    Meyer, zu treffen. Da Meyer noch ein kleines Meeting in seinem Bro hatte, bekam

    Haberl vom Pressechef eine Fhrung durch die Katakom-ben des honorigen Hauses. Er durfte sogar auf die Bh-ne (Schon sehr imposant, wenn man von hier aus ins

    Publikum blickt). brigens: Haberl ist auch unter die

    Buchautoren gegangen. Sein Werk trgt den Titel Als ich einmal rot wurde. Mein Jahr

    in der Linksparei (ab 15. Februar, Luchterhand Verlag) und es ist natrlich sehr lesenswert. Haberl mischte sich ein Jahr undercover

    in die Linkspartei, nahm an Parteitagen und Veranstaltun-gen teil und schrieb dies alles amsant und realistisch zu-gleich auf 256 Seiten nieder.

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    VERLAG Port Media GmbH, Senefelderstrae 14, 80336 Mnchen

    Telefon: +49- (0)89-741509-0, Fax: [email protected], www.crescendo.de

    Port Media ist Mitglied im Verband Deutscher Zeitschriftenverleger

    und im AKS Arbeitskreis Kultursponsoring

    HERAUSGEBER Winfried Hanuschik | [email protected]

    VERLAGSLEITUNGPetra Lettenmeier | [email protected]

    CHEFREDAKTEURRobert Kittel (verantwortlich)

    ART DIREKTORStefan Steitz

    CHEF VOM DIENSTMichaela Wurstbauer

    AUTORENTobias Haberl, Teresa Pieschacn Raphael, Christoph Schlren

    KOLUMNISTENPascal Morch, Attila Csampai, Daniel Hope

    MITARBEITER DIESER AUSGABE Carolin Pirich, Christa Hasselhorst, Michaela Farmer, Martin

    Morgenstern, Michael Horst, Angelika Rahm, Burkhard Schfer, Antoinette Schmelter de Escobar, Thomas Voigt, Uwe

    Schneider. Tom Wagner, Bob Coat sowie Joachim Kaiser.

    PROJEKTLEITUNG PLUS REGIONALLiselotte Richter-Lux | [email protected]

    VERLAGSREPRSENTANTENTontrger: Petra Lettenmeier | [email protected]: L. Richter-Lux | [email protected]

    Hifi & Marke: Heinz Mannsdorff | [email protected]

    AUFTRAGSMANAGEMENTPetra Lettenmeier | [email protected]

    GLTIGE ANZEIGENPREISLISTENr. 14 vom 01.09.2010

    DRUCKWestermann Druck

    Georg-Westermann-Allee 66, 38104 Braunschweig

    ERSCHEINUNGSWEISEcrescendo erscheint mit sieben Ausgaben pro Jahr und

    zustzlichen crescendo-Themenspecials.

    crescendo ist bei Opern- und Konzert husern, im Karten- vorkauf und im Hifi- und Tontrgerhandel erhltlich.

    Copyright fr alle Bei trge bei Port Media GmbH. Namentlich gekennzeichnete Beitrge geben die Meinung des Verfassers,

    nicht unbedingt die der Redaktion wieder. Nachdruck und Vervielfltigung, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher

    Genehmigung des Verlags. Fr unverlangt eingesandte Manuskripte und Fotos wird keine Gewhr bernommen.

    ANGABE DER BETEILIGUNGSVERHLTNISSEGesellschafter der Port Media GmbH:

    Winfried Hanuschik (100 %)

    ABONNEMENTAbo-Service crescendo, Postfach 13 63, 82034 Deisenhofen

    Telefon: +49-89-8585-3548, Fax: -362452, [email protected]

    Verbreitete Auflage: 73.209 (laut IVW-Meldung IV/10)

    ISSN: 1436-5529 geprfte Auflage

    BEILAGENHINWEIS:Diese Ausgabe enthlt das Themenspecial KulturRegionen

    sowie eine Teilbeilage der AlpenKLASSIK, Bad Reichenhall.

    DAS NCHSTE CRESCENDO ERSCHEINT AM 15. MRZ 2011.

  • www.crescendo.de 01_2011 | 7

    MICHAELA WURSTBAUERAls es noch keine Computer in den Arbeitsrumen dieser Welt gab, da kannte man den Ausdruck gute Seele des

    Bros. Der Begriff ist inzwischen etwas abgewetzt, doch fr unsere Mitarbeiterin Michaela Wurstbauer msste man ihn wieder aus dem Geschichtsbuch kramen. Die Mnch-

    nerin sorgt nicht nur in jeder Ausgabe dafr, dass Texte und Bilder zu einem einigermaen akzeptablen Zeitpunkt in der Redaktion eintreffen, sie organisiert auch den Ver-

    trieb, und kmmert sich um Locations und Autoren. Heute nennt man so jemanden CvD (Chef vom Dienst).

    MICHAEL HORSTDer Autor, der brigens selbst gerne am Flgel sitzt und von dieser Ausgabe an nun fters fr crescen-do schreiben wird, fhrte zu den schnen Aufnah-men von Tom Wagner (links) noch das passende

    Interview mit Jin Ju. Michael Horst lebt und arbeitet in Berlin, von wo aus er fr Magazine, Tageszeitungen und Radiosender ber das aufregende Musikleben der Hauptstadt berichtet. Da es ihn beruich wie privat regelmig nach Italien zieht, hatte er gleich ein gemeinsames Thema mit der Pianistin, denn Jin Ju lebt inzwischen in Florenz.

    60. Deutsches Mozartfest 14. 24. Mai 2011

    Das Kleine Konzert

    Hermann Max

    Augsburger Domsingknaben

    Veronika Winter, Andreas Post, Stephan Genz

    Martin Stadtfeld

    Reinhard Goebel

    Camerata Salzburg

    Friedrich Haider

    Chen Reiss

    La Banda

    Harmonices Mundi

    Claudio Astronio

    Bayerische Kammerphilharmonie

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    www.mozartstadt.de

  • { N E W S }

    Beethoven Top

    Ludwig van Beethoven

    Das Internet offenbart: Auch bei Online-Hrern sind die wohl bekanntesten Meister am beliebtes-ten. Wagner, Orff und Mahler mssen sich inter-

    national geschlagen geben, whrend moderne Komponisten von Filmmusik berraschen.

    Schne Einblicke in die Welt der Klassik gibt das weltgrte Musikportal lastfm: Die beliebteste Online-Community fr alle

    Arten von Musik verffentlicht auf ihrer Webseite Hrer-Zahlen von klassischen Komponisten. Dabei fllt auf: Die groen Meister

    Johann Sebastian Bach, Wolfgang Amadeus Mozart und Ludwig van Beet-hoven hngen Konkurrenten wie Carl Orff, Gustav

    Mahler oder Richard Wagner um Lngen ab (siehe Liste). Die Zahlen zeigen, wie oft

    die Nutzer des Online-Angebots Werke dieser Komponisten abrufen. Deutlich ist

    aber auch: Die aktuellen Komponisten (hauptschlich von Filmmusik) kn-

    nen in dieser Zeilgruppe durchaus mit den groen Meistern mit-halten, der Deutsche Hans Zimmer bertrumpft sie sogar um ein paar Mil-lionen Abrufe.

    Orff Flop

    VerliererSERGEJ RACHMANINOW

    3.292.029 mal gespielt bei 356.375 Hrern

    RICHARD WAGNER 2.620.822 mal gespielt

    bei 367.700 Hrern

    CARL ORFF 2.334.660 mal gespielt

    bei 275.075 Hrern

    GUSTAV MAHLER 1.917.908 mal gespielt

    bei 295.698 Hrern

    HANS ZIMMER (z.B. Rain Man, The DaVinci Code)24.593.444 mal gespielt bei 678.462 Hrern

    HOWARD SHORE (z.B. Herr der Ringe) 19.395.504 mal gespielt bei 836.113 Hrern

    JOHN WILLIAMS (z.B. Schindler`s Liste)16.174.058 mal gespielt bei 608.349 Hrern

    ENNIO MORRICONE (z.B. Spiel mir das Lied vom Tod)

    11.809.794 mal gespielt bei 602.355 Hrern

    GewinnerJOHANN SEBASTIAN BACH

    19.395.504 mal gespielt bei 836.113 Hrern

    WOLFGANG AMADEUS MOZART 19.092.758 mal gespielt

    bei 914.272 Hrern

    LUDWIG VAN BEETHOVEN 16.206.214 mal gespielt

    bei 1.169.618 Hrern

    FREDERIC CHOPIN 13.267.835 mal gespielt

    bei 642.615 Hrern

    Die alten MeisterDie modernen Komponisten

    hoven hngen Konkurrenten wie Carl Orff, Gustav Mahler oder Richard Wagner um Lngen ab

    (siehe Liste). Die Zahlen zeigen, wie oft die Nutzer des Online-Angebots Werke

    dieser Komponisten abrufen. Deutlich ist aber auch: Die aktuellen Komponisten

    (hauptschlich von Filmmusik) kn-nen in dieser Zeilgruppe durchaus mit den groen Meistern mit-halten, der Deutsche Hans

    16.174.058 mal gespielt bei 608.349 Hrern

    ENNIO MORRICONE

    Carl Orff

    (und Hans Zimmer schlgt alle)

    Hans ZimmerQuelle: lastfm.de; Stand: 20. Januar 2011

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    Gibt der Groot Omroepkoor bald ein Abschiedskonzert?

    Macht Wim den Ring?Regisseur Wim Wenders ist fr 2013 in Bayreuth im Gesprch

    Die Bayreuther Festspiele des Jahres 2013 stehen unter einem ganz besonderen Stern: Es ist das 200. Geburtsjahr Richard Wagners. Katharina Wagner besttigte nun Gerchte,

    man sei mit dem bekannten Filmregisseur Wim Wenders in Verhandlungen, ihn den Der Ring des Nibelungen inszenieren zu lassen. Sie habe den Regisseur (Der Him-

    mel ber Berlin) als einen an Theater und Oper hochinteressierten und gebildeten Menschen erlebt, sagte sie der Zeitung Die Welt. Die Bayreuther Festspiele haben in den vergangenen Jahren immer wieder ungewhnlichen Knstlern die Chance gegeben, eine Auffhrung zu gestalten. Im Jahr 2004 hatte man beispielsweise (mit groem Er-

    folg) den Parsifal in die Hnde von Christoph Schlingensief gegeben. //

    Noten bers MacBook Die digitale Revolution erreicht die

    klassische Musik die Vorteile sind immens

    Das amerikanische Borromeo String Quartett lie sich in der vergangenen Woche die handgeschriebenen Noten des Komponisten ber ein MacBook an die Wand projizieren und spielte so quasi direkt zu den handschriftlichen Notizen des

    groen Meisters. Auch das Publikum bekam durch die Einblendung eine neue Ebene. Nicholas Kitchen, der erste Geiger des Quartetts sagte, es sei eine unglaubliche

    Erfahrung, die Handschrift von Beethoven zu sehen, wenn man ein Konzert zu seiner Musik gibt. Immer mehr Musiker nutzen die Vorteile der Technik fr ihre Darbietungen. Selbst kleinste Konzerte knnen heutzutage aufgezeichnet werden und ber das Internet

    einer groen Weltffentlichkeit gezeigt werden. //

    Kammeroper vor Aus? Berliner Institution knnte nach 30 Jahren

    den Sparmanahmen zum Opfer fallen

    Die Berliner Kammeroper steht vor dem Aus. Seit diesem Jahr wird sie nicht mehr durch die Basisfrderung des Berliner Senats untersttzt, ihre nanzielle Grundlage wurde

    ihr damit entzogen. Kay Kuntze, Knstlerischer Leiter des Hauses, richtete sich an die Medien, um die Politik eventuell doch noch auf die Seite der Berliner Institution zu be-

    kommen und das Haus zu retten. Wir von cresecendo geben den Aufruf gerne an unsere Leser weiter. Wenn Sie also helfen wollen, setzen Sie sich am besten mit dem Haus unter

    [email protected] in Verbindung. //

    { N E W S }

    Bayreuther Festspielhaus: 2013 mit Wim Wenders?

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    Ergreifend, spannend und zugleich

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    Gustav Mahlers letzte Symphonie, Alma Mahlers erster Ehebruch und Sigmund Freuds unterbrochener Urlaub: Leidenschaftlich und humorvoll erzhlen Percy und Felix Adlon ein Ehedrama

    aus der Welt der sinfonischen Musik.

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  • 10

  • www.crescendo.de 01_2011 | 11

    19 Jahre lang war Ioan Holender unber-hrbar Direktor der Wiener Staatsoper. Seit dieser Spielzeit leitet ein Neuer die Geschicke des traditionsreichsten Opernhauses der Welt: Dominique Meyer, 55, Elssser, Wirtschafts-wissenschaftler, Musikfanatiker. Zuvor hatte er das Thtre des Champs-lyses in Paris zu einem der wichtigsten Konzertsle Euro-pas gemacht. Es heit, das Arbeitsklima mit Meyer sei deutlich entspannter, freundlicher, gelassener geworden.

    Unser Termin ist um zehn. Im Vorzimmer des Direktors sitzen zwei Assistentinnen, das Bro von Generalmusikdirektor Franz Welser-Mst ist direkt nebenan, aber Wel-ser-Mst ist nicht zugegen. Dafr ein gut ge-launter Dominique Meyer. Beim ersten Blick in sein unspektakulres Zimmer hat man das Gefhl, es fehlt etwas. In der Tat: Es gibt keinen Schreibtisch. Oper ist Kommunikation, rechtfertigt Meyer mit sehr leiser, bedachter Stimme. Seine sieben Sachen liegen auf einem runden Tisch mit sieben identischen Sthlen, von denen er einen beliebigen anbietet. Ihm gefalle die Idee besser, mit den Leuten gemeinsam an einem Tisch zu sitzen, sagt er.

    Gut. Sein Vorgnger sah das ein wenig anders. CRESCENDO: Herr Meyer, gestern Abend haben Sie im sterreichi-

    schen Fernsehen gesagt, die Kantine sei enorm wichtig fr ein Opernhaus. Die Kantine??

    MEYER: Ja. Ich bin ja erst sechs Monate im Amt, aber die Kantine habe ich als erstes gendert.

    CRESCENDO: Warum gerade die?MEYER: Weil sie immer leer war. Und warum war sie leer? Weil es

    nicht geschmeckt hat. Die Kantine ist ein wichtiger Treffpunkt. Wir haben hier 1 Mitarbeiter, die brauchen einen Ort zum Plaudern, Diskutieren und Wohlfhlen. Mittlerweile ist sie jeden Tag voll, ich esse auch regelmig dort.

    CRESCENDO: Das Drumherum mgen Sie nicht so gern, stimmt s? Die Tradition, die Legenden und Mythen ...

    MEYER: Ich habe mir noch nie viel aus diesen Dingen gemacht, auch in Paris nicht. Ich kenne die groe Tradition der Staatsoper und habe Respekt vor ihr, trotzdem kann ich nicht dauernd an die Ver-gangenheit denken. Ich muss meine Arbeit machen.

    CRESCENDO: Sie sollen gewarnt worden sein, diese Stelle in Wien anzutreten.

    MEYER: Das stimmt. Man hat mir die Hlle versprochen. Komischer-weise waren es Wiener, die am schlimmsten ber die Staatsoper Fot

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    { O P E R N C H E F S }

    Intrigen gibt es berall Der neue Indendant der Wiener Staatsoper gewhrte exklusiven Einlass in sein persnliches Bro

    und plauderte berraschend offen ber die Herausforderungen dieses wichtigen Amtes.

    VON TOBIAS HABERL

    gesprochen haben. Das Haus stecke voller Intrigen und sei ungeheuer kompliziert. Aber so was kann mich nicht abschrecken, Intrigen gibt es berall.CRESCENDO: Sie sind seit sechs Monaten Direktor, haben sich aber drei Jahre lang auf den Posten vorbereitet und waren oft in Wien. Wie viel haben Sie geschlafen in der Zeit?MEYER: Vier bis fnf Stunden, aber das bin ich gewohnt. Anstrengend war etwas ande-res, nmlich zwei verschiedene Gedanken gleichzeitig zu haben, zwei Baustellen, auf die man sich konzentrieren muss, in Paris die tgliche Arbeit und in Wien die Zu-kunft, die man in einer fremden Sprache planen muss. Nach einer Premiere in Paris

    hatte ich oft bis ein Uhr nachts zu tun, stand aber schon wieder um fnf Uhr auf, um die erste Maschine nach Wien zu nehmen. Am nchsten Morgen bin ich wieder mit der ersten Maschine nach Paris zurck.

    CRESCENDO: Was haben Sie in dieser Zeit ber die Staatsoper he-rausgefunden?

    MEYER: Vor allem, wie tief sie in der Stadt und ihren Menschen verwurzelt ist. Das hngt mit unserem Stehplatzsystem zusam-men. In Wien kann man fr , Euro in die Oper gehen, des-wegen mischen sich bei uns Alte und Junge, Arme und Reiche, Studenten und Arbeiter. Wir haben eine Auslastung von , Prozent. Neulich hat mir ein -jhriger Mann erzhlt, dass er seit Jahrzehnten jede Woche dreimal in die Oper gehe. Immer Stehplatz, hat er gesagt, im Parkett htte ich meine Familie ruiniert.

    CRESCENDO: Das ist doch Wunschdenken. Letztlich sitzt auch in Ihrem Haus von Ausnahmen abgesehen eine ziemlich ge-schlossene Gesellschaft.

    MEYER: Um das abschlieend zu beurteilen, kenne ich Wien noch zu wenig, aber ich sehe, es ist ein gemischtes Publikum und es ist begeistert. Die ersten beiden Premieren dieser Spielzeit, Hin-demiths Cardillac und Hndels Alcina, waren groe Erfolge. Nach der Premiere von Cardillac sagte der Regisseur Sven-Eric Bechtolf zu unserem Generalmusikdirektor Franz Welser-Mst: Hr mal, Sie toben als htten wir eine Traviata gespielt. Der Applaus dauerte Minuten.

    CRESCENDO: brigens, wir haben Respekt vor Ihrem Mut: Alcina war die erste Barockoper in der Staatsoper seit fast Jahren.

    Staatsoperndirektor Dominique Meyer: Die Kantine habe ich als erstes gendert.

  • 12

    MEYER: Die letzte war L incoronazione di Poppea im Jahr 1. Aber mutig war das nicht, es war eine ganz normale Entscheidung, schlielich leben wir nicht in einer Wste. Das Theater an der Wien macht seit Jahren Barockproduktionen und auch im Wiener Konzerthaus hat Barockmusik eine lange Tradition. Wir sind ein Repertoirehaus mit prsenten Werken und ich verstehe nicht, warum unser ltestes Stck Figaro sein soll. Zwei Drittel des komponierten Repertoires datiert aus einer Zeit vor Figaro.

    Die Tr von Meyers Bro geht auf. Eine der Vorzimmerdamen kommt herein, ihre Botschaft lautet, das Orchester weigere sich weiterzuspielen. Die Snger singen nicht aus, um sich fr den Abend zu schonen. Vielleicht knnten Sie runterschauen? Meyer sieht keinen Grund unser Interview fr einen kleinen Zwist unter Knstlern zu unterbrechen. Lassen Sie sie streiten, sagt er. Irgendwann werden sie mde, und wenn sie sich dann immer noch nicht einigen, schaue ich mal runter.

    CRESCENDO: Sicher war es nicht leicht, die Nachfolge von Ioan Holender anzutreten. Immerhin hat er das Haus 1 Jahre in fast absolutistischer Manier geleitet. Sie wirken viel ruhiger, besonnener.

    MEYER: So schwierig war das gar nicht. Wir kennen uns seit Jahren und hatten immer ein gutes Verhltnis. Ich bin frher schon oft nach Wien gekommen, um seine Vorstellungen zu sehen und er hat mir jedes Mal seinen Wagen zum Flughafen geschickt. Natrlich sind wir zwei vllig unterschiedliche Menschen, aber das macht doch nichts. Ich bin und arbeite in diesem Bereich seit Jahren, ich werde mich nicht verkleiden.

    CRESCENDO: Spren Sie seinen Schatten in diesem Haus?MEYER: In der tglichen Arbeit berhaupt nicht. Aber natrlich habe ich viele Sachen

    aus seiner Zeit bernommen, allen voran die Produktionen, die er gemacht hat. Ich habe auch keine neuen Mitarbeiter mitgebracht, keine Snger, keine Verwal-tungsangestellten oder Beleuchter, ich habe das ganze Team bernommen, weil ich keinen Grund sehe, alle Mitarbeiter nach Hause zu schicken, nur weil man der neue Chef ist.

    CRESCENDO: Trotzdem mssen Sie nderungen vornehmen. Darum geht es doch, wenn ein Neuer kommt, oder nicht?

    MEYER: Wir haben auch einiges getan. Zum Beispiel den Kollektivvertrag mit dem Orchester gendert. Jetzt haben wir wesentlich mehr Proben, das wirkt sich zwangslufig auf die Qualitt aus. Zum Beispiel hatten wir neulich die ersten beiden Bohme-Proben seit Carlos Kleiber. Auerdem haben wir angefangen, eine Probebhne in der Nhe unserer Werksttten aufzubauen, so dass wir dort Premieren und Wiederaufnahmen probieren knnen und im Haupthaus mehr Platz fr die Repertoirevorstellungen haben.

    CRESCENDO: Wie sehen Sie im Vergleich zu Paris die wirtschaftliche und politische Verflechtung der Oper im Wien?

    MEYER: Die Staatsoper hat eine enorm starke Position in der Stadt inne, bisher sind Etatkrzungen kein Thema. Das kann natrlich noch kommen, trotzdem bin

    Dominique Meyer in seinem Wiener Bro. Blackberry, Taschenrechner, Fernbedienung.

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    ich optimistisch. Wir genieen Respekt. Der Bundesprsident war schon da, die Kulturministerin mehrmals. Die wissen schon, wie wichtig die Staatsoper fr die Stadt Wien ist. Es ist nun mal so, dass Touristen, die in die Stadt kommen, als erstes Karten fr die Staatsoper haben wollen.

    CRESCENDO: Hatten Sie in Paris Nicolas Sarkozy zu Gast?MEYER: Nur einmal, whrend seiner Zeit als Innenminister.CRESCENDO: Immerhin.MEYER: Es war aber eine Ausnahme. Es handelte sich um ein Konzert fr die Pariser

    Polizei.CRESCENDO: Sind Sie eher Musikliebhaber oder Kulturmanager?MEYER: Ich bin beides. Sehen Sie, mein ganzes Bro ist voller CDs, ich habe drei

    iPods, dazu noch einen im Gehirn, den ich jederzeit anzapfen kann.CRESCENDO: Also tagsber Manager und abends Musikliebhaber?MEYER: Ich gehe auch fter zu den Proben, und manchmal, wenn die Musik schn

    ist, vergesse ich sogar, dass ich fr die ganze Sache verantwortlich bin.CRESCENDO: Wie oft gehen Sie abends in die Vorstellung?MEYER: -mal pro Woche, anders geht es nicht. Ich habe diese Produktionen drei-

    Jahre lang vorbereitet, da fiebert man doch mit, wenn sie endlich auf die Bhne kommen. Wenn jemand kurzfristig einspringt, muss ich natrlich auch da sein. Neulich bei Don Giovanni wurde unsere Donna Anna krank und ein Mdchen aus dem Ensemble musste einspringen, da war ich natrlich hinter der Bhne und bin ihr beigestanden. In solchen Momenten ist man alles zusammen, Vater, Onkel, Kollege.

    Die Tr geht erneut auf. Es ist ein Skandal, Herr Meyer. Sie spielen einfach nicht. Meyer entschuldigt sich nun doch. In den nchsten Minuten verfolgen wir auf dem Bild-schirm im Vorzimmer leider ohne Ton die Auseinandersetzung und sehen, wie Domi-nique Meyer mit dem Dirigenten Bruno Campanella spricht, dann ein paar Stze zu den Sngern und den Musikern richtet. Nach fnf Minuten lachen alle und Meyer kommt zurck. Sie spielen wieder. Wir knnen weitermachen.

    CRESCENDO: Wie sind Sie eigentlich zur Musik gekommen?MEYER: Sehr spt. Meine Familie war nicht musikalisch, die

    Musik traf mich erst, als ich mit 1 nach Paris kam. Mein erstes Klavierkonzert war die Waldsteinsonate, meine erste Oper Parsifal. Danach war ich verloren und bin als Student praktisch tglich ins Konzert, in die Oper oder ins Kino.

    CRESCENDO: Spielen Sie selbst ein Instrument?MEYER: Nein, ich war einfach zu spt dran und finde, die Welt hat

    schon genug schlechte Pianisten. Ich fhle mich auch berhaupt nicht als Knstler. Gut, ein Teil meiner Arbeit ist eine knstlerische, aber letztlich geht es darum, die Fhigkeiten der Knstler zu untersttzen und zu verwirklichen.

    CRESCENDO: Ein ganz neues Aufgabenfeld fr Sie ist die Organisation des Wiener Opernballs. Spannend oder eine lstige Pflicht?

    MEYER: Ich musste mich daran gewhnen, in Paris haben wir berhaupt keine Ball-tradition, aber ich habe mich damit beschftigt und wei mittlerweile, wie wichtig dieser Abend fr Wien und die Oper ist. Diese sechs Stunden sind das wichtigste Fernsehereignis des Jahres, das ist nun mal so, und fr die Finanzen der Oper ist der Ball schlielich auch nicht ganz unwichtig. Ich bin ein vorsichtiger Steuer-

    mann, hat Dominique Meyer zu Beginn seiner Amtszeit gesagt. Aber einer, der genau wei, wo er hin will. Man darf annehmen, dass er seine Ziele erreicht. //

    Ich fhle mich berhaupt

    nicht als Knstler. Die Welt hat schon

    genug schlechte Pianisten.

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    Intendant: Jan Vogler

    Die Dresdner Musikfestspiele sind eine Einrichtung der Landeshauptstadt Dresden undwerden gefrdert vom Schsischen Staatsministerium fr Wissenschaft und Kunst.

    Dominique Meyers Buch Szenenwechsel an der Wiener Staatsoper. Aufgezeichnet von Michaela Schlgl ist gerade im Styria Verlag erschienen.

  • 14

    Eine Hand liest die Noten, die andere spielt

    In Japan und China ist er fast so bekannt wie Lang Lang. Seine Debut-CD verkaufte sich dort so oft wie ein Pop-Hit, und im Sommer gewann er den internationalen

    Van-Cliburn-Klavierwettbewerb. Dabei ist Nobuyuki Tsujii erst 21. Und: Er ist blind.

    VON CAROLIN P IRICH

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    Pianist Tsujii: Jeden Ton hre ich sehr genau und lerne dabei sogar schneller als andere Pianisten.

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    man wei nicht genau, was der freundliche Manager zu ihm ge-sagt hat. Es ist ein bisschen wie in Sophia Coppolas Film Lost in Translation.

    Seitdem Nobuyuki Tsujii vergangenen Sommer als erster Japaner den Van-Cliburn Kla-vierwettbewerb in Texas gewann, reist er durch die Welt, gibt Kon-zerte und noch mehr Interviews. Er ist bisher noch nie so lange von zu Hause weg gewesen.

    Als ich hrte, dass ich den Wettbewerb gewonnen habe, stand ich erst wie unter Schock, sagt er. Seitdem habe ich kaum Zeit fr mich. Das macht zwar Spa, aber manchmal auch ein bisschen Angst.

    Ein Kamerateam vom japanischen Fernsehen begleitet Nobuyuki Tsujii auf seiner Tournee durch die Schweiz, England, Serbien, Russ-land und Deutschland. Alles wollen sie einfangen: Wie er den fremden Journalisten Interviews gibt, wie er spielt, wie das Publikum auf ihn reagiert. Ob die Fans ihm teure Schokolade schicken wie in Asien oder seinen Namen schreien. Sie wollen dem japanischen Publikum zei-gen, dass das Nobu-Fieber auch die Europer packt. Am Abend des Konzerts in Berlin haben sie sich im Saal an drei Kameras positioniert, einer direkt an der Bhne, einer im Publikum, einer auf dem Balkon. Das Nobu-Fieber allerdings zeigt eine gewisse Inkubationszeit.

    Die beiden Chopin-Nocturnes, mit denen Nobuyuki Tsujii sein Konzert erffnet, zwingt er in einen strengen, schnellen Rhythmus, lsst sie wtend anschwellen. Das Poetische ist (noch) nicht seins, eher das Krftige, Verspielte. Virtuos auch die Papillons von Robert Schumann, dann der Liszt. Das Publikum im Saal wirkt berrascht, klatscht zur Pause nicht jubelnd, aber anerkennend. Ein junger Japa-ner, der sich traut, die groen romantischen Pianisten zu spielen, Cho-pin, Schumann, Liszt. Kein Programm, das selten und schon allein deshalb interessant ist. Nobuyuki Tsujii greift ins Volle.

    Ich mchte das spielen, was ich selbst liebe, sagt er dazu. Ich verbinde viel mit den Stcken. Und ich mchte dem Publikum zeigen, wie ich sie sehe.

    Die Bilder einer Ausstellung von Modest Mussorgsky sind es schlielich, die den Funken zum Publikum berspringen lassen. Alle jubeln. Nobuyuki Tsujii war als Achtjhriger das erste Mal in Russ-land. Das Land habe einen ganz bestimmten Klang, sagt er. Das Was-ser, wie es pltschert, iet und rauscht. Die Menschen auf der Strae, wie sie sprechen, gehen, singen. Die Wlder. Die Luft. All das hat er wieder gefunden in Mussorgsky.

    Der junge Pianist, der blind geboren wurde, spielt nicht nur Klavier. Er mchte zeigen, was er in den Tnen sieht. //

    Es sind noch ein paar Sekunden, bis er am Flgel sitzen und sich wieder ganz sicher fhlen wird. Lange Sekunden. Bis dahin ist es seltsam ruhig. So fremd. Oft hrt Nobuyuki Tsujii nicht nur, wie das Publikum atmet und hs-telt, whrend es auf ihn wartet. Er kann es laut klatschen hren, manchmal jubelt sogar schon jemand seinen Namen, Nobu, Nobuuu!, wenn er auf die Bh-ne tritt. Er tritt so gut wie immer im Smoking auf, der Kopf ist da-bei leicht gesenkt.

    Nobuyuki Tsujii ist 21 Jah-re alt, seine Debut-CD hat sich in Japan und China mehr als 240.000 Mal verkauft. Das ist viel fr eine Klassik-CD. Sehr viel. In China und Japan ist er ein Star, fast so bekannt wie Lang Lang. An diesem Abend ist er aufgeregt wie selten. Das europische Publikum ist anspruchsvoll, sagt Nobuyuki Tsujii. Es ist an die bes-ten Musiker gewhnt.

    Das Publikum in Berlin ist anspruchsvoll, keine Frage. Es schenkt dem jungen Pianisten einen hichen Auftrittsapplaus, ein Herr im Anzug fhrt ihn vorsichtig zu seinem Hocker. Der Konzertsaal hat eine berschaubare Gre, trotzdem ist er nicht voll. Nobuyuki Tsujii legt seine Hand auf den Flgel, verbeugt sich. Setzt sich hin. Vermisst mit der rechten Hand den Abstand zur hchsten Note, als vergewis-sere er sich noch einmal, wo die Tasten liegen. Er macht das immer. Nobuyuki Tsujii ist von Geburt an blind.

    Als er ein Junge ist, etwa zwei Jahre alt, singt seine Mutter ihm Jingle Bells vor, und der kleine Nobu spielt die Melodie auf einem kleinen, weien Plastikklavier nach. Das ist der Anfang. Er spielt dann alles nach, was er hrt und was ihm gefllt. Irgendwann bekommt er ein groes Klavier und lernt die Stcke in der Braille-Schrift. Eine Hand liest die Noten, whrend die andere spielt, aber um dann mit bei-den Hnden zu spielen, muss er sich die Tne eingeprgt haben. Das ist mhsam, auerdem gibt es nur wenig Klavierliteratur in Braille-Schrift. Schlielich ndet er einen Lehrer, der jede Stimme einzeln auf dem Klavier spielt und auf CD aufnimmt. Dabei versucht er, die Aufnahme nicht mit eigener Interpretation zu frben, damit der Sch-ler mglichst wenig beeinusst wird.

    Einen Vorteil habe ich doch durch meine Blindheit, sagt No-buyuki Tsujii. Jeden Ton hre ich sehr genau und lerne dabei sogar schneller als andere Pianisten.

    So lernt Nobuyuki Tsujii selbst unfassbar ligrane Lufe wie die von Franz Liszt.

    Am Tag nach dem Konzert empfngt uns Nobuyuki Tsujii in sei-nem Hotelzimmer. Er wei, dass die Europer einem gern die Hand geben, und das tut er zeitgleich mit einer hichen Verbeugung. Dann versinkt er fr das Gesprch in einem gepolsterten Sessel. Auf dem Hocker neben ihm sitzt der Vertreter seines Plattenlabels in Deutsch-land und bersetzt ins und aus dem Japanischen. Nobuyuki Tsujii lacht oft und wiegt den Kopf, wenn er eine Frage gehrt hat, aber

    NOBUYUKI TSUJIIDer 21-jhrige Japaner Nobuyuki Tsujii wurde aufgrund einer Krank-heit blind geboren. Im Alter von vier Jahren begann seine musikali-sche Ausbildung in seiner Heimatstadt Tokio, mit zehn Jahren hatte

    er sein Konzertdebt mit den Osaka Century Symphonikern. Zwei Jahre spter spielte er bereits in der Suntory Hall, Tokyo. Mittler-weile arbeitet er mit so bedeutenden Dirigenten wie Yutaka Sado.

    Fr sein erstes Album auf dem europischen Markt spielte Nobuyuki Tsujii zusammen mit dem DSO Berlin unter Yutaka Sado Klavierwerke von Rachmaninow und Liszt ein. (Challenge Classics)

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  • Yes, Ju can Die Chinesin Jin Ju wird unter Insidern als die grte Entdeckung

    am Klavier gefeiert. Zu ihren Fans gehrt auch der Papst. Wer ist sie?

    VON MICHA EL HORST

    Pianistin Jin Ju luft in erster Linie am Klavier zu Hochform auf. Fr crescendo lief sie durch den Berliner me Collectors Room.

  • www.crescendo.de 01_2011 | 17

    ar es vielleicht sogar der Name Jin Ju, der ihr den Weg in die heiligen Hallen des Vatikans ebnete? Ju bedeutet leben und Jin gehen, um Gott anzubeten. Jin Ju ist Pianistin, sie kommt aus China aber sie ist Christin. Und sie hatte die groe Ehre, im Oktober 2009 ein Konzert vor Papst Benedikt XVI. und mehreren Tausend geladenen Gsten zu geben. Da sa die zierliche Pianistin mit den schulterlangen schwarzen Haaren nun in der riesigen Sala Nervi, wo sonst die Generalaudienzen stattnden, weit weg vom Heiligen Vater und noch weiter weg vom Publikum. Jin Ju konnte das nicht aus der Ruhe bringen: Ich fhlte mich ganz im Frieden mit mir wie ein neugeborenes Kind. Sie wandelte von Instrument zu Instrument, vom historischen Hammerklavier zum Beethoven-Flgel bis zum modernen Steinway, mitgebracht von der Accademia pianistica im norditalienischen Imola, und prsentierte einen Streifzug durch 150 Jahre Musikgeschichte. Von Bach und Scarlatti bis Liszt und Tschaikowski, mal besinnlich, dann wieder mitreiend virtuos. Und ber das vatikanische Fernsehen CTV in alle Welt verbreitet.

    An diesem Abend spielte eine groe Pianistin. Aber es spielte eben auch eine Dame vor dem Papst, die der groen ffentlichkeit noch nicht wirk-lich bekannt war. Dieses Detail, so sind sich Beobachter sicher, wird sich in den nchsten Jahren ndern.

    Ihre groe Musikalitt erlangte Jin Ju in 14 intensiven Jahren am be-rhmten Pekinger Zentralkonservatorium von ihrem Lehrer Yang Jun. Sie bezeichnet ihn gerne als ihren zweiten Vater. Doch im Gegensatz zu einer Reihe von anderen jungen Pianisten ihrer Generation, suchte Jin Ju bisher nicht den Weg des schnellen Erfolges. Sie arbeitete an ihrem musikalischen Ausdruck, nicht aber an ihrer Vermarktung. Sie sagt, es sei nicht ihr Stil und auch gar nicht ihr Wunsch gewesen. Man kann es ihr nicht vorwerfen: Um ein groer Pianist zu sein, bedarf es keiner Titelstories.

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  • 18

    Dafr punktet sie mit einer persnlichen Reife, die auch Beethovens charismatischer Klaviersonate f-Moll, der Appassiona-ta, einen eigenen Stempel aufdrckt. Davon konnte man sich jngst bei ihrem Konzert in Berlin berzeugen. Oder in Werken von Ro-bert Schumann, den sie ber alles liebt, seit sie als Anfngerin dessen quirlige Papillons op. 2 zu spielen hatte. In Schumanns Gestal-ten Eusebius und Florestan erkenne ich viel von mir selbst wieder, lacht Jin Ju, ein bisschen kleiner Teufel, ein bisschen kleiner Engel manchmal sehr rational, dann wieder wie ein Feuerwerk, und ein wenig verrckt. Schumann-Werke hat sie auch fr die ers-te CD ausgewhlt. Sie erscheint in diesem Frhjahr beim Label MDG und ist ein Ge-nuss fr Fans sensibler Klnge, vor allem in den Werken Fantasie C-Dur op. 17 und der Sonate s-Moll op. 11.

    Die Beschftigung mit den historischen Instrumenten, in deren Geheimnisse sie von ihrem Ehemann, dem italienischen Pianisten und Sammler Stefano Fiuzzi, eingeweiht wurde, hat ihre Ohren weiter geschrft. Nicht der schlechteste Mentor war sicherlich auch der legendre Schu-mann-Interpret Jrg Demus, von dem Jin Ju 2001 in Salzburg vie-lerlei Anregungen bekommen hat. Heute lebt die Pianistin in Florenz wenn sie nicht auf Tournee ist oder ihre alten Verbindungen nach China pegt, um dort Konzerte zu geben und zu unterrichten.

    Was fr ein Unterschied zu den Zeiten um 1980, als die vierjh-rige Jin ihre ersten pianistischen Schritte versuchte. Damals war von Chinas Kommunisten die Kulturrevolution proklamiert worden, die smtliche westliche Musik in Grund und Boden verdammte, und die Musikerin wei herzerwrmende Geschichten zu erzhlen, wie ihr die Mutter mangels eigenem Klavier eine Tastatur zum ben auf den Kchentisch malte und der Vater, ein Musikforscher, sie quer durch die Stadt Shanghai zu irgendwelchen Freunden oder Bekannten brachte, wo ein halbwegs bespielbares Instrument wartete. Erst mit dem Umzug nach Peking im Alter von sieben Jahren und dem Kauf eines Klaviers ebnete sich der Weg, der dann direkt aufs Konservatorium fhrte.

    Ihr Ehrgeiz, ihre Willenskraft, ihr Durchhaltevermgen das alles verbirgt sich bei Jin Ju hinter einer ungeknstelten Freundlichkeit, einer Klarheit des Ausdrucks und einer klugen Nachdenklichkeit. Die-ses Durchhaltevermgen wurde auf eine besondere Probe gestellt, als die 19-jhrige sechs Monate vor der Teilnahme an einem inter-nationalen Klavierwettbewerb von einem Auto angefahren wurde. Diagnose: linker Arm gebrochen und Schulter ausgekugelt. Welche Katastrophe fr die ehrgeizige junge Pianistin! Statt auf Operation mit

    mglicherweise irreparablen Folgen setzte die Familie auf traditionelle chinesische Medizin und Jin Ju auf ihren eisernen Willen und auf eine innere Stimme, die ihr versicherte: Ich werde genesen! Knapp zwei Monate spter konnte sie den Arm wieder vorsichtig benutzen; aber er fhlte sich, so die Pianistin, zuerst so lasch an wie verkochte Spaghetti. Doch auch das ging bald vorbei, und tatschlich konnte sie wie geplant an dem Klavierwettbewerb teilnehmen.

    Es war fast wie ein Wunder, erin-nert sich die Musikerin. Aus dieser Zeit rhrt der Glaube, der Jin Ju endgltig zum

    Christentum brachte, nachdem sie zuvor schon die schnen harmo-nischen Gesnge im Weihnachtsgottesdienst angezogen hatten. Mit gelassener Selbstverstndlichkeit spricht sie heute von dem Privileg, eine Pianistin zu sein und den magischen Momenten, die beim Musizieren entstehen. Denn schlielich spreche die Musik direkt zum Herzen und zur menschlichen Seele. Und sie erzhlt von ihrem Versprechen nach der Genesung an das gttliche Universum: Ich werde mein Leben dafr nutzen, um fr Dich zu spielen. Vor dem Stellvertreter Gottes auf Erden hat Jin Ju immerhin schon spielen dr-fen. Nun sollen auch die deutschen Klavierfans diesem Zwiegesprch

    lauschen knnen. //

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    Jin Jus erste CD bei MDG, mit Robert Schumanns Sonate Nr. 1 op. 11 und der Fantasie op. 17, ist gerade erschienen.

    JIN JU Die in Shanghai geborene Pianistin lebt in Flo-renz, hat eine Professur an der Musikakademie in Imola, gehrt zur Fakultt des Konservatori-ums in Peking und hat bereits zahlreiche Meis-terkurse in China, Europa und den Vereinigten Staaten gegeben. Jin Ju war Preistrgerin bei bedeutenden internationalen Wettbewerben

    wie dem Tschaikowsky-Wettbewerb in Moskau und dem Concours Reine Elisabeth in Brs-

    sel. Jin Ju im Internet: www.jinju.it

    Pianistin Jin Ju: Ein bisschen kleiner Teufel, ein bisschen kleiner Engel.

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    Piotr Anderszewski (42) verbrachte seine Kindheit in Warschau und lebt nach langen Jahren in Paris nun

    in Lissabon. Er studierte an der Chopin Akademie

    in Warschau, an den Konservatorien in Lyon und

    Straburg und der University of Southern California.

  • www.crescendo.de 01_2011 | 21

    der 21jhrige mit Beethovens Diabelli-Variationen Jury und Pres-se verzckte. Dann begann er Anton Weberns Variationen op. 27, brach abrupt mitten im Spiel ab und verlie die Bhne. Sein Spiel sei nicht perfekt genug gewesen, gab er hinterher kund. Seiner Karriere tat dieser Eklat keinen Abbruch, im Gegenteil, die stieg steil aufwrts. Er bekam renommierte Preise wie den Royal Philharmonic Society Award 2001 und den Gilmore Artist Award, fr seine Interpretati-on der irrwitzigen Diabelli-Variationen wurde er vielfach geehrt, er hat einen Grammy und seit 2009 auch einen Echo.

    Was bedeutet fr ihn heute Perfektion? Anderszewski schaut nach-denklich in seine leere Teetasse. Das ist sehr subjektiv. Wie will man das beurteilen? Im Sport gibt es allgemeingltige Kriterien, Zahlen, Tabellen. Aber in der Musik nicht. Ich wei bei mir selbst am besten, wann ich perfekt bin und wann nicht. Er macht eine Pause, setzt nach: Perfektion ist ein winziger Moment, der nicht ausdehnbar ist. Pure Perfektion kann aber auch langweilig sein. Deswegen schtze er Robert Schumann so sehr: Der war ein groer Idealist, hatte spontane Qualitten, die mich sehr berhren. Schumann war offen, sehr emoti-onal, manchmal kindlich und versuchte nie, der Supermann zu sein. Das scheint Anderszweki zu gefallen, gibt es da Seelenverwandtschaft? Schumann ist die Verkrperung der Romantik, wendet der Pianist die Frage elegant ab, auch in verrckten Stcken sehr subtil, manches klingt wie ein Choral, fast mittelalterlich, und in seiner Verrcktheit, die dann zur Krankheit wurde, erinnert er auch an Hlderlin. Das ist typisch fr Deutsche: Sie brauchen einen Rahmen, aber darin ist es dann recht verrckt, lacht er.

    Sagt einer, der als Knstler auch als unberechenbarer Individu-alist gilt. Die New York Times stempelte ihn gar zum polnischen Punker ein zweifelhaftes Lob. Darauf angesprochen, mimt er den Beleidigten: Sehe ich etwa so aus? Nein. Er wirkt bei aller Freund-lichkeit doch eher nachdenklich, in den Tiefen des Lebens und der Musik schrfend. Ist der zur Schwermut tendierende Osteuroper ein Klischee? Nein, die Slaven neigen zur Melancholie. Vielleicht ver-lie er deshalb vor dreieinhalb Jahren seine langjhrige Wahlheimat Paris und zog nach Lissabon. Sein Grund: Saudade, dieses spezisch portugiesische Gefhl von sanftem Weltschmerz und wehmtiger Nostalgie, das in der Musik des Fado kulminiert. Traurige Musik kann doch auch Hoffnung machen, sagt er und das ist vielleicht das perfekte Credo fr seine aktuelle Schumann-CD.

    Achja: Mitte Mai, wenn seine Tournee beendet ist, nimmt er sich eine Auszeit. Ich habe Null Plne, freut er sich. Der Perfektionist

    kann also auch mit der Improvisation leben. //

    Mann der leisen Tne Schumann-Fan Piotr Anderszewski gilt als grblerischer Querkopf.

    Ein Vorurteil, das wir nach dem Treffen mit dem Pianisten nicht wirklich besttigen knnen.

    VON CHRISTA HASSELHORST

    Es gibt die Tasten-Tiger und die Klavier-Knige beide sind (oft) Lieblinge der Medien und (meist) des Publikums. Und dann sind da die stillen Stars, um die kein glamourser Hype ist. Die sehr talentiert sind, wundervoll spielen, Preise einheimsen, CD-Einspielungen ma-chen und dafr von einem wissenden Auditorium hochgelobt werden. Die bei Live-Auftritten weder Tam-Tam noch Show brauchen, sondern excellent musizieren und das Publikum beglckt nach Hause schicken. Zu diesen Stars fr Kenner des Klaviers gehrt auch der gebrtige Pole Piotr Anderszewski. Unspektakulr sind sein Habitus und Bh-nenauftritt, umso eindrucksvoller, intensiver und ausdrucksstrker ist sein sensibles Spiel. Er ist ein Meister der leisen Tne. Das sprt und hrt man besonders bei seiner neuesten CD mit Werken von Robert Schumann.

    Beim Interview in einem Berliner Hotelzimmer am Potsdamer Platz, einen Katzensprung von der Philharmonie entfernt, ist Anderszeswki, leger in Jeans und Rolli gekleidet, vllig entspannt und gut gelaunt. Da-bei gilt er doch als grblerischer Querkopf. Dem entspricht die Auswahl der Schumann-Stcke, nicht gerade Ohrwrmer des Repertoires, eher Raritten. Von der 1839 entstandenen Humoreske op. 20, Ausdruck der emotionalen Achterbahn des Komponisten zu jener Zeit, gab Schumann selbst zu: wenig lustig und vielleicht mein melancholischs-tes! und den Studien fr Pedalgel op. 5 folgen die Gesnge der Frhe op. 133, das pianistische Vermchtnis des Musikers, entstanden im letzten Monat geistiger Klarheit im November 1853. Impressionen von bewegender Melancholie, sehr besonders, sehr stimmungsvoll, sagt Anderszewski und przisiert: Es geht um diese ganz besondere Stimmung bei Sonnenaufgang. Doch die Quintessenz der gesamten CD ist melancholiegesttigt, wie das schwarz-weie Cover mit einem nachdenklichen Anderszewski vor Meereswellen.

    Warum hat er gerade diese Stcke, warum Schumann und nicht den Landsmann Chopin gewhlt? Er schaut verblfft: Nicht ich habe Schumann gewhlt, er hat m i c h ausgesucht! Ihn habe diese grblerische Musik sehr angesprochen. Wie geschieht dieser Pro-zess der Entscheidung fr dieses oder jenes Stck? Ich kann etwas im Radio hren und es springt mich an! Oder bei einem Park-Spa-ziergang kommt mir eine Melodie in den Kopf, etwas, was ich kenne und pltzlich ganz anders erlebe. Oder ich schaue in meine Noten da springt dann auch manchmal ein Funke heraus! So entstanden Einspielungen mit Werken von Bach, Beethoven, Mozart, Webern, Chopin ber den er einmal sagte, Der Schwerste von allen, er ist essenziell, muss regelrecht durchlebt werden Janek, Bartk und vor allem von seinem Landsmann Karol Szymanowski.

    Dem Pianisten mit polnischen Wurzeln 1949 in Warschau ge-boren, Vater Pole, Mutter Ungarin haftet auch der Nimbus eines Perfektionisten an. Legendr ist sein Auftritt 1990 beim Klavier-wettbewerb in Leeds, dem Mekka fr zuknftige Pianisten-Stars, wo

    Piotr Anderszewskis aktuelles Album mit Werken von Schumann ist bei Virgin Classics erschienen. Bis Mai tourt er deutschlandweit mit einem Programm von Mozart ber Beethoven bis Schumann. M

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  • { K O L U M N E }

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    Noch wird es nicht hell im Zuschauerraum. Der Dirigent hat sein Pult noch nicht verlas-sen, der Vorhang fr die Snger steht noch aus. Es ist der Moment, in dem die Herren im Publikum ihre Manschetten hervor zup-fen; die Damen klipsen sich den Schmuck zurck ans Ohr und ertasten mit den Zehen ihre zwischenzeitlich ausgezogenen Schuhe. Gleich geht es auf die eigentliche Bhne, ins Foyer, in die Wandelgnge. Dort wird ge-wandelt, dass es eine Lust ist; gelustwandelt wird dort. Endlich hat das Publikum seinen Auftritt. Nicht wenige sind es, die sich bei jeglichem musikali-schen Kunstgenuss nur fr die eine Frage interessie-ren: Wie viele Pausen hat das Stck? Fr Menschen mit Pausenkultur gibt es so furchtbare, fr die Gas-tronomie vllig missglckte Opern wie Elektra, Salome, Rheingold oder Wozzeck. Ein-akter, die man sich ansieht, ohne gesehen zu werden. Welch ein Drama.

    Nun geben wir es doch endlich einmal offen zu: Eine Opernpremiere, oder gar Festspieler-ffnung mit einem Einakter ist nur das halbe Vergngen. Fr die Hohe Schule des Buffe-tierens sind Einakter ein Desaster. Lediglich bei Staatsempfngen werden sie geschtzt: Man spart die Sicherheitskrfte fr die Pause. Da Einakter aber im abendlndischen Musik-

    kanon nicht die Regel, sondern die Ausnah-me sind, gilt grundstzlich der Reim des genial bsen sterreichers Georg Kreisler: Wieder eine Pause/Manche gehn nach Hause/Manche essen Jause/Wie finden sie mein neues Kleid? In seinem begnadet klu-gen Couplet Opernboogie begriff Kreis-ler genau: Wie schn ist es doch in einen Kse zu beien und gleichzeitig Opern zu verreien? brigens auch Goethe widmete sich dem Pausentheater: Die Damen geben sich und ihren Putz zum besten/Und spielen

    ohne Gage mit Faust I. Die Pause ist das einzige Theater, das nicht

    in der Krise steckt. Fr das social grooming

    des Menschen ist die The-aterpause eine absolute so-ziale Notwendigkeit, die in

    der Regel die Ereignisse jeder Vorstellung bertrifft. Denn

    die luft ja nach Regie ab, aber in der Pause, da wird improvisiert und

    extemporiert. Das hat gar nichts Triviales oder Kunstfeindliches. Genussbereitschaft total hat schon immer zur Oper gehrt. Im 1. Jahrhundert kam die feine Gesellschaft in Paris mit Vorliebe einen Akt zu spt in die Oper, um gleich mit der Pause zu beginnen. Tannhuser in Richard Wagners Pariser Fassung kann davon ein Lied singen.

    Inzwischen liegt auch eine berlegung in der Luft, die bereits von verschiedenen Inten-

    danten, Festspielleitern und Operndirektoren wohlwollend aufgenommen wurde: nmlich die Pausen kartenpflichtig zu machen und die Vorstellung gratis zu geben. Also keine Opernkarten mehr, sondern nur noch Pausen-karten! Selbstverstndlich in verschiedenen Preiskategorien: Gestaffelt nach Entfernung pro Meter zum Bffet wren die teuersten Pltze jene, die dem Buffet am nchsten sind oder die unmittelbare Nhe zu wichtigen Per-snlichkeiten garantieren. Umwegrentabilitt und Standortfaktor sind auch hier entschei-dend! Ist es doch nur konsequent, dass in der Pause ein Foyer-Platz vor der Knigsloge mehr kostet, als ein Foyer-Platz vor dem Ein-gang zur Tiefgarage. Und konsequent ist es auch, die Pause zu subventionieren und nicht das Theater. Oder hat sich jemand um eine hnliche Veranstaltung zu bemhen auf ei-ner Vernissage schon mal fr die ausgestell-ten Bilder interessiert?

    Natrlich geht ein gebildetes Publikum gut vorbereitet in die Pause. Aber es gibt ja nichts, was nicht noch perfektioniert werden knnte: Aus einem Dictionnaire des Ides Recues, einem Wrterbuch der Gemein-pltze im Stile Gustave Flauberts, welches an allen Pausenvorverkaufsstellen zu erwer-ben ist, lassen sich in Zukunft unverzichtba-re Stze fr die Pausenkonversation lernen. Petitessen zum Fallenlassen am Buffet, Re-dewendungen des Connaisseurs: Nein, die-ser Streicher teppich! heit eine der Floskeln

    EINAKTER SIND BLD ...zumindest, wenn sie aufgefhrt werden.

    Denn dann fehlt, so findet unser Autor, das Wichtigste: Die Pause. Pldoyer fr das unersetzliche Hppchen-Theater im Foyer.

    VON PA S C A L MORCH

    Die Pause ist das einzige

    Theater, das nicht in der Krise

    steckt.

  • www.crescendo.de 01_2011 | 23

    fr die Pause zwischen Werken der Sptro-mantik. Bei Wagner empfiehlt es sich, stets das klug integrierte Blech zu bewundern (funktioniert auch bei Bruckner und Mah-ler) und jede Lnge in den Werken dieses Komponisten grundstzlich mrderisch zu nennen. Auch eine Partie wie die des Hans Sachs ist unbedingt als mrderisch zu bezeichnen, und die Besitzer eines dicti-onnaires wird man leicht daran erkennen, weil sie wissen, dass Siegfried nach dem ersten Akt haushalten muss. Sehr gut kommt auch die Bemerkung: Bei dieser Elvira mach ich mir Sorgen um die Hhe. So spricht der wahre Kenner in der Pause, er nennt die Regie auf der Bhne eine interessante Lesart und hat immer schon bessere Vorstellungen erlebt: Es gibt seit Lotte Lehmann kei-ne Sieglinde mehr! Dieser Satz wirkt in seiner absoluten Bedingungslosig-keit. Und whrend er wirkt, lohnt sich ein Biss ins appetitliche Lachsbrtchen, um schluckend an die wunderbar junge Leonie Rysanek 1 unter Bhm zu erinnern. Zu den hufigsten Problemen der Pausengesprche gehrt allerdings, sie zu beenden, ohne unhflich zu sein. Grundstzlich gilt: hart sein gegen sich und andere. Allein die Mglichkeit, je-mand Wichtigem zu begegnen, zwingt dem Flaneur im Foyer eine besondere Pausentaktik auf: Er muss unbedingt ortsungebunden sein und in der Lage, ein Thema sofort zu beenden. Nur so wird die Pause zum Gemeinschafts-erlebnis.

    Doch gibt es einen generellen Ge-burtsfehler der Pause: Sie ist entweder zu kurz oder zu lang. Meist zu kurz. Inzwi-schen hat sich das Bayreuther Ma von einer Stunde als ideal erwiesen. Leider wird es von Salzburg alljhrlich um circa Minuten unterboten und die Pausenlnge deutscher Stadt- und Staatstheater liegt in der Regel bei nur Minuten. Intendanten, die noch mehr krzen, erreichen immer wieder Briefe mit der sehnschtigen Bitte Hungriger, man mge die Pausen doch verlngern. Nun muss an dieser Stelle grundstzlich auf das kulinarische Nord-Sd-Geflle in deutschen Theatern und Opernhusern hingewiesen werden. Wer jemals im Neonlicht der Ham-burgischen Staatsoper in einen Hanuta-Rie-

    gel biss, weil es protestantisch streng nichts anderes zu beien gab; oder wer sich ber den Begriff Konditorei fr den Buffetraum in der Berliner Lindenoper wunderte, der staunt nicht ber Statistiken aus dem sddeutschen Raum. Tatschlich bertreffen Opernpausen in Mnchen, Salzburg oder Wien in ihrer Pro-Kopf-Bier- oder Champagnerausscht-tung alle anderen Stdte. Der Gesamtkunst-werker Richard Wagner wusste ohnehin, dass

    gerade die Pause Teil des Gesamtkunstwerks ist. What I like most about Wagner, are the intervals, formulierte es einmal griffig die US-Werbung fr Tuborg Beer. Man denke ja auch nur an Bayreuth und ans Picknick auf dem grnen Hgel: Nach dem ersten Akt beginnt das alte Manver. Man prome-niert lachend und schwatzend vorm Thea-ter, geht unbedingt auf einen Happen Bier oder irgendein anderes Getrnk, bestellt fr die zweite Pause ein Nachtmahl. Nach dem

    zweiten Akt Wiederholung der ersten Pause, nur mit obligatorischer Fresserei; die Bayern trinken Bier dazu, die Amerikaner Champa-gner. So angepampft, lsst sichs dann leicht noch bis Uhr aushalten, schrieb Alban Berg 1 von der Pause offensichtlich mehr beeindruckt als vom Parsifal.

    Ja, tatschlich sind die kulinarischen Ge-nsse eines Wagnerpublikums deftiger als die eines Hndel-, Mozart- oder Verdi- oder

    Belcanto-Publikums. Erfahrungswerte, die man so ernst nehmen muss, wie der Champagner whrend einer OpernPau-se kalt zu sein hat. Klar, wenn Regisseure die Erbrmlichkeit groer Gefhle inzwi-schen erbarmungslos aufdecken, muss man halt irgendwie selbst nachhelfen, um an die bessere Welt zu glauben. Das gute alte Illusionstheater spielt nur noch im Foyer. Und wahre Genuss-Sucht wird ohnehin nur auf den Wiesen rund ums Festspielhaus von Glyndebourne zeleb-riert: Drinnen Don Giovanni, und in der Pause drauen ein leichtes Picknick vom Wedgewood-Porzellan mit Wein. Mit welchem Wein? Mit Marzimino! Wonach die Bhnenfigur verlangt, dar-auf kann man auch selbst bestehen.

    Regisseure, Intendanten, Festspiellei-ter gnnt dem Publikum die tour de force durch Wandelgnge, das Spierutenlau-fen in parfumvernebelten Foyers. Wh-rend wir gegen Ende der Pause mit den Himbeerkernen zwischen unseren Zh-nen beschftigt sind, ahnen wir bereits, zu welch ungeahnten Verrenkungen un-sere Zunge den ganzen letzten Akt lang fhig sein wird. Und wir bedauern jenen armen Zeitgenossen, der jetzt erst mit seiner Nahrungsaufnahme beginnt. Ihm bleibt kein Genu, nur pure Hast. Denn das Klingelzeichen treibt die parfmier-te Herde in den Zuschauerraum zurck.

    berhaupt, das Kingelzeichen, dieser schril-le Haustrklang: Oh Freunde, nicht diese Tne!. An der Met gehen die Logenschlie-er mit einem Gong durchs Foyer, in der Scala flackern die Lichter, in Bayreuth rufen Fanfaren zur Kunst. Egal, ob Klingel, Gong oder Schalmeienklang, wichtig ist: Das Publikum hat seine Vorstellung gehabt. Es hat sich aufgefhrt, es hat sich vorgefhrt. Oder, um es kurz zu machen: Die Vorstellung luft der Abend ist gelaufen. //

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  • 24

    raf niert instrumentierte, musikalisch wegweisende

    Symphonie chorographique und wie geschaffen

    fr den stets energisch-impulsiven Russen, um die

    Virtuositt und die unglaubliche Schattierungskunst

    des fhrenden Londoner Orchesters zu einem fast

    franzsisch anmutenden Klangzauber zu steigern:

    Hier wird man wirklich in das alte Griechenland

    unserer Trume entfhrt.

    Whrend Ravel, Strawinsky und Gershwin un-

    sterblich wurden, ist der Pole Alexandre Tansman,

    der mit allen drei befreundet war und zu den in-

    novativsten Kpfen im wilden Paris der 30er Jahre

    zhlte, bis heute nur Insidern bekannt: Sein jazzig-

    freches zweites Klavierkonzert, das sich wie eine

    Mixtur aus den drei Genannten anhrt, und das er

    1927 selbst in Boston vorstellte, ist jetzt vom israeli-

    schen Klavier-Senkrechtstarter David Greilsammer

    wiederentdeckt und mit den Philharmonikern von

    Radio France mit Spielwitz wiederbelebt worden.

    Dazu gibt es noch die bedeutungsvolle Fantasie

    von Nadia Boulanger und eine messerscharfe

    Rhapsody in Blue, die ebenfalls sehr authentisch

    die Seelenlage der roaring twenties beschwrt.

    Die Musik Gershwins war auch das Lebens-

    elixier der im vergangenen Januar verstorbenen

    amerikanischen Klavierlegende Earl Wild. Jetzt hat

    die junge in New York lebende Shanghai-Chine-

    sin Xiaying Wang ihm und seinen unspielbaren

    Gershwin-Transkriptionen ein ganzes Album

    gewidmet. Wilds hinreissende, von Jazzlegenden

    wie Art Tatum oder Oscar Peterson beein usste

    Paraphrasen von Gershwin-Songs oder auch sei-

    ne Grand Fantasy ber Themen aus Porgy and

    Bess bieten faszinierende Klavierakrobatik plus

    unsterbliche Melodien also eine unwiderstehliche

    Mixtur aus Nostalgie, improvisatorischem Furor

    und kompositorischer Raf nesse und das Faszi-

    nierende ist, mit welcher Souvernitt, schwarzem

    Feeling und orchestraler Wucht die junge Chinesin

    diese halsbrecherischen Miniaturen aus dem rmel

    schttelt: Da htte selbst der Megavirtuose Wild den

    Hut gezogen.

    Und zum guten Ende noch eine klingende

    Rckschau auf einen der grten Snger und Bh-

    neninterpreten des 20. Jahrhunderts, auf Plcido

    Domingo, der im Januar seinen 70. Geburtstag fei-

    ert, und der seit mehr als 50 Jahren die Musikwelt

    nicht nur durch seine Gesangskunst, sondern auch

    durch seine gestalterische Intelligenz und seine un-

    glaubliche Bhnenprsenz verzaubert.

    Die DG hat jetzt den Versuch unternommen,

    eine Placido Domingo Story aus den wichtigsten

    hauseigenen Produktionen auf drei CDs zusam-

    menzubndeln, beginnend mit seinem ersten fr

    Teldec produzierten Arien-Sampler von 1968 bis

    zu seinem letzten, 2009 entstandenen Zarzuela-Al-

    bum. Trotz der Flle des Materials (aus 25 Opern)

    vermag dieser Schnelldurchlauf die wirklichen Di-

    mensionen seiner Lebensleistung nur anzudeuten,

    und emp ehlt sich daher nur fr ruhelose Meloma-

    nen oder als Einstiegsdroge fr Neulinge. Der echte

    Opernfreund drfte von der 13 komplette Opern

    umfassenden Opera Collection die parallel dazu

    erschienen ist, tiefere und nachhaltigere Eindrcke

    von dieser Jahrhundertstimme gewinnen. //

    Mahler, Mahler immer nur Mahler ... gibt es keinen anderen interessanten Symphoniker mehr? Der Mahler-Hype sprengt alle Grenzen, und noch immer scheint der

    Sttigungsgrad nicht erreicht. Zu allem ber uss

    gibt es ja zwei Mahler-Gedenkjahre hintereinan-

    der: nach dem 150. Geburtstag im letzten Jahr nun

    (im Mai 2011) der 100. Todestag. Und jeder junge

    Dirigent will seinen eigenen Mahler-Zyklus. So hat

    das audiophile Label Exton aus Yokohama gleich

    zwei Eisen im Mahler-Feuer: Den Wiener Manfred

    Honeck, der mit dem Pittsburgh Symphony zwei

    durchaus elegante Lesarten der Ersten und Vierten

    anbot, und den 45-jhrigen przisen Finnen Sakari

    Oramo, der jetzt mit den von ihm krzlich ber-

    nommenen Stockholmer Philharmonikern eine

    wirklich spannende, pulsierend frische Version der

    jugendlich-ungestmen Ersten vorlegte, und es so

    schaffte, einer wirklich erdrckenden Konkurrenz

    von mehr als 230 (!) Aufnahmen Paroli zu bieten.

    Dabei setzt der energische Finne mit nicht allzu

    wilden Tempi nur auf die sinnstiftenden Krfte von

    Mahlers Partitur, die er mit groer rhythmischer

    Przision akribisch ausleuchtet, und so dem Gesche-

    hen ein hohes Ma an Objektivitt sichert: Dieser

    durchaus aufklrerische, vom Historismus merklich

    beein usste Ansatz vlliger Durchhrbarkeit und

    einer auf Klarheit, Frische, schlanke Prgnanz aus-

    gerichteten sportiven Akkuratesse wird durch das

    hypertransparente, hell funkelnde Stereo-Klangbild

    des japanischen Klangdesigners Tomoyoshi Ezaki

    zu einem Ohrenschmaus gesteigert.

    Kurz vor dem Abschluss seines eher herb und

    unbequem klingenden Mahler-Zyklus mit dem

    von ihm seit 2006 betreuten London Symphony

    Orchestra steht Russlands ein ussreichster Pultstar

    Valery Gergiev. Er hat jetzt seine Serie eindrucks-

    voller Konzertmitschnitte beim Eigenlabel des Or-

    chesters (LSO live) mit einem akustisch vorzgli-

    chen Ravel-Album fortgesetzt und entpuppt sich da

    als echter Klangfarbenmagier. Als erfahrener Thea-

    termann entschied sich Gergiev fr die komplette

    Ballettmusik zu Daphnis et Chlo und ergnzte

    sie durch einen messerscharf prgnanten, gerade-

    zu motorisch-unerbittlichen Bolro. Das 1911 fr

    Diaghliev komponierte Daphnis-Ballett ist eine

    MAHLER, TANSMAN,

    WILD, DOMINGO!

    Plcido Domingo The Opera Collection Opern-Gesamtaufnahmen (Deutsche Grammophon)

    Tansman, Boulanger, Gershwin David Greilsammer, Steven Sloane (Nave)

    The Plcido Domingo Story Oper, Zarzuela, Tango, Songs (Deutsche Grammophon)

    Ravel: Daphnis et Chlo, Bolro, Pavane London Symphony Orches-tra, Valery Gergiev (LSO live)

    The Piano Music of Earl Wild Xiaying Wang(Chandos)

    H I E R R E Z E N S I E R T AT T I L A C S A M PA I

    Mahler: Symphonie Nr.1Royal Stockholm Philharmonic Orchestra, Sakari Oramo (Exton)

    { R E Z E N S I O N E N }

  • Sir Adrian Boult

    GUTE BALANCESir Adrian Boult war zwar eine eminente Auto-ritt unter den britischen Dirigenten, doch heu-te ist er mit Aufnahmen verglichen mit sei-nen Landsmnnern John Barbirolli oder Tho-mas Beecham doch eher unterreprsentiert. Seine Stabfhrung war so bezwingend wie ele-gant, alles durchstrmt von nobler Gre und einem kompakten Klangsinn, von klarer Gerad-linigkeit, doch niemals starr. So sind die Schu-mann-Symphonien sehr dramatisch und direkt angefasst, stets mavoll balancierend und mit-reiend in ihrem kontrollierten Vorwrtsdrang insgesamt eine der kompetentesten Aufnah-men aller vier Werke, auch wenn fr Verfeine-rung weniger Raum da ist. Besonders erfreu-lich ist die Wiederverffentlichung der acht Berlioz-Ouvertren (darunter der kaum ge-spielte Rob-Roy) hier zeigt sich Schlag fr Schlag, was fr ein imposanter Orchester-beherrscher der Mann war. Immer zielsicher durch alle Wechselflle dieser symphonischen Spektakel navigierend. CHRISTOPH SCHLREN

    Schumann: The Four Sym-phonies, Berlioz: Overtu-res, London Philharmonic Orchestra, Sir Adrian Boult (First Hand)

    Diana Damrau

    WAHRE INBRUNSTWas fr ein Fest fr einen Snger, wenn er Richard Strauss Lieder singen darf! Das Werk eines kolossalen Melodikers, eines glnzen-den Instrumentators und eines groartigen Erzhlers dazu, ein Werk mit dem man blenden knnte. Und ein Repertoire, das wie geschaf-fen fr Diana Damrau scheint: Denn sie liebt die groe Bhne und hat neben einer wunder-bar tnenden Stimme auch noch die Vitalitt und die gute Laune, die man dazu braucht. Be-reits als kleines Mdchen habe sie sich hin-ter dem Vorhang versteckt und allen verkn-det: Ich singe jetzt! Und das tut sie jetzt auch. Mit wahrer Inbrunst, hoher Virtuositt und phnomenaler Technik geht sie die Lie-der an, schafft es aber auch Richard Strauss Hang zur Theatralik, die bereits im Orches-terpart ausgespielt wird, im Zaum zu halten. Viele Snger, die nicht selten sehr eitel sind, htten hier mit ihren Knsten geprahlt. Sie aber nicht. Eine wirklich groe Knstlerin! TERESA PIESCHACN RAPHAEL

    Diana Damrau: Poesie Orchesterlieder von Richard Strauss. Mnchner Philharmoniker, Christian Thielemann (Virgin)

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    Berger, Gallardo

    KLEINE MOGELEISchon der Titel der CD (Der unbekannte Be-ethoven Werke fr Violoncello und Kla-vier) ist eine kleine Mogelpackung. Wurde doch eigentlich keines der enthaltenen Wer-ke ursprnglich fr die genannten Instrumen-te geschrieben. Die Grande Sonate pour le Forte-Piano avec accompt. de Violoncelle oblig arrangierte vermutlich der Kompo-nist Franz Xaver Kleinheinz (17721832) aus Beethovens Streichtrio op. 3 von 1794. Die vier folgenden kleinen Picen schrieb Be-ethoven brigens fr eine Mandoline spie-lende Prager Grfin. Cellist Julius Berger bertrug sie fr sein Instrument und inter-pretiert sie feinsinnig-zurckhaltend. Jos Gallardo begleitet ihn meist unauffllig, nie aber devot auf einem groen Steinway. So-weit zur Authentizitt des Instrumentari-ums. Was jedoch wirklich rgerlich ist: Die Mikrofonierung des Cellisten ist so unglck-lich realisiert, dass seine Atemzge zu hren sind. Das strt. MARTIN MORGENSTERN

    The unknown Beethoven works for violoncello and piano Julius Berger, Jos Gallardo (Challenge Classics)

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  • 26

    { R E Z E N S I O N E N }

    Kaiser/Thielemann

    ZU FSSENDiese DVDs feiern zwei Heroen, neben denen sich Kritikerpapst Joachim Kaiser zum Stich-wortgeber reduziert sehen muss: Beethoven und Christian Thielemann. Ihm liegt das Live-Publikum im Goldenen Saal des Wiener Musik-vereins bereits nach der ausgezeichneten In-terpretation der Ersten Sinfonie besinnungslos zu Fen (sogar als das Orchester bereits die Bhne verlassen hat, wird er noch einmal her-vorgerufen). Joachim Kaiser traut sich denn in einer herrlichen, dreistndigen (!) Dokumen-tation doch nicht, die teilweise anfechtbaren Tempoentscheidungen Thielemanns in Frage zu stellen: warum so mancher Satz-Kehraus streng durchgeschlagen wird, whrend Thie-lemann den natrlichen Fluss der Tne an an-deren Stellen zum mandernden Rinnsal ver-dnnt. Kaisers Kommentar: Ich denke immer,

    die Musik hat mit dem Herz-schlag zu tun. Stimmt. MARTIN MORGENSTERN

    Beethoven: Symphonies Nos. 1, 2 & 3 Wiener Philharmoniker, Christian Thielemann (C Major)

    Weinberg

    KONSTANTE SPANNUNGMieczyslaw Weinberg war einer der groar-tigsten Symphoniker des 20. Jahrhunderts. Seine Oper Die Passagierin von 1967-68 ist erschtternd in der sarkastischen Kombination berzeichnender Elemente, der authentischen Tragik bis in die morbidesten Ariosi, und das Li-bretto von Alexander Medvedev schafft eine fesselnde Entwicklungslinie der Blostellung mitluferischen Verbrechens. Der Mitschnitt von den Bregenzer Festspielen 2010 in der Re-gie von David Pountney, mit den Wiener Sym-phonikern unter Teodor Currentzis, steht unter konstanter Spannung. Oben die gesellschaftli-che Maskerade an Bord eines Amerika-Damp-fers, unten die KZ-Hlle die blockhafte Tei-lung des Bhnengeschehens unterstreicht die Drastik menschlicher Widersprchlichkeit, die bei der Zerstckelung von Bachs Chaconne ihren unmenschlichen Hhepunkt erreicht.

    CHRISTOPH SCHLREN

    Mieczyslaw Weinberg: Die Passagierin Michelle Breedt, Elena Kelessidi, Roberto Sacc, Wiener Symphoniker, Teodor Currentzis (NEOS)

    Peter Kofler

    GELUNGENBachs Kunst der Fuge zhlt zu den mythischen Sptwerken der Musikgeschichte. Generatio-nen von Interpreten versuchten sich daran, Bachs Opus Ultimum fr die CD auf ganz unter-schiedliche Weise auszulegen. Jetzt wagt der Cembalist und Organist Peter Kofler eine Inter-pretation und gewinnt damit auf ganzer Linie! Dass es eine Aufnahme geworden ist, die sich mit den besten Einspielungen der Kunst der Fu-ge messen kann, hat mehrere Grnde: Zum ei-nen spielt Kofler seinen Bach sehr einfhl-sam und intellektuell. Er nimmt sich Zeit, die Komplexitt der Musik sinnlich erfahrbar zu machen und verwendet dabei zwei vorzgliche Instrumente: Ein Original-Cembalo von Carl August Grbner aus dem Jahre 1782 und ei-nen Nachbau der Organo di Legno, deren Pfei-fen aus italienischer Zypresse bestehen. Das Ergebnis zieht einen bei jedem neuen Anhren

    mehr in seinen Bann. BURKHARD SCHFER

    Johann Sebastian Bach: Die Kunst der Fuge Peter Kofler (Raumklang)

    Jean-Pierre Ponnelle

    PHANTASIEVOLLManchmal gelingen Inszenierungen, sie dr-fen in die Jahre kommen und bleiben trotzdem gltig. Dazu zhlt Jean-Pierre Ponnelles umju-belte Produktion von Mozarts Zauberflte fr die Salzburger Festspiele 1978, die neun (!) Sommer lang auf dem Spielplan stand und 1982 vom ORF aufgezeichnet wurde. Dass die Bild-qualitt dabei heutigen Mastben nicht im-mer entspricht, lsst sich leicht verschmerzen. Denn vom ersten Moment an fasziniert Ponnel-les phantasiereiche Umsetzung des Singspiels zwischen naivem Wiener Vorstadttheater, Frei-maurersymbolik und Idealen der Aufklrung, sein souverner Umgang mit dem Bhnenraum der Felsenreitschule, den er fr ebenso einfa-che wie wirkungsvolle Effekte nutzt und natr-lich die erlesene Besetzung, die nicht nur Mo-zarts Musik zum Leuchten bringt, sondern auch den gesprochenen Szenen natrliches Leben

    einhaucht. Ein Glcksfall und ein Stck Theaterge-schichte. ANGELIKA RAHM

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    Grandios. Der Standard...Marlis Petersen ist phnomenal Die Zeit

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  • www.crescendo.de 01_2011 | 27

    Die letzten mischen Komponisten, die bis heute groe internationale Reputation genie-en, wirkten zur Zeit der Renaissance. Und berhaupt ist Belgien (sieht man vom bel-gisch-stmmigen Franzosen Csar Franck, von den Wallonen Eugne Ysae und dem jung verstorbenen Guillaume Lekeu ab) nicht gerade bekannt als ein Zentrum der kompo-nierenden Welt. Wer kennt schon Namen wie Peter Benoit, Tinel, Poot, Meulemans oder Mortelmans? Oder Albert Huybrechts, der wundervoll eigenstndige Kammermusik in der Nachfolge Albert Roussels schrieb?

    Der groe Nordfranzose Roussel, der in spten Jahren auch eine Rapsodie Flaman-de vollendete, war in seiner Mentalitt dem eher querkpgen, einerseits poetisch zau-berhaften, andererseits rebellischen, fast wi-derborstig ruppigen Naturell der Flamen eng verwandt, und es scheint, als wrden Spuren seines Tonfalls immer wieder nachklingen.

    Die frhe Musik des 1939 in Brssel gebo-renen Frdric (eigentlich Frederik) van Ros-sum klingt offen an Roussel an, insbesondere die spielerisch neoklassizistische Sinfoniet-ta op. 7 von 1963 handwerklich vollendet, bildet sich ein rhythmisch fesselndes, eng-maschig und zugleich locker kontrapunk-tierendes Geecht, bei dem Hauptstimmen und Figuration wie durcheinander gescht-telt erscheinen. Ein immenses musikantisches Vergngen von hoher Differenziertheit, stets expressiv und launig, mit trockenem Humor,

    und nie die Nchternheit verlierend. Noch komprimierter entfaltet erscheinen diese Zge im Divertimento fr Streicher von 1967 mit seinem erlesenen Adagio. Dann tritt zuse-hends das expressionistische Element in den Vordergrund, es entstehen Werke hochver-dichteter Dramatik, gleich Tondichtungen mit einem verschwiegenen Programm: Epitaph fr Streichorchester (1972) und Catharsis fr 2 Klaviere (1982). Darber hinaus ist auf der Portrt-CD van Rossum das Ricercare festivo (1992) fr Chor a cappella zu hren in einfacherer Faktur, ein substanzieller Beitrag zur neueren Chorliteratur.

    Das Stil- und Ausdrucksspektrum Frd-ric van Rossums ist sehr weit gefchert, und auch unter Einbeziehung avancierter klangli-cher Mittel ist immer eine klare, zusammen-hngende Struktur zu erkennen, die aus dem Fluss der Energie entsteht, die erlebt und nicht erdacht ist. Wer mehr hren will, kann sich auch eine CD mit van Rossums Violinkon-zerten besorgen. Van Rossum sei besonders all jenen empfohlen, die franzsische und hollndische Musik mgen und ein Faible fr die bergangsbereiche zwischen anspruchs-vollem Neoklassizismus und Bartk-nahem

    Expressionismus haben. CHRISTOPH SCHLREN

    van Rossum: Ensemble Or-chestral de Bruxelles, Jacques Vanherenthals (Pavane)

    Frdric van Rossum

    VOM NEOKLASSIZISMUS ZUR KATHARSIS

    Wandelbarer Belgier

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    Gustav Mahler

    MIT TATORT-ERMITTLERGeschichten kann man auch mit Musik erzh-len. Vor allem die von Gustav Mahler, der in seinen Werken ganze Welten (von grausa-men Schluchten bis zu heiteren Sommer-wiesen, so Arnold Schnberg) erschuf. Wie romanhaft Mahlers Leben bis zu seinem Tod 1911 war, erklrt Welt und Traum: Auf vier CDs veranschaulicht diese Hrbiographie von Jrg Handstein den steilen Karriereweg ei-nes Ausnahme-Talents genauso wie seine ste-te Erkenntnissuche. Zahlreiche Klangbeispie-le sowie Brief- und Tagebuchauszge runden Handsteins profunde Recherchen zum komple-xen Portrt einer Persnlichkeit ab. Schman-kerl sind dabei Mahlers Sinfonie Nr. 1 unter Mariss Jansons als Klang-Einstimmung, Haupt-erzhler (und Tatort-Kommissar) Udo Wacht-veitl sowie authentische Aufnahmen von Alma Mahler-Werfel. ANTOINETTE SCHMELTER DE ESCOBAR

    Mahler Welt und Traum Hrbiografie von Jrg Handstein. Sinfonie Nr. 1 Symphonieorchester des BR, Mariss Jansons (BR Klassik)

    Timothy Richards

    ETWAS SCHWERWer schickt Sie Gott?, soll Puccini 1897 ausgerufen haben, als er Caruso singen hr-te. Diese Frage stellt sich beim walisischen Te-nor Timothy Richards wie bei den meisten Tenren nicht. Richards ist kein leichtfi-ger, biegsamer, italienischer Tenor der lukul-lische Belcanto-Freuden verspricht. Mit ei-ner gewissen Schwere und Emphase stemmt er die Partie des unglcklichen Alfredo in La Traviata, als wolle er die Fragilitt und kam-mermusikalische Faktur der Partitur auf die Probe stellen. Dies gibt der Figur ein Gewicht, das sie selten bekommt. Auch in Puccinis be-rhmter Cavaradossi Arie E lucevan le stelle aus Tosca dringt Richards Darstellungslust sympathisch durch. Pluspunkte heimst die Produktion obendrein durch ihre Klangqua-litt ein, die da nach dem Prinzip wenig Ge-rt und viel natrlicher Klang agiert und auf Filter, Nachhallgert, Regelverstrker, ... ver-

    zichtet. TERESA PIESCHACN RAPHAEL

    Timothy Richards: Italian Album Minsk Orchestra, Wilhelm Keitel (MDG)

    Mnkemeyer

    EIN MUST-HAVE!Folia (portugiesisch fr Wahnsinn) hat Klassik-Springinsfeld Nils Mnkemeyer sei-ne neue CD genannt. Und wieder kombiniert der Bratscher Bekanntes mit Unerwartetem, diesmal in einer heien Liebesaffre mit der Kammerakademie Potsdam. So findet neben dem Telemannschen Bratschenkonzert, des-sen bermtig durchraster Presto-Satz noch End-Neunzigjhrige perplex aus dem Ohren-sessel hochschnellen lassen drfte, auch die von Mnkemeyer und dem Komponisten Mar-co Hertenstein adaptierte Fassung des Bach-schen Cembalokonzerts d-Moll, BWV 1052 Platz in dem bunten Werkreigen. Ausgelas-sen tanzt des Bratschers Spiccato da, noch ein bisschen wahnsinniger flitzen die Bgen des Solisten und des Continuo-Cellos (Anna Carewe) in Arcangelo Corellis (Geigen-)Va-riationen ber eine altspanische Sarabande.

    Must-have! MARTIN MORGENSTERN

    Nils Mnkemeyer: Folia. Telemann, Corelli, Bach, Delalande (Sony)

    Leos Jancek

    WOHLDISPONIERTKatja Kabanova ist mehr als eines der gro-

    en Meisterwerke Leos Janceks: Sie ist in ihrer durchgehend organischen Entwicklung und der essenziellen Kernhaftigkeit der psy-chologisch-dramaturgischen Entwicklung eine der bedeutendsten Opern der Geschichte. Jir Belohlvek fhrt die hervorragenden Snger und Coro y Orquesta Titular del Teatro Real in Madrid zu einer mehr als makellosen Leistung idiomatischer, authentischer in Expression, Gestus und Farbe knnte es nicht sein. Beson-ders noblen Glanz verbreitet Karita Mattila in der tragischen Titelrolle. Der kanadische Re-gisseur Robert Carsen hat nicht nur ein sch-nes, wassergeflutetes Bhnenbild von ebenso erstaunlicher Einfachheit wie verblffender atmosphrischer Flexibilitt geschaffen, auch die darstellerischen Mittel im Detail sind le-bendig und stilvoll. Alles ist im Fluss und hat

    wohldisponiertes Drama, bruchlos von Anfang bis Ende. CHRISTOPH SCHLREN

    Leos Jancek: Katja Kabano-va, Coro y Orquestra del Teatro Real, Jir i Belohlvek (FRA)

    Felix Mendelssohn Bartholdy

    BRAVO, KENTEin Hexenspuk, ein Klagelied und ein Gesang ber die Macht und ihre Berechtigung; drei ver-schiedene Themen gebndigt durch die Balla-de. An Goethes Erster Walpurgisnacht fas-zinierten Mendelssohn 1830 die himmlischen Worte; Schillers Nnie diente Brahms 1881 den Tod seines Freundes Anselm Feuerbach zu betrauern und mit Ludwig Uhlands Der K-nigssohn erfand Schumann um 1851 eine neue heute nahezu vergessene Musikgattung: die Ballade fr groe Chor- und Orchesterbeset-zung. Mattigkeit und Mhsal hatte man Schumann seinerzeit unterstellt. Keine Spur davon bei dern jungen Sngern der Audi Ju-gendchorakademie. Stilsicher werden sie den harmonischen Finessen der Musik gerecht begleitet von ausgezeichneten Solisten und ei-nem Staatsorchester, das dank Kent Nagano nie plakativ wird. Bravo! TERESA PIESCHACON RAFAEL

    Mendelssohn Bartholdy, Brahms, Schumann Audi Jugendchorakademie, Baye-risches Staatsorchester, Kent Nagano (Farao Classics)

    Pantagruel

    VOLLER HERZBLUTAlte Musik ist ein Synonym fr das Bemhen um mglichst authentische Spielweise der Musik vom Mittelalter bis zum Barock. Ent-sprechend intensiv recherchieren darauf spe-zialisierte Interpreten, die am liebsten auf Ori-ginal-Instrumenten spielen. berzeugen viele von ihnen mit einer Kombination aus Knowhow und Ernsthaftigkeit, bringt Pantagruel einen weiteren Trumpf mit ins Spiel: Leidenschaft. Denn wenn das 2002 gegrndete Trio auf sei-ner CD Nymphidia Lieder der elisabethani-schen Zeit intoniert, liegt in jedem Ton Herz-blut: besonders bei Anna Maria Wierod, aber auch bei Dominik Schneider und Mark Whee-ler, die die dnische Sngerin mit Flte und Laute begleiten. Gemeinsam schwelgen die drei in melancholischen Stimmungen, inte-grieren aber auch tnzelnde Leichtigkeit. Alte Musik auf neuen Wegen, frei nach dem Motto Pan