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Garcon 01 2011

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Garcon 01 / 2011

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Heft 1/2011 | 6€

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es muss nicht immer Hummer sein, mit Trüffelöl und Thai-spargel schon gar nicht. Auch auf Nashi-Birne kann ich gerne verzichten und auf Murahata-Melone sowieso.

Köche, die wie Tatort-Kommissare den schrägsten Produk-ten nachjagen und mit Sicherheit, wenn es sie dort gäbe, karierte Maiglöckchen von den Malediven einfliegen würden, waren mir schon immer suspekt. Damit wir uns richtig verste-hen, ich habe nichts gegen exotische Produkte, aber durch-aus was gegen Küchenmottos á la „je ferner, desto besser“.

Der Ort bestimmt die Speisenkarte. Dieser schlichte Satz stammt von Alain Ducasse und sollte eigentlich zum Grundre-pertoire jedes Küchenchefs gehören. Wo das so ist, haben auch Produkte Vorfahrt, die nicht um die halbe Welt geflogen sind, um in deutschen Töpfen Fernweh zu erzeugen.

Nun verweisen Ducasse-Kritiker gerne auf die Beschränkt-heit des heimischen Fleisch-, Fisch- oder Gemüseangebotes. Ein Argument, das sicher seine Berechtigung hat, wenn man beispielsweise mal auf einem Markt in Indien oder Thailand war. Andererseits jedoch gibt es auch hierzulande mehr als manche Köche glauben. Mein Gemüsehändler auf dem Kreuz-berger Chamissoplatz etwa bietet zur Tomatenzeit allein acht verschiedene Sorten Tomaten an und die Domäne Dah-lem genauso viele Kartoffelsorten.

Bei Stefan Steinheuer in Bad Neuenahr habe ich Jaroma-Kohl aus der Pfalz probiert, der gar nicht kohlig, sondern fein und nussig schmeckte, und bei Dieter Kaufmann in der Gre-venbroicher Traube gehört rheinisches Stielmus zum Stan-dardrepertiore. Das Bentheimer Schwein, der Mäusdorfer Gockel, das Taubertaler Lamm — alles erstklassige Produkte aus heimischen Landen, die mehr Zuwendung verdient hät-ten. Und um nochmal auf die eingangs zitierte Nashi-Birne zu kommen, die zu einem Achtel nach Birne, zu zwei Ach-tel nach Zitrone und zu fünf Achtel nach nichts schmeckt — Cornelia Poletto, die Hamburger Fernsehköchin, formulierte jüngst drastisch: „Die Birne hätte dort bleiben können, wo sie hergekommen ist.“

Das alles fiel mir ein, als ich vorige Woche von der Berliner Aktion „Koch sucht Bauer“ hörte, einem Hilferuf hauptstäd-tischer Spitzenköche, die händeringend saubere regionale Produkte suchen.

Viel Spaß mit dem neuen Garcon. Ihre

Liebe Leserinnen und Leser,

Mise en pLace

Yvonne Weinlich

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CONGAAWARD

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4 GARÇON

36 coledampf s & companies

inHaLtMise en pLace

titeL La dolce vita

Das süße Leben des patissiers

LOkaLterMin

Fischerkietz 26Regionales in Strausberg Shabuki 33Asiatisches bei Mr. Hai

Coledampf s & Companies 36Kulinarischer Ort am Moritzplatz

Weltküche 40Soziales Projekt in Kreuzberg Raymons Restaurant 48Leckeres in Spandau

kOpfsaLat

Der Padrone 52Massimo Mannozzi zum 70.

gescHMackssacHen

Zander 64Fisch des Jahres 2011

Koch sucht Bauer 68Netzwerk für guten Geschmack

Liebling Roulade 70Notizen zu einem Fleischwickel

Kleiner Fisch 76Die Spur der Stinte

BOuQuet garni

Nachrichten und Neuigkeiten 84

LeBensart

Arxe 90Möbel aus Barcelona

33 shabuki 6 La dolce vita

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52 Der padrone

kuLinariscHe exkursiOn

Tirol 94Landgasthof Linde in Stumm

ruBriken

Fuhrmanns Früchtekorb 102Topinambur

Hammers Käsebrett 104Banon de Banon

Gastroquiz 106

Impressum 107

70 Liebling roulade

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Das süsse LeBen Des patissiersvOn raLf Hiener, Jörg teuscHer unD anna WeBer

Zwischen diesem Dessert und dem auf der folgenden Seite liegen exakt 105 Jahre und eine gewalti-ge kulinarische Entwicklung.

Während beim „Kirschbaum“ von Carl Gruber aus dem Jahr 1906 (Hotel Bristol Frankfurt a. M.) einzig und allein die filigrane Prä-sentation wichtig war, spielen bei Sauli Kemppainens Kreation aus dem Brandenburger Hof in Berlin die subtilen aromatischen Akzen-te, etwa die Prise Bergsalz zur Schokoladenschnitte, die wichti-gere Rolle.

Dennoch: Für die Herstellung beider Desserts sind hohes hand-werkliches Können und eine eben-solche Kunstfertigkeit nötig. Da hat sich im Laufe von über 100 Jahren nichts geändert.

Geändert hat sich allerdings der Stellenwert des Patissiers vor allem in deutschen Küchen. Einst war er — als Chef-Patissier — eine Respektsperson, die im gleichen Rang wie der Küchenchef stand. Heute wird er selbst in guten Re-staurants schon mal eingespart — aus Mangel an geeigneten Bewer-bern oder weil es eben billiger ist.

Deshalb bricht Garcon in die-ser Ausgabe eine Lanze für einen Beruf, der sowohl eine komplexe Ausbildung als auch ein besonders feines Gefühl für das Spiel mit Aromen und Texturen erfordert.

Ralf Hiener, Koch von Beruf, Mitbegründer der Essbaren Land-schaften GmbH und heute als Le-bensmittel-Entwickler in Berlin tä-tig, blickt auf die Entwicklung der Patisserie in Deutschland in den letzten 25 Jahren zurück.

Jörg Teuscher und Anna Weber besuchten in Wolfsburg und Ber-lin drei Partissiers — junge Leute, die unsere Autoren mit geistrei-chen Desserts beglückten, vor al-lem aber mit ihrer Einstellung zu einer gewiss nicht leichten Arbeit begeisterten.

La dolce vita6 GARÇON

TITEL La dolce vita

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La dolce vitaLa dolce vita7 GARÇON

La dolce vita TITEL

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TITEL La dolce vita

aus: kochkunst, illustrirte Halbmonatsschrift für Hotel-, restaurant-, Herschafts- und bürgerliche küche. Herausgeber und verleger: internationaler verband der köche frankfurt am Main, achter Jahrgang, 1906

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9 GARÇON

La dolce vita TITEL

Als Sohn einer Schwarzwälder Gastro-nomenfamilie — meine Eltern betrieben in den 1960ern eine Pension mit Res-taurant — bin ich mit Schnitzel, Frosch-schenkeln, Schnecken und natürlich mit etlichen süßen Leckereien aufgewach-sen. Favorisiert habe ich in meiner Jugend die typischen 70er-Jahre-Des-serts, etwa den allseits beliebten Bana-nensplit. Das war damals schon großes Kino. Oder heiße Himbeeren! Auf jeden Fall musste Eis dabei sein, viel Eis, un-bedingt!

Während meiner Wanderjahre in der Schweiz empfand ich die Pflege einer Tradition als wirklich großartig: den Dessertwagen.

Darauf befanden sich in der Regel verschiedene Cremes, Tartes, Früchte, Saucen und selbstverständlich Kara-melköpfli sowie ein Kübel mit halbge-schlagenem Rahm. Der üppig bestückte Wagen wurde zum Tisch gerollt, und die Gäste konnten ihren eigenen Dessert-teller zusammenstellen. Für das damals kulinarisch eher konservativ orientierte Schweizer Publikum ein Muss und auch heute noch aus etlichen Häusern kaum wegzudenken.

In moderneren Restaurants begann derweil die Epoche der Vordesserts. Die Speisenfolgen wurden größer, es gab die ersten Menüs mit Tasting-Cha-rakter. Nach sieben salzigen Gängen wurden noch mindestens drei kleine Süßvarianten serviert, häufig auch ze-lebriert.

Wenn ich auf die letzten zehn Jahre zurückblicke, dann fällt mir vor allem die Entwicklung der Convenience-Pro-dukte im Dessertbereich auf.

In kaum einem anderen Zweig gibt es ein so breites Angebot. Entsprechend haben selbst einfache Restaurants in-zwischen die Möglichkeit, zeitgemäße und den Geschmack der Massen tref-fende Kreationen anzubieten, ohne dabei von einem Angehörigen einer inzwischen selten gewordenen Spezies abhängig zu sein: einem guten Patissier in der eigenen Küchencrew.

Um auch das klarzustellen: Ich bin kein großer Freund von Convenience-Erzeugnissen, aber die besten Produkte gerade im Patisserie-Bereich halte ich allemal für besser als Selbstgemachtes, das nichts taugt.

Was die Entwicklung des Desserts in der Spitzengastronomie betrifft, so hat sich auch hier eine neue Kultur eta-bliert. Vor allem die Akribie und der Ideenreichtum in diesem Bereich der Küche sind unglaublich vorangeschrit-ten. Kaum ein Teller ohne aufwändige Ornamente, Zuckerspiralen und zahl-reiche andere Komponenten.

Vergleicht man beispielsweise die Dessertkarte des besten deutschen Restaurants, der Schwarzwaldstube im Hotel Traube Tonbach in Baiersbronn, aus dem Jahr 1988 mit einer aktuellen Karte aus dem Jahr 2010, dann erkennt man schnell, welche Entwicklung die Patisserie genommen hat.

Dessertteller mit Mokkavariation, Mohnnudeln auf Mandarinenragout mit Vanilleeis oder Soufflé von weißer und dunkler Schokolade klingen für heutige Verhältnisse bereits altbacken.

Bei Pierre Lingelser, dem genialen Patissier der Schwarzwaldstube, klingt das aktuelle Angebot nun so: Soufflier-tes Macaé-Schokoladentörtchen auf Buttermilch-Passionsfruchtgelee, Ana-nas und Mango in Vanille-Karamell, dazu Limonen-Kokoseis. Oder: Mäuse-speck von Limone und Eisenkraut, Ori-zaba-Schokoladenkrem, Aprikosen im Eisenkrautsud und Aprikosen-Sorbet.

Auch die besten Berliner Restaurants setzen auf solche Art Desserts, leicht, frisch und mit deutlichen aromatischen Akzenten.

So servierte etwa Christian Lohse eine Kaltschale von Aprikosen, Mispeln und Lavendel mit Haselnusskrokantpar-fait.

Bei Marco Müller gab es Gratinierte Rosmarintrauben mit Sherryespuma und Ziegenkäseeis.

Nicht viel anfangen kann ich, ehrlich gesagt, mit Speisenkarten, die nach dem Motto „Lass Dich überraschen“ verfasst sind.

So serviert etwa Tim Raue in seinem Menü unique als Dessert: Tanariva — Jasmin, Birne, Tanarivaschokolade 33%. Hoffentlich weiß wenigstens der Ser-vice, was sich dahinter verbirgt.

Was die weitere Entwicklung im Be-reich der Desserts betrifft, so darf man gespannt sein.

Mein persönlicher Wunsch wäre eine deutliche Reduzierung der Süße, weni-ger Komponenten, also mehr Klarheit auf dem Teller und vor allem ein ver-stärkter Einsatz von Gemüse im Süß-speisenbereich. Das kann ich mir sehr spannend vorstellen.

DER LETZTE GANGvOn raLf Hiener

Während meiner Kochlehre zu Be-ginn der 1980er in einem Stadthotel am Hochrhein, kam ich mit den zu dieser Zeit üblichen opulenten Dessert-Klas-sikern in Berührung. Das waren haus-gemachte Eisparfaits, Coupe Melba, Mousse au chocolat sowie das legendä-re Omelette Surprise — für mich schon damals ein Graus.

Bei Restaurantbesuchen kam ich aber auch in den Genuss der ersten Veränderungen durch die Nouvelle Cui-sine. Die Patisserie bekam plötzlich ei-nen anderen Stellenwert.

In Eckart Witzigmanns legendärem Münchner Restaurant Aubergine ent-standen Dessert-Schöpfungen wie Leb-kuchensoufflé mit Altbiersabayon und Preiselbeerschaum oder Grießsoufflé mit Birne und Nougatschaum.

Die ersten verzierten Saucenspiegel sorgten für Aha-Erlebnisse, und viele Dessertteller bekamen eine künstle-rische Handschrift. Es war auch die Zeit, in der manche Köche ihren süßen Kreationen Namen gaben — etwa Hans-Peter Wodarz, der ein Dessert „Dialog der Früchte“ nannte.

ralf Hiener

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Die Wolfsburger Autostadt ist ein Ort vom Reißbrett. Faszinierend, sicher, aber alles wirkt ein wenig zu clean, zu perfekt. Doch das stört die meisten Be-sucher kaum.

Einige meckern, dass auf den Wegen zu den MarkenPavillons oder zum VW-KundenCenter öffentliches Rauchen unerwünscht ist, die meisten jedoch sind begeistert — von alten Autos un-ter Acrylhauben, moderner Architektur zwischen Wasserläufen oder von der Tatsache, dass sie bald einen neuen

Volkswagen ihr Eigen nennen können. Alles dreht sich auf diesem Areal ums Auto — fast alles.

Denn manche kommen einfach nur zum Essen hierher. Sie haben im Aqua reserviert, dem Drei-Sterne-Restaurant im Wolfsburger Ritz-Carlton Hotel, das am Rande der Autostadt erbaut wurde.

Anfang der 1990er Jahre habe ich einmal in der Vorstandskantine des VW-Konzerns gegessen, das war schon erst-klassig. Aber was, wenn ein Vorstand einen wirklich hochkarätigen Gast hat, einen englischen Prinzen oder einen Scheich aus Katar etwa?

Früher musste er dann wenigstens bis nach Celle fahren, um eine eini-

germaßen angemessene Bewirtung zu bekommen. Nun hat er eins der zehn besten deutschen Restaurants im eige-nen Revier, und er tut, wie man liest, einiges dafür, dass das so bleibt. Scha-de eigentlich, dass es in Berlin keine VW-Vorstände gibt…

Den wichtigsten Beitrag dafür, dass das Aqua — der Name steht für Klarheit und Transparenz — zu einem Wallfahrts-ort der internationalen Feinschmecker-gilde wurde, haben allerdings nicht die VW-Investitionen geleistet, sondern ein Mann und sein Team.

Sven Elverfeld, 42, geboren im hes-sischen Hanau, kam im Expo-Jahr 2000 aus Dubai nach Wolfsburg.

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TITEL La dolce vita

AQUA-KULTURvOn Jörg teuscHer

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Bereits zwei Jahre später kürte ihn der Gault Millau zum Aufsteiger des Jahres: “Letztes Jahr kämpfte die Kü-che noch mit allerlei Problemchen, heuer steuerte sie voller Kraft voraus in selten so angenehm erlebte kulinari-sche Gefilde.“

Die Gourmets staunten und fragten: „Sven…wer?“ Das änderte sich als der Michelin nachzog: 2002 der erste, 2006 der zweite, 2009 der dritte Stern.

Der gelernte Koch und Konditor war im kulinarischen Olymp angekommen, überhäuft mit allen Ehrungen, bedacht mit allen Superlativen, die die Branche zu bieten hat. Selbst FAZ-Kritiker Jür-gen Dollase, schwärmerischer Verbal-

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La dolce vita TITEL

Bescheidener könner: sven elverfeld

edler arbeitsplatz: die aqua-küche

teures vergnügen: 9 gänge für 205 euro

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Duselei absolut unverdächtig, fühlte sich angesichts eines Tellers mit gesot-tenem Tafelspitz vom Müritz-Lamm an ein Mondrian-Gemälde erinnert.

Ja, Sven Elverfeld gehört zu den Gro-ßen seines Fachs. Mit einer Küche, die er als kreativ, europäisch, französisch inspiriert und modern interpretiert be-schreibt, holte er die Ess-Klasse nach Wolfsburg.

Elegant die Suppen-Shots und Löffel-Degustationen, erstklassig die Gar-nele mit Kalbstatar, sensationell die Gewürz-Taube mit Kefir, Granatapfel, Sesamcreme und CousCous — eine ku-linarische Erinnerung an seine Zeit in Dubai.

Alles, was von der erstaunlich jungen Küchenbrigade mit uhrmacherischer Präzision und ähnlichem Werkzeug auf dem feinen Porzellan in Stellung ge-bracht wird, verrät sicheren Sinn für Konsistenz, Kontrast und Harmonie — vor allem aber für Geschmack.

Beobachtet man Elverfeld bei seiner Arbeit, wird deutlich, wie dieser Mann „tickt“. Er ist konsequent, aber nicht unsachlich — etwa, wenn er fordert: „Bitte kommunizieren, laut und deut-lich, alle!“

Er ist ehrgeizig, aber nicht fanatisch — etwa, wenn er verlangt: „Jeder muss sich täglich neu antreiben!“

Und er ist irgendwie wohltuend nor-mal, ebenso wie seine Patissière Nadja Hartl, deretwegen wir eigentlich nach Wolfsburg gekommen sind.

Deutschlands beste Patissière also. „Sie präsentiert den Wandel der klas-sisch schweren Nachtische zum finalen Tischschmuck“, schrieb der Gault Mil-lau zur Begründung des Titels „Patissier des Jahres“.

Worüber redet einer, der im Sterne-restaurant schon mal an Stelle des offe-rierten Desserts um ein paar Waldbee-ren mit Champagner bittet, mit solcher Repräsentatin?

Über seine Abneigung gegenüber aufgetakelten Schokoladen-Variatio-nen? Über seine Kindheitserinnerungen an den warmen Bienenstich der Groß-mutter?

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TITEL La dolce vita

kartoffel-pot au feu

norwegische Jacobsmuschel & kalbsbries

garnele & kalbstatar

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La dolce vita TITEL

Nadja HartlRestaurant Aqua im Hotel The Ritz-Carlton Wolfsburg

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Nadja Hartl macht es Journalisten leicht, selbst denen, die zum spitzen-gastronomischen Süßkram ein gebro-chenes Verhältnis haben.

Also erstmal das Naheliegende, wäh-rend sie ihren „Posten aufbaut“ und den finnischen Praktikanten Eric Räty einweist, der übrigens aus dem Chez Dominique in Helsinki, einem der bes-ten Restaurants Skandinaviens, nach Wolfsburg gekommen ist, um bei Nadja Hartl zu lernen. Schon das zeigt, wie gut die Frau in ihrem Job sein muss.

33 ist sie, geboren und aufgewachsen im vogtländischen Rodewisch, Abitur in Klingenthal.

“In der Schule waren Handarbeit und Zeichnen meine Lieblingsfächer.“ Die Kochlehre lag da zwar nicht auf der Hand, aber allzu weit weg auch nicht.

Nach erfolgreichem Abschluss folg-ten die Wanderjahre: Zürich, London, St. Moritz. Das Interesse für die süßen Seiten ihres Berufes wuchs. “Ich wollte kein Fleisch parieren und keine Fische ausnehmen.“

Commis Patissier, Demi Chef, Chef de Partie Patissier. 2001 kam sie ins Aqua. Die Gastrokritik schwärmte: „Höchst verführerisch diese Desserts, ob gelier-tes Holundersüppchen mit Haselnuss/Schoko-Törtchen und Holunder/Minze-Sorbet oder Himbeerküchlein mit pas-sendem Sorbet. Wundervoll!“

Hartls Talent für die süßen Finales und Elverfelds Erfindungsreichtum in seinen Menüs ergänzten sich vortreff-lich und brachten Erfolg. Nadja Hartl wurde 2004 von der German Pastry Academy zum Patissier des Jahres ge-kürt, Elverfeld vom Gault Millau zum Koch des Jahres.

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TITEL La dolce vita

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Ein frischer Wind wehte in Wolfs-burg, wo jahrelang — kulinarisch gese-hen — bestenfalls braver Durchschnitt herrschte.

Die Gourmandise machte sich auf den Weg, das Dreamteam zu erleben und staunte nicht schlecht. Was im Aqua auf die Teller kam, war zeitgenössische Küche der Spitzenklasse, technisch bril-lant und originell zugleich — vom Hors-d’œuvre bis zum letzten Petit four.

Dennoch zog es Nadja Hartl noch mal in die Welt. In Shanghai und Singapur, im Londoner Restaurant La Trompette sowie im Sao Gabriel an der portugie-sischen Algarve suchte sie neue Ideen. 2008 kehrte sie ins Aqua zurück.

Es ist 20 Uhr, Ende der Erinnerungen, die Bonleiste füllt sich. Irgendwann kommt einer: „Naddel, hast Du Scho-koladeneis?“ Naddel? Nein, der Name passt nicht zu ihr. Naddel, das klingt eher nach dümmlicher Publicitygier — Motto: Ich mache am liebsten, was ich am wenigsten kann — und das am bes-ten vor großem Publikum.

Nadja Hartl tut das Gegenteil. 99 Prozent Perfektion, 1 % Improvisation. Ein gutes Dutzend superlativer Attri-bute wird wechselnd bemüht, wenn es gilt, ihre Desserts zu beschreiben — von filigran bis kreativ. Witzig gehört nicht zu diesem Arsenal.

Aber ist es nicht witzig, wenn da in der Drei-Sterne-Menüfolge „Studenten-futter & Apfel“ steht, das Servierte ge-nauso aussieht wie Studentenfutter und Apfel, sich aber am Gaumen als kulina-rischer Gag entpuppt?

„Alles wird nachgebaut“, sagt Nadja Hartl. Die Walnuss zum Beispiel. Die Schale: Walnusspüree und Kakaobutter. Das Innere: Walnusscreme und kandier-te Nüsschen. Oder die Mandel. Sie ist aus gefrorener Mandelmilch gemacht, mit einer dünnen Geleeschicht. Optisch witzig, geschmacklich überraschend. Solche Desserts haben mit Süßkram so viel zu tun wie ein Lamborghini mit ei-nem Trabi. Nadja Hartl sorgt dafür, dass der letzte Eindruck von der Aqua-Küche ein bleibender ist, bleibend begeistert.

Chapeau, Madame Hartl.

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La dolce vita TITEL

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kakaobohne, passionsfrucht & grüner tee

TITEL La dolce vita

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kakaobohne, passionsfrucht & grüner tee

studentenfutter & apfel

champagner cremesorbet

La dolce vita TITEL

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TITEL La dolce vita

Thomas GläserRestaurant Facil im Hotel The Mandala Berlin

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La dolce vita TITEL

Zuerst ist eine namentliche Aufklä-rung nötig. Der Mann fürs Süße im Facil heißt tatsächlich Thomas Gläser und nicht Joachim, wie es der Gault Mil-lau wissen will. Wir würden ja locker über solchen Lapsus hinwegsehen, aber Kohnkes Tester tun s ja auch nicht und beschweren sich bitter, wenn es zum Beispiel nicht den angekündigten Ret-tich, sondern Sellerie als Beilage zu ei-nem Gericht gibt.

Thomas Gläser jedenfalls gehört zu den besten deutschen Patissiers — das Hamburger Gourmet-Journal Der Fein-schmecker setzt ihn auf Platz 9, vor ihm ausschließlich Kollegen aus Drei- und Zwei-Sterne-Restaurants.

Als Gläser vor 17 Jahren seine Koch-lehre begann, war an Patisserie noch nicht zu denken. Erst als Renée Con-rad, Küchenchef-Vorgänger von Michael Kempf im Facil, fragte, ob jemand In-teresse am Süßen hätte, rief Gläser als Erster: „Ich will!“

Der Grund für die Spontan-Entschei-dung: Der Mann ist verrückt nach Sü-ßem. „Drei Tafeln Schokolade am Tag, sind für mich kein Problem.“ Außerdem mag der gebürtige Berliner die ruhige Arbeitsathmosphäre in der Patisserie.

Der Autodidakt in süßen Sachen ab-solvierte Praktika bei Hans Haas und Dieter Müller, verschlang ein gutes Dutzend Dessert-Bücher und arbeitete sich vom Mousse-au-chocolat-Macher langsam in jene Gefilde vor, in denen die Zutaten teuer und die Zubereitung schwierig werden.

Topfen-Soufflé mit Limonentarte und Ananas etwa — was so einfach klingt, ist nicht nur ein Dessert mit Suchtfak-tor, sondern auch ein handwerkliches Kabinettstück. Gläser liebt solche He-rausforderungen und weiß den Küchen-chef an seiner Seite. „Die Patisserie in einem Sterne-Restaurant muss super-sensationell sein“, so Kempf. „Das Des-sert ist eben der letzte Eindruck, den der Gast von der Küche behält.“

küchenchef Michael kempf, li. und patissier thomas gläser

FACIL-FACESvOn anna WeBer

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TITEL La dolce vita

knusprige feige mit Banyuls-cremeeis

Topfensoufflé mit Limetten-Tarte und Ananas

Mandarine, tahiti-vanille und creme de cacao

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Topfensoufflé mit Limetten-Tarte und Ananas

Mandarine, tahiti-vanille und creme de cacao

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TITEL La dolce vita

Franziska ReichelRestaurant Guy am Gendarmenmarkt Berlin

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La dolce vita TITEL

Sicher, im Restaurant Guy am Gen-darmenmarkt geht es in der Patisse-rie weniger aufwändig zu als etwa im Wolfsburger Aqua oder im Facil am Potsdamer Platz.

Doch Inhaber Hartmut Guy hat auch kein finanzstarkes Hotel im Rücken und keine Sterne zu verteidigen und leistet sich trotzdem eine Patissière mit allem, was dazu gehört — ein Arbeitsplatz, Produkte, Geräte und Werkzeuge.

„Der Gast hat das Recht, für sein Geld das Bestmögliche zu bekommen, und das ist im Dessertbereich nun mal nicht Omas Schokoladenpudding.“

Guy grinst und stellt vor: „Das ist Franzi, die kann s.“

Franziska Reichel, 28, stammt aus Lutherstadt Wittenberg und kam über die Konditorei zur Patisserie. Während Ihrer Lehre in einem bayerischen Kaf-feehaus begann sie ein Ringbuch an-zulegen — Rezepte, Rezepte, Rezepte. Abends nimmt sie es mit nach Hause — aus Angst, dass es wegkommen könne. Und man glaubt es ihr, wenn sie sagt: „Dieses Buch ist mein Leben.“

Ihr größtes Problem allerdings sind in Wirklichkeit nicht die Rezepte, sondern die Werkzeuge.

Das meiste für ihre Arbeit kauft sie im Baumarkt — dünne Rohre, Vierkant-hölzer, Pinsel aller Art. „Eigentlich eine Marktlücke für Existenzgründer.“

Auch im Guy geht es zwischen Kü-chenchef und Patissier nicht nur kol-legial, sondern ausgesprochen freund-schaftlich zu.

Marcus Zimmer weiß die Arbeit sei-ner Dessertprinzessin zu schätzen. „Ohne süßen Abschluss mit Aha-Effekt kein gutes Menü“, sagt er, der selbst einen Hang zu allen süßen Sachen hat, die, Gott sei Dank, längst nicht mehr so zuckerstrotzend und schokoladentrie-fend sind wie etwa vor 20 Jahren.

„Auch die Patisserie hat ihre kleine Revolution hinter sich“, meint Franziska Reichel, die süße Maus im Guy.

GUY-CLOUvOn anna WeBer

küchenchef Marcus zimmer und patissière franziska reichel

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TITEL La dolce vita

Vanille Creme Brûlée mit Maronen, Zwergorangen und Sauerrahmeis

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Vanille Creme Brûlée mit Maronen, Zwergorangen und Sauerrahmeis

La dolce vita TITEL

süßholz-creme caramel, Quarkkeulchen, Blutorange

zwetschgenessenz mit schokolade und vanilleVanille Creme Brûlée mit Maronen, Zwergorangen und Sauerrahmeis

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viele, die sich mit einem gastro-nomischen Betrieb selbstständig ma-chen, unterschätzen das risiko. sie sind Quereinsteiger oder kommen vom warmen Ofen des angestellten-daseins.

sie haben kredite aufgenommen, räume renoviert, küchen saniert, personal eingestellt, aber nicht mit den unwägbarkeiten ihrer Branche gerechnet. Oder sie haben sich mit ihren konzepten kräftig verschätzt.

Das Wahllokal in der friedrich-straße, das restaurant ines in der grolmannstraße, das Maremoto am strausberger platz oder charlotte 43 in der charlottenstraße sind Beispiele dafür. vergangen, vergessen, vorbei.

sebastian Marquardt kennt diese Beispiele. Das ist auch der grund da-für, weshalb der 38-jährige Berliner mit dem schritt in die selbstständig-keit so lange gewartet hat.

Den Wunsch nach einem eigenen restaurant hegte Marquardt schon lange, aber kein standort überzeugte ihn.

schließlich half der zufall. er kam nach strausberg, sah das Haus am fi-scherkietz und entschied — hier oder nie.

ein Ort, nahe genug an Berlin, der noch kulinarisches niemandsland ist. Dazu eine erstklassige Lage am straussee und ein fairer vermieter, seinerseits sicher auch zufrieden, ei-nen guten Mann für sein restaurant gefunden zu haben.

und sebastian Marquardt ist ein gu-ter Mann. kochlehre im ehemaligen grand Hotel an der friedrichstraße bei uli Horn, sous chef im Le val d Or auf Johann Lafers stromburg, kü-chenchef in der remise von schloss glienicke bei franz raneburger. er-fahrungen, die prägen.

Marquardt, soviel ist schon am er-öffnungstag sicher, wird hier nicht Fünferlei vom Adlerfisch auf die Tel-ler bringen oder seinen gästen Baby-steinbutt zumuten. Der Mann steht für regionale Wertarbeit — Branden-burg kann s brauchen.

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LOKALTERMIN Restaurant Am Fischerkietz

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ICHWAR SOFORT VERLIEBTGEWESENseBastian MarQuarDt startete in strausBergvOn Jörg teuscHer

Restaurant Am Fischerkietz LOKALTERMIN

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Der zweite Januarsonntag. Es reg-net, die Schneeberge der vergangenen Woche sind schmutziggrau.

Die S5 zuckelt in Richtung Osten. Biesdorf, Kaulsdorf, Mahlsdorf. Pas-tellfarbige Siedlungshäuser im Katalog-baustil. Bierstuben, Sicherheitsfirmen, Sonnenstudios und was man sonst noch so hier draußen braucht.

Irgendwo die Berliner Stadtgrenze. Dann endlich Strausberg, Landkreis Märkisch-Oderland, 26.000 Einwohner, fast 300 Jahre Militärgeschichte, bis heute.

„Wo, bitte, geht’s zum Fischerkietz?“ Ein netter Herr in Joggingklamotten er-klärt: „Mit der Straßenbahn bis Endsta-tion, zu Fuß durch die Große Straße, am Markt links, an der Klosterstraße wie-der links, die erste Gasse rechts, der Fischerkietz.“ Knapp, präzise, keine überflüssige Gestik. Danke, Herr Major. Oder Herr Oberstleutnant a.D.? Egal. Typisch Strausberg.

Die Altstadt bietet Buntheit. Viele kleine Geschäfte, die Back-, Drogerie- und Getränkediscounter sind in ver-schwindender Minderheit. Die Billighei-mer brauchen Fläche, vor der Tür und dahinter. Das gibt es hier nicht, zum Glück für Strausberg.

Der Fischerkietz zweigt hinter dem Stadthaus ab, eine Tafel informiert: der Kietz war ursprünglich (in der ers-ten Hälfte des 13. Jahrhunderts) eine Dienstleute-Siedlung zur Burg Struze-berg.

Am Ende der Gasse eine ehemalige Fabrikantenvilla und ein früheres Fab-rikgebäude, beides nach wechselvoller Geschichte und drohendem Verfall auf-wändig saniert.

Der auch im Land Brandenburg enga-gierte Oldenburger Energiedienstleister EWE brachte die dafür nötigen Millio-nen auf und eröffnete im Juni 2003 das Restaurant und Tagungszentrum am Fi-scherkietz.

Dass der gastronomische Ort kaum über Strausbergs Grenzen hinaus be-kannt wurde, mag einerseits am allzu konservativen Kochstil der bisherigen Pächter gelegen haben, andererseits

28 GARÇON

LOKALTERMIN Restaurant Am Fischerkietz

freundlich: Das restaurant am fischerkietz

glücklich: Der alte eigentümer und der neue küchenchef

Hungrig: Die gäste der restauranteröffnung

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vielleicht auch an einem Restaurantam-biente, das von der Stange stammt und arg an Frühstücksräume in Drei-Sterne-Hotels erinnert.

Seit Januar führt nun also Sebastian Marquardt Regie im Restaurant am Fi-scherkietz.

Er steht für eine frische Regionalkü-che, engagiert zubereitet, mit Finger-spitzengefühl gewürzt.

Seine Speisenkarte im Berliner Res-taurant Goldener Greif im Schloss Glie-nicke hatte Bodenhaftung mit einem hohen Anteil feinbürgerlich-klassischer Gerichte für den gastronomischen Nor-malverbraucher. Rehkeule mit Rüb-chengemüse, Jungschweinrücken mit

Stielmuspüree, Kalbsfrikadellen mit Kartoffelsalat, Müritzlamm mit Wur-zelgemüse oder Saibling mit Schmor-gurken — das kam in Wannsee an und dürfte auch am Straussee problemlos punkten.

Nun wird Marquardt hoffentlich schnell noch die lachsfarbenen Wol-kenstores abhängen und die altrosa Tischdecken in der Versenkung ver-schwinden lassen. Neue Bilder gibt es immerhin schon, und über den Rest, die überdimensionierte Bar beispielsweise, kann Sebastian Marquardt sicher auch noch mit dem Eigentümer reden.

Auf jeden Fall ist der Blick von Bal-kon und Terrasse auf den Straussee

direkt vor der Haustür selbst im kalten 2011er Januar von großem Reiz.

Was der Küchenchef kulinarisch drauf hat, zeigt er bei einem Eröff-nungsbrunch für geladene Gäste. Klap-pern gehört eben auch zum gastrono-mischen Handwerk.

EWE-Chef Dr. Ulrich Müller spricht vom Aufbruch zu neuen kulinarischen Ufern, die Strausberger Honoratioren applaudieren, probieren und goutieren Marquardts Sonntagsbuffet.

„Das kann so weiter gehen“, sagt einer. Ein anderer schreibt ins Gäste-buch: „In Strausberg ist die Zeit reif für gute Küchenideen.“ Ein guter Start für Sebastian Marquardt.

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Restaurant Am Fischerkietz LOKALTERMIN

gratulationscour: strausbergs Bürgermeisterin elke stadeler...

...Österreichs Attaché Ernst Schleich aus Berlin...

...die künstelerin Margret Weise aus naumburg...

...Bundeswehr-akademie-kommandeur Oberst axel Hecht

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Vom Eise befreit sind Strom und Bäche — Anfang März riecht es sogar schon ein ganz klein wenig nach Früh-ling in Strausberg.

Sebastian Marquardt empfängt mit breitem Grinsen. „Alles super“, so sein knapper Kommentar.

Soll heißen: die Strausberger mögen seine Art und seine Küche, das Reser-vierungsbuch ist gut gefüllt, selbst Stammgäste aus Berlin haben bereits den Weg in den Fischerkietz gefunden.

Das liegt sicher nicht zuletzt an Mar-quardts Verlässlichkeit, wenn es ums Kochen geht. Da ist Klarheit angesagt. Seesaibling aus der Orangen-Gin-Beize mit Kartoffel-Apfel-Strudel ist da schon dicht an der Grenze zum Exotischen.

Nein, Marquardt bleibt auch hier de-monstrativ bodenständig.

„Was ist gegen eine gute Regional-küche mit Produkten aus dem Umland einzuwenden?“, fragt er. Natürlich nichts. Mit Hummer hochkant kann hier draußen sowieso keiner was anfangen, mit bürgerlich im besten Sinne schon.

Und dafür steht Sebastian Marquardt, auch im Fischerkietz am Straussee.

So serviert er beispielsweise Kanin-chen mit Petersilienwurzelsalat und Himbeervinaigrette, eine wunderbare Kürbissuppe mit Zimtcroûtons und ein Rehragut mit Butterspätzle, dass man kaum besser machen kann.

Drei Gänge und vier mal Aha — ein-mal wegen des Preises. 26 Euro kos-tet dieses Menü. Kein Wunder, dass sich solches Preis-Leistungs-Verhältnis schnell herumgesprochen hat.

Übrigens: Einmal im Monat präsen-tieren das Restaurant Am Fischerkietz und sein Vermieter, der Energieriese EWE, Kultur und Kulinarik, und auch diese Veranstaltungen sind meist bis auf den letzten Platz ausgebucht.

kürbissuppe mit zimtcroûtons

Marinierter ziegenfrischkäse mit Honigkernen, rucola und portweinfeige

kalbsrücken mit rahmwirsing und zwiebelkuchen

30 GARÇON

LOKALTERMIN Restaurant Am Fischerkietz

www.restaurant-fischerkietz.de

restaurant aM fiscHerkietz

Fischerkietz 615344 Strausberg

Tel. 03341 - 49 79 00

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33 GARÇON

mrhai Shabuki LOKALTERMIN

In seinem Reisepass steht der voll-ständige Name: Tran Van Hai. Seine Freunde nennen ihn nur Mr. Hai. Den Namen hat sich der 45-Jährige vor zehn Jahren selbst verpasst, wahrscheinlich, weil es knackiger klingt und sich leich-ter merken lässt.

Dass „Mr. Hai“ mal zum Synonym für eine unternehmerische Erfolgsge-schichte und zur gastronomischen Mar-ke werden würde, das hätte der Mann aus Vietnam damals wohl nicht mal zu träumen gewagt.

1988 kam Tran Van Hai aus Saigon nach Ost-Berlin — als Vertragsarbeiter, wie das in der DDR hieß. In Oberschö-neweide goss er Betonfertigteile für Plattenbauten, ein mäßig bezahlter Knochenjob. Als die Mauer fiel, ver-dingte sich Hai als Spüler, stieg zur Kü-

chenhilfe auf und landete schließlich im Sashiko Sushi am Savignyplatz. Hier erlernte er die Herstellung der mund-gerechten Häppchen aus Fisch, Reis und anderen Zutaten, vervollkommne-te seine Fähigkeiten im Restaurant Vox des Grand-Hyatt-Hotels und eröffnete schließlich im Mai 2000 eine eigene Sushi-Bar.

Im Kabuki am Olivaer Platz servierte Hai nicht nur Spezialitäten, die es auch in den anderen 250 Berliner Roll-Läden gab, sondern kreierte Eigenes. „Mr. Hai s Roll“ machte Furore, die Gastro-kritik jubelte und schrieb schon mal euphorisch von „einer kulinarischen Neuerung ersten Ranges“.

Der Erfolg machte Tran Van Hai mu-tig. Zur Kabuki-Bar am Savignyplatz kam Mitte 2004 das mrhai & friends, ein

vietnamesisches Restaurant fernab des häufigen Berliner Asia-Küchen-Einerleis aus vorgefertigten Frühlingsrollen und Garnelenspießen. Und ganz ohne Glu-tamat.

Restaurant Nummer Drei folgte: das mrhai Life am Steglitzer Hermann-Eh-lers-Platz, eine Mischung aus Sushi-Bar und Vietnam-Restaurant.

Sein viertes Restaurant, das mrhai Shabuki, eröffnete der umtriebige Un-ternehmer im Juni 2010 und avancierte damit endgültig zu den erfolgreichsten Berliner Gastronomen, auf Augenhöhe etwa mit Josef Laggner und Herbert Beltle.

Garcon-Autorin Shoko Kono, Japa-nerin aus Kyoto, Köchin von Beruf und Kochlehrerin aus Passion, besuchte das Restaurant am Olivaer Platz.

BEI MR. HAIzu gast iM restaurant sHaBuki

vOn sHOkO kOnO

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34 GARÇON

LOKALTERMIN mrhai Shabuki

Was bieten Asiaten an, wenn Freun-de oder Verwandte zu Besuch kommen? Die einfachste Lösung lautet — sie ko-chen am Tisch.

Für ein solches Ritual gibt es ver-schiedene Möglichkeiten. Wir Japaner bevorzugen Shabu Shabu oder Yakiniku. Bei Shabu Shabu handelt es sich um ein Fondue aus Brühe, Fleisch und Gemü-se. Bei Yakiniku wird Fleisch am Tisch gegrillt.

Beide Formen geselligen Essens wer-den natürlich auch in der Gastronomie zelebriert, in Berlin sind sie allerdings fast unbekannt.

Früher gab es mal ein Shabu Shabu-Restaurant in der Nähe des Berliner

Gendarmenmarktes, aber das Geschäft lief nicht, und nach einer Weile wurde es geschlossen.

Nun versucht es Mr. Hai, der erfolg-reichste vietnamesische Gastronom in Berlin, noch einmal mit Shabu Shabu in der deutschen Hauptstadt.

Für uns Japaner, die hier leben, ist das eine große Freude, denn Shabu Sha-bu gehört zu unserer kulinarischen Kul-tur wie Fisch, Reis und Sake.

Shabuki, so der Name des Restau-rants am Olivaer Platz, hat eine Glas-wand zur Straßenseite, und man kann von außen sehen, was sich innen ab-spielt. Wie beim Kaitensushi — Sushi-Teller vom Fließband — gibt es eine

lange Theke, vor der sich ein Fließband bewegt. Darauf stellen die Köche kleine Teller mit Zutaten: Rindfleisch, Garne-len, Gemüse, Tofu. Die Gäste nehmen die Teller ihrer Wahl einfach vom Fließ-band herunter.

Dazu gibt es eine Auswahl von vier verschiedenen Brühen: eine Rindsbrü-he mit Kombu-Seetang, eine Fischbrü-he mit Dill, eine klare Hühnerbrühe und eine pikante Brühe mit Zitronengras und Galgant.

Wenn man eine Brühe gewählt hat, kommt sie in einen kleinen Topf, der an jedem Platz eingelassen ist. Die Plätze verfügen außerdem über eine moderne Induktionskochplatte mit Temperatur-

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mrhai Shabuki LOKALTERMIN

GARÇONFRAGEBOGEN

Tran Van Hai

Ihr Lieblingsgericht?Phở bò und Phở gà,vietnamesische Suppen Ihr Lieblings-getränk?Mojito, alkoholfrei Ihr Lieblings-gewürz?Zitronengras Ihr Lieblingsfisch?Thunfisch Ihr Küchenmotto?„Am Besten gesund und kreativ” Wen hätten Sie gern mal als Gast?Klaus Wowereit Welches Gericht mögen Sie gar nicht?Sauerkraut In welchem Res-taurant essen Sie am liebsten?Melia Tapas in der Friedrichstraße Wie viele Kochbü-cher besitzen Sie?über 200

regler für diesen Topf. Also anschalten, die Brühe erhitzen, fertig. Der Shabu Shabu-Spaß kann beginnen.

Die Zutaten werden kurz in der Brühe gegart und mit einem Dip gegessen. Zur Zeit serviert das Shabuki-Team einen süßlichen Chili-Fisch-Dip mit frischem Knoblauch und Limetten, einen Ponzu-Dip mit Sojasauce und Limettensaft und Goma Tare, einen würzigen Dip aus Sojasauce, verfeinert mit Ingwer und Knoblauch.

Im Shabuki wird man also nicht be-kocht, sondern muss selbst kochen, sich selbst entscheiden, was man isst. Fisch, Fleisch, Garnelen oder andere Krusten-tiere, Gemüse wie Chrysanthemen-Spi-

nat, vietnamesischer Rhabarber, Eno-ki-Pilze oder Nudeln — Udon-Nudeln, Reisnudeln, Süßkartoffel-Nudeln.

Die Produkte sind frisch, die Einrich-tung hat Stil, das Experiment scheint gelungen.

Ich jedenfalls werde Mr. Hai s Shabu-ki Leuten empfehlen, die etwas Neues entdecken wollen.

www.mrhai.de

MrHai sHaBuki

Olivaer Platz 910707 Berlin-Wilmersdorf

Tel. 030 - 88 62 81 37

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36 GARÇON

LOKALTERMIN Coledampf´s & Companies

Am Morgen bringen proppevolle U-Bahnen Menschenmassen vom Her-mann- zum Alexanderplatz und weiter in den Wedding und nach Wittenau.

Gedränge auf jedem Bahnhof. Einzig am Moritzplatz, mitten in Kreuzberg, herrscht tote Hose. Nur selten steigen Leute aus, was sollen sie auch hier.

Dem Platz, dessen Geschichte vor 170 Jahren begann, der einst Zentrum eines florierenden Viertels war und nach Krieg und Mauerbau trostlos in deren Schatten lag, fehlt alles, was ein Stadtquartier lebendig macht: Geschäf-te, Menschen, Urbanität.

Das wird sich nun ändern, die Anzei-chen dafür sind augenscheinlich: Kräne,

Mischer, Baulärm. Immer öfter bremsen Autofahrer am Moritzplatz ab, Fahrrad-fahrer bleiben schon mal stehen.

Der Umbau des einstigen Bechstein-hauses ist auf der Zielgeraden. Anfang Mai wird das Aufbau-Haus eröffnet, benannt nach dem Berliner Aufbau-Verlag, der hier erster Mieter sein wird.

Hinzu kommen Designer, Fotografen, Galeristen, Keramiker und andere Kre-ative.

Die Modulor GmbH, ein hoch speziali-sierter Materialhändler für Architekten, Bühnen- und Szenenbilder, Projektan-ten und Modellbauer wird ihren alten Standort in der Gneisenaustraße aufge-ben und an den Moritzplatz ziehen.

Im Keller des Aufbau-Hauses eröff-net TAK — das Theater Aufbau Kreuz-berg seine Pforten, und im Erdgeschoss gründet Coledampf’s, Berlins bekann-tester Küchengerätehändler, einen ku-linarischen Ort.

Coledampf’s & Companies, so der Name der Unternehmung, wird ab Mai auf über 500 Quadratmetern Küchen-werkzeuge anbieten, Eisenpfannen von de Buyer, Gläser von Stölzle, KPM-Por-zellan, Güde-Messer, Revol-Geschirr...

Es wird ein Frühstückscafé und ein Tagesbistro geben, Feinkost und Weine, Kochbücher und Foodzeitschriften und — so die Vorstellungen der Betreiber — viel kulinarische Kommunikation.

COLEDAMPF’S& COMPANIESDer kuLinariscHe Ort aM MOritzpLatzvOn anna WeBer

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COLEDAMPF’S& COMPANIES

Coledampf´s & Companies LOKALTERMIN

Um das zu bewerkstelligen, haben sich gestandene „Companies“ zusam-mengetan und eine neue Gesellschaft gegründet, die den kulinarischen Ort „bespielen“ wird, wie das dessen Ge-schäftsführer Andreas Langholz und Wolfgang Schuhmacher nennen:

Coledampf’s CulturCentrum, Berlins bestsortierter Küchenwerkzeughandel — Kochlust, die erste kulinarische Buch-handlung der Stadt — Der Bäckermann aus Friedenau und die Essbare Land-schaften GmbH, die den Ort am Moritz-platz nutzen wird, um neue Produkte exklusiv zu testen.

In eigener Sache und nur am Rande erwähnt: auch die Redaktion des Gar-

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LOKALTERMIN Coledampf´s & Companies

con wird unter diesem Dach ein neues Domizil finden.

Langholz und Schuhmacher sind der-zeit dabei Verträge abzuschließen und ihr Team zu formen.

Susanne Stuhlert, etliche Jahre Sous Chefin bei Stefan Hartmann im Kreuz-berger Sternerestaurant Hartmanns, wird als Küchenchefin tätig sein und eine regionale Bistroküche servieren, ganz ohne Chichi und Tamtam.

„Die Gäste sollen die Landschaft vor der Haustür schmecken“, so die 32-jäh-rige Eberswalderin, die in Berlin auch schon an der Seite von Matthias Buch-holz, Uli Horn und Andreas Staack am Herd stand.

Kreative Gerichte mit frischen Pro-dukten, die sich nach den Jahreszeiten richten, werden also auf ihrer täglich wechselnden Bistro-Karte stehen.

“Beispiele, Frau Stuhlert?“ „Bitte: Spargel-Creme-Brûlée; Frühlingssalat mit pochiertem Ei und Kartoffeldres-sing; Gebratener Hering mit Kartoffel-Gurken-Stampf und Radieschen-Vinai-grette; Kaninchenragout mit Tomaten,

Kräutern und Polenta-Gnocchi; Kalbs-buletten mit Möhren, Zucchini und Schalotten; Maultaschen mit Giersch und Löwenzahn; Sauerkirsch-Kaltschale mit Zitronen-Quark-Mousse.“

„Danke, ist das alles?“ „Nein, noch nicht. Die Basis unseres Angebots bil-den kleine Flammkuchen, etwa so groß wie ein DIN-A4-Blatt, vielleicht sogar eher kleiner und nicht nur klassisch, mit Sauerrahm, Speck und Zwiebeln also.“

Langholz und Schuhmacher besuch-ten im elsässischen Kaysersberg das dort angesagte Restaurant Flamme & Co., probierten Varianten der „tarte flambée“, etwa mit Saibling, Spargel und Zitronenmelisse oder mit Schoko-lade, Apfel und Calvados und beschlos-sen, es mit ähnlichen Kreationen auch in Berlin zu versuchen.

„Der Gast kann testen und entschei-den, was er mag. Wir richten uns da-nach“, so die Geschäftsführer.

Auch für ihre Frühstücksofferte hat sich das Team Anregungen aus dem Aus-land geholt — etwa bei Ida Davidsen, der Kopenhagener Smørrebrød-Königin.

Lee Ann Dördrechter, Frühstücksdi-rektorin am Moritzplatz, weiß natürlich Genaueres: „Wir werden unseren frü-hen Kunden das Angebot machen, sich etwa mit Hähnchenbrust, Pfirsich und Raukenpesto oder mit Lachstatar und Brunnenkresse, alles auf Roggenbrot angerichtet, für den Tag zu stärken. Natürlich bieten wir Müsli, Joghurts, Smoothies, Obst, Salate und Kuchen an.“

Neben dem Café richtet der Friede-nauer Bäckermann Herbert Heinig eine kleine Handwerksbäckerei ein. „Hier werden wir täglich frisches Brot backen — zum Verkauf und für’s Frühstück“, so der Meister.

Einer der wichtigsten Bestandtei-le des Konzepts sind die abendlichen Veranstaltungen. So wird es eine Koch-schule geben, Kochbuchautoren werden ihre Bücher vorstellen. Besonders freut sich die Mannschaft von Coledampf s & Companies natürlich darüber, dass internationale Spitzenköche wie Marc Haeberlin zugesagt haben, den kulina-rischen Ort am Moritzplatz als Gast-koch zu besuchen.

im aufbau-Haus: hier entsteht der kulinarische Ort

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39 GARÇON

Coledampf´s & Companies LOKALTERMIN

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BÖREK, FATTUSH UND TABBOULEHein BesucH in Der kreuzBerger WeLtkücHevOn Marc steyer

LOKALTERMIN Weltküche Kreuzberg

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Weltküche Kreuzberg LOKALTERMIN

Ein Schauspieler beehrt ein Restau-rant, ein Modemacher eröffnet eine Bar. Ein Topmodel gibt Catwalk-Storys zum Besten, ein Dschungelcamper be-richtet vom Überlebenskampf — Neuig-keiten aus dem gehobenen Sozialleben Berlins, die natürlich eine Schlagzeile wert sind.

Die Leser wollen schließlich wissen, was ihre Promis den lieben langen Tag so tun — bei Adnan, im Borchardt oder am Grill Royal.

Da bleibt für ein kleines Kreuzberger Restaurant leider kein Platz, obwohl es durchaus einiges zu bieten hat, zuletzt sogar eine Auszeichnung.

Mitte Januar erhielt das Projekt Grae-fewirtschaft e.V. und mit ihm das Lo-kal Weltküche den Preis „Soziale Stadt 2010“ — vergeben vom Bundesverband der Arbeiterwohlfahrt, dem Deutschen Städtetag, dem Bundesverband deut-scher Wohnungs- und Immobilienun-ternehmen, der Schader-Stiftung sowie dem Bundesverband für Wohnen und Stadtentwicklung.

Die Jury wählte unter 179 Vorschlä-gen zehn für die Ehrung aus, darunter auch das Kreuzberger Projekt. Ver-ständlich, dass in der Weltküche kräftig gefeiert wurde.

Garcon-Autor Marc Steyer besuchte das Restaurant im Kiez zwischen Ha-senheide und Kottbusser Damm, pro-bierte Orientalisches, erfuhr Besonde-res und erlebte Beeindruckendes.

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Ein Freitagnachmittag im Graefekiez. Buntes Kreuzberg. Die Geschäfte ver-strömen nicht die Noblesse der Shops am Hackeschen Markt, dafür geht es hier familiärer und freundlicher zu. „Kreuzberg not for yuppies“ — Hoff-nung, an ein Haus gesprayt.

Im kadó, Berlins erstem Lakritzge-schäft, drängen sich die Kunden. Ge-genüber preist Uhrmachermeister Gö-ring seine 50-jährige Erfahrung.

Ein Fotograf lichtet die Bücherskulp-tur vor Umbras Kuriositätenkabinett ab, die gar nicht so kurios ist. Ein Auf-steller vor dem Haus Nummer 18 wirbt für preiswertes Essen im Restaurant Weltküche, offenbar mit Erfolg.

Der Laden ist gut besucht. Studen-ten, Senioren, Geschäftsleute nutzen das Angebot. Die Einrichtung ist eben-so kreuzbergisch wie der Dialog mit dem jungen Servicemann: “Was darf s sein?“ — „Ich bin mit Frau Jankowski verabredet.“ — „Wie heißt die denn mit Vornamen?“ — „Annette.“ — „Hallo An-nette, hier ist einer für Dich.“ Annette Jankowski also, Vorstand des Vereins Graefewirtschaft e.V.

Sie sieht gut aus, spricht mehrere Sprachen, ist genauso charmant wie konsequent und hat eine erstklassige Ausbildung. Abschlüsse in Betriebs-wirtschaftslehre, Kommunikationswis-senschaften und Psychologie. Bei der Deutschen Bahn machte Sie Karriere,

schaffte es bis in die Chefetage und hätte wohl alle Chancen für einen wei-teren beruflichen Aufstieg gehabt.

Die 47-Jährige verzichtete jedoch auf sechsstellige Jahresgehälter und luxuriöse Büros, verabschiedete sich aus dem Top-Management und enga-gierte sich vor zwei Jahren für die Graefewirtschaft und das von diesem Verein betriebene Restaurant Weltkü-che.

Nach dem Grund für ihre Entschei-dung gefragt, sagt sie: „Ich habe im Managerjob zunehmend den Sinn ver-misst.“

Die Erkenntnis ist bemerkenswert und die Konsequenz daraus noch be-merkenswerter. Am bemerkenswer-testen jedoch ist die Tatsache, dass Annette Jankowski dem Projekt auch privates Kapital in beträchtlicher Höhe zur Verfügung stellte.

„Graefenwirtschaft e.V.“, erklärt sie, „ist ein soziales Unternehmen, das von Migrantinnen aus neun Ländern gegrün-det wurde, um nachhaltige Arbeitsplät-ze zu schaffen.“ Die Frauen betreiben eine Nähwerkstatt, die sich auf die Her-stellung von Taschen spezialisiert hat, das Restaurant Weltküche und eine Ca-teringfirma. „Weil ich auch einen Mig-rationshintergrund habe, liegt mir das Projekt besonders am Herzen“, sagt Annette Jankowski. Sie wuchs in Mainz auf, Vater Grieche, Mutter Französin.

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LOKALTERMIN Weltküche Kreuzberg

vereinsvorstand: annette Jankowski

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vereinsvorstand: annette Jankowski

Weltküche Kreuzberg LOKALTERMIN

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In der Küche des Weltrestaurants ar-beiten an diesem Tag drei Frauen. Die Küchenleiterin Maria Mendoza de Krug stammt aus Ekuador, Jamila Al Sadi aus Syrien, normalerweise ist sie Chefin der Nähwerkstatt und Fatma Kilci aus der Türkei.

Sie gehören zu denen, die den Weg in das Projekt fanden, weil sie nicht mehr von einer Beschäftigungsmaßnahme zur nächsten und von einem Integrations-kurs in den anderen wechseln wollten — ohne Perspektive am Arbeitsmarkt.

Sie haben mit Hilfe der Top-Manage-ment-Aussteigerin Annette Jankowski und von Beratern der Berliner Entwick-lungsagentur für Soziale Unternehmen und Stadtteilökonomie ihr Schicksal in die eigenen Hände genommen und sind stolz darauf.

Ebenso stolz wie der junge Koch Jakob Lingscheid, der sein Handwerk bei Nola s am Weinberg gelernt hat. „Sicher hätte ich nach der Ausbildung auch eine andere Stelle gefunden, aber hier kann ich in einem sympathischen Umfeld noch Dinge lernen, die ich wo-anders nicht gelernt hätte“, sagt der 21-Jährige.

Inzwischen gab er seine Vollzeit-stelle auf und arbeitet als Minijobber. Lingscheid will Abitur machen und stu-dieren, „entweder was mit Film und Fernsehen oder was mit Wirtschaft und Sozialem.“

Gemeinsam bereiten sie ein Buffet mit traditionellen Gerichten vor, die aus den Heimatländern der Frauen stammen: Bulgursalat, Kichererbsen-püree, Pasteten, Teigröllchen, Fladen-brot...

Es geht zu wie in jeder anderen Pro-fiküche auch, lediglich manches Kü-chenzubehör würde dort automatisch in den Müll wandern — Billig-Kochmes-ser aus einem schwedischen Möbelhaus beispielsweise.

Maria, die Küchenleiterin, lächelt entschuldigend und erklärt: „Weil un-sere Preise so niedrig sind, müssen wir sparen.

Und wenn sie im Herbst das Pro-jekt selbstständig führen werden, erst

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Maria Mendoza de krug aus ecuador

Jamila al sadi aus syrien

fatma kilci aus der türkei

LOKALTERMIN Weltküche Kreuzberg

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45 GARÇON

tabbouleh vom feinsten: Jamlia al sadi und Jakob Lingscheid

Weltküche Kreuzberg LOKALTERMIN

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recht. Maria und die anderen Frauen hoffen natürlich auch auf Spenden. „Vielleicht braucht ein Restaurantbe-treiber Geschirr oder ein Gerät nicht mehr, bei uns würde es helfen, dass wir unsere Arbeit noch besser machen können.“

Der Cateringservice des Vereins steht übrigens schon ziemlich gut da. Die Referenzen können sich sehen las-sen: das Diakonische Werk der EKD, die Aids-Stiftung oder die Werkstatt der Kulturen haben das Angebot im vorigen Jahr gebucht und waren begeistert vom

unverfälschten

Geschmack der Küchen so vieler Länder.

Übrigens: es scheint wohl zu Kreuz-berg zu gehören wie Moritzplatz und Mehringdamm, dass viele Menschen im Kiez das Projekt unterstützen — auch mit zinslosen Darlehen.

46 GARÇON

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Die Wasserstadt Spandau ist ein idyllisches Quartier am Spandauer See. Wer hier lebt, lebt gut. Und wer hier ein Restaurant eröffnet, kann eigentlich nichts falsch ma-chen. Das dachte sich auch Ray-mon Frost, als er sich entschloss, das ehemalige Tex-Mex-Lokal di-rekt am Wasser zu übernehmen. Schöne Räume, nette Nachbarn, eine riesige Terrasse — Gastronom, was willst du mehr. Am 4. Febru-ar startete Frost mit einer großen Party. Glückwünsche, Blumen, Ge-schenke — sein Traum vom eigenen Restaurant wurde wahr.

rayMOns restaurant aM WasservOn HeikO graLki

LECKER SPANDAU

LOKALTERMIN Raymons Restaurant

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LECKER SPANDAU

Raymons Restaurant LOKALTERMIN

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50 GARÇON

„In Spandau gastronomisch nichts los? Denkste!“, sagt Raymon Frost. „Man erfährt im Rest von Berlin nur nicht viel davon.“

Der 45-jährige weiß, wovon er spricht. Frost hat den Küchenmeister-Abschluss, stand im Adlon, im A-Rosa Bad Saarow und in anderen noblen Her-bergen am Herd, betreibt eine Bera-tungsfirma und ist auch sonst mit allen gastronomischen Wassern gewaschen.

Dementsprechend hat er sein kulina-risches Konzept gemacht. Es gibt eine Tapas-Karte mit 19 Positionen, leichte Suppen und Salate, Berliner Spezialitä-ten, jeden Samstag Erbseneintopf mit Wiener Würstchen für 2,50 Euro und

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raymons restaurant: nur das bestes für die gäste

für spandau: geschäftsführer raymon frost und restaurantleiterin shirley Wagner

jeden Sonntag ein opulentes Brunch-buffet für 14,90 Euro pro Person, wobei Kinder bis 10 gratis essen dürfen.

Mit Küchenchef Carsten Krull und Re-staurantleiterin Shirley Wagner hat der Gastronom zudem zwei Profis am Start, die ihm den Rücken freihalten, wenn es mal dicke kommt.

Das wird es auf jeden Fall, spätes-tens dann, wenn sich die Sonne zum ersten Mal dauerhaft zeigt.

Frosts Terrasse ist nicht nur beson-ders groß, sondern bietet auch einen besonderen Blick.

Und das könnte dann nicht nur die Spandauer, sondern auch den Rest von Berlin heftig interessieren.

küchenchef carsten krull

tapas-variation

Weideochsen-filet

Birnen-Dessert

torten-schlacht

LOKALTERMIN Raymons Restaurant

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DER PADRONEMassiMO MannOzzi zuM 70. geBurtstagvOn Jörg teuscHer

KOPFSALAT Massimo Mannozzi

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Die Marburger Straße im Charlotten-burger Osten ist nicht unbedingt das, was Reiseführer als hauptstädtische Nobelmeilen anpreisen. Eher ein Stück altes Westberlin hinterm Steigenber-ger. Mittendrin das Bacco.

Massimo Mannozzi begrüßt persön-lich: „Buongiorno, come va?“ „Danke“, antworten die Stammgäste brav, „und Dir, dottore?“ Mannozzi lächelt, er weiß um seine Ausstrahlung.

Der 70jährige ist ein soignierter Herr, kurzes graues Haar, ebensolcher Bart, gepflegte Hände, die ständig etwas zu tun suchen.

Der Anzug, sicher nicht von der Stan-ge und wenn, dann von einer teuren. Am Revers eine winzige Ordensspange, die ihn als „Cavaliere della Repubblica“ ausweist.

Neben der höchsten Auszeichnung seiner Heimat erhielt Mannozzi auch die höchste Auszeichnung seiner Wahl-heimat. 2002 wurde ihm, dem Italiener in Deutschland, das Bundesverdienst-kreuz verliehen.

Auch diese Ehrung bekommt man nicht allein für gastronomisches, son-dern zuallererst für gesellschaftliches Engagement.

Mannozzi macht seit Jahren mit deutsch-italienischen Projekten von sich reden.

Das bekannteste ist wohl der „Pre-mio Bacco“, der Preis der italienischen Filmjournalisten, der seit 1992 während der Berlinale verliehen wird — in die-sem Jahr also bereits zum 19. Mal.

Wenn der Countdown für die große Auszeichnungs-Gala Notte delle Stelle läuft, wird das Bacco zum Organisati-onsbüro — Telefonzentrale, Poststelle, Anlaufpunkt für Journalisten aus der halben Welt.

Barbara Dahms betreibt normaler-weise eine kleine Veranstaltungsagen-tur, hier ist sie die gute Seele und der ruhende Pol des Geschäfts.

Je näher der Termin rückt, desto hektischer wird Mannozzi. Sein Ver-brauch an Toscani, das sind starke Tos-kana-Zigarren aus Lucca, steigt reziprok zur Zeit, die noch bleibt, bis im Ballsaal

des Maritim-Hotels in der Stauffenberg-straße die Party beginnt.

In einer der wenigen ruhigen Minu-ten, das Handy klingelt mal nicht im Sekundentakt, zeigt Massimo Mannozzi Fotos, Bilder von Preisträgern der ver-gangenen Jahre: Lucia Alberti, Claudia Cardinale, Giancarlo Giannini, Marcelo

Lippi, Sophia Loren, Ornella Muti, Ma-rio Adorf, Iris Berben, Moritz Bleibtreu, Bruno Ganz, Heiner Lauterbach, Jan Josef Liefers, Armin Müller-Stahl, Fran-ka Potente, Katja Riemann, Til Schwei-ger, Wolfgang Stumph.

Der Eindruck liegt nahe, dass Man-nozzi die Liste der bisherigen Preisträ-

Massimo Mannozzi KOPFSALAT

Page 54: Garcon  01 2011

54 GARÇON

ger im Kopf hat und immer besorgt ist, dass er einen vergessen könnte, wenn er danach gefragt wird.

Veronica Ferres, Christian De Sica, Heino Ferch und Florian David Fitz bekamen den Premio Bacco in diesem Jahr.

Für 2012, wenn er zum 20. Mal verlie-hen wird, hofft Mannozzi, den Preis der einzigen großen italienischen Schau-spielerin überreichen zu können, die ihn noch nicht hat — Gina Lollobrigida. Die 83-jährige Diva lebt in der Nähe seiner Heimatstadt und ist eine gute Freundin. „La Lollo für ihr Lebenswerk zu ehren, wäre für mich eine Herzens-angelegenheit“, sagt der Padrone.

Der Stolz auf die Notte delle Stelle ist ihm ins Gesicht geschrieben. Mehr kann man in einem Gastronomenleben nicht erreichen. Auf die Frage, wo er seinen Ruhesitz wählen wird, folgt lan-ges Nachdenken. Dann der Satz: „Gas-tronomen sind wie Schauspieler. Wir brauchen den Applaus.“ Soll heißen: Ruhe gehört nicht zu seinem Repertoire.

KOPFSALAT Massimo Mannozzi

notte delle stelle 2011: Wie eine nacht in venedig

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55 GARÇON

Massimo Mannozzi KOPFSALAT

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56 GARÇON

Geboren wurde Massimo Mannozzi in Lido di Camaiore, aufgewachsen ist er gleich nebenan in Viaréggio, einer Ha-fenstadt in der Toskana, westlich von Florenz.

Mit 16 wurde er Schiffsjunge auf großer Fahrt. Dann die Zufälle des Le-bens — oder die Bestimmtheiten: ein Schiffskoch wurde krank, Mannozzi in die Kombüse befohlen. Er fand Spaß an dem Job, musterte nach 18 Monaten ab und beschloss, den Beruf richtig zu ler-nen — an einer Hotelfachschule in der Schweiz. Dort studierte auch eine jun-ge Berlinerin: Massimo und Monika, das war Liebe auf den ersten Blick.

1960 Übersiedlung nach Berlin, von 1962 bis 1964 noch mal Italien, um den Wehrdienst abzuleisten, dann wieder Berlin — per sempre, für immer.

Im April 1968 kamen die Kisten — Ti-sche, Stühle, Flechtwerk, Schmiede-eisen, Tonwaren aus der Fabrik seines Vaters in Viaréggio.

Freunde halfen, aus dem ehemaligen Elektrogeschäft in der Marburger Stra-ße ein Restaurant zu machen, so schön toskanisch wie es nur möglich war.

Heiß ist das 68er-Frühjahr in West-berlin: Demonstrationen gegen den Vietnam-Krieg, das Attentat auf Rudi Dutschke am 11. April, der Sturm auf das Springer-Haus, Protestmärsche, Vorlesungsstreiks... „Die Revolution lag in der Luft“, sagt Mannozzi, „und zwi-schendrin ich, ein kleiner Italiener.“

Am 4. Mai 1968 eröffnete er das Bac-co mit einer Feier unter Freunden.

Mannozzi setzte auf südländische Herzlichkeit und die Neugier der Berli-ner, die damals mit guter Gastronomie nicht gerade verwöhnt waren. Die Cuci-na seiner Heimat kam an, die Tatsache, dass im Bacco kostbare Weine glasweise ausgeschenkt wurden, tat ihr Übriges. Mannozzis wichtigstes Marketinginstru-ment war die Mundpropaganda.

Anfang Dezember 1968 entdeckte der „Telegraf“ das italienische Res-taurant und dessen Padrone Massimo Mannozzi: „Ein Abstecher zu ihm steht einer lukullischen Italien-Reise in nichts nach.“

KOPFSALAT Massimo Mannozzi

Gisberto und Alfonsina Mannozzi mit Sohn Massimo in Viaréggio (1946)

Schüler in Viaréggio, Lieblingsfach Mathematik (1948)

Student in St. Gallen (1959)

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Massimo Mannozzi KOPFSALAT

Marinesoldat in Genua (1963) Hochzeit in Berlin (1965)

Ankunft in Berlin, mit Frau Monika (1960)

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58 GARÇON

Nun kamen sie alle in das Ristoran-te mit dem rustikalen Pickelputz, den dunklen Decken und Paneelen, der au-thentischen Toskana-Küche und dem liebenswürdigen Service.

Das Bacco avancierte zum Promilokal — zu einer Zeit, in der das Borchardt noch ein Farbenlager in der Hauptstadt der DDR war.

18 Bände Bacco-Gästebuch: Harry Belafonte, Willy Brandt, Claudia Cardi-nale, Steffi Graf, Günter Grass, Vladi-mir Horowitz, Henry Kissinger, Helmut Kohl, Gina Lollobrigida, Sophia Loren, Walter Scheel, Romy Schneider und Michael Schumacher. Opernstars und Schlagersternchen, Spitzenpolitiker und

Hinterbänkler, Menschen, die am Rad der Geschichte gedreht haben und sol-che, die gern gedreht hätten.

Und der Wissenschaftler Giko Taka-hashi, der nach langem Berlin-Aufent-halt eine Karte aus Tokio schickte: „Das Essen bei Ihnen war mir ein Trost in Deutschland.“

Massimo servierte Spaghetti all’ Ar-rabbiata, Ravioli mit Ricotta, Lamm-rücken mit Kräuterkruste, Kalbsnieren in Sahnesauce.

Er flambierte Rinderfilets am Tisch und öffnete an guten Tagen ganze Fla-schenbatterien Wein aus der Toskana. Die Fraktion jubelte und die Kritiker schrieben: „In südländischer Atmosphä-

re werden im Schein flackernder Kerzen toskanische Spezialitäten offeriert. Mit Nudelgerichten, Fischen, Scampi und Kaninchen liegt man hier nie falsch.“

Westberlin in den 1970er Jahren — goldene Zeiten für Gastronomen auf der Insel im roten Meer.

Nach der Wende wurden die Zeiten rauher, die neuen Italiener chicer, ihre Küchen kreativer.

Massimo Mannozzi blieb, was er im-mer war, ein Klassiker. Und so wird im Bacco nur die Patina der rauchge-schwärzten Wände dunkler. Die Stamm-gäste sind froh darüber, und Mannozzi fertigt heute alle, die ihm eine Rund-um-Renovierung vorschlagen, mit dem

KOPFSALAT Massimo Mannozzi

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59 GARÇON

Hinweis auf den Wert des Traditionel-len ab. “Tutto a posto?“

Seinem Sohn Alessandro allerdings, geboren 1970 und Gastronom mit exzel-lenter Ausbildung, richtete er 2001 in der Friedrichstraße das Bocca di Bacco ein, großständisch und modern.

Der nun wahrlich nicht grundloser Lobhudelei verdächtige Gault Millau zeigte sich entzückt: „… ein italieni-sches Restaurant, das erste in Berlin, das eine Art Metropolenathmosphäre verströmt.“

Tochter Jessica, geboren 1966 und im Hotelfach ausgebildet, managt das Hotel Bacco, eine kleine, feine Her-berge in Mannozzis Heimatort Lido

Massimo Mannozzi KOPFSALAT

Legendär: Bacco-gästebücher

Alte Schule: Restaurantleiter Josef Weseßlintner flambiert...

...und tranchiert, wie es nur noch Wenige können

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60 GARÇON

di Camaiore am Ligurischen Meer. 25 Zimmer, fünf Suiten, ein Restaurant, die schöne Dachterrasse, bald auch ein Pool im Garten und Italiens größte Grappa-Sammlung — Grappe des vor drei Jahren verstorbenen Brenners Ro-mano Levi aus dem piemontesischen Dorf Neive, jede Flasche wegen ihres Etiketts ein Unikat.

Außerdem gibt es ein Bacco-joint-venture-Restaurant im russischen Samara, einer Millionenstadt an der Wolga, rund 900 Kilometer östlich von Moskau, zwei weitere auf Zypern, und ein viertes auf der griechischen Insel Kos.

Am liebsten ist Mannozzi jedoch das Berliner Original. Zuweilen bekommt das Bacco in Charlottenburg den Cha-rakter einer Außenstelle der Botschaft Italiens, Abteilung Lebensfreude.

Dann etwa, wenn die Vertreter des Karnevals von Viaréggio für ihr Tradi-tionsfest in Berlin werben. Mannozzi hat sie eingeladen, ihren Aufenthalt geplant, ihren Auftritt organisiert und sich um alles gekümmert, was nötig ist, wenn Gäste kommen. Ein Freund-schaftsdienst oder besser, ein Dienst für die Freundschaft.

Viaréggio lebt vom Tourismus und der Carnevale di Viaréggio gehört neben herrlichen Stränden und der historischen Uferpromenade zu den Anziehungspunkten der toskanischen Hafenstadt.

Massimo Mannozzi erhält einen Or-den, diesmal einen Karnevalsorden. Da steht er nun, der Padrone, und lächelt.

Seit über 40 Jahren ist er der beste Repräsentant italienischer Ospitalità in Berlin. Dem einschlägigen Bacchus-Bild — der Weingott der alten Römer ist der Namenspatron seines Restaurants — wird er immer ähnlicher.

KOPFSALAT Massimo Mannozzi

www.bacco.de

ristOrante BaccO

Marburger Straße 510789 Berlin-Charlottenburg

Tel. 030 - 211 86 87

...jedes Jahr im februar und März

Carnevale di Viaréggio...

Massimo Mannozzi und Alessandro Santini, Präsident des Karnevals in Viaréggio, re.

Page 61: Garcon  01 2011

Cavaliere Massimo Mannozzi wurde durch seine mehrere Jahrzehnte währende

Arbeit zu einem der erfolgreichsten italienischen Gastronomen in Deutsch-

land und insbesondere in Berlin. Dank seiner Professionalität und seiner

Leidenschaft für die Kunst der guten Küche gelang es ihm, im Bereich der

Weingastronomie, in dem Italien weltweit führend ist, exzellente Ergebnisse

zu erreichen. Auch ich selbst habe sein Engagement innerhalb und zum Wohle

der italienischen Gemeinschaft in Berlin schätzen gelernt. Seine sympathi-

sche Art, sein Fleiß und seine Kreativität haben ihn zu einem bekannten und

hochgeachteten Vertreter dieser Gemeinschaft gemacht. Zum 70. Geburtstag

sende ich Massimo Mannozzi daher die herzlichsten Glückwünsche, verbunden

mit der Hoffnung, dass er die Tradition der italienischen Gastlichkeit und

des italienischen Geschmacks in Berlin noch lange hochhalten kann.

(Michele Valensise ist Botschafter Italiens in Deutschland.)

Massimo Ma

nnozzi è u

n viareggi

no pieno d

i energia

positiva,

elettrico

e comunica

tivo.

Ovunque me

tta le man

i, nascono

attività

che produc

ono. Ap-

pena lo co

nosci si s

ente che h

a la stoff

a del buon

impren-

ditore, di

quelli ch

e non si f

ermano dav

anti alle

difficol-

tà, di que

lli che su

l campo in

ventano se

mpre nuove

idee di

successo.

L ho conosci

uto da rag

azzo, ai t

empi della

scuola. A

veva ad-

dosso l’ar

gento vivo

, aveva vo

glia di fa

re, piutto

sto che di

meditare s

ulle malin

conie. Lo

ritrovai i

n un paio

di pranzi

con dei pi

ttori al „

Bacco“ di

Lido di Ca

maiore. Er

a, questa

dei pranzi

, una rico

rrenza rip

etuta: lui

ci tiene

a circon-

darsi di

artisti, a

scoprirne

degli nuo

vi e a lan

ciarli.

Cosicchè a

lla sua ta

vola siedo

no maestri

affermati

e gio-

vani talen

ti, una ta

vola effer

vescente e

ricca di

stimoli.

Si chiacch

iera, ci s

i confront

a. Poi il

„Bacco“ di

viene una

vera e pro

pria galle

ria dove s

i può avvi

cinare l’a

rte Tos-

cana e con

oscerne gl

i autori.

In unaltra

esperienz

a m’invitò

a Berlino

, al „Bacc

o“ di Ber-

lino, dove

, durante

il Festiva

l del Cine

ma, Mannoz

zi aveva

sollecitat

o una sezi

one di cin

ema italia

no. Anche

a Berlino

la sua „ca

prica“ pre

miava queg

li autori

che, lassù

, potevano

sentirsi s

paesati. L

i presenta

va ai citr

ici e ad i

mportanti

esponenti

della cult

ura. Assie

me agli au

tori c erano

sempre,

immancabil

mente, gli

attori pi

ù noti, si

cchè le fe

ste al

„Bacco“dav

ano e dann

o modo di

farsi una

precisa co

noscenza,

oltre alla

mondanità

, dei tale

nti nazion

ali.

Ma tutto q

uesto non

sarebbe st

ato possib

ile se Man

nozzi non

possedesse

quelle do

ti rilevan

ti di simp

atia. E un co

munica-

tore nato.

Mette a p

roprio agi

o. E saper

ricevere,

con tatto

e con alle

gria, è un

a delle ca

ratteristi

che di Via

reggio che

non a caso

è divenut

a, nei tem

pi, una de

lle capita

li europee

delle vaca

nze nonchè

la patria

del Carne

vale. Che

Massimo

Mannozzi a

dora. Buon

comleanno

Massimo!

Adotto Lip

pi

(Adotto Li

ppi ist Sc

hriftstell

er, Journa

list und R

egisseur

und lebt i

n der Tosk

ana.)

Page 62: Garcon  01 2011

Lieber Massi

mo, congratula

zione! Wir gr

atulieren dem

Gastronom

und Entertai

ner, der über

so viele Ja

hrzehnte auf

höchstem Ni-

veau zu Haus

e ist, dem Va

ter mit dem

größten Herz

en für seine

Familie, dem

Zauberer, der

Kinder magi

sch in seine

n Bann zieht

und unserem

italienischen

Freund, der

immer für e

inen da ist,

wenn man ihn

braucht. Mass

imo, carpe di

em und ein la

nges Leben!

Deine Gabrie

le und Walter

Müller

(Walter Müller

ist Direktor der Berlin

er Niederlassung

der

Daimler AG.)

Lieber Massimo, alles Gute zum 70.Geburtstag

und eine kleine Anekdote aus unserer gemein-

samen Zeit im Bacco. Wir haben Dich früher

dort immer tartuffo bianco genannt. Nicht

nur, weil Du als Patron der Wächter über den

Trüffel warst und Deiner weißen Haare wegen.

Manchmal war es auch gut, einen Codenamen

zu haben, wenn Du überraschend um die Ecke

kamst. Ich wünsche Dir, dass Du noch viele

Tartuffi hobelst, zur Freude deiner Gäste.

Dein Holger Zurbrüggen.(Holger Zurbrüggen ist Inhaber des Restau-

rants Balthazar.)

Mein l

ieber

Massim

o, kau

m zu g

lauben

, dass

Du nu

n 70 w

irst. W

o

sind d

ie Jah

re hin

gegang

en? Ich

kann

mich n

och gu

t an d

ie geg

en-

seitige

n Besu

che in

unser

en Res

tauran

ts eri

nnern,

auch d

as ist

nun sc

hon ei

n Vier

tel Ja

hrhund

ert he

r. Du w

arst i

mmer e

iner, d

er

auch i

n schw

ierige

n Zeite

n uns

damals

noch

jungen

Kolle

gen Mu

t

gemach

t hat.

Von Dir

habe i

ch das

Wort

Authen

tizität

geler

nt. Imm

er has

t Du

Ehrlic

hkeit a

uf dem

Teller

gefor

dert, a

ber Tol

eranz

zur Kr

eativi-

tät gep

flegt. D

u bist e

iner mi

t einem

großen

kolleg

ialen H

erzen u

nd

dem ab

soluten

Beken

ntnis

zur Qu

alität.

Ich wü

nsche

Dir zu

Deinem

Geburt

stag a

lles G

ute. Mit

große

m Resp

ekt fü

r Dein

e Leist

ung!

Dein P

eter F

rühsam

mer

(Peter F

rühsam

mer ist

Gastge

ber in

Frühsa

mmers R

estaura

nt.)

Page 63: Garcon  01 2011

Lieber Massimo,

herzli-

chen Glückwunsch

zum 70.

Geburtstag. Du bist ein

lebendiger Grund,

warum

die Deutschen se

it Jahr-

zehnten so gerne

zum „Ita-

liener“ gehen. Lass Dich

umarmen. Dein Ko

lja

(Kolja Kleeberg ist In-

haber und Küchen

chef des

Restaurants VAU.)

Lieber Massimo, e

rinnerst Du Dich

noch, wie wir uns

kennen-

gelernt haben? Ich

helfe Dir. Der da

malige Führungsk

reis der

emzett feierte 1

990/1991 im Bacco

in der Marburge

r Straße

Weihnachten. Ich

war so beeindruc

kt von Dir als G

astgeber,

so begeistert von

Deiner Küche, dass

ich prompt auch

Silves-

ter mit meiner Fa

milie bei Dir verb

rachte. Wir verlo

ren uns

danach nie aus d

en Augen. Wir hab

en Dich mehrfach

im Sommer

in der Toskana b

esucht, Du warst

beim Beschaffen

von itali-

enischem Marmor

behilflich, hast

uns zur Notte de

lle Stelle

eingeladen. Es wu

chs eine Freunds

chaft, die meine

Frau und

ich nicht mehr mi

ssen möchten. Lie

ber Massimo, wir

wünschen

Dir viel Gesundhe

it, alles Liebe z

u Deinem Ehrenta

g und uns

gemeinsam noch vi

ele neue Unterneh

mungen.

Deine Roswitha und

Wolfgang Anduleit

(Wolfgang Andulei

t ist Geschäftsfüh

rer der Frischdien

st Ber-

lin GmbH.)

Herzlichen Glückwunsch zum 70., lieber Massimo. Dein Geburtstag ist eine gute Gelegenheit, mich bei Dir – meinem Mentor – zu bedanken. Du warst derjenige, der meine Liebe zur Gastronomie geweckt hat. Von Dir habe ich gelernt, wie man Gäste glücklich macht, sie indi-viduell und professionell bewirtet. Ich bin froh, bei Dir in die Schule gegangen zu sein, denn ohne Dich hätte ich es nicht geschafft. Vielen Dank für alles.Dein Anton Stefanov(Anton Stefanov ist Inhaber des Restaurants Berlin-Sankt Moritz.)

Lieber Massimo, wir Älteren erinnern uns noch gut an die eher

bescheidenen gastronomischen Angebote in Berlin Ende der 1960er

Jahre. Du hast mit Deinem Ristorante Bacco damals ein Zeichen

gesetzt und sowohl eine begehrte Feinschmeckeradresse als auch

einen Treffpunkt kreativer Geister und Gedanken geschaffen –

zu Gunsten so mancher zukunftsträchtiger Projekte in Berlin.

Wenn Du am 12. März 2011 die Vollendung Deines 70. Lebensjahres

begehst, kannst Du sicher sein, dass eine große Schar von Be-

rufskollegen und eine noch größere Zahl all derer, die Deine

Ausstrahlungskraft, Gastfreundschaft, Geselligkeit und Deinen

Charme persönlich kennengelernt haben, Deiner mit tiefer Dank-

barkeit und großem Respekt gedenken. Herzlichen Glückwunsch!

Deine Barbara und Dieter Großklaus

(Prof.Dr.Dieter Großklaus ist Ehrenbailli der Bailliage Berlin-

Brandenburg der Confrérie de la Chaîne des Rôtisseurs.)

63 GARÇON

Page 64: Garcon  01 2011

GESCHMACKSSACHEN Zander

64 GARÇON

Ehrung fürEinEn EdElfischDer zanDer — fiscH Des JaHres 2011 in BranDenBurgvOn WOLfgang scHuHMacHer

Page 65: Garcon  01 2011

Zander GESCHMACKSSACHEN

65 GARÇON

Im besten Prenzlauer-Berg-Lokal, dem Restaurant Zander am Kollwitz-platz, knallten vor ein paar Wochen Champagnerkorken.

Die Gastgeber stießen mit ihren Gäs-ten zu deren Überraschung auf den Na-mensgeber des Restaurant an — aus gu-tem Grund, denn das edle Tier aus der Familie der Barsche wurde zum Fisch des Jahres 2011 in Brandenburg gekürt.

Der Fischereiverband Brandenburg/Berlin, dem der Zander diese Aus-zeichnung verdankt, will damit auf die wirtschaftliche Bedeutung der Binnen-fischerei aufmerksam machen.

Über 700 Menschen sind in der Re-gion in diesem Wirtschaftszweig tätig.

dahinter auch ein Preisunterschied — zwischen Wildfang aus heimischen Ge-wässern und tiefgefrorener Ware aus fremden Aquakulturen.

„Wenn Havelzander oder, wie bei uns, Zander aus der Dahme auf der Speisenkarte steht und keiner auf den Teller kommt, dann wird der Gast schlicht und einfach betrogen“, so Sven Albrecht knallhart.

Der 39-jährige Küchenchef kann sich heftig über solche kulinarischen Mani-pulationen aufregen.

Sein Konzept lautet „regional ist genial“ — nicht nur, weil es gut klingt, sondern vor allem, weil es lecker schmeckt. Und weil Albrechts Kreatio-

Rund 40 Tonnen Zander fangen sie jähr-lich, die meisten in der Havel. „Mindes-tens das Dreifache kommt allerdings in der gleichen Zeit in Berlin und Branden-burg auf die Teller“, schätzt Zander-Kü-chenchef Sven Albrecht und fügt hinzu: „Wenn alle Fische, die als Havelzander verkauft werden, wirklich welche wä-ren, müsste die Havel so lang wie die Donau sein.“

Das ist sie aber nicht, und so verar-beiten viele Köche tiefgefrorenes Zan-derfilet aus Importen. Weil es besser klingt, heißt es dann eben mal schnell „Havelzander“ auf der Speisenkarte.

Nun wäre die Sache mit der Fisch-herkunft nur eine Mogelei, stünde nicht

zander-küchenchef sven albrecht: nur kein chichi

Page 66: Garcon  01 2011

GESCHMACKSSACHEN Zander

66 GARÇON

nen rund um das Beelitzer Kaninchen, den Märkischen Weideochsen, die Prig-nitzer Wildente oder eben den Dahme-Zander nicht nur seine Leidenschaft für Produkte der Region belegen, sondern dazu erstklassig verarbeitet werden, schaffte es das Restaurant zwischen 2008 und 2010 auch in den Gault Millau und dort unter die besten 35 Berliner Restaurants.

Umso erstaunlicher, dass die von Manfred Kohnke angeführte Tester-Crew mit ihrem Kreativitätsdogma in der 2011er Gault-Millau-Ausgabe das Re-staurant mit keiner Silbe mehr erwähn-te, obwohl Albrechts Küchenleistung im letzten Jahr nicht nur beständig blieb,

sondern eher noch kraftvoller wurde. Trösten kann die engagierte Zander-

Mannschaft lediglich die Tatsache, dass es beispielsweise mit dem Alten Zoll-haus und dem e.t.a. hoffmann gute Gesellschaft hat. Auch deren Küchen-chefs Günter Beyer und Thomas Kurt favorisieren statt Lakritztaube und Thunfischtataki Bauernente und Zan-derbäckchen, womit wir wieder beim Fisch des Jahres 2011 wären.

Im Zusammenhang mit der Ehrung gab es auch eine Information nicht nur von fischereitechnischer Bedeutung. Lars Dettmann vom Fischereiverband Brandenburg/Berlin erklärte, dass es märkischen Experten gelungen sei,

Jungfische für die Teichwirtschaft zu züchten und auch deren Futterproblem zu lösen. Damit, so Dettmann, könne den billigen Fischofferten aus dem Aus-land erfolgreich Paroli geboten und die Marktchancen für Angebote aus Bran-denburg erhöht werden. Das dürfte wohl auch Küchenchef Sven Albrecht vom Restaurant Zander freuen.

www.zander-restaurant.de

restaurant zanDer

Kollwitzstraße 5010405 Berlin-Prenzlauer Berg

Tel. 030 - 44 05 76 78

Dahmezander, Blutwurstgraupen, Bohnen, gelbe rüben

Page 67: Garcon  01 2011
Page 68: Garcon  01 2011

68 GARÇON

GESCHMACKSSACHEN Koch sucht Bauer

sechs köche, bekannte größen der Berliner gastroszene, zwei körbe. ein Bild, dass Bände spricht. gute Le-bensmittel beispielsweise aus italien oder israel zu bekommen, ist kein

Damit appellierten Matthias Die-ther (first floor), Jörg Eichhofer (Die Spindel), Sonja und Peter Frühsam-mer (Frühsammers Restaurant), Stefan Garkisch (Bieberbau), Matthias Gleiß (VOLT), Danjel Kresovic (44 im Swiss-hotel) und Marco Müller (Weinbar Rutz) an die Berliner und Brandenburger Bau-ern: „Es kann doch nicht sein, dass tol-le Produkte hunderte Kilometer durch die Republik gefahren werden, um sie in Berlin auf die Teller zu bekommen.“

Und weil sie des Lamentierens über diese Tatsache Leid sind, starteten die Küchenchefs auch gleich noch einen Aufruf: „Bauern, die schmackhafte To-maten oder aromatische Sommerbee-ren anbieten, meldet Euch!“

Müller und Co. geht es dabei nicht um dieses oder jenes Biosiegel, son-dern um naturnah erzeugtes Obst und Gemüse, Fleisch aus tiergerechter Hal-tung, Fisch aus heimischen Gewässern. „Ich wünsche mir Kräuter und Salate, auch alte, fast vergessene Sorten“, so Danijel Kresovic. Peter Frühsammer

problem. aus der region allerdings schon. Diese sechs wollten das nicht länger hinnehmen und gründeten deshalb ein regionales netzwerk. Dessen Motto: koch sucht Bauer.

möchte Bauerneier vom Hühnerhof und Matthias Diether Spargel, der nicht un-ter vierfacher Folie liegt und x-mal ge-gen die Spargelfliege gespritzt wurde.

Ihr Netzwerk, so die Berliner Köche, garantiere den Landwirten, dass nicht nur geringe, wirtschaftlich uninteres-sante Mengen gekauft werden.

„Wir können uns auch vorstellen, ein Dutzend Schweine nur für uns mästen zu lassen, die wir dann auch garantiert abnehmen“, erläuterten sie ihre Idee. Der Appell kam an. Brandenburger Bau-ern stehen offenbar bei den Küchen-chefs Schlange.

Ein Informatikprofessor hat sogar vor-geschlagen, mit seinen Studenten einen Online-Marktplatz für frische Produkte aus der Region zu programmieren. Of-fen bleibt allerdings die Frage, weshalb Berlins Großhändler nicht schon längst die Zeichen der Zeit erkannt und ihrer-seits Kontakte zu Brandenburger Bau-ern geknüpft haben. Möglicherweise wachen ja die, die es angeht, gerade noch rechtzeitig auf.

Koch sucht BauErein BiLD spricHt BÄnDevOn Marc steyer

Page 69: Garcon  01 2011

Koch sucht BauErein BiLD spricHt BÄnDevOn Marc steyer

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Koch sucht Bauer GESCHMACKSSACHEN

Koch sucht BauErein BiLD spricHt BÄnDevOn Marc steyer

Page 70: Garcon  01 2011

70 GARÇON

Cornelia Poletto mag sie klas-sisch mit Speck und Zwiebeln, aber ohne Gurke.

Tim Mälzer bevorzugt sie medi-terran, das heißt, mit einer Paste aus angerösteten Pinienkernen, getrockneten Tomaten und Oliven-öl. Den Speck ersetzt der Hambur-ger Küchenbulle durch Pancetta, der sie durch seinen hohen Fettan-teil besonders saftig hält.

Alfons Schuhbeck wiederum füllt sie am liebsten mit einer Mi-schung aus Kalbsbrät, Karotten, Knollensellerie, Trompetenpilzen, Essiggurken, Sardellen, durch-wachsenem Speck und Zwiebeln.

Die Rede ist von einem ed-len Fleischwickel, den nicht nur Deutschlands Fernsehköche immer wieder gern zubereiten, sondern der auch der Stolz jeder guten Hausfrau ist.

GESCHMACKSSACHEN Rinderroulade

liEBling rouladEnOtizen zu einer uMfragevOn Hans-Jürgen Bergs

Page 71: Garcon  01 2011

71 GARÇON

Rinderroulade GESCHMACKSSACHEN

liEBling rouladEnOtizen zu einer uMfragevOn Hans-Jürgen Bergs

Page 72: Garcon  01 2011

GESCHMACKSSACHEN Rinderroulade

Deutschlands unaufgeregteste (Kom-pliment!) TV-Service-Sendung, das ARD-Buffet, fragte Ausgang des vorigen Jahres nach den Lieblingsspeisen der Leute im Lande.

Gemeinsam mit Wissenschaftlern des Bundesforschungsinstituts für Er-nährung und Lebensmittel in Karlsruhe stellten die Redakteure der Sendung eine Liste mit 100 Gerichten auf — von Armer Ritter über Brathähnchen, Dö-ner, Pizza, Rumpsteak und Rührei bis Zwiebelrostbraten.

50.000 Zuschauer stimmten online ab, und das Ergebnis der Koch-Charts dürfte wohl nur die Totalverweigerer deutscher Hausmannskost verwundern. Das Resultat nämlich fällt deutlich aus. Die Deutschen essen am liebsten deutsch, und zwar:

Man stelle sich ein Gasthaus vor, in dem die ARD-Buffet-Umfrage-Top-Ten auf der Speisenkarte stehen, frisch zubereitet, nicht als Brandenburger Sät-tigungs-, sondern als moderne Traditions-küche. Jede Wette, dass dieses Gast-

haus seinem Namen alle Ehre machen und hohe Gästegunst genießen würde.

Der Spitzenreiter also: die gute alte Rinderroulade. Das Sonntagsessen in tausenden deutschen Haushalten von Schleswig-Holstein bis Baden-Würt-temberg. Kein Wunder: sie hütet die Aromen und hat ein Talent für Über-raschungen — erst angeschnitten zeigt sie, was in ihr steckt.

Wie oft sie allerdings noch hausge-macht auf den Tisch kommt, darüber macht die Umfrage keine Angaben. Vermutlich nicht allzu oft, denn Roula-

1. Rinderroulade

2. Spargel mit Sauce hollandaise

3. Kohlroulade

4. Rheinischer Sauerbraten

5. Wiener Schnitzel

6. Entenbrust

7. Tafelspitz mit Meerrettichsauce

8. Pellkartoffeln mit Kräuterquark

9. Hühnerfrikassee

10. Königberger Klopse

Page 73: Garcon  01 2011

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Rinderroulade GESCHMACKSSACHEN

den in Dosen und Gläsern haben Kon-junktur, wie Supermarktmitarbeiter gerne bestätigen. Der Grund liegt auf der Hand.

Erstens kosten diese Fix-und-fertig-Gerichte nicht viel, und zweitens geht es schnell — beim „Kochen“ und beim Essen.

Also probierten auch wir „2 Rinds-rouladen in pikanter Sauce“ (Omnimax Lebensmittel GmbH, 16816 Neurup-pin, 2,39 Euro); „2 Rinderrouladen in pikanter Sauce“ (hergestellt für Netto Marken-Discout AG & Co. KG, 93142

Maxhütte-Haidhof, 2,35 Euro); „2 Rin-der-Rouladen, natürlich aus Osthol-stein“ (hergestellt von der Fleischerei Oldekop, Lübeck, 8,29 Euro) und „Du darfst — Rinderroulade in aromatischer Sauce mit würzigem Rotkohl und locke-rem Kartoffelpüree“ (Unilever Deutsch-land, 22770 Hamburg, 1,99 Euro).

Das Fazit vorweg: die Masse der Miss-stände auf den Tellern spottete jeder Beschreibung.

Die beiden Lübecker Fleischroula-den, die „Genuss aus dem Land der Schlösser und Herrenhäuser“ verspra-chen, wirkten äußerlich zwar recht proper (Frischfleischeinwaage 380g), doch das war s dann auch schon.

Die Füllung: schleimige Gurke, mat-schiger Speck, ledrige Zwiebel. Das Fleisch kaum gewürzt, die helle Sauce dafür salzig.

Weitere Zutaten: E 410 (Johannis-brotkernmehl als Verdickungsmittel), E 422 (Mod. Stärke als Bindemittel), E 330 (Zitronensäure als Säurungsmit-tel), E 211 (Natriumcarbonat als Kon-servierungsstoff), E 621 (Mononatrium-glutamat als Geschmacksverstärker), Aromen, Branntweinessig, Karamell, Nitrit, Saccharin.

Immerhin: der Cocktail war zwar or-thografisch schlampig, aber vollständig deklariert. Was nach dem Essen blieb: ein erheblicher Saucenrest und ein ge-waltiges Durstgefühl. Note: 5.

„Von allem das Beste“ hieß es auf der Rouladen-Dose der Omnimax Le-bensmittel GmbH Neuruppin. Auf dem

Teller dann die Ernüchterung. Das hauchdünn geschnit-

tene, weitgehend ge-schmacksfreie Fleisch enthielt eine nussige Füllung, in der ledig-lich die Gurke noch einigermaßen Konsis-tenz aufwies. Der Rest schmeckte, obwohl

auf der Dose nicht vermerkt, als sei

hier Weißbrot im Spiel ge-

wesen.

Dazu eine fade, süßliche Sauce, ebenfalls geschmacksverstärkt — aber was soll man von einem Fertiggericht mehr erwarten? Note: 5.

Apropos Weißbrot: Kein Geringerer als Eckart Witzigmann benutzte es üb-rigens einst im Münchner Restaurant Tantris für die Füllung von Rouladen. Der Großmeister schnitt daraus Crou-tons, die in geklärter Butter knusprig ausgebacken wurden. Dazu kamen Räu-cherspeckscheiben sowie feingeschnit-tenes und in Butter angedünstetes Ge-müse — Karotten, Rosenkohl, Zwiebeln. Die damit gefüllten Rouladen gehören zu den Witzigmann-Klassikern, die re-lativ einfach nachzukochen sind — al-lemal meilenweit geschmackvoller als das Dosenfutter.

Auch unser dritter Test brachte nur stummes Kopfschütteln. Zwei Rinder-rouladen in pikanter Sauce vom Gut Ponholz, hergestellt für Netto Marken-Discount.

Auch hier das Fleisch in Carpaccio-Stärke, wahrscheinlich in gefrorenem Zustand geschnitten. Die Füllung: ge-hackte Gurken und Zwiebeln, Speck-würfel, alles von leicht süßlichem Ge-schmack. Wenigstens die Sauce war nicht überwürzt. Note: 4.

Am besten schmeckte da noch die „Du-darfst-Roulade“, allerdings ver-zichteten wir darauf, Kartoffelpü-ree und Rotkraut des Fertiggerichtes zu probieren. Zwar war auch dieses Fleisch papierdünn, die Füllung aus Gurke, Speck und Zwiebel hatte aber noch Struktur und war einigermaßen ordentlich gewürzt. Note: 4.

Und der wiederholte Beweis dafür, wie bizarr die Esskultur hierzulande ist. Während wir uns beim Lebensmit-telkauf in beinahe kriminalistischer Ma-nier als Schnäppchenjäger betätigen, kann es nicht teuer genug sein, wenn es beispielsweise um Autos, Kosmetik oder Mode geht.

Lediglich 13 Prozent unseres Einkom-mens geben wir fürs „tägliche Brot“ aus, Restaurantbesuche inklusive. Ten-denz weiter fallend — eine traurige Tat-sache.

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Wann in der Küchengeschichte zum ersten Mal dünne Fleischscheiben mit einer Farce oder anderen Würzbeiga-ben gefüllt, gerollt, verschlossen und geschmort wurden, ließ sich nicht end-gültig klären. Ein Gericht der kulinari-schen Neuzeit jedenfalls ist die Roula-de nicht.

Bereits um 1800 notierte Charlot-te Fontane, die Großmutter Theodor Fontanes, ein Rezept für Rindfleisch-Rouladen, gefüllt mit einer Masse aus gekochtem Speck, Petersilie und Scha-lotten, gewürzt mit Pfeffer und Nelken.

Auch Henriette Davidis, Kochlehre-rin der deutschen Biedermeierdamen, beschrieb in ihrem 1844 erschienenen Kochbuch-Besteller „für die gewöhn-liche und feine Küche“ geschmorte Fleischrollen. Ihr Vorschlag für die Fül-lung: „Mehrere hartgekochte Eigelb streicht man durch ein Sieb, verrührt sie mit 1 rohen Eidotter, zwei Löffel Tomatenbrei oder saurer Sahne, wenig gewiegter Petersilie und einer geriebe-nen Schalotte mit Pfeffer und Salz zu

einer Farce, mit der man die Rouladen bestreicht, bevor man sie mit einer Speckscheibe bedeckt.“

Im 1892 erschienenen Illustrierten Victoria-Kochbuch hieß das Gericht Rollfleisch vom Rind, gefüllt mit Speck und Zwiebeln. Einzige Besonderheit: Autorin Hedwig v. Hohenwald warn-te ausdrücklich davor, mit Kümmel zu würzen.

Das Oberbayerische Kochbuch für jeden Haushalt von 1906 schließlich empfiehlt, in die Rindsrouladen eine Mischung aus Semmelmehl, fein ge-würfeltem Speck, gehackten Zwiebeln, Petersilie, geriebener Zitronenschale, Kapern und Steinpilzen einzuwickeln.

Doch nun kommt s. Es ist leichter in alten Kochbüchern ein Rouladenrezept als in Berlin ein Restaurant zu finden, das den Küchen-Klassiker auf seiner Speisenkarte hat — nicht von fleißigen Metro-Bienen bereits gewickelt oder von anderen Warmmach-Experten mehr oder weniger liebevoll vorgekocht, son-dern von Anfang bis Ende hausgemacht.

Auf der Suche nach Rinderrouladen — frisch gefüllt, gut gewickelt, sanft geschmort und mit einer kräftigen Sau-ce — wurden wir endlich in Charlotten-burg fündig.

In der Schlüterstraße macht Michael Eilhoff seit über 15 Jahren viele Stamm- und Zufallsgäste mit feiner Regionalkü-che, frei von modischen Banalitäten glücklich.

Seine Antwort auf die Frage, weshalb man in den Restaurants rund um den Kurfürstendamm Rouladengerichte mit der Lupe suchen müsse, gibt zu den-ken. „Weil man“, sagt Eilhoff, „erstens damit nicht viel verdienen kann und weil zweitens viele junge Köche nicht gelernt haben, wie s geht.“

Der Küchenchef zeigt es gerne, assis-tiert übrigens von einer alten Bekann-ten. Cindy Mentz war mal die Nummer eins am Herd im früher viel gelobten Grünauer Château 105. Nun bereiten Eilhoff und Mentz eine Rinderroulade zu, von der die Fans des Fleischklassi-kers sagen, sie sei die beste der Stadt.

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GESCHMACKSSACHEN Rinderroulade

aus: Henriette Davidis, Praktisches Kochbuchfür die gewöhnliche und feinere Küche, 1897

küchenchef Michael eilhoff

Souschefin Cindy Mentz

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Rinderroulade GESCHMACKSSACHEN

www.restaurantlutterundwegner.de

Lutter & Wegner seit 1811

Schlüterstraße 5510629 Berlin-Charlottenburg

Tel. 030 - 881 34 40

küchenchef Michael eilhoff

Souschefin Cindy Mentz rinderroulade klassich: die zutaten und ihre verarbeitung

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KlEinE fischEDeM stint auf Der spurvOn renate peiLer unD Jörg teuscHer

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KlEinE fischEDeM stint auf Der spurvOn renate peiLer unD Jörg teuscHer

Stint GESCHMACKSSACHEN

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GESCHMACKSSACHEN Stint

Lothar Buckow: Elbfischer, wer ist mehr?

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Kälte und Nässe sind Lothar Buckow über die Jahre deutlich sichtbar in die Knochen gewachsen. Die flinken Augen des 54-Jährigen und sein fröhliches La-chen verraten allerdings auch, dass ihm die Schinderei auf seinem Ein-Mann-Kutter Freude bereitet.

Es ist Samstagnachmittag, es ist kalt und es feuchtet, wie der Ham-burger sagt. Wir stehen im Hafen von Neuenschleuse. Na ja, Hafen. Eher ein Anlegeplatz. Kein Deut maritime Ro-mantik. Draußen liegt Buckows Kutter im Nebel, irgendwo dahinter Hanskalb-sand, eine einsame Elbinsel, und am anderen Flussufer Blankenese, wenigs-tens das kennt man.

Um das Schiff mit den eigenartigen Flügelkonstruktionen aus der Nähe zu sehen, müsste Buckow das Beiboot klar-machen. Das ist ihm zu viel, Zeitungs-leute hin, Überredungskünstler her. Die Erklärung des Fischers schafft Ver-ständnis. Der Samstag ist sein einziger freier Tag. Sonntagnachmittag läuft er wieder aus, Kurs Elbe abwärts, knapp 40 Kilometer bis Glückstadt oder, noch 20 Kilometer weiter, bis Brunsbüttel.

Irgendwo in dieser Gegend, in der die Nordsee nicht mehr weit und der Fluss bereits zwei, drei Kilometer breit ist, geht Buckow auf Stintfang. Hier sam-meln sich die silbrig glänzenden, 10 bis 15 Zentimeter langen Fische zwischen Februar und März in großen Schwärmen zum Laichen. Dann erwacht in Buckow das Jagdfieber.

Die eigenartigen Flügelkonstruktio-nen an den Bordwänden seines Kutters, von denen schon die Rede war, sind sein Handwerkszeug. Die daran befestigten Auslegernetze heißen Hamen, der Kut-ter ist also ein Hamen-Kutter und damit ein selten gewordenes Exemplar seiner Art. Lothar Buckow hat den 1946 in Dä-nemark gebauten Kahn vor 30 Jahren gekauft, sorgfältig restauriert, auf den Namen Elise getauft und geht seitdem mit ihm auf Fischfang. Der Gezeiten-kalender bestimmt seine Arbeit. Bei Niedrigwasser lässt Buckow die Netze herunter, rund fünf Stunden später, bei Hochwasser, holt er sie wieder ein.

Das Resultat: täglich fangfrischer Fisch. Jetzt ist es der Stint, später Aal, Barsch und Butt. Im vorigen Jahr hatte er mal einen 11 Kilogramm schweren Zander im Netz, das war Elbfischer-Re-kord. Kaufen kann er sich dafür jedoch nichts. Dazu bedarf es schonungsloser Knochenarbeit, die sich kaum von der seiner Vorfahren unterscheidet.

Seit 1648 sind die Buckows Fischer, seit 363 Jahren also gehen sie zwischen Finkenwerder und Brunsbüttel auf den Stint.

Lothar Buckow ist dafür sechs Tage unterwegs, von Samstag bis Freitag. Die Nächte verbringt er auf dem Kut-ter. Uns fröstelt schon bei dem Ge-danken daran. Temperaturen um den Nullpunkt, Feuchtigkeit, die durch alle Ritzen kriecht, ein Nachtlager un-ter Deck, ein winziger Ofen gegen die Kälte, dafür muss man geboren sein. Buckow lächelt. Er hat mal Einzelhan-delskaufmann gelernt, Computertech-nik studiert und sich dann doch für die Elbfischerei entschieden.

Wenn alles gut läuft, fängt er in der kurzen Saison pro Woche rund zwei Tonnen Stint. Drei- bis viermal kommt Buckows Frau in dieser Zeit an die Elb-

fähre in Wischhafen, beide laden die mit 25 Kilogramm Fisch gefüllten Kisten vom Kutter in den Transporter.

Rita Buckow beliefert dann Händler auf dem Hamburger Fischmarkt und Restaurants in der Hansestadt und der näheren Umgebung.

Allzu viele sind es allerdings nicht — rund 50, sagt der Fischer — obwohl der schlanke Fisch mit dem leicht durch-scheinenden Körper nicht zu den ge-fährdeten Arten zählt und richtig gut und noch ein bisschen wild schmeckt.

Da unterscheidet sich die Hamburger Gastronomie nicht wesentlich von der in Berlin, die ihren Gästen auch lieber grätenloses und geschmacksfreies Pangasius-Filet aus vietnamesischer Aquakultur anbietet als eine frisch ge-fangene regionale Delikatesse, die nur ein paar kurze Wintermonate im Jahr zu haben ist.

Stint GESCHMACKSSACHEN

www.elbfischer-buckow.de

Der eLBfiscHer

Wisch 29b21635 Jork

Tel. 04162 - 94 27 10

vor anker: Buckows Hamen-kutter „elise“

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Mathias Voigt ist Koch und betreibt gemeinsam mit seiner Frau Bianka seit 15 Jahren das Restaurant zum Stor-chennest in Hamburg-Finkenwerder.

Das ist ein klassisches Gasthaus hin-term Deich, wobei das Attribut sowohl für die Einrichtung als auch für Voigts Küche steht. Der 45-Jährige ist kein biederer Traditionalist, sondern sieht sich eher als behutsamer Bewahrer hanseatischen Kochens. Und das will schon was heißen in einer Stadt, in der nicht nur zehn Michelin-Sterne und zwölf Bib Gourmands glänzen, sondern viele junge Köche mit dem Mut zur Überraschung Zeichen setzen.

Sicher, Mathias Voigt gehört nicht zur kulinarischen Avantgarde der Hanse-stadt, aber sein Anspruch an die Frische der Produkte und die Güte ihrer Verar-beitung ist mindestens ebenso hoch wie dort. Das Storchennest — eine gute Ad-resse also mit einer eingeschworenen Fan-Gemeinde. Eine halbe Autostunde braucht es von der Binnenalster nach Finkenwerder, einem Stadtteil, der

GESCHMACKSSACHEN Stint

restaurant zum storchennest: reetgedeckt und urgemütlich

Mathias voigt: küchenchef im storchennest

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sich zu Hamburg verhält wie Spandau zu Berlin. Vor 775 Jahren zum ersten Mal urkundlich erwähnt, erlangte Fin-kenwerder einst lokale Bekanntheit als Heimathafen einer stolzen Fische-reiflotte, als Geburtsort des Dichters Jan Kinau, der sich Gorch Fock nannte und, seit 1936, als Standort des Flug-zeugbaus.

Berühmt wurde Finkenwerder — zu-mindest kulinarisch — durch eine re-gionale Spezialität, die Finkenwerder Kutter- oder Ewerscholle. Übrigens nur echt, wenn sie frisch gefangen ist und — unter Zugabe von rot-weiß gewachse-nem Speck — in reichlich guter Butter sanft gebraten wird. So macht es Stor-chennest-Küchenchef Mathias Voigt. Mit gleicher Aufmerksamkeit brät er auch die kleinen Stinte. Die rare Fischspezia-lität liefert ihm Fischer Lothar Buckow von Anfang Februar bis Ende März.

„Kopf ab, Innereien raus, salzen, mehlieren, dann schnell und heiß erst in Öl anbraten, anschließend mit Speckwürfeln fertig braten, anrichten und mit Bratkartoffeln, Kartoffelmus und frischem Gurkensalat servieren“, erklärt Voigt die Zubereitung der Stinte in einer für Norddeutsche ungewohnten Beredsamkeit.

Nach einer Pause, in der Mathias Voigt frischen Dill für den Salat hackt, sagt er noch: „Viele frittieren den Stint, aber das ist Mist, denn dabei geht das leichte Gurkenaroma des zarten Flei-sches völlig verloren.“ Wieder eine Pause. Dann der Satz: „Den Stint soll-ten nur Köche zubereiten, die den Fisch auch kennen.“

Wahrscheinlich war Wolfram Sie-beck, Deutschlands bekanntester Be-rufsesser, vor Jahren bei einem Ham-burger Koch zu Gast, dem der kleine Raubfisch fremd und die Friteuse lieb war. Siebeck schrieb: „Beim Stint han-delt es sich um einen überladenen Tel-ler mit einem Haufen toter Fische und ebenso leblosen Kartoffeln.“

„Irgendwer hätte ihm den Weg nach Finkenwerder zeigen sollen“, kommen-tierte Kollegin Renate Peiler trocken. Wo sie Recht hat, hat sie Recht.

Stint GESCHMACKSSACHEN

stinte: frisch gefangen...

...ausgenommen und mehliert...

...und frisch gebraten

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GESCHMACKSSACHEN Stint

www.storchennest-finkenwerder.de

restaurant zuM stOrcHennest

Osterfelddeich 221129 Hamburg-Finkenwerder

Tel. 040 - 742 68 50

storchennest-spezialität: stint satt stintfans: renate peiler und Mathias voigt

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Welifa_Anzeige-1.pdf 07.03.2011 19:17:36 Uhr

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BOUQUET GARNI Nachrichten und Neuigkeiten

Das Mobiltelefon von Maximilian Her-zog sammelte dieser Tage SMS im Mi-nutentakt, und sein Rechner spuckte täglich mehr E-Mails aus als normaler-weise in einer Woche.

Der Grund des elektronischen Dau-erfeuers durch Freunde und Bekann-te: Herzog wurde zum Abschluss des XIII. Festivales del Habano, des jähr-lich stattfindenden Weltkongresses der Zigarrenliebhaber, mit der höchsten Auszeichnung seiner Branche geehrt — dem „Hombre del Habano“ in der Kate-gorie Handel.

zigarrenHerzOg„Selten hat diesen ‚Oscar der Cigar-

renbranche‘ ein Würdigerer erhalten“, hieß es einhellig unter den 1000 Gästen der großen Zigarren-Gala im Pabexpo von Havana.

Maximilian Herzog, promovierter Psychologe, eröffnete 1997 am Wil-mersdorfer Ludwigkirchplatz das erste Zigarrenhaus in Berlin.

Elf Jahre später kam mit Zigarren Herzog am Hafen in der Stralauer Allee ein zweites hinzu.

Außerdem steht der engagierte Fach-händler der Zigarrenlounge La Casa

del Habano im Savoy-Hotel vor, sitzt in internationalen Jurys, leitet Zigar-renverkostungen und ist Autor eines Ende 2010 erschienenen Buches über Zigarrensensorik, das er bescheiden „Der kleine Herzog“ nannte. Unter den Berliner Aficionados, die in der Regel des Spanischen, der Zigarrensprache, mächtig sind, ist Herzog längst der „gran duque“, der Großherzog.

In der nächsten Garcon-Ausgabe wird Maximilian Herzog über den Habanos-Markt informieren. Für heute: Herzli-chen Glückwunsch!

ehre, wem ehre gebührt: der Hombre del Habano für Dr. Maximilian Herzog

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Nachrichten und Neuigkeiten BOUQUET GARNI

Die Manager des Duke-Restaurants im Berliner Ellington Hotel sind stolz wie Bolle. Nein, einen Michelin-Stern hat es nicht gegeben, die sind für 2011 verteilt, und auch der Gault Millau („al-les nett, aber weit davon entfernt, gro-ße Begeisterung zu wecken“) ist nicht angetreten, sein Urteil zu revidieren.

Der Grund für den Jubel im Duke gilt dem Einsatz moderner Technik. Stichwort: iPad-Weinkarte. „Ab sofort bekommen die Gäste anstatt der Wein-karte ein iPad überreicht. Damit setzt das Restaurant deutschlandweit einen Trend. „Die iPad-Weinkarte ist bisher nur in den USA und Hongkong im Ein-satz“, heißt es in einer Presseerklärung.

Das stimmt zwar nicht ganz — bereits vor einem Jahr wählten wir im spani-schen Santiago de Compostela unse-re Weine per iPad — aber sei’s drum, ein guter Service ist die elektronische Weinkarte allemal. Alle 510 Positionen der Duke-Offerte werden nun auch in Text und Bild detailliert beschrieben.

cOMputerkarte

Im Steakhouse Chicago Cut, einem gehobenen Restaurant am Chicago Ri-ver, gibt es die elektronische Weinkarte schon seit einem Jahr.

Die 40 iPads, die dafür angeschafft wurden, seien zwar eine erhebliche In-vestition gewesen, erklärt Restaurant-manager Mat Moore, aber seitdem sei

der Weinumsatz auch um 20 Prozent gestiegen.

Ein Hinweis aus den USA könnte üb-rigens auch für das Berliner Duke nütz-lich sein. Im Chicago Cut wurden die iPads mit einer Lokalisierungs-Software ausgestattet — als Abschreckung, damit die Geräte nicht gestohlen werden.

18. bis 23. März 2011 — diesen Ter-min haben sich viele Gastronomen, Hoteliers, F&B-Manager und Küchen-chefs schon lange vorgemerkt. Es ist die Internorga-Zeit, das heißt, eine der größten Branchenmessen lockt nach Hamburg.

Informationssammlung, Erfahrungs-austausch und Trendforschung — das sind die wichtigsten Disziplinen der Foodprofis. Die Aussteller tragen dem Rechnung. So bietet beispielsweise Rational, Primus unter den deutschen Großküchentechnik-Herstellern, die Möglichkeit, sich unter Gastronomie-bedingungen von der Leistungsfähigkeit eines SelfCooking Centers zu überzeu-gen. Gleichzeitig hat sich das Team aus dem bayerischen Landsberg am Lech darauf vorbereitet, über das im küchen-technischen Bereich derzeit besonders angesagte Thema „Nachhaltigkeit“ zu informieren. (Halle A 3, Stand 213)www.rational-online.de

internOrga

internorga-Offerte: das selfcooking center von rational

zukunft in der gastronomie: Weinauswahl per ipad

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BOUQUET GARNI Nachrichten und Neuigkeiten

Eine giftgrüne Salatschleuder, die wie ein Eimer aussieht; Küchengeräte, die von einem pedalbewegten Schwung-rad angetrieben werden; Nackenrollen, die in Form und Farbe Fleischwürsten ähnlich sehen — präsentiert von den Designern Eva Solo, Christoph Thetard und Silvia Wald auf der Ambiente 2011.

Die mit 4.300 Ausstellern größte Kon-sumgütermesse der Welt ging vom 11. bis 15. Februar auf dem Frankfurter Messegelände über die Bühnen.

Ob es die salatschleudernde Neuheit aus Kopenhagen, das Konzept für eine stromsparende Küche oder die Berliner „Fleischprodukte“ aus Stoff fürs Sofa auch in die Läden schaffen, hängt nicht zuletzt von den Konsumenten ab.

„Sie sind übersättigt und entwickeln den starken Wunsch, sich zu konzent-rieren, Lieblingsstücke und einen ei-genen, individuellen Stil zu finden“, so Claudia Herke, Trendforscherin und Chefin des Stilbüros bora.herke mit Sitz in Frankfurt und Berlin.

MessenOtizenDem entspricht beispielsweise eine

Porzellanlinie, die der Hamburger Star-designer Peter Schmidt gemeinsam mit dem Berliner Promikoch Kolja Kleeberg für den fränkischen Porzellanhersteller Arzberg entwarf, der damit gute Um-sätze macht.

Dafür stehen auch ein feines Filier- und Kochmesser der Solinger Wind-mühlenmanufaktur und ein emailiertes Topfset der Firma Riess Kelomat aus Ybbsitz in Niederösterreich, beides mit dem Design Plus Preis der Messe Frank-furt, des Rates für Formgebung und des Deutschen Industrie- und Handelskam-mertages ausgezeichnet. Die Teller, Töpfe und Messer sind „Produkte mit

Persönlichkeit“, so das Schlagwort der Designer für schöne Alltagsdinge oder, wie es Windmühlen-Geschäftsführerin Giselheid Herder-Scholz formuliert, „das Besondere, das lange hält“.

Doch auch unter den kaum noch über-schaubaren Küchenwerkzeug-Offerten in Frankfurts Messehallen definierten sich viele ausschließlich über den Preis. Billigware, nicht nur aus Fernost. Nach-haltigkeit, ein Fremdwort. Dennoch konstatierte Herder-Scholz, die Messer-Lady aus Solingen: „Die Ermüdung bei preisgünstigen Produkten hat sich in ei-nen Boom bei Wertigem verkehrt.“ Hof-fentlich merken das auch die Händler....

Wer schreibt, der bleibt. Das Motto cleverer Geschäftsleute scheint bei der Berliner Kochelite noch nicht angekom-men zu sein. Im Gegensatz etwa zu Lafer und Mälzer sind Kammeier, Klee-berg, Kresovic und Co. ausgesprochen schreibfaul. Nur mickrige sechs Koch-bücher flossen in den letzten Jahren aus ihren Edelfedern. Ein junger Mann ist nun angetreten, Berlin kochbuch-technisch ein kleines Stück nach vorne

Design plus award: riess-kochgeschirr

Messer-Lady: giselheid Herder-scholz

Ambiente 2011: Was ist Design, was Styling?

autor, koch und turbanträger: chakall

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zu bringen. Sein Name: Chakall. Sein Markenzeichen: der Turban.

Er wuchs in Buenos Aires auf, zog später nach Lissabon und lebt seit sechs Jahren in Berlin-Friedrichshain. Kochen lernte Chakall bei Mutter und Tante sowie während vieler Reisen nach Af-rika, Asien, Amerika und Australien.

Dementsprechend international ist sein erstes Kochbuch in deutscher Sprache. 87 Rezepte, von Avocado-Salat über Bloody-Mary-Suppe bis Esskastanien-Pudding.

Die meisten Zutaten gibt es im Su-permarkt, die Zubereitungen sind denkbar einfach — ein Kochbuch für junge Leute, die sich den Geschmack nicht mit Dosengulasch und Tiefkühl-pizza versauen wollen.

„Chakall kocht — Schnelle Rezepte für gute Laune“ ist auch, was Aufma-chung und Format betreffen, ein Buch für die Küche und gebärdet sich nicht als bibliophile Kostbarkeit für den Bü-cherschrank. Und so war der Andrang bei Chakalls Auftritt während der Am-biente 2011 am Stand der DT-Collection auch ziemlich groß. Kochbücher mit

Gebrauchswert überzeugen eben. Der Autor, der in Lissabon das Sternere-staurant Quinta Dos Frades betreibt, eröffnete übrigens Anfang März in der Moabiter Arminiusmarkthalle ein Bistro....

Gemessen etwa an China oder Indi-en war die Zahl der Aussteller aus den USA in den Frankfurter Messehallen eher klein. Lediglich 50 Firmen boten Küchengeräte, Bestecke, Koch- und Bratgeschirr sowie Glas und Porzellan an — bei rund 2.000 Austellern im soge-nannten Dining-Bereich eine bescheide-ne Quote. Die meisten Offerten Made in USA allerdings waren von hohem

Gebrauchswert und beeindruckender Qualität. Das gilt besonders für die An-gebote der Manufaktur John Boos & Co. aus Effingham, Illinois. Der wahrschein-lich kleinste amerikanische Austeller in Frankfurt präsentierte Schneidbretter und Fleischerblocks am Stand der So-linger Güde-Messermanufaktur — sozu-sagen als Untermieter. „Wunderschöne Teile, fast zu schade, um darauf Schnit-zel zu klopfen“, kommentierte Güde-Chef Dr. Karl-Peter Born.

Geschäftsführer Barry Gravenhorst, der auch ein Firmenbüro in Berlin un-terhält und von dort aus den europä-ischen Markt betreut, verwies auf die natürlichen Ressourcen des waldrei-chen Staates im Norden der USA.

„Wir verarbeiten ausgewähltes Kern-holz des Ahorns und in geringem Um-fang auch Amerikanische Kirsche und Walnuss“, erklärte er. Hinzu kommen die über 120-jährige Erfahrung im Um-gang mit diesen Hölzern und die Zu-sammenarbeit mit vielen Küchenchefs. Das Ergebnis: praktikables Design, per-fektes Handwerk und hoher Gebrauchs-wert für Profi- und Hobbyküchen.www.boosblocks.eu...

Auf der Ambiente 2011 konnte man nicht nur neue Küchenwerkzeuge be-gutachten, manche mehr, andere we-niger nützlich, man traf auch alte Be-kannte. Hans-Josef Decker etwa, einst Chefpatissier bei Eckart Witzigmann und Hans-Peter Wodarz und den Ber-liner Feinschmeckern aus seiner Tätig-keit im first floor, dem Sternerestaurant des Palace-Hotels bekannt.

Nun leitet Decker seit 2008 die De-licatessen Manufaktur auf Gut Valen-brook zwischen Bremerhaven und Cux-haven.

Das Unternehmen fertigt ausgefalle-ne Feinkostprodukte von A wie Aroma-essige bis Z wie Zuckerspezialitäten,

betreut für die Bremer Feinkost GmbH die Marke Lapp & Fao, entwickelt für weitere Kunden Produktideen, reali-siert sie und veranstaltet Pâtisserie-Seminare und Workshops. Gut Valen-brook“, wirbt Hans Decker, „ist ein Ort zum Genießen mit allen Sinnen.“www.valenbrook.de

stolzer ami: Barry gravenhorst

Süßer Profi: Hans-Josef Decker

Made in usa: Boards & Blocks

Leichte kost: chakall kocht

Nachrichten und Neuigkeiten BOUQUET GARNI

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BOUQUET GARNI Nachrichten und Neuigkeiten

an dieser stelle bespricht Brit Lip-pold, kulturwissenschaftlerin und kochbuchhändlerin, aktuelle kulina-rische editionen.

Die kochlust-inhaberin eröffnet ihr geschäft anfang Mai am Moritzplatz in kreuzberg neu — unter dem Dach von coledampf s & companies.

Sicher ist: das neue Waldorf Astoria Berlin entsteht an der Hardenberg-straße, zwischen Bahnhof Zoo und der Gedächtniskirche. Sicher ist auch: die Luxusherberge wird 15 Etagen des 32-stöckigen Wolkenkratzers belegen. Und sicher ist drittens: es wird ein Fine-Dining-Restaurant mit 100 Plätzen ge-ben. Ob der französische 3-Sterne-Koch Pierre Gagnaire dort Regie führen wird, das allerdings ist ein Gerücht. Aber im-merhin — wenn es so wäre, käme die Berliner Gastronomie ohne eigene An-strengungen zu drei weiteren Sternen.

BucHkritik

gerücHtekücHe

Das Frauenkochbuch ist ein Buch für alle Neugierigen, die sich neben Gala, Bunte usw. auch noch auf andere Weise über das Leben der Schönen und Be-kannten (in diesem Falle ausschließlich Frauen) informieren möchten.

Das vorliegende Kochbuch setzt deshalb auch gar nicht erst auf die üblichen Rubriken wie Salate, Suppen, Fleisch- und Fischgerichte sowie Des-serts.

Dieses Buch sortiert nach den Por-trätierten, wobei ich mir ein Urteil da-rüber, ob sich aus der Reihenfolge eine irgendwie geartete Promi-Rangfolge ableiten läßt, wirklich verkneife.

Erst beim gründlichen Durchblättern fällt auf, dass sich die Gliederung auch aus den Speisen ergibt.

Die grafische Gestaltung der Rezep-te ist gewöhnungsbedürftig. So sind die wichtigen Fakten wie Zutaten, Zuberei-tungszeit und Anzahl der Pesonen mit drei verschiedenen Farben in kleinen Fenstern unterlegt (hellrosa, grau und pink!) und ziemlich klein geschrieben.

Die Rezepte selbst sind abwechs-lungsreich und halten eine Reihe von durchaus verführerischen Ideen bereit; von „Boeses Steaksandwich“ über Bio-Rote-Bete-Carpaccio, Pasta mit Kürbis und Trüffel, Zander-Süßholz-Sate mit Steckrüben bis hin zu Pfirsich-Pfeffer-Hühnchen und Champagner-Hibiskus-Gelee.

Fazit: Ein Muss für alle Promi-Jun-kies! Nicht empfehlenswert für Hobby-köche und Kochbuchsammler.ulf Meyer zu kueingdorfMal was Leichtes — frauenkochbuchMosaik bei goldmann, München127 seiten, 19,99 euro

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kurznacHricHten+++ Hirschfelde +++

„Brandenburg unter Dampf“, die märkische Genussinitiative, verleiht in diesem Jahr zum zweiten Mal das „Mär-kische Gaumengold“ für besondere Ver-dienste um die Brandenburger Küche und um Brandenburger Produkte. Der Preis geht an Sonja und Dieter Moor. Die Filmproduzentin und der Modera-tor züchten auf ihrem Bio-Bauernhof in Hirschfelde, einem Dorf in der Nähe von Bernau, italienische Wasserbüffel und irische Galloway-Rinder. Zudem engagieren sie sich für die nachhaltige Produktion geschmacksintensiver Le-bensmittel in Brandenburg. Verliehen wird der Preis am 25. März 2011 wäh-rend eines Gala-Dinners auf Gut Klos-termühle in Madlitz-Wilmersdorf.www.gut-klostermuehle.com

+++ Hamburg/Berlin +++Jahrelang gehörten die Kolumnen

von Bernd Matthies im Hamburger Ma-gazin essen & trinken zum Besten der deutschen Gastrokritik. Anfang Januar 2011 war nun — zum Erstaunen vieler Leser — Schluss mit Matthies. Einem neuen e&t-Chefredakteur folgte eine neue e&t-Kolumnistin — Okka Rohd, die in Berlin lebt und „über gutes Essen und schlechte Manieren“ dichtet. Flot-te Schreibe, wenig Inhalt, Nachschlag nicht nötig. Zum Glück bleibt Matthies seinen Fans erhalten — im Internet.www.tagesspiegel.de/blogs

pierre gagnaire

Brit Lippold

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ArxeMöBeL aus BarceLOnavOn WOLfgang scHuHMacHer

LEBENSART Arxe

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Ofiiziell ist Barcelona die Hauptstadt der nordostspanischen Provinz Kata-lonien, selbst ernannt die Hauptstadt des Mittelmeeres. Industrie- und Han-delszentrum, Verkehrsknoten, Univer-sitäts- und Hafenstadt. Bunt, lebens-froh, weltoffen, voller Geschichte und Geschichten.

Hier erblickte zum Beispiel der Seat 600 das Licht der Welt, ein Nachbau des Fiat 500 und eine automobile Legende, die einst ganz Spanien in Bewegung brachte.

Hier ist die katalanische Rumba zu Hause, deren besonderer Klang durch das Schlagen auf den Gitarrenkörper zustande kommt und die zu Barcelona gehört wie Kolumbusdenkmal und Sa-grada Familia.

Hier ragt mit dem Hotel W Barcelo-na ein Meisterstück avantgardistischer Architektur in Form eines Segels in den Himmel, entworfen von dem renom-mierten spanischen Architekten Ricar-do Bofill.

Übertroffen wird das alles noch von den kulinarischen Angeboten der Millio-nenstadt. Neben den traditionellen Ta-pas, die immer neu erfunden werden, servieren die experimentierfreudigen Chefs auch schon mal Langostino und mit Foie gras gefüllte Makkaroni oder Seeteufel mit Mandelcreme.

Man braucht sicher Wochen, um diesen Gastro-Dschungel zu durchque-ren. Ein paar Stunden dagegen reichen schon für eine andere Einschätzung. Barcelonas Restaurants bestechen, nimmt man mal einige festlich-förmli-che Hotelrestaurants aus, auch durch ihre Einrichtung.

Einen nicht geringen Anteil daran ha-ben drei junge Frauen. 2008 gründete Gloria Margenat die Arxe-Manufaktur. Ana Guilera ist von Anfang an dabei, Cristina Franck seit einem halben Jahr. Das Ziel ihres Unternehmens: Hotels, Restaurants, Bars und Geschäfte indi-viduell auszustatten mit Möbeln und anderen Einrichtungsgegenständen, die nicht von der Stange stammen, sondern aus bereits benutzten Materialien — Bauholz, Alteisen, Industrieleder.

Mehrere Restaurants und Feinkost-geschäfte in Barcelona tragen inzwi-schen die typische Arxe-Handschrift — originell, ursprünglich, gediegen. Die Recycling-Königinnen haben sich auch an ausgediente Studioscheinwerfer aus Hollywood gewagt. Die restaurier-ten Filmlampen gehen weg wie warme Semmeln — an Kunden, die sich von ei-nem außergewöhnlichen Interieur eine größere Anziehungskraft ihrer Geschäf-te und Restaurants versprechen.www.arxe.info

gloria Margenat

cristina franck

ana guilera

Arxe LEBENSART

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impressionen aus der arxe-Manufaktur

LEBENSART Arxe

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tirol, das „Herz der alpen“. Land der Berge und täler, drittgrößtes Bundesland österreichs und tummel-platz für touristen aus aller Welt, zu allen Jahreszeiten. im Winter zieht es tausende skifahrer auf die pisten von galtür, ischgl oder sölden. im sommer sind es Bergwanderer, Mou-

tainbiker und paraglider, die die par-tyorte bevölkern. und nicht nur die. tirol lebt vom fremdenverkehr. über sechs Milliarden euro bringt er dem Bundesland jährlich. Massentouris-mus mit allen Begleiterscheinungen, zu denen auch die kulinarischen sün-den gehören. gerd Wolfgang sievers,

autor des 2007 im grazer Leopold stocker verlag erschienenen stan-dardwerkes „genussland österreich“ formuliert diese tatsache drastisch: „vor allem in den 70er und 80er Jah-ren des vorigen Jahrhunderts wurde die traditionelle tiroler küche na-hezu umgebracht. gekocht wurde

KULINARISCHE EXKURSION Zillertal

STUMMER GENUSSkaLBsBackerL, spinatknöDeL, MariLLenstruDeL unD cO.vOn Jörg teuscHer

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Zillertal KULINARISCHE EXKURSION

nicht mehr. convenience war das zauberwort.“ inzwischen allerdings gibt es neue Hoffnung. viele tiroler küchenchefs haben sich besonnen und gegengesteuert. Die heimische küche und ihre traditionellen spezi-alitäten machen wieder furore. Das niveau der bodenständigen Landgast-

höfe zwischen tannheim, innsbruck, Mayrhofen und kufstein ist in den letzten Jahren erfreulich gestiegen. Dazu beigetragen hat vor allem auch der verein „tiroler Wirtshauskultur“, dessen rund 135 Mitgliedsbetriebe sich der Pflege der kulinarischen kultur tirols verschrieben haben.

garcon-autor Jörg teuscher be-suchte bereits im vorigen Jahr eine reihe dieser adressen, in denen sich die einkehr besonders lohnt. vieler-orts entdeckte er Landgasthöfe mit einer unaufgeregten regionalküche. seinen favoriten allerdings fand er in stumm im mittleren zillertal.

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KULINARISCHE EXKURSION Zillertal

„Du bist das Land, dem ich die Treue halte, weil du so schön bist mein Tiro-ler Land...“ — die Refrainzeilen eines Liedes, das zwischen Allgäuer und Kitz-büheler Alpen jedes Kind kennt. Text: Julius Mosen, Musik: Leopold Knebels-berger und seit 1948 die offizielle Hym-ne des österreichischen Bundeslandes Tirol. „Und wo“, fragt nun der neugie-rige Tourist, „ist das Tiroler Land am schönsten?“ Für Hannes Ebster, Inhaber und Küchenchef eines der ältesten Ti-roler Gasthöfe, ist die Antwort klar wie Kloßbrühe: „Natürlich im Zillertal!“

Kein Wunder, Ebster ist im Zillertal geboren und aufgewachsen, seine Fa-milie lebt seit Generationen in dieser

Gegend rund 40 Kilometer östlich von Innsbruck, die ihren Namen dem Flüss-chen Ziller verdankt.

Die Fremdenverkehrsmanager wer-ben mit dem ganzen Arsenal superla-tiver Attribute für das Zillertal: atem-beraubende Berge, einzigartige Flora und Fauna, wunderschöne Wanderwe-ge. „Weg von der Hitze der Großstadt kannst Du hier in angenehmer Frische jede Minute aktiv genießen, die Seele baumeln lassen und den Gaumen ver-wöhnen.“

Die beste kulinarische Adresse im Zillertal heißt Landgasthof Linde und befindet sich in Stumm. Hinter dem Namen, der faschierte Laibchen — so

heißen hier die Bouletten — und Feier-abendbier vermuten lässt, verbirgt sich in Wirklichkeit eine Gourmetküche, die mit frischen Produkten aus einheimi-scher Landwirtschaft und deren subti-ler Verarbeitung punktet.

Stumm, 1.825 Einwohner, liegt im mittleren Zillertal. Ein Bilderbuchort, Bäcker, Kirche, Kaufmannsladen, aller zwei Jahre „Stummer Schrei“, ein in-ternationales Kulturfestival. Ein großer Sohn: Stephan Eberharter, Skirennläu-fer, Olympiasieger, Ehrenbürger der Gemeinde. Und eben jenes Gasthaus am Dorfplatz mit der 300-jährigen Lin-de davor, dem idyllischen Garten dahin-ter, den gemütlichen Stuben und einer

Hannes ebster: Lindenwirt und küchenchef

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Zillertal KULINARISCHE EXKURSION

Küche, die, Gott sei Dank, alle in Ur-laubsregionen üblichen systemgastro-nomischen Grausamkeiten aus ihrem Repertoire verbannt.

Neben der Rezeption ein Stamm-baum, schriftlicher Traditionsbeweis der Inhaberfamilie: Franz Ebster. Josef Ebster, 1779-1833, Anführer der Ziller-taler Freiheitskämpfer, Schützenhaupt-mann von Stumm, kämpfte mit Andreas Hofer 1805-1809 gegen die Bayern und Franzosen. Alois Ebster. Davit Ebster. Hans Ebster. Anton Ebster. Hannes Ebs-ter. Hannes, Jahrgang 1956, wäre gern Profifußballer geworden und hätte wohl auch das Zeug dazu gehabt, aber Tradi-tion verpflichtet eben, in Tirol allemal.

idyllisch: Landgasthof Linde in stumm

gemütlich: Hotel und restaurant

gesund: Bio-garten hinterm Haus

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KULINARISCHE EXKURSION Zillertal

Er absolvierte die Hotelfachschule Villa Blanka in der Landeshauptstadt und übernahm den familiären Hotel- und Restaurationsbetrieb. Statt Wacker Innsbruck also Küche redlich. Hauben- statt Bundesliga. Die österreichischen Gault-Millau-Tester konstatierten: „Der Landgasthof Linde — ein Kleinod, in dem eine behutsame Verbindung von Tradition mit aktuellen Gästeansprü-chen gesucht und gefunden wird.“

In Ebsters Küche wird deutlich, was das heißt. „Wir verwenden ausschließ-lich ehrliche Lebensmittel mit einer nachvollziehbaren Herkunft und der da-mit verbundenen Ethik“, erläutert der Küchenchef und zeigt, was er meint.

...tiroler traditionsgerichte...

auf den tellern...

...und andere alpenlandschmankerl

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Zillertal KULINARISCHE EXKURSION

Gemüse und Kräuter stammen aus dem eigenen Biogarten, das Obst von den Bäumen hinterm Haus. Eier und Fleisch kommen von Höfen aus der Nachbarschaft, Süßwasserfische aus den umliegenden Gewässern, Wildbret aus heimischen Revieren.

Ebster schwärmt von den boden-ständigen Tiroler Grundprodukten, dem Fleisch vom Tuxer Ochsen und dem Innervillgratener Berglamm, den Achensee-Saiblingen, von Heumilch-käse und hausgemachten Marmeladen und vergisst nicht zu erwähnen, dass es immerhin eine Tirolerin war, die das erste österreichische Kochbuch verfass-te: Philippine Welser aus Innsbruck, die

Mitte des 16. Jahrhunderts Gerichte á la tyrolienne hoffähig machte. „Sogar Auguste Escoffier hat unserer Küche mit der Aufnahme der Tiroler Sauce in seinen Kochkunst-Führer ein Denkmal gesetzt“, sagt Ebster noch.

Dann macht er sich in der großen Gasthof-Küche ans Werk. Er serviert Tafelspitzsuppe mit Frittaten (Pfannku-chenstreifen), Bachsaiblingsfilet mit fei-ner Karfiolcreme (Blumenkohlcreme), Schlutzkrapfen (Tiroler Antwort auf die italienische Ravioli) mit Spinat-Ricotta-Fülle, brauner Butter und Par-mesan, das Beste vom Berglamm mit Erdäpfelpaunzen (eine Art Gnocchi, die nach dem Kochen noch gebraten wird),

Hirschkalbsragout, Zwiebelrostbraten und Ebsters berühmte Tiroler Ofenleber mit Wirsinggemüse und Erdäpfelpüree.

Eine astreine Regionalküche, bei der die suggestive Wirkung von Edelproduk-ten entfällt, dadurch das Handwerkli-che besonders klar hervortritt und die Preise maßvoll bleiben.

Übrigens: für viele Brandenburger Gastronomen, die meinen, mit Garne-lenspieß und Tilapia aus der Tiefkühl-truhe ihre Speisenkarte aufpeppen zu müssen, könnte der Landgasthof Linde ein ideales Vorbild sein. „Keine Ent-gleisungen“, sagt Ebster, „wir stehen zu unserer kulinarischen Tradition und Identität.“

freiwillige küchenhilfen: ebsters tanten frieda und Hedwig, re.

abendliche küchenschlacht: schicken, bis der arzt kommt

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Lecker: Linden-vorspeise

Fesch: Linden-Service mit Chefin Christina Ebster, re.

„Charmante Gastlichkeit im Ziller-tal“, heißt es in einer Werbebroschüre über die Linde in Stumm.

Gemeint ist damit wohl in erster Li-nie der Service von Ebsters Frau Chris-tina und ihrer Brigade. Freundlich, ge-winnend, kompetent — vom Frühstück für die Hausgäste über die Versorgung müder Wanderer am Mittag bis zum Feinschmeckermenü am Abend mit ent-sprechendem Weinservice.

Die 45-jährige Christina Ebster hat in Innsbruck ein betriebswirtschaftli-ches Studium absolviert und formuliert dementsprechend: „85 sogenannte Ge-nussregionen stehen derzeit für Regio-nalität und nachvollziehbare Herkunft unserer Produkte und leiten die Gäste durch das kulinarische Österreich. Und das wiederum ist ein wichtiger Wirt-schaftsfaktor für unser Land.“

„Inzwischen habe ich die Lektü-re der Speisenkarte beendet und sehe mit großen Erwartungen dem entgegen, was ich an Essbarem bestellt habe: Zillertaler Krapfen, Zillertaler Ofenleber und Tiroler Lamm mit Bärlauchpesto.

Die Krapfen sind in der Pfanne gebratene, mit Graukäse gefüllte Taschen aus geriebenen Kartof-feln. Ein wunderbarer Einstieg, welcher noch übertroffen wird durch ... die Ofenleber. Das Lamm ist zarter als seine französischen Verwandten, und ich verlasse die „Linde“ in Stumm mit der auf-gefrischten Erkenntnis, dass es ein Leben nach der Haute Cuisine gibt.“

Wolfram Siebeck in: Siebecks Seitenhiebe — Aus dem Leben ei-nes Berufsessers, München 2008

Lauschig: Linden-garten

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KULINARISCHE EXKURSION Zillertal

www.landgasthof-linde.at

LanDgastHOf LinDe

Dorf 2A-6272 Stumm im Zillertal

Tel. 0043 5283 - 22 77

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Zillertal KULINARISCHE EXKURSION

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RUBRIKEN Fuhrmanns Früchtekorb

fuHrManns frücHtekOrBDie erDBirnevOn Dieter fuHrMann

Wenn in Berlin oder Brandenburg ein weißer 7,5-tonnen-kühltranspor-ter mit dem zeichen der kirsche ein Hotel, krankenhaus, eine kantine oder ein restaurant ansteuert, heißt es dort schlicht: fuhrmann kommt.

Dieter fuhrmann, chef des gleichnamigen fruchtgroßhandels und der grand Old Man seines Be-rufsstandes in Berlin, gehört zu den kenntnisreichsten Männern seiner Branche.

Lieber klein, dafür fein — mit die-sem Motto startete er 1977 auf einem charlottenburger Hinterhof ins Obst- und gemüsegeschäft. 1980 umzug auf den fruchthof an der Beusselstra-ße, 1996 eintritt seines sohnes Mar-cus als Juniorchef in die firma, 2007 übernahme einer neuen kühlhalle.

inzwischen beschäftigen die fuhr-männer 28 Mitarbeiter, die mit 18 kühltransportern rund 500 produkte ausliefern, pünktlich, zuverlässig und

in hoher Qualität. für garcon stel-len Dieter und Marcus fuhrmann im Wechsel ihre früchte vor.

Heute: topinambur

„Topi-wie?“ — fragte ich meine Mut-ter als sie das erste Mal — es muss so Ende der 1940 Jahre gewesen sein — eine Knolle mit eigenwilliger Form auf den Tisch brachte.

Der Name klang wie der eines Indi-anerhäuptlings aus meinen Karl-May-Büchern. Dass ich damit gar nicht so falsch lag, erfuhr ich allerdings erst viel später.

Topinambur war für nordamerikani-sche Indianer tatsächlich ein wichtiges Nahrungsmittel.

Anfang des 17. Jahrhunderts wur-de die Pflanze, die übrigens eine Ver-wandte der Sonnenblume ist (in Italien heißt sie beispielsweise „girasole“, was so viel bedeutet wie „der Sonne zuge-wandt“), von Seefahrern nach Europa gebracht. Hier diente ihre Knolle als Gemüse für die menschliche Ernährung und die ganze Pflanze als Futter fürs liebe Vieh.

Mitte des 18. Jahrhunderts wurde sie jedoch nach und nach von der Kar-toffel verdrängt. Ein kurzes Comeback

firmenchef Dieter fuhrmann

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erlebte sie in der Hungerzeit nach dem zweiten Weltkrieg, dann verschwand sie — wie die Steckrübe — fast völlig aus der Küche.

Sehr zu Unrecht, denn Topinambur ist kalorienarm, enthält viel Kalium, Ei-sen und das wichtige B1-Vitamin sowie erhebliche Mengen des Polysaccharids Inulin, weswegen Diabetiker Topinam-bur als Kartoffel-Ersatz schätzen.

Vor einigen Jahren hielt sie wieder Einzug auch in deutsche Küchen, auch in die der Spitzengastronomie.

Feinschmecker schätzen den edlen, fein-nussigen Geschmack der Knolle, der stark an den von Artischocken er-innert.

Die rohe Knolle eignet sich gehobelt oder geraspelt für frische Salate — am besten etwas Zitronensaft hinzugeben, um eine bräunliche Verfärbung an der

Luft zu vermeiden. Das typische nuss-artige Aroma, das beispielsweise in Kombination mit in Butter gebräunten Semmelbröseln noch besser zur Gel-tung kommt, entsteht allerdings erst durch das Garen der Knolle.

Topinambur schmeckt auch als Ge-müseauflauf, als Püree und als Creme-suppe.

Eine wirklich wunderbare Topinam-bursuppe wird übrigens im Kreuzberger Restaurant Figl (www.gasthaus-figl.de) gekocht — sämig, nussig und von leicht angenehmer Süße.

Leider wird sie mit grausigem Trüf-felöl angeboten, aber ein Wort zum Service genügt, und das Öl bleibt in der Flasche. Meine Meinung: wenn schon, dann richtig. Also mit schwarzem Trüf-fel und ein bisschen Trüffel-Jus.www.dieter-fuhrmann.de

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GESCHMACKSSACHEN Hammers Käsebrett

Manuela sporbert und Jürgen Hammer — sie Hotelfachfrau aus dem sächsischen rochlitz, er sommelier

aus Würzburg — lernten sich in der servicebrigade des Drei-sterne-res-taurants von Dieter Müller in Bergisch

gladbach kennen. nach weiteren sta-tionen, u.a. in der Weinbar rutz, er-öffneten sie im november 2007 ein eigenes geschäft in der kreuzberger körtestraße. Hammers Weinkostbar mauserte sich schnell zu einer der ersten Berliner Wein- und feinkost-adressen. Die kulinarischen semina-re von Manuela sporbert und Jürgen Hammer gelten als gleichermaßen lehrreich wie unterhaltsam.

Das stadtmagazin zitty zeichnete die Weinkostbar dafür als „Beste ge-nussschule Berlins“ aus.

im garcon vermitteln die beiden experten Wissenswertes über käse-sorten und deren Besonderheiten, geben tipps für den einkauf und emp-fehlen zum käse passende Weine.

Heute: Banon de Banon

HaMMers kÄseBrettBanOn De BanOnvOn ManueLa spOrBert

Manuela sporbert und Jürgen Hammer

Deutschlands beste Restaurants wetteifern auch mit der Vielfalt ihrer Käseangebote.

Das Bareiss in Baiersbronn-Mitteltal lässt als Spitzenreiter ein Sortiment von 70 Sorten auffahren, auf 60 bringt es das Leipziger Falco. 40 bieten das Aqua in Wolfsburg und die Schwarzwaldstube

in Baiersbronn-Tonbach ihren Gästen. In Berlin offerieren das Fischers Fritz und das Lorenz Adlon immerhin noch 30 Sorten.

Mit ziemlicher Sicherheit dürfte bei einer solchen Tour de Fromage auch ein Banon de Banon vorkommen — erstens, weil er zu den bekanntesten Käsekre-

ationen Frankreichs gehört, zweitens, weil es um ihn so viele Geschichten gibt und drittens, weil sein Geschmack ein-fach einzigartig ist.

Der Banon de Banon stammt aus ei-nem Ort mit gleichem Namen. Vor ei-nigen Jahren fuhren wir während eines Provence-Urlaubs auch nach Banon.

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Sollte es so etwas wie einen Wettbe-werb um das schönste Dorf Frankreichs geben, Banon hätte gute Chancen auf einen Platz weit vorn. Mittelalterliche Gassen, hübsche Häuser mit typisch provenzalischem Charme, umgeben von weiten Lavendelfeldern — das ist Banon.

An der Route de Carniol, am Orts-rand, befindet sich die Fromagerie de Banon, eine mittelständische Käserei, in der die Käsespezialität handwerklich hergestellt wird.

Grundlage ist eine besonders gehalt-volle Milch, die natürlich aus der Regi-on kommt und von Ziegen der Rassen Alpines chamoisées, Saanen blanches, Communes und Roves stammt, die übri-gens nicht mit Silage gefüttert werden dürfen.

Rund 3.000 Liter Milch von 18 Produ-zenten werden täglich geliefert, pin-gelig kontrolliert, auf 30 Grad Celsius erwärmt, mit Labferment angereichert und zum Gerinnen in große Becken ge-lagert.

Dann wird der sogenannte Bruch in Formen geschöpft, die Molke kann abtropfen. Von Hand gesalzen, verab-schieden die Käser den noch weichen Teig vier bis sechs Tage zum Reifen in die Trockenkammer.

Seine endgültige Aufmachung er-hält der Banon de Banon anschließend

durch im Herbst in den Wäldern der Corrèze gesammelte Kastanienblätter. Sie werden gekocht, in Essigwasser ein-geweicht und dann um die kleinen Käse gewickelt. Das ist nicht nur eine uralte Konservierungsmethode, die Gerbstof-fe der Blätter verleihen dem Banon auch seine besondere Geschmacksnote.

Nach nochmaliger Reifung bekommt er sein Qualitätssiegel. Als Faustregel gilt: je jünger der Banon ist, desto mil-der und nussiger schmeckt er. Bei län-ger gereiftem Käse wird das Aroma im-mer stärker, vollmundiger und pikanter.

Die Franzosen empfehlen zu ihrer provenzalischen Käsespezialität natür-lich einen Wein aus der gleichen Ge-gend, einen trockenen Weißwein, einen Coteaux du Ventoux rosé oder, zum länger gereiften, würzigen Banon, auch einen roten Coteaux du Ventoux.

Gegenvorschlag: warum nicht mal ei-nen Madeira — beispielsweise von der Madeira Wine Company im portugiesi-schen Funchal, fünf Jahre im Eichenfass gereift. Frankreich und Portugal, das passt doch, finden wir.

105 GARÇON

www.hammers-wein.de

HaMMers WeinkOstBar

Körtestraße 2010967 Berlin-KreuzbergTel. 030 - 69 81 86 77

Hammers Käsebrett GESCHMACKSSACHEN

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1892 gründeten die aus der Nähe von Karlsruhe stammenden Brüder August und Carl Aschinger in Berlin ihre erste Stehbierhalle, weitere folgten schnell. Bereits sechs Jahre später betrieb Aschinger 23 sogenannte Bierquellen,

gastrOQuiz

Ihre Antwort bitte an:Bildart Media verlag gmbH redaktion garÇOnMarzahner promenade 2612679 Berline-Mail: [email protected] Gewinne, drei Kochbücher, wer-den unter den Teilnehmern verlost, die unsere Frage richtig beantwortet haben. Der Rechtsweg ist ausgeschlos-sen. Einsendeschluss ist der 18. April 2011. Die Gewinne werden von der Re-daktion per Post zugesandt.

15 Konditoreien sowie 8 Restaurants und war damit der größte Gastronomie-betrieb Europas. Gekocht wurde in ei-ner Zentralküche, über deren Leistung zeitgenössische Quellen zum Beispiel folgendes berichten:

Wir wollen heute wissen, wo sich Ber-lins damals größte Küche befand:

a in friedrichshain

B in kreuzberg

c in prenzlauer Berg

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HERAUSGEBERBild Art Media Verlag GmbHMarzahner Promenade 26, 12679 BerlinFon 0 30 - 28 86 79 70Fax 0 30 - 28 86 79 [email protected]/garcon24

REDAKTIONYvonne Weinlich (V.i.S.d.P.),Jörg Teuscher, Hans-Jürgen Bergs, Heiko Gralki, Claudia Lerch, Marc Steyer, Anna Weber, Nadja Kohlhagen (Praktikantin)

AUTOREN DIESER AUSGABEDieter Fuhrmann, Ralf Hiener, Shoko Kono, Andreas Langholz, Brit Lippold, Renate Peiler, Wolfgang Schuhmacher

GRAFIK & LAYOUTMaik Kleinhanns/davin-cwww.davin-c.de

TITELKarin Baetzwww.karindrawings.de

FOTOSHeiko Gralki, Jörg Teuscher, Christoph A. Puszkar,Rational GmbH, Massimo Mannozzi privat, Archiv Thorsten Tomski, Archiv GarconWir bedanken uns bei Katja Wagner (mancherleigrün GbR) und Veronika Polak (Lietzenburg Restauration KG) für ihre Hilfe.

ANZEIGEN Yvonne Weinlich, Henriette Jü[email protected]

BEZUGSHINWEISEZu beziehen in Zeitschriftenhandlungen oder im Abonnement über den Verlag. Einzelheftbestellung: Jedes Heft kostet 6,00 € zuzüglich 1,80 € Versand- und Bearbeitungskosten pro Sendung. Bezahlung nach Erhalt der Rechnung oder im Lastschrifteinzugs-verfahren.

Diese Zeitschrift und alle in ihr enthaltenen Beiträge und Abbil-dungen sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung be-darf der Zustimmung des Verlages. Für unverlangt eingesandte Manuskripte, Unterlagen und Fotos wird keine Haftung über-nommen. Über die Verwendung der Materialien entscheidet die Redaktion. Eine Rückantwort ist nicht vorgesehen, wenn nicht individuelle Absprachen dem entgegen stehen. Aufnahme in Online-Dienste, Internet und Vervielfältigung auf Datenträgern nur nach schriftlicher Bestätigung des Verlages.

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