Gefangenen Info #365

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  • 7/31/2019 Gefangenen Info #365

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    gefangenen infounsere solidaritt gegen ihre repression

    november/dezember 2011 nr. 365 preis brd: 2 preis ausland: 2,70 www.gefangenen.info

    Interview mit Azadi zur Repres-sion gegen kurdische AktivistInnen

    Freiheit fr Christian und Sonja! Griechenland: Zum Prozessgegen Revolutionrer Kampf

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    Liebe Leserinnen und Leser,

    durch die Versptung der letzten Ausgabe(n) hat sich leider auch dieseAusgabe etwas verschoben und wird daher auch das letzte GefangenenInfo fr 2011 sein. Es gibt verschiedene Grnde fr die Verzgerungen. DasWesentlichste sind dabei wohl die Finanzsorgen - mit denen wohl jedeslinke Projekt zu kmpfen hat. Wir sehen uns vor der Problemstellung, dasseinerseits der Fortbestand der Zeitung gesichert werden muss, die Gefan-genen weiterhin kostenlos die Mglichkeit haben das Info zu bekommenund gleichzeitig der Preis erschwinglich bleibt. Auch nach mittlerweile 3vollen Jahren, in denen wir das Gefangenen Info verffentlichen, haben wirnoch immer nicht die perfekte Lsung dafr gefunden.Ihr knnt euch aber sicher sein: Wir werden 2012 unser Mglichstes daransetzen unseren Zeitplan einzuhalten und es euch mglich machen alle 6Wochen ein neues GI in den Hnden zu halten.

    Nun zur aktuellen Ausgabe:

    Den Schwerpunkt dieser Ausgabe behandelt den staatlichen und instituti-

    onellen Rassismus in der BRD. Im Feuilleton geben wir einige Filmtipps undweiterfhrende Links.Im Sinne der Solidaritt mit den Verfolgten, den Illegalisierten, den Ausge-beuteten und Unterdrckten wollen wir diese Problematik im Kontext derkapitalistischen Repressionsmaschinerie beleuchten. Dabei ist es unserAnliegen in einen Austausch ber diese Thematik zu kommen, um unsereSolidaritt praktisch werden zu lassen und auf die Strae tragen zuknnen. Daher: Mischt euch in die Diskussion ein!

    Im Inland-Teil findet ihr ein Interview ber die Repression mit Hilfe des129b gegen kurdische Strukturen und die neue Qualitt der Repression,die dieser Schritt darstellt. Bereits jetzt luft ein 129b-Prozess gegen einenkurdischen Aktivisten und zwei weitere sind in Vorbereitung.

    Wie bereits im Vorwort der letzten Ausgabe erwhnt wurde Faruk Ererenzu einer lebenslnglichen Haftstrafe verurteilt. Dazu haben wir auf Seite 8einen lngeren Artikel verfasst. Auch an dieser Stelle nochmals: Faruk freutsich ber Post.

    Im Internationalen Teil sei insbesondere auf den Artikel zu den palstinen-sischen Gefangenen hingewiesen, wie auch auf den Artikel zu der Stadt-guerilla Revolutionrer Kampf aus Griechenland, deren Prozess uns wohlnoch einige Zeit beschftigen wird.

    Aus Platzgrnden haben wir die Briefe in dieser Aufgabe auf 2 Seitengekrzt.

    Wir wnschen euch und uns ein erfolgreiches Ende von 2011 und einenguten Start ins Jahr 2012.

    Die Redaktion

    Das Gefangenen Info ist aus dem Angehrigen Info hervorgegangen, welches im Hungerstreik der politischen Gefangenen 1989 als Hungerstreik Info entstand.HerausgeberInnen: Netzwerk Freiheit fr alle politischen Gefangenen und FreundInnen.V.i.S.d.P.: Wolfgang Lettow c/o Gefangenen Info, c/o Soziales Zentrum, Alexander-Puschkin-Str. 20, 39108 MagdeburgNichtredaktionelle Texte spiegeln nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wider. Beitrge der Redaktion sind entsprechend gekennzeichnet.Bestellungen (Inland): Einzelpreis: 2. Ein Jahresabonnement kostet 25,20 (Frderabo 28,00), Buchlden, Infolden und sonstige Weiterverkufer erhalten bei Bestel -lungen ab 3 Stck 30% Rabatt. Bei Bestellungen erhalten Sie eine Rechnung, die anschlieend auf das Konto des Gefangenen Info zu berweisen ist.Bestellungen (Ausland): Einzelpreis: 2,70. Ein Jahresabonnement kostet 28,40 (Frderabo 31,20), Buchlden, Infolden und sonstige Weiterverkufer erhalten bei

    Bestellungen ab 3 Stck 30% Rabatt. Bei Bestellungen erhalten Sie eine Rechnung, die anschlieend auf das Konto des Gefangenen Info zu berweisen ist.Anschrift: Gefangenen Info, c/o Soziales Zentrum, Alexander-Puschkin-Str. 20, 39108 MagdeburgRedaktion: [email protected], Vertrieb: [email protected]: Gefangenen Info, Konto-Nr.10382200, Bankleitzahl: 20010020, Postbank HamburgEigentumsvorbehalt: Nach diesem Eigentumsvorbehalt ist die Zeitung solange Eigentum der/des AbsenderIn, bis es den Gefangenen ausgehndigt worden ist. Zur-Habe-Nahme ist keine Aushndigung im Sinne des Vorbehalts. Wird das Info den Gefangenen nicht persnlich ausgehndigt, ist es der/dem AbsenderIn mit dem Grundder Nichtaushndigung zurckzuschicken.

    e-mail: [email protected] homepage: www.gefangenen.info

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    vorwort inhalt dieser ausgabe

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    Schwerpunkt

    Kampf dem staatlichen und institutio-nellen Rassismus!

    Inland

    Interview mit Azadi zur Repressiongegen KurdInnen.

    Lebenslnglich fr Faruk Ereren

    Freiheit fr Chris!

    Gegen die Kriminalisierungmilitanter Politik!Freiheit fr Christian und Sonja!

    Freiheit fr Tobias /Hausdurchsuchungen in Stuttgart

    International

    Zum Prozess gegen die GruppeRevolutionrer Kampf [Griechenland]

    Strafminderung durch Arbeit inSpanien

    Zur Situation der palstinensischenGefangenen

    Aktuelle Situation von LeonardPeltier / Spanien: Knstler PabloHasl verhaftet

    Cuban 5: Das Leben von Rne Gon-zles ist in Gefahr /Zum Hungerstreik in Pelican Bay,Kalifornien

    Gefangene

    Briefe von Andre Moussa Schmitz, Tho-mas Meyer-Falk, Gnther Finneisen &Werner Braeuner

    Briefe von Faruk Ereren, Nurhan Erdemund eine Buchbesprechung von ThomasMeyer-Falk

    Feuilleton

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    Wenn ich frei bin, kann ich arbeiten.

    Ich HABE gearbeitet, ich habe Steuern

    bezahlt - ich kann Ihnen die Telefon-

    nummer der Firma geben. Ich habe zumWohlstand Deutschlands beigetragen!

    Warum knnen sie mir nicht meine Frei-

    heit geben? Warum bringen sie mich in

    eine Zelle mit all dem Stress? Hier ist es

    wie im Knast! (Flchtling aus dem Aus-

    reisezentrum Braunschweig Projekt X)

    So oder so hnlich ergeht es tausendenFlchtlingen, die Tag fr Tag in den Ab-schiebeknsten Deutschlands auf ihre Ab-schiebung warten. Dieser Beitrag soll dasThema Abschiebeknast nher beleuchtenund genauer auf die konkreten Haftbedin-gungen vieler Flchtlinge hier in Deutsch-land eingehen.Beginnen mchten wir mit der Frage, wa-rum eigentlich so viele Menschen in sol-chen menschenunwrdigen Verhltnissenleben mssen.Wirtschaftliche Not, Kriege, Umweltzerst-rungen und Verarmung sind die hugstenUrsachen dafr, dass Menschen aus ihrenHeimatlndern iehen und in Europa einneues Zuhause suchen.Dieses neue Zuhause ist fr die meistenMigrantInnen die Verlngerung der Hlle,

    aus der sie kommen. Statt Schutz und bes-

    seren Lebensbedingungen bietet Europaden Flchtlingen abgeschottete Grenzen,Massengrber im Mittelmeer, Illegalitt,Lager, Misshandlungen, Abschiebehaft, einmenschenunwrdiges berleben.Ziel der rassistischen Flchtlingspolitik derHerrschenden ist es, die Zuwanderung indie imperialistischen Staaten zu steuernund nur mglichst protable Menschen insgelobte Land zu lassen. Diejenigen, die inden Augen der kapitalistischen Machthaberunprotabel sind, nehmen gefhrliche undoft tdliche Wege auf sich, um nach Eur-

    opa zu kommen - einem Kontinent, unterdem sich ein Leben in Schutz und Wrdeerhofft wird. Durch die sogenannte Globa-lisierung, sprich der weltweiten imperialis-tischen Machtausdehnung, wird der Welt-markt zum alles bestimmenden Kriterium,

    und die weltweiten Konzerne suchen sichdie besten Mglichkeiten aus, in welchenLndern sie ihre Gewinne erzielen - ab-

    hngig von den gnstigsten Arbeitskrftenund den billigsten Rohstoffen. IWF undWeltbank sind, neben den vielen imperialis-tischen Kriegen, die entscheidenden Instru-mente zur Durchsetzung imperialer Politikin den jeweiligen Entwicklungslndern. Die

    Aufgabe besteht darin durch ihre Politik dieEntwicklungslnder fr auslndische Inve-storen und deren rein spekulativen Interes-sen zu ffnen. Die Folgen fr die Menschenvor Ort sind verheerend. Jegliche Lebens-grundlage wird ihnen entzogen. Zum Bei-spiel werden Felder, auf denen BuerInnenbislang Grundnahrungsmittel fr die Familieangebaut haben, fr die Kaffee- und Kaka-oproduktion umfunktioniert. Die Folgen sindHunger, Landucht und Emigration, undwas Menschen dann zu sehen bekommen,wenn sie nach Europa iehen, hat nichtsmit Freiheit und Schutz zu tun, sondern istreinste Demtigung und Verachtung. DieFestung Europa ist integraler Bestandteilder rassistischen Abschiebepolitik und istdafr verantwortlich, dass in den letzten 20Jahren ofziell 15.000 Menschen an den

    Auengrenzen Europas gestorben sind.Hinter dieser Festung stehen Namen. So

    wurde 2004 von Lndern der europischenUnion die Grenzschutzagentur Frontexins Leben gerufen, deren Aufgabe es ist dieSeegrenze zum Mittelmeer zu berwachen.Doch die Prioritt liegt darauf, die kleinen,oft berfllten Boote bereits auf dem Meerabzufangen, um die Flchtlinge zurcknach Marokko, Tunesien und in andereLnder zu bringen. Bei diesen Rckfh-rungen kommt es oft zu Misshandlungenund die vllig hilosen, oft unterernhrtenMenschen werden regelmig einfachohne Verpegung in der Wste abgesetzt.

    Anfang Oktober bertrug das EU-Parlament

    Frontex noch mehr Befugnisse. Die Agenturkann nun eigene Ausrstungen (Schiffe derMarine und Kstenwache, Hubschrauber,Flugzeuge, Waffen etc.) kaufen oder lea-sen, zudem wurde ihr Budget auf ber 100Millionen Euro erhht.

    Frontex, bewusst als Agentur und nichtals Behrde gegrndet, koordiniert Einst-ze multinationaler Einheiten verschiedener

    Einrichtungen und Organisationen gegenFlchtlinge und ist keinem Ministeriumunterstellt oder dem EU-Parlament gegen-ber rechenschaftspichtig. Frontex mussals militrische Einsatzzentrale zur (milit-rischen) Abwehr von Flchtlingen betrach-tet werden, welche von einem nnischenBrigadegeneral und mit permanenter in-formeller Untersttzung der NATO (Aufkl-rungssatelliten) und Geheimdienste gefhrtwird.Frontex ist dabei nur der militrische Armeiner menschenverachtenden Abschiebe-maschinerie. Die europischen Staatenversuchen alles, um die Flchtlinge wiederzurck zu fhren zumindest die, die nichtmehr gebraucht werden.

    Abschiebung ist Folter und Mord - diegesetzlichen Grundlagen

    Der Begriff Abschiebehaft spricht in der

    Verbindung von Abschiebung und Haftfr sich. Denn allein zur Ermglichung derAbschiebung von nicht aufenthaltsberech-tigten Flchtlingen und MigrantInnen nimmtman ihnen die Freiheit. In der Logik von

    Auslnderbehrden, HaftrichterInnen und

    november/dezember 2011 gefangenen info 3

    seite 3 schwerpunkt inland international dossier gefangene feuilleton kurzmeldungen

    Kampf dem staatlichen und institutionellen Rassismus!www.political-prisoners.net

    Abschiebungen 2010:Quelle: Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine

    Anfrage

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    Polizei sind abgelehnte AsylbewerberInnen,aussortierte ArbeitsmigrantInnen oder ehe-mals geduldete Brgerkriegschtlinge nureins: potentielle Illegale, die sich vermut-lich der Abschiebung entziehen wollen.Was aus behrdlicher Sicht ein Akt der Ver-waltung ist, ist fr die betroffenen Menschenfatal: Der Freiheitsentzug ist fr sie nichtnachvollziehbar. Sie erleben ihn als Ein-schchterungsversuch und als Bestrafungfr ihr bloes Dasein. An ihrer Abschiebungin das Land, das sie aus Not verlieen, sol-len sie unter Haftbedingungen mitwirken.(http://www.abschiebehaft.de/aktion/k238.htm)

    Die Abschiebehaft ist keine Strafhaft, son-dern eine Verwaltungsmanahme, die alleinder Durchsetzung der Ausreisepicht dient.

    Als ausreisepichtig gilt, wer die erforder-liche Aufenthaltsgenehmigung nicht (mehr)besitzt. Wird befrchtet, dass MigrantInnenihrer Verpichtung zur Ausreise nicht nach-kommen, drfen sie nach 58 AufenthGzwangsweise abgeschoben werden. Werdann ohne gltige Aufenthaltspapiere auf-gegriffen wird, kommt in Gewahrsam undmuss bis 24 Uhr des Folgetages einemHaftrichter vorgefhrt werden.

    Die Auslnderbehrde bereitet dafr denHaftantrag vor, nennt Grnde nach 57Aus-lG und der/die RichterIn ist verpichtet,diese dann zu prfen, wobei in der Regeldie Argumentation der Auslnderbehrdebernommen wird. Um anwaltliche Unter-

    sttzung muss sich jeder Hftling selbstkmmern und bezahlen, denn ihnen wirdnicht, wie im Falle von strafrechtlichen An-gelegenheiten, ein Pichtverteidiger bei-geordnet. So bleiben viele ohne Beratung,ohne Rechtsvertretung, ohne Kontakt nachdrauen.

    Es werden zwei Arten von Abschiebehaftunterschieden. Die Vorbereitungshaft (biszu 6 Wochen) und die Sicherungshaft(biszu anderthalb Jahren). Die Grnde hierfrsind vielfltig: die vorliegende Ausreise-picht, ein bereits erfolgtes Untertauchen,

    der bereits erfolgte Versuch oder der be-grndete Verdacht, sich der Abschiebungzu entziehen. Untermauert wird dieser be-grndete Verdacht durch pauschale Fest-stellungen, wie es liege kein fester Wohnsitzvor oder es bestnde offensichtlich nicht die

    Absicht freiwillig auszureisen. In der Praxisordnen die HaftrichterInnen die Abschiebe-haft regelmig fr die Dauer von bis zu 3Monaten an und verlngern sie wenn ntig.Um weitere 12 Monate kann sich die Haftverlngern in Fllen, in denen der Aus-lnder seine Abschiebung verhindert (57

    Abs. 3). Hug wird den Hftlingen zur Last

    gelegt, ihrer Mitwirkungspicht nicht nach-gekommen zu sein, z.B. wenn sie bei derBeschaffung eines Pass(ersatzpapieres)die Unterschrift oder Angaben verweigern.

    Die Haft wird auch angeordnet, wenn klarist, dass die Botschaften der jeweiligen Ln-der fr die notwendigen Schritte der Identi-ttsfeststellung viele Monate Zeit brauchenwerden. Da auch Personen inhaftiert wer-den, bei denen von vornherein feststeht,dass die geplante Abschiebung kaum durch-fhrbar sein wird - zum Beispiel aufgrundvon Passlosigkeit, mangelnder Kooperationder Botschaften oder brokratischen Wirr-nissen im Heimatland - kommt es regelm-ig zu Entlassungen nach einer Haft von3 bis 12 Monaten. Der illegale Aufenthaltwird auf diesem Wege ohne Strafverfahrenbestraft. Die Haft dient gleichzeitig auchals Beugehaft, um die Betroffenen dazuzu bewegen sich doch noch fr ihre eige-ne Abschiebung einzusetzen oder freiwil-lig auszureisen. So knnen Menschen frdas Vergehen, sich in Deutschland ohnegltige Aufenthaltspapiere aufgehalten zuhaben, im Extremfall bis zu 18 Monaten in

    Abschiebehaft verbringen.

    Die Realitt in den AbschiebegefngnissenIch wei nicht aus welchem Grund ich24 Stunden immer in einer Zelle ver-bringen muss, ohne dass ich eine Straf-tat begangen habe. 24 Stunden seit 8Monaten in einer Zelle mit gepanzerterTr. (aus dem Brief eines Hftlings des

    Abschiebegefngnisses Ingelheim)

    Die Haftbedingungen in den verschiedenenBundeslndern sind sehr unterschiedlich.Inzwischen haben sich drei Modelle der Un-

    terbringung von Abschiebehaftgefangenenherausgebildet. Einige Bundeslnder ha-ben eigene Abschiebehafteinrichtungen,andere bringen die Hftlinge in den norma-len Justizvollzugsanstalten unter und einigehaben spezielle Abschiebeabteilungen inJVAs eingerichtet. Von der Art der Unter-bringung hngt weitgehend die tatschlicheLebenssituation der Betroffenen ab.

    Die Gefangenen werden entlassen, wennkein neuer Haftantrag durch die Auslnder-behrde gestellt wird. Wird einem erneuten

    Antrag bei der Anhrung nicht stattgege-

    ben, da der / die RichterIn annimmt, dassdie Abschiebung nicht in absehbarer Zeitdurchgefhrt werden kann und / oder dieHaftdauer unverhltnismig wird, erfolgtebenfalls eine Entlassung. Theoretischknnen auch die Haftgrnde entfallen, z.B.durch Heirat oder Haftunfhigkeit (Hunger-streik oder schwere Krankheit) und Gefan-gene knnen von der Haftleitung freigelas-sen werden.

    Bundesweit werden zwischen 60 und 80%aller Abschiebehftlinge tatschlich auchabgeschoben. Diese Zahl beruht auf Scht-

    zungen, da ofzielle Angaben unvollstndigsind. Entsprechend schwer ist demnachauch festzustellen, wie viele der Freigelas-senen eine Duldung erhalten und wie vieleeinfach in die Illegalitt entlassen werden.

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    Die meisten Hftlinge sind zum erstenMal im Gefngnis und stehen anfangsunter Schock. Viele haben Angst vor der

    Abschiebung in ihr Herkunftsland. Dashilose Warten auf eine bedrohliche, viel-leicht lebensgefhrliche Zukunft wird zurFolter. Der Freiheitsentzug, die Rechtlo-sigkeit, die Behandlung durch die Beamtenund die Ungewissheit fhren bei vielen zu

    einer extremen Anspannung mit gravie-renden Folgen: Kopfschmerzen, Konzen-trationsschwierigkeiten, Schwindelgefhle,

    Alptrume, Schlaosigkeit, Apathie, Appe-titlosigkeit, Angstzustnde, Wut, Trauer,Hilosigkeit, Verzweiung. Mit den psycho-somatischen Sptfolgen ihrer Inhaftierunghaben viele Abschiebehftlinge noch nachihrer Entlassung zu kmpfen.Depressionen, Selbstverletzungen, Suizid-gedanken und -versuche sind in Abschie-behaft an der Tagesordnung.Jhrlich treten etwa 400 Menschen ausProtest gegen ihre Inhaftierung in einen

    Hungerstreik von durchschnittlich 14 Ta-gen.

    Fr Abschiebehftlinge in Berlin gibt eslediglich einmal am Tag eine Stunde Hof-gang. Daher sitzen sie in ihren engenZellen mit vier Doppelstockbetten, einbe-tonierten Tischen und ohne jegliche Pri-vatsphre und warten auf ihr ungewissesSchicksal. Alle Fenster sind auen vergit-tert und zustzlich mit raumhohen Innengit-tern ausgestattet. Bei den verschiedenstenBedrfnissen (z.B. heies Wasser fr Tee,Fenster ffnen, Lautstrkeregelung desFernsehers) mssen sich die Hftlinge anihre Bewacher wenden. Geld und Besitzwird den Gefangenen bei der Inhaftierungweggenommen und mit den Haftkostenverrechnet (ca. 50 pro Tag).Immer wieder werden seitens der HftlingeSchikanen, verbale und krperliche Miss-handlungen und Vergewaltigungen be-klagt. Nur wenige lassen sich nachweisen,nur selten werden verantwortliche Beamteund Schlieer zur Rechenschaft gezogen.Viele werden verhaftet, ohne dass sie dieMglichkeit haben ihre Habe mitzuneh-

    men. Die Auslnderbehrden sind ver-

    pichtet dafr zu sorgen, dass Hftlinge anihre Habe kommen. Dieser Picht kommensie nur sehr zgerlich nach, sie verweisenauf Personalknappheit und sind nur seltenbereit ttig zu werden. Andererseits wei-gern sich auch Haftanstalten privaten Be-sitz, der ihnen von der Auslnderbehrdeberbracht wird, anzunehmen, mit demVerweis auf geringe Platzkapazitten. Dasmeist geringe persnliche Eigentum derGefangenen - darunter manchmal auchpersnlich wichtige Dinge wie Fotoalben,Halsketten usw. - werden gering geachtet.

    Manche Gefangene wurden in Sommer-kleidung festgenommen und mussten imWinter im T-Shirt und Jogginghose zumHofgang, wenn ihnen Mitgefangene keineKleidung liehen. Prinzipiell sollen die Haft-anstalten Gefngniskleidung bereitstellen.

    Dem kamen einige erstnach verschiedenen In-terventionen nach. Sowurden in der Vergan-genheit auch Gefange-ne in dnner Sommer-kleidung im Winter indie GUS (GemeinschaftUnabhngiger Staaten)

    oder nach Rumnienabgeschoben.Der Groteil der Gefan-genen sind Mnner zwi-schen 20 und 40 Jah-ren. Der Frauenanteilbetrgt um die 5 %. Un-ter den in Deutschlandankommenden Flcht-lingen berwiegt der

    Anteil der Mnner stark.Hinzu kommt, dass manbei Familien gelegent-

    lich darauf verzichtet,alle Familienmitgliederin Haft zu nehmen undsich auf ein Elternteilbeschrnkt.

    Zur Situation derFrauen und Kinder

    Viele der in Abschie-behaft einsitzendenFrauen kommen aus der(Zwangs-) Prostitution.Die meisten Frauen sind

    jung, zwischen 18 und28 Jahren alt, viele von ihnen bentigenpsychotherapeutische Behandlung, da sieoft von sexueller, krperlicher, psychischerund rassistischer Gewalt betroffen waren.Um auch Minderjhrige inhaftieren zuknnen, hat Deutschland die UN-Kinder-rechtskonvention 1992 nur mit Vorbehaltunterschrieben und ratiziert, so dass esgesetzlich mglich ist Jugendliche ab 14Jahre in Abschiebehaft zu nehmen. Alleinzwischen 2005 und 2007 wurden knapp400 Minderjhrige inhaftiert (wobei 5 Bun-

    deslnder fehlen, da sie keine Auskunfterteilten). Es kommt vor, dass Kinder un-begleitet von Erwachsenen abgeschobenwerden oder dass Kindern ihre Eltern ent-rissen werden, weil diese kein Aufenthalts-recht bekommen haben.

    Abschiebehftlinge sind nicht wie Strafge-fangene zur Arbeit verpichtet. Manchmalhaben auch die Inhaftierten selbst keinInteresse an einer Arbeit, weil sie keinenSinn darin sehen, durch Erwerbsttigkeitihre Abschiebungskosten zu nanzieren.Gefangene, die ein gewisses Geldpolster

    ihr Eigen nennen, mssen selbst die Ko-sten fr die Abschiebung (Verwaltungs-und Haftkosten) bernehmen.

    Abschiebeknste zu Baulcken - Wider-stand organisieren!

    Immer wieder setzen sich die betroffenenMigrantInnen zur Wehr, ob als einzelnesIndividuum oder in kollektiven gefhrtenKmpfen wie beispielsweise in einem Hun-gerstreik. Wir als radikale/revolutionre Lin-ke mssen diese Kmpfe untersttzen unddrfen nicht weiter zu sehen, wenn Men-schen wie Tiere behandelt werden und inaller Welt abgeschoben werden. Wir habenalle das Recht auf Leben und dort zu leben,

    wo wir leben wollen. Wir solidarisieren unsmit den Verfolgten, den Illegalisierten, den

    Ausgebeuteten und Unterdrckten.

    In diesem Sinne:

    Kampf der kapitalistischen Repressi-onsmaschinerie!Solidaritt aufbauen - drinnen und drau-en!Fr freies Fluten!

    Filmempfehlungen und weiterfhrendeLinks ndet ihr auf Seite 19.

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    Am 17. Juli 2011 hat die Bundesanwaltschaft(BAW) Ridvan . auf dem Dsseldorfer Flugha-

    fen und Mehmet A. in Freiburg durch Beamte desBKA bzw. der Bundespolizei festnehmen lassen.Sie werden mittels des 129b beschuldigt, Mit-glieder in der illegalisierten Arbeiterpartei Kurdi-stans PKK zu sein. Aus diesem Grund habenwir ein schriftliches Interview mit AZAD e.V., demRechtshilfefonds fr Kurdinnen und Kurden inDeutschland gefhrt.

    Was genau wird den beiden vorgeworfen?

    Tatschlich werden sie der Mitgliedschaft in einerauslndischen terroristischen Vereinigung ver-dchtigt, was fr die Beiden eine Anklage nach 129 b Abs. 1 i.V.m. 129 a Abs. 1 StGB be -

    deutet. Ridvan . soll in Deutschland die Jugend-organisation der PKK, Komalen Ciwan (KC), seitMrz 2010 geleitet haben und Mehmet A. wirdvorgeworfen, seit Januar 2010 als hochrangigerJugendkader in Deutschland und Frankreich ak-tiv gewesen zu sein. Beide sollen an der Rekru-tierung von Jugendlichen fr den Guerillakampfder PKK mitgewirkt bzw. fr eine Kaderttigkeitder Vereinigung in Europa geworben haben.Ferner bezichtigt sie die BAW der Organisierungvon Kultur- und Sportveranstaltungen, sowie derBeschaffung von Ausweispapieren fr grenz-berschreitende Reisen und deren Finanzierung.Dies alles wird, um sie nach dem im Jahre 2002eingefhrten 129b strafverfolgen zu knnen, ineinen auslndischen Zusammenhang gebracht.Sie werden quasi automatisch durch ihre mut-maliche Mitgliedschaft fr alle Aktivitten mit-verantwortlich gemacht, die die PKK und ihreVerbnde in den kurdischen Siedlungsgebietender Trkei, im Iran, Irak oder in Syrien entwi-ckeln oder durchfhren Attentate, Brand- oderSprengstoffanschlge -, unabhngig davon, obdie PKK tatschlich fr solche Aktionen verant-wortlich waren oder nicht.

    Ich muss an dieser Stelle ber eine dritte Verhaf-tung nach 129b berichten. Es handelt sich umden 48jhrigen Ali Ihsan K. der am 12. Oktober

    in Hamburg festgenommen worden ist. Ihm wirdvorgeworfen, sich als Mitglied der PKK von Mai2007 bis April 2008 als Kader im Gebiet Hamburgbettigt zu haben und in dieser Funktion Auftrgeund Weisungen an ihm untergeordnete Kader er-teilt zu haben.

    Auerdem bendet sich Metin A. aufgrund einesErsuchens der BRD in der Schweiz in Ausliefe-

    rungshaft. Die deutschen Strafverfolgungsbe-

    hrden beschuldigen ihn, als Kader der PKK-Ju-gendorganisation der Vorgesetzte von Ridvan. und Mehmet A. gewesen zu sein.ber die Auslieferung hat das zustndige schwei-zer Gericht bislang noch nicht entschieden.

    Seit wann sitzen sie in Untersuchungshaft

    und wie sind ihre Haftbedingungen?

    Ridvan . wurde einen Tag nach der Festnahmevom Ermittlungsrichter des Amtsgerichts Dssel-dorf der Haftbefehl erffnet. Gleiches geschah mitMehmet A. Bei ihm war es der Ermittlungsrichterdes Bundesgerichtshofs (BGH). Seit dem 18. Juli

    benden sich nun beide in Untersuchungshaft.Der Verteidiger von Ridvan . hat halbwegs ak-zeptable Haftbedingungen erreichen knnen.Ali Ihsan K. ist seit dem 13. Oktober in U-Haft.

    Im November 1993 wurde die Bettigung der

    PKK vom damaligen CDU-Bundesinnenmi-

    nister Kanther verboten und Zehntausende

    KurdInnen wurden ber Nacht kriminalisiert.

    Es folgten massive Repressionsschlge, an-

    gefangen von Hausdurchsuchungen, ber

    Vereinsschlieungen bis zu Hunderten von

    Anklagen und Verurteilungen zu mehrjh-

    rigen Haftstrafen gegen kurdische Aktivi-

    stInnen.

    Die Anwendung des 129b gegen kurdische

    Strukturen ist in der BRD dagegen neu. Bis-her wurden ausschlielich vermeintliche

    Mitglieder der DHKP-C oder der tamilischen

    LTTE mittels dieses Paragraphen kriminali-

    siert. Die beiden Verhafteten sind damit, ne-

    ben dem seit dem 23. August vor dem OLG

    Frankfurt/M. laufenden 129b-Prozess gegen

    Vakuf M., die ersten Gefangenen, die mithilfe

    des 129b belangt werden sollen.

    Woher kommt eurer Einschtzung nach die-

    se neue Qualitt der Angriffe auf kurdischeStrukturen?

    Welche Interessen stehen dahinter?

    Als erstes: Die so genannte kurdische Frage istsehr komplex, kompliziert und hat sowohl eineinnen- als auch auenpolitische Komponen-te. Generell kann gesagt werden, dass es dem

    Staat darum geht, jeder eigenstndigen linkenoder revolutionren hier: auslndischen Be-

    wegung/Organisation den Garaus zu machen.Man wnscht Grabesruhe im Inneren und willsich nicht mit Konikten auseinandersetzen, de-ren politische Ursachen in den Herkunftslndernliegen, mit denen wiederum lange gepegte Wirt-schaftsbeziehungen und Militrkooperationenungestrt bleiben sollen. Weil das so ist, werdendiese Bewegungen und ihre Anhnger_innenmit den Mitteln des Polizei-, Verwaltungs- undStrafrechts verfolgt. Der verlngerte Arm ist dieso genannte EU-Terrorliste, auf die jeder Staatin einem intransparenten, mithin undemokra-tischen, Verfahren seine missliebige Organisa-tion oder Person indizieren lassen kann.

    Mit der Entscheidung zur Anwendung des 129bauch auf die kurdische Bewegung sollte eine ju-ristische Lcke geschlossen, also eine Rechts-vereinheitlichung hergestellt werden, weil es kei-ne ungleiche Bewertung der Organisationen alsauslndische Vereinigungen geben drfe.Auf diesem Umweg ist die Einstufung der PKKund ihrer Nachfolgeorganisationen als terrori-stisch wieder eingefhrt worden mit all seinenFolgen. Zentraler Punkt: die PKK-Strukturen inDeutschland werden der BGH-Entscheidungzufolge nicht mehr als selbststndiger, sondernpltzlich nach neun Jahren existierendem 129bals unselbststndiger Teil der Auslandsorgani-sation bewertet; dessen magebender Vereini-gungswille auerhalb der BRD gebildet werde.

    So hat das Bundesjustizministerium am 6.September die allgemeine Ermchtigung zurstrafrechtlichen Verfolgung von Kurdinnen undKurden nach 129b Abs. 1 Satz 3 Strafgesetz-buch erteilt, und zwar fr zurckliegende undknftige Taten der europischen Fhrung, desDeutschlandverantwortlichen sowie derjenigen,die fr bestimmte PKK-Sektoren, Regionen undGebiete sowie ihrer Teilorganisation in Europa,CDK (Kurdische Demokratische Koordination)verantwortlich sind. Es muss jeweils ein Deutsch-landbezug gem 129b Abs. 1 Satz 2 StGB

    bestehen.

    Seit vielen Jahren schon macht die Trkei er-heblichen Druck auf die EU-Lnder, insbeson-dere die BRD, die Strafverfolgung gegen dieterroristische PKK zu verstrken. Insbesondere

    www.political-prisoners.net

    Interview mit Azadi!zur Repression gegen KurdInnen und derAnwendung des 129b gegen kurdischeAktivistInnen

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    november/dezember 2011 gefangenen info 7

    seit 2007,n a c h d e msich ausz u m e i s tehemaligenh o c h r a n -gigen Mi-litrs ausden USA,

    der Trkeiund demIrak die sogenannteAnti-PKK-Koordina-tion unter

    mageblicherBeteiligung der EU gegrndet hatte, begannenin der Folge gemeinsame polizeiliche Groope-rationen u. a. in Italien, Belgien und Frankreich.Parallel wurde ein koordiniertes militrischesVorgehen gegen die PKK-Guerilla in den nordi-rakischen Kandil-Bergen organisiert.

    Die USA und ihre Verbndeten verfolgen schonlange ein Konzept der Neuordnung des Nahenund Mittleren Ostens, in dessen Rahmen derTrkei als NATO-Partner eine Sonderstellungeingerumt werden soll. Durch den ArabischenFrhling in arabischen und nordafrikanischenLndern ist die Trkei in die Lage versetzt wor-den, sich bzw. die AKP und ihren gemigtenIslam als Vorbild anzubieten. Deshalb glaubt Mi-nisterprsident Recep Tayyip Erdogan derzeit,seine Backen voll aufblasen, die EU-Staatendes Versagens in Sachen Repression gegen diePKK bezichtigen und gar behaupten zu knnen,deutsche Stiftungen wrden indirekt die PKK un-tersttzen.Den Vorwurf, unzureichend gegen die Kurdenvorzugehen, will sich die Bundesregierung al-lerdings nicht vorwerfen lassen. So hat Bun-desinnenminister Hans-Peter Friedrich (CDU)jngst Staatsprsident Abdullah Gl anlsslicheines Deutschland-Besuchs widersprochen, dergegenber der Zeitung Hrriyet geuert hatte,Deutschland eine Lektion erteilt zu haben. Erwerde sich nicht den Drohungen einer terroris-tischen Organisation beugen, die vom demokra-tischen Umfeld in Deutschland protiert. Hinter-grund war eine Bombendrohung, deretwegenGl seinen Auftritt in der Humboldt-Universittin Berlin um einige Stunden verschieben muss-

    te. Friedrich beteuerte gegenber Hrriyet, dassdoch gerade Deutschland vorbildlich sei im Ver-folgen der PKK. So seien seit 1993 insgesamt 85Funktionre der mittleren und oberen Fhrungs-ebene zu Haftstrafen verurteilt und 53 Organisa-tions- und Bettigungsverbote gegen PKK-Struk-turen erlassen worden.Allerdings erklrte er auch, dass es keine An-haltspunkte dafr gebe, dass die PKK hinter demBombenalarm gestanden habe.

    Die unvernderte, unvershnliche, abgrundtiefundemokratische Grundhaltung der deutschenPolitik und Justiz gegenber der kurdischen Be-wegung lautet seit 18 Jahren:

    Die PKK insgesamt bleibt ein destruktiver Faktorder inneren Sicherheit. Ihre spontane Fhigkeit,auf Lagevernderungen in der Trkei gerade inDeutschland mit massenmilitanten Aktionen zu

    reagieren, hat sie wiederholt unter Beweis ge-stellt und damit ein rein taktisches Verhltnis zurGewalt offenbart.Oder:Das Bettigungsverbot gegen die PKK bleibtals Instrument der Prvention wie als Grundlageder berwachung eines der virulentesten Ph-nomene innerhalb des militanten auslndischenExtremismus unverzichtbar.

    Diese Aussagen nden sich in der Antwort aufeine Kleine Anfrage der LINKSFRAKTION vomFebruar 2011.Bei dieser Sichtweise spielt die Tatsache keineRolle, dass seit etwa zwei Jahren in der Trkei insbesondere nach den Parlamentswahlenim Juni massenhafte Razzien, Verhaftungen,polizeiliche Angriffe auf die zivilgesellschaft-lichen Strukuren in den kurdischen Gebietenstattnden. Mehr als 3000 Menschen daruntergewhlte Brgermeister_innen und lokale Par-teifunktionre der inzwischen verbotenen DTPbzw. der BDP benden sich in Haft und sind derangeblichen Untersttzung der KCK (Gemein-schaft der Gesellschaften in Kurdistan, die der

    Staat der PKK zuordnet) angeklagt.Auch nicht die vlkerrechtswidrigen grenzber-schreitenden Militroperationen gegen die kur-dische Guerilla in den Kandil-Bergen Nordiraks,aber auch gegen die Zivilbevlkerung Sdkurdi-stans.Auch nicht die deutschen Waffenlieferungen andie Trkei. Derzeit liegt der Rstungsexportbe-richt fr 2009 vor. Mit erteilten Einzelausfuhrge-nehmigungen im Wert von 45,6 Mio. Euro zhltdie Trkei zu den wichtigsten Empfngerlnderndeutscher Rstungsgter. Der Schwerpunkt derExporte in die Trkei betraf in der jngeren Ver-gangenheit den Sektor der Landsysteme (z.B.Leopard 1 und 2 sowie Brckenlegepanzer Legu-an 1), sagte Thomas Kossendey, Staatssekretrim Bundesverteidigungsministerium, in einem In-terview mit den Deutsch-Trkischen Nachrichtenvom 9. August 2011.

    Steht schon fest, wann und wo der Prozess

    gegen die Gefangenen stattnden wird?

    Wann steht noch nicht fest. Ich gehe von Som-mer 2012 aus. Bei Ridvan . und Mehmet A.knnte es evtl. das OLG Dsseldorf sein, bei AliIhsan K. wohl das OLG Hamburg.

    Wie knnen Aktivist_innen die Gefangenen

    und die Solidarittsarbeit untersttzen?

    Auf jeden Fall durch ffentlichmachen der Re-pression und ihrer Hintergrnde. Auch der Be-such von Prozessen ist ein wichtiges Element,die Teilnahme an Demos, die Kontaktaufnahmezu kurdischen Strukturen wie die Student_in-nen oder Mitwirkung z.B. an Tatort Kurdistan.ber Spenden wrden wir uns natrlich freuen.Die Gefangenen erhalten von uns monatlich ei-nen Betrag fr Einkauf in den Knsten; wir ver-mitteln Zeitungsabos bzw. bernehmen die Abo-Gebhren oder Bcher etc.AZADI e.V.Konto: 80 35 78 26 00

    Bankleitzahl: 430 609 67GLS-Bank

    Knnen die Gefangenen Briefe erhalten?

    Das knnen sie sicher, wobei ich erwhnenmuss, dass die Gefangenen der deutschen Spra-che nicht mchtig sind.

    Monika MorresAZAD e.V.Rechtshilfefonds fr Kurdinnen und Kurden in

    DeutschlandGraf-Adolf-Str. 70A40210 Dsseldorf

    weitere Infos unter:http://www.nadir.org/azadi

    Literatur-Empfehlung

    An dieser Stelle mchten wir auf die Bro-schre Freiheit fr Kurdistan - Freiheitfr die kurdischen Jugendlichen! hinwei-sen, die letztes Jahr im November vomNetzwerk Freiheit fr alle politischen Ge-fangenen verffentlicht worden ist.

    Anlass dazu waren die damals in Stutt-gart anlaufenden Prozesse gegen ins-gesamt 18 kurdische Jugendliche, de-nen vorgeworfen wurde im Mai 2010 aneinem Angriff auf ein vorwiegend vonFaschisten besuchtes Lokal beteiligt ge

    -

    wesen zu sein. Mitte 2011 wurden alleJugendlichen zu Haftstrafen verurteilt(wir berichteten.).

    Die Broschre geht dabei auf die Ge-schichte Kurdistans und seiner Unterdr-ckung, die Entstehung des kurdischenWiderstands, auf die PKK und die Re-pression in der BRD gegen kurdische

    AktivistInnen ein.Die Broschre bietet dabei einen gutenEinstieg in die Thematik und gibt amende noch weiterfhrende Literaturemp-

    fehlungen.

    Die Broschre gibt es leider nur noch indigitaler Form und kann heruntergeladenwerden von:www.political-prisoners.net

    obilisierung zur Demo nach Berlin gegendas PKK Verbot

  • 7/31/2019 Gefangenen Info #365

    8/20

    Am 27. September wurde Faruk zu lebens-lnglich verurteilt vom Dsseldorfer Staats-schutzsenat unter Vorsitz von Richter Ber-thold Klein. Ursprnglich war der Prozess bisJuni 2009 terminiert, er begann im Januar

    2009 und dauerte somit bald 2 Jahre. Fa-ruk wurde anlsslich des Putsches, der mit

    Untersttzung der NATO-Staaten stattfand,im September 1980 in der Trkei verhaf-tet und in den 9 Jahren seiner Haft schwergefoltert. Nach seiner Haftentlassung wurdeer weiter verfolgt, chtete und stellte in derBRD einen Asylantrag. Auf Grund der Folterleidet er unter paranoiden Angstzustndenund war bis zu seiner Festnahme 2007 inrztlicher Behandlung.

    Faruk soll als Fhrungsmitglied der marxi-stisch-leninistischen Revolutionren Volks-befreiungspartei-Front (DHKP-C) aus dem

    Exil heraus fhrend bei einzelnen Aktionender Organisation in der Trkei beteiligt gewe-sen sein - bis hin zu einem Mordantrag inder Trkei.Bezeugt wurde das von einem Verrter undsomit Kronzeugen, sowie unter Folter er-pressten Aussagen in der Trkei. Fr dieBundesanwaltschaft und den Staatsschutz-senat ist das natrlich kein Problem, dieseFrchte vom verboten Baum zu verwenden.

    Grnde fr das Urteil

    Im Laufe des Verfahrens wurde der 129bgegen Faruk fallen gelassen.

    Der 129b Mitgliedschaft in einer terroristi-schen Vereinigung im Ausland ist der Zwil-

    lingsparagraf des 129a. Politische Verfah-ren werden von bestimmten Sondergerichtengefhrt, die zum ersten Mal eingesetzt wur-den im Stammheimer Verfahren vor 36 Jah-ren gegen die Gefangenen aus der RAF,

    Andreas Baader, Jan-Carl Raspe, GudrunEnsslin und Ulrike Meinhof.

    Neben der 1974 erfolgten Einschrnkungdes Erklrungsrechts des Gefangenen in derHauptverhandlung wurde auch das Rechtvon Verteidiger/innen, Erklrungen abzu-geben, beschnitten. (Justiz-)kritische ue-

    rungen wurden mit Ehrengerichtsverfahrenbeantwortet.

    So wird dann auch eine politische Prozess-fhrung permanent unterdrckt, die RAFgilt als terroristische Vereinigung. Als Ter-roristen werden viele GegnerInnen desStaates deniert. Zunchst richtet sich dieserVorwurf nur gegen die RAF, weil - wie dieBundesregierung ganz offen sagt - die RAFso besser als Gruppe verfolgt werden kann,ohne einen EinzeltterInnen-nachweis er-bringen zu mssen. Mit dem 129a werdenalle Sonderhaftbedingungen und Sonderer-mittlungen begrndet.

    In Verfahren nach 129a und 129b StGBkontrolliert ein Richter die Korrespondenzzwischen Verteidiger/innen und Gefangenen.Dieser hlt die Post zurck, wenn er der Auf-fassung ist, sie diene nicht dem Zweck der

    Verteidigung.Weiterhin sind diese Staatsschutzgerichtemit besonders ausgewhlten und geschultenRichtern ausgestattet, die Verteidigung wirdgenerell benachteiligt, wie z. B durch vorent-

    haltene Akten, Einschchterung und Behin-derung der ffentlichkeit durch drakonische

    Kontrollen und die Prozesse werden auf Ko-sten des Lebens von schwerkranken Gefan-genen wie z.B von Mustafa Atalay gefhrt.Der Begriff von Skandalurteil greift hier zukurz, denn das alles ist Ausdruck der Syste-matik der Klassenjustiz.

    Die Trkei ist ein wichtiger Partner fr dasexpansive Nato-Bndnis. Die meisten Waf-fen werden brigens von der BRD nach dortexportiert, was auch zeigt, dass die BRDdeswegen auch ein eigenes vitales Interes-se hat, ihrer Bndnispartnerin dort und hier

    den Rcken frei zu halten. Von 2000 - 2007wehrten sich tausende trkische und kur-dische Gefangene im Hungerstreiks gegendie Folter made in Stammheim. ber 120Gefangene in diversen anatolischen Knstenkamen dabei ums Leben.

    Schon whrend des Hungerstreiks verlangtedie Trkei von ihren Verbndeten das Verbotder ffentlichkeitsarbeit von linken anato-lischen Krften in Europa.Die Folge waren Razzien und Festnahmenam 01. April 2004 in mehreren Lndern Eu-ropas.

    Wie das exemplarisch in der BRD abluft:der Verfassungsschutz Baden-Wrttembergswarnt vor linksradikaler deutsch-trkischerSolidaritt. Der VS bezog sich auf die De-monstration vom 5. 7. 2008 gegen die Krimi-nalisierung des migrantischen Widerstandsund somit gegen die Terrorparagrafen

    129a und 129b.Prompt gab es wieder 3 Verhaftungen im No-vember 2008 in der BRD.

    Das Lebenslnglich fr Faruk Ereren nur aufden Faschismus in der Trkei zu reduzieren

    ist verkrzt und erfasst die politische Dimen-sion nicht, denn die Bundesregierung hatals strkste europische Macht auch eigenewirtschaftliche, politische, militrische undstrategische Interessen.

    Die Auslieferung Faruks in die Trkei ist zwarim Prozess fallengelassen worden, ist aberimmer noch nicht vom Tisch.

    Faruk kmpft

    Trotz drakonischer Isolationsmanahmen -Zensur, Besuchsverbote, Post dauerte mo-natelang, Umschlu mit einem Gefangenenwurde ihm trotz Zusage nicht immer gewhrt- lehnte er einen Deal mit dem Gericht ab:bei einem Gestndnis, nur 3 Jahre und 9Monate oder 4 Jahre und 6 Monate. Farukmeinte dazu sinngem, was er nicht ge-

    macht hat, hat er auch nicht zu gestehen underklrt in seiner Abschlusserklrung:

    Abgesehen davon hat kein Urteil ge-genber der Geschichte Gltigkeit. Bisheute habe ich fr UNABHNGIGKEIT,DEMOKRATIE UND SOZIALISMUS ge-kmpft,.... der meine Lebensgrundlageist....

    Auch hat er sich zu vielen Ereignissen, trotzseiner fehlenden Deutschkenntnisse, solida-risch verhalten: sei es zum 18. Mrz, demTag fr die Freiheit der politischen Gefange-nen oder zum Verfahren gegen das Gefan-

    genen Info.

    Solidaritt wurde kriminalisiert

    Gegen Medien, die den Prozess kritisch ver-folgten, wie die Internetseite Scharf-linksund das Gefangenen Info wurden Verfahreneingeleitet, die aber mit Freispruch endeten.ProzessbeobachterInnen, die ihn grten,wurden im Gericht verprgelt und zu einemBugeld von 100 Euro verurteilt.

    Ausblick

    Als Terroristen werden viele GegnerInnen

    des Staates deniert. Was Terrorismus ist,ist immer eine Machtfrage und wird zur Zeitnoch von der herrschenden Klasse bestimmt.Wir werden aber weiterhin Position gegen dieHerrschenden beziehen, die nach unsererMeinung die wahren Terroristen sind!

    Netzwerk Freiheit fr alle politischenGefangenen, Hamburg

    Schreibt den Gefangenen!Faruk Ereren,JVA Dsseldorf

    Ulmenstr. 9540476 Dsseldorf

    weitere Infos:

    www.political-prisoners.netwww.no129.info

    seite 3 schwerpunkt inland international dossier gefangene feuilleton kurzmeldungen

    8 gefangenen info november/dezember 2011

    Lebenslnglich fr Faruk ErerenNetzwerk Freiheit fr alle politischen Gefangenen, Hamburg

  • 7/31/2019 Gefangenen Info #365

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    november/dezember 2011 gefangenen info 9

    seite 3 schwerpunkt inland international dossier gefangene feuilleton kurzmeldungen

    Celle: Finni ist wieder drau-en! Wir freuen uns, dassGnter Finneisen seit Mon-tag, den 21. Novemberendlich wieder frei ist. Erwar bald insgesamt 20 Jah-re eingesperrt - zuletzt in

    der JVA Rosdorf. Gnter,Jahrgang 58, kommt aus der linken Bewe-gung und wurde nach/bei einem Bankber-fall verhaftet und zu 12 Jahren Haft verur-teilt. 1995 brach Finni mit einem Gefangenenaus der JVA Celle aus. Kurz nach der Fluchtwurde er wieder eingeknastet. Finni befandsich 15 Jahre und 6 Monate in Totalisolationin der JVA Celle. (red.)

    Mnchengladbach: DerGefangene Andre MoussaSchmitz hat am 01. Oktober

    2011 einen Hungerstreikbegonnen. Er kmpft damitfr das Recht auf Langzeit-besuche, Besuch mit Kr-perkontakt und fr Muslim-

    gerechte Mahlzeiten im Knast. Untersttztwird er von Thomas Meyer-Falk (JVA Bruch-sal), Pit Scherzl (JVA Rheinbach), WernerBraeuner (JVA Sehnde) und Tobias Poge(JVA Moabit). Andre Borris-m.a Mousa-Schmitz, JVA Scharnhorststr. 1, 41063 Mn-chengladbach (red.)

    Magdeburg: Die Initiative

    in Gedenken an Oury Jallohforderte Anfang Novemberin einer Pressemitteilung,dass im Revisionsprozessum den Tod von Oury Jallohein internationaler Brand-gutachter zum Prozess hin-

    zugefgt werden soll. Hintergrund ist der,dass der jetzige Brandgutachter der selbeist, wie in dem Verfahren in erster Instanz.Der Revisionsprozess luft seit dem12.01.2011 und geht seitdem beinahe w-chentlich mit neuen Skandalen einher. Aktu-elle Infos unter: www.political-prisoners.net

    und initiativeouryjalloh.wordpress.com/(red.)

    Neumnster:Am 21. Okto-ber starb in der JVA Neu-mnster ein Inhaftierter beieinem Zellenbrand. DiePresse berichtete, dassmehrere Mitinhaftiertemehrmals wegen des Feu-ers den Alarmknopf ge-

    drckt hatten, es aber zehn Minuten gedau-ert htte bis Wchter kamen und nachsahen.Die Wchter bekamen aber die Tr nicht

    mehr auf, da den Tren Dehnungsfugen feh-len, die es erlauben wrden, sie auch beiHitzeeinwirkung noch zu ffnen. Der Gefan-gene war bereits tot als die Tr geffnet wur-de. (red.)

    Kurzmeldungen bundesweit

    Am 04. August wurde in Stuttgart Chris auseinem Bcker heraus verhaftet. Bereits MitteSeptember wurde er in einem Prozess zu 11Monaten Haft verurteilt. Er hat Widerspruch ge-gen das Urteil eingelegt. Seit seiner Inhaftierungbendet er sich in U-Haft in der JVA Stuttgart-Stammheim. U-Haft bedeutet, dass er 23 Stun-

    den in der Zelle eingeschlossen ist und 1 StundeFreigang am Tag hat.

    Ihm wird vorgeworfen an zwei Auseinanderset-zungen im Rahmen der Gegenaktivitten zueiner rassistischen Mobilisierung der Brgerbe-wegung Pax Europa und der Partei Die Frei-heit Anfang Juni in Stuttgart (1) beteiligt gewe-sen zu sein. Konkret wird ihm in beiden FllenKrperverletzung vorgeworfen.

    Mit scheinheiligen Begrndungen (fehlendesoziale Kontakte und Fluchtgefahr bei festerBeziehung und einer Arbeitsstelle) bendet sichChris bis heute in U-Haft.

    Dieses Vorgehen reiht sich nahtlos in das Vor-gehen der Stuttgarter Staatsanwaltschaft gegen

    AntifaschistInnen und deren Strukturen ein:

    ** Anfang Oktober 2009 wurde die Wohnungeines kurdischen Aktivisten gestrmt und eraus seinem Bett heraus verhaftet, whrendsein wenige Monate altes Kind und seineFrau im gleichen Zimmer waren. Er wurdefr 3 Wochen in Untersuchungshaft ge-sperrt. Begrndung war, dass er an einemdamals ber 2 Wochen zurckliegenden An-griff auf trkische Faschisten beteiligt gewe-sen sein soll. Einer der verletzten Faschistenhtte ihn auf einem Bild wiedererkannt.

    ** Nach einem Angriff auf eine vorwiegendvon trkischen Faschisten besuchte Knei-pe in Nrtingen (nahe Stuttgart) wurden 18kurdische Jugendliche in Untersuchungshaftgesteckt und in zwei mehrere Monate dau-ernden Prozessen zu jeweils 2 Jahren und 9Monaten verurteilt.

    Dazu wurden unzhlige kleinere Verfah-ren gegen AntifaschistInnen gefhrt, die mitGeldstrafen oder Arbeitsstunden endeten.

    Doch auch bundesweit sind AntifaschistInnenmassiver Repression ausgesetzt. Nicht zuletztdie aufgenommenen Ermittlungen wegen Bil-dung einer kriminellen Vereinigung (nach 129)

    in Sachsen im Rahmen der Gegenaktivitten zuEuropas grtem Naziaufmarsch in Dresden imFebruar oder die massenhafte berwachungvon Handydaten von eben diesen Gegende-monstrantInnen sind die jngsten Beispieleeiner (sehr) langen Liste von repressiven Ma-nahmen gegen antifaschistische Strukturen.

    Diese Beispiele, wie auch jetzt die Inhaftierungvon Chris, zeigen uns, dass die einzige Antwortauf die zunehmende Repression unsere Solida-ritt sein kann, um uns auch gegen die kommen-den Angriffe zu wappnen und der Parole Antifa-schismus bleibt legitim auch Ausdruck verleihenzu knnen.

    Informiert und beteiligt euch!Freiheit fr Chris!Freiheit fr alle sozialen und politischenGefangenen weltweit!

    Weitere Infos unter: www.solikreis-stuttgart.tk

    Schreibt den Gefangenen:Christopher PiontekJVA Stuttgart

    Aspeger Str. 6070439 Stuttgart

    (1) Kurz zum Hintergrund: Vom 2. - 5. Juni hielt dierassistische Brgerbewegung Pax Euruopa einenantimuslimischen Kongre ab. Verbunden wurdedas mit der Grndung des baden-wrttembergischenLandesverband der rechtspopulistischen Partei DieFreiheit. Die Gegenaktivitten, die von einem brei-ten Bndnis getragen wurden, verhinderten bereitsam Donnerstag, den 02. Juni eine geplante Kundge-bung und strten an der ein oder anderen Stelle diegeplanten Aktivitten der RassistInnen. Die Polizeibegegnete den Gegenaktivitten mit Brutalitt undGewalt: Beinahe zwanzig verletzte (oft mit Kopfverlet-zungen) DemonstrantInnen, die sich im Krankenhausuntersuchen lassen mussten, sprechen dabei einedeutliche Sprache.

    Freiheit fr Chris!red.

    Die Rote Hilfe erscheint

    viermal im Jahr und kostet 4 Euro,

    im Abonnement 20 Euro im Jahr.

    Fr Mitglieder der Roten Hilfe

    e.V. ist der Bezug der Zeitung im

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    Zeitung der Roten Hilfe e. V. Zeitung gegen Repression

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  • 7/31/2019 Gefangenen Info #365

    10/20

    Sonja und Christian wurden am 14. Septembervon Frankreich nach Deutschland ausgeliefert.Ihnen wird die Teilnahme an mehreren Aktionender Revolutionren Zellen/Rote Zora vorgewor-fen.

    Die beiden lebten seit 1978 anonym in Fran-kreich, nachdem sie einer Verhaftungswelleentkommen waren. 2007 - nachdem Sonja undChristian bereits einige Jahre legal in Frankreichgelebt haben - beantragten die deutschen Behr-den einen europischen Haftbefehl, woraufhinsie im September dieses Jahres nach Deutsch-land ausgeliefert, dem Haftrichter vorgefhrt undschlielich in U-Haft gesteckt wurden.

    Ende Oktober wurde Christian Gauger, der unterschweren gesundheitlichen Problemen leidet, ge-gen Kaution aus der Haft entlassen. Sonja Sudersitzt weiterhin im Knast. Ende November wurdeihnen die Anklageschrift zugestellt. Falls der Pro-zess verhandelt wird - wonach es aussieht - wirddieser vermutlich Frhjahr 2012 beginnen.

    Die Auslieferung und der kommende Prozesssind dabei nur weitere Bausteine des Versuchsmilitanten Wiederstand zu verurteilen und die Ge-schichte revolutionrer Politik aus der ofziellenGeschichsschreibung zu tilgen. Hierbei geht esweniger um die Personen und Taten, sondern all-gemein um die Brechung militanten Widerstands.Dies zeigt sich auch an der Anklage gegen Ve-rena Becker, wo die Aktion gegen Buback seitSeptember 2010 neu verhandelt wird und ber10 ehemalige Militante aus der RAF als Zeugengeladen wurden: Der Staat versucht erneut denmilitanten Wiederstand zu kriminalisieren, da-mit Mensch berhaupt nicht auf den Gedankenkommt, diese Form des Widerstands erneut zuwhlen.

    Zum Hintergrund:

    Revolutionre Zellen/Rote Zora

    Die RZ waren eine der Stadtguerillagruppen, diesich Anfang der 1970er Jahre grndeten, um denbewaffneten Kampf in der BRD aufzunehmen.Erstmals traten sie 1973 mit einem Anschlaggegen den US-Konzern ITT in Westberlin in Er-scheinung, um auf die Beteiligung des Konzerns

    an Pinochets Militrputsch in Chile hinzuweisen.Ab 1977 agierten die Frauen eigenstndig alsRote Zora. Ihre Popularitt verdankten die RZsicherlich nicht nur ihrem Anspruch, keine Avant-garde-Organisation aufbauen zu wollen und kei-ne Stellvertreterpolitik zu machen, sondern auchder Bandbreite ihrer Aktionsformen. Diese reich-

    ten vom Fahrscheinflschen fr breit angelegteFahrpreiskampagnen bis zu Anschlgen gegendie staatliche Flchtlingspolitik verantwortlicheInstitutionen wie das Auslnderzentralregister inKln.Hauptkennzeichen der Politik der RZ und derRoten Zora war die Teilnahme ihrer Mitglieder ansozialen Bewegungen und deren Untersttzungdurch militante Aktionen.Einige RZ folgten einer sozialrevolutionren Kon-zeption und stellten die Vermittelbarkeit ihrer Poli-tik innerhalb der BRD in den Vordergrund, anderebetonten die Notwendigkeit eines internationalis-tischen, antiimperialistischen Kampfes, um nichtbedeutungslos zu werden sie bezogen sich aufinternationale Befreiungsbewegungen.Die RZ gelangten zu einer neuen antiimperialis-tischen Praxis, was sich u.a. in einer Anschlags-serie der Roten Zora gegen neun Verkaufslialender Bekleidungsrma Adler ausdrckte, die zuBilliglhnen in Sdkorea produzieren lie. DieBrandanschlge untersttzten Streiks sdkore-anischer Arbeiterinnen des Konzerns, Adler gabnach.Mit dem Niedergang der linken Protestbewe-gungen Ende der 1980er Jahre verringertensich auch die Interventions- und Bezugsmglich-keiten fr die RZ/ Rote Zora. Teile der RZ gabendas Ende ihrer bewaffneten Politik bekannt, siekonstatierten, keine politische Antwort auf ge-sellschaftliche Entwicklungen seit der Wieder-vereinigung 1990 gefunden zu haben. AndereRZ-Zusammenhnge formulierten den Anspruchauch weiterhin politisch zu intervenieren. Nach1992 hat es nur noch eine RZ-Aktion gegeben,einen Anschlag gegen eine Bundesgrenzschutz-Kaserne, von der aus ImmigrantInnen an der pol-nischen Grenze gejagt wurden.

    Zu den vorgeworfenen Aktionen

    Hier sind Teile der Erklrungen der Revolutio-nren Zellen zu den Aktionen, die Sonja, bzw.Sonja und Christian von der Staatsanwaltschaftvorgeworfen werden.

    OPEC

    Am 21. Dezember 1975 berel ein palstinen-sisch-deutsches Kommando die OPEC- Konfe-renz in Wien und nahm elf lminister aus erdl -produzierenden Lndern als Geiseln. WichtigsteForderung der Aktion war, eine Umschichtung

    der Erdlgewinne zugunsten der rmeren nichterdlproduzierenden Staaten des Sdens durch-zusetzen.

    Es handelte sich um keine Aktion der Revoluti-onren Zellen, nur der sptere Kronzeuge HansJoachim Klein, der dem Kommando angehrte,hat sich selbst spter als RZ-Mitglied bezeich-net. Klein bezichtigte 1999 aufgrund von Fo-tos, die man ihm vorlegte, mehrere Personen,am Wiener Opec-berfall beteiligt gewesen zusein. Einer war Rudolf S., dem deswegen 2001vor dem Landgericht Frankfurt der Prozess ge-macht wurde. Entgegen Kleins Aussagen wurdeSchindler jedoch vom Vorwurf der Mittterschaftfreigesprochen. Das Gericht bezweifelte Kleins

    Identizierungssicherheit bei der Lichtbildvorla-

    ge. Klein beschuldigte bei dieser neben S. auchSonja Suder, obwohl er diesbezglich zuvor nievon einer weiteren Frau gesprochen hat, befanddas Gericht schon 2001. Auer dieser fragwr-digen Aussage Kleins hat die Staatsanwaltschaftin Sachen Opec nichts gegen Sonja Suder vor-

    zubringen.

    MAN und KSB

    1959 wurde unter dem Vorsitz des damaligen(ersten) Atom-Ministers Franz Josef Strau dasAtomgesetz zur Nutzung der Kernenergie verab-schiedet. Ziel des Atomprogramm war es, alleBestrebungen zu frdern, die mit der Entwicklungund Nutzung der Atomenergie zusammenhn-gen, wobei es um militrische und zivile Be-reiche ging.Die Widerstandsbewegung gegen dieses Atom-programm nahm ihren Anfang 1974/75 in Wyhl,wo durch Massenproteste und eine Bauplatzbe-setzung ein Baustopp des dortigen Atomkraft-werkes erreicht werden konnte.

    Die Anti-AKW-Bewegung war die erste Massen-bewegung, die konkrete Ziele wie die Abschaf-fung der AKWs und den Kampf gegen Umweltzer-strung formulierte. Wie viele AKW-GegnerInnensetzten sich auch die RZ mit der Perspektive derAnti-AKW-Arbeit auseinander und suchten neueFormen und militante Praxen fr den Widerstand.Ihre Aktionen richteten sich u. a. gegen die Fir-ma MAN, Nrnberg, wegen deren Beteiligung amAtomgeschft mit Sdafrika und gegen die FirmaKlein, Schanzlin und Becker (KBS), den weltweitgrten Pumpenhersteller fr AKWs.

    Heidelberger Schloss

    Am 18.5.1978 wurde auf das HeidelbergerSchloss ein Brandanschlag verbt. In einem Textmit dem Briefkopf der Stadt Heidelberg heit es: Als Oberbrgermeister der Stadt Heidelberg er-klre ich, dass irgendwelche Behauptungen, ichhtte gestern Nacht im Knigssaal des Heidelber-ger Schlosses Feuer gelegt, jeglicher Grundlageentbehren. Richtig ist vielmehr: Ich zerstrte undzerstre Gebude, die mir bei der Sanierung Hei-delbergs im Wege stehen. Wo gehobelt wird,fallen SpneDiese Tat wird den Revolutionren Zellen zuge-ordnet.

    Desweiteren wird ihnen ein Anschlag auf MAN inNrnberg im August 1977 vorgeworfen.Der An-schlag auf MAN richtete sich gegen die Beihilfezur Herstellung sdafrikanischer Atombomben.

    Schreibt der Gefangenen:Sonja SuderJVA Frankfurt IIIObere Kreuzckerstr. 460435 Frankfurt am Main

    weitere Infos:www.verdammtlangquer.orgwww.political-prisoners.net

    Achtet auf Ankndigungen!

    seite 3 schwerpunkt inland international dossier gefangene feuilleton kurzmeldungen

    10 gefangenen info november/dezember 2011

    Gegen die Kriminalisierung militanter Politik!Freiheit fr Christian und Sonja!

    red.

    Knastkundgebung in Frankfurt

    Soliaktion in Hamburg

  • 7/31/2019 Gefangenen Info #365

    11/20

    november/dezember 2011 gefangenen info 11

    seite 3 schwerpunkt inland international dossier gefangene feuilleton kurzmeldungen

    Berlin Kpenick: Am 05.Oktober wurde Victor Atoaus der Abschiebehaft ent-lassen. Vorausging ein10-tgiger Hungerstreikdes Nigerianers, der seit 20Jahren fr eine Aufenthalts-

    erlaubnis kmpft. Diesenhatte er nach zehn Tagen wegen einesSchwcheanfalls abgebrochen. Die Entlas-sung sei der Auslnderbehrde gerichtlichnahegelegt worden. Ein mglicher Grundsei, dass die nigerianische Botschaft beieinem ersten Termin die zur Abschiebungntigen Dokumente nicht ausgehndigt hat-te. Weiterhin droht ihm die Abschiebung.(red.)

    Berlin: Ende Novemberfhrte whrend einer Ge-

    denk- und Trauerfeier frgefallene kurdische Frei-heitskmpfer die Polizeieine Razzia in den Rum-lichkeiten des Deutsch-Me-sopotamischen Bildungs-

    zentrums in Berlin-Kreuzberg durch. Dabeiwurden alle mitgefhrten Bargeldmittel, die50 Euro berstiegen, beschlagnahmt. Bei-nahe gleichzeitig wurde die geplante Gro-demonstration PKK-Verbot aufheben - De-mokratie strken aufgrund mangelnderPolizeikrfte und der angespannten Sicher-heitslage verboten. (red.)

    Dresden: Die Kampagne129ev geht zum Ende desJahres auf eine Infotourdurch die BRD und wollendamit Eine Einfhrung inund ber die aktuellen Er-mittlungen nach 129 StGBin Sachsen, welche gegen

    44 Personen in und um Dresden erffnetwurden geben. Geplant sind bislang be-reits Veranstaltungen in rund 20 Stdten.Alle Termine, sowie Kontaktmglichkeitenfr weitere Veranstaltungen ndet ihr auf der

    Homepage der Kampagne: http://129-ev.tk/(red.)

    Hamburg: Seit dem 12.Oktober 2011 sitzt der kur-dische Aktivist Ali Ishan K.in Hamburg in Untersu-chungshaft. Ihm wird mitHilfe des 129b die Mit-gliedschaft in einer terroris-tischen Vereinigung vorge-

    worfen. Er soll - so der Vorwurf - 2007-2008in Hamburg und der nrdlichen Region ver-antwortlicher Kader der PKK gewesen sein.

    Er sitzt seitdem in Isolationshaft. Schreibtihm, um die Isolation zumindest stckchen-weise zu durchbrechen: Ali Ishan Kitay, Un-tersuchungshaftanstalt, Holstenglacis 320355 Hamburg (red.)

    Kurzmeldungen bundesweit

    Hausdurchsuchungen in Stuttgart wegen den Gegenakti-vitten zum Naziaufmarsch am 19.02.2011 in Dresdenred.

    Dass die Schsischen Ermittlungsbehrdendas rechte Auge gerne einmal zukneifen drftejedem/r bekannt sein. Seit dem 19.02.2011 neh-men die Angriffe und Kriminalisierungsversuchegegen AntifaschistInnen kein Ende mehr. DieSchsische Justiz macht klar: Der Feind stehtlinks.

    Diesesmal in Stuttgart. Hier fanden am Mitt-woch den 28.09 vier Hausdurchsuchungen undmassive Einschchterungsversuche statt. Ineine der Wohnungen drangen die Beamten mit

    gezogenen Waffen ein und legten den Bewoh-nerInnen Handschellen an. Sie begannen mitder Durchsuchung der Rume und stellten nacheiner halben Stunde fest, dass sie sich wohl inder Tr geirrt htten und setzten daraufhin dieDurchsuchung in einer weiteren im selben Hausbestehenden WG fort. Ein 16-Jhriger der vonden Hausdurchsuchungen betroffen war, wurdevon Polizisten an seiner Ausbildungsstelle aufge-sucht und einer Leibesvisitation unterzogen. DenEltern einer 17-Jhrigen Genossin wurde dieVerhaftung ihrer Tochter angedroht, sollte diesenicht am selben Tag zur ED-Behandlung auf demRevier erscheinen etc. Drei Wochen spter, am19.10. bekam ein weiterer Genosse Besuch vonBFE, LKA und der Sonderkommission 19-02 aus

    Dresden. Diese suchten und beschlagnahmtenKleidungsstcke, Computer, Datentrger, Fah-nen und Handys.Insgesamt wurden drei Aktivistinnen ihre DNAentnommen und knapp 20 Personen aus derRegion Stuttgart, Tbingen und Reutlingen er-

    hielten Vorladungen und wurden einer ED-Be-handlung unterzogen.Die gegen sie erhobenen Vorwrfe reichen vonVersto gegen das gesetzliche Vermummungs-verbot ber schweren Landfriedensbruch bis hinzur versuchten gefhrlichen Krperverletzung.

    Diese Aktionen sind Teil des Versuches, diemassiven Rechtsbrche der Justiz im Zusam-menhang mit den Gegenaktivitten zu Europasgrtem Naziaufmarsch im Nachhinein zu recht-fertigen.

    Die Durchsuchungen in Stuttgart stellen nur dasaktuellste Beispiel in dem groangelegten Krimi-nalisierungsversuch dar: Massenhafte Bespitze-lung und Auswertung von Telefondaten, Abhrenvon Telefonaten und ein Verfahren wegen Bil-dung einer kriminellen Vereinigung nach 129,sowie bereits jetzt mehr als 30 Hausdurchsu-chungen sprechen eine deutliche Sprache.

    Letztlich sollen durch Aktionen wie diese Ak-tivistInnen abgeschreckt und eingeschchtertwerden, sowie durch Geld- und Haftstrafen vonAktivitten ferngehalten werden. Gleichzeitig solldurch die Sammlung von Identikationsmerkma-len prventiv die Basis fr weitere Kriminalisie-

    rung und Verurteilungen geschaffen werden.Machen wir einen Strich durch die Rechnung derRepressionsbehrden.

    Antifaschismus bleibt legitim!Solidaritt ist eine Waffe!

    Freiheit fr Tobias!Soligruppe Freiheit fr Tobias

    Tobias sitzt seit dem 25. September 2011 in derJVA Moabit in Untersuchungshaft. Er soll in derNacht zum 24. September drei Autos in Berlin-Mitte angezndet haben und wurde daraufhin vonBundespolizisten in Zivil festgenommen. Er wirdvorraussichtlich bis zum Prozess inhaftiert bleiben.

    Bereits vor zwei Jahren sa Tobias 43 Tage in U-Haft, auch damals wurde ihm vorgeworfen Autosangezndet zu haben. Tobias wurde bis heutenicht fr die ihm vorgeworfene Brandstiftung an-geklagt.

    Im aktuellen Verfahren scheinen sich die Presse-hetze und Vorverurteilungen der vorangegangenVerfahren zu wiederholen. Seit dem Sommer kon-struierten Polizei und Medien das Schreckenssze-nario einer erneuten Zndelwelle, dass im Wahl-kampf der konservativen Parteien dankbar genutztwurde, sich mit ihrer law-and-order-Politik zu pro-lieren. Dies zielt ganz im Sinne der Extremismus-theorie vor allem auf eine strkere berwachunglinksradikaler Aktivist_innen und Zusammenhn-

    ge. Vor allem die aufkommenden sozialkritischenBewegungen, deren Hauptaktionsfeld sich gegenGentrizierung richtet, ist von diesem politischenStimmungsbild betroffen. Hierbei werden lediglich

    Aktionsformen abgewertet, ohne die Ursachen desProtests zu betrachten.

    Ganze Stadtviertel wurden durch sogenannteBrandstreifen in den Belagerungszustand ver-setzt. Da hierbei weniger Autobrandstifter festge-nommen wurden als Menschen die beispielsweiseWahlplakate rechter Parteien entfernten, legt den

    Verdacht nahe, dass der Vorwand brennender Au-tos gezielt dazu genutzt wird, um in als alternativbezeichneten Kiezen vermeintliche oder tatsch-liche Linke zu kriminalisieren. Sich davon ein-schchtern zu lassen, ist die falsche Konsequenz,solange es notwendig ist, sich gegen die sozialen

    Missstnde und Ausgrenzungsmechanismen die-

    ser Gesellschaft zu engagieren.

    Um der Pressehetze etwas entgegenzusetzen unduns mit Tobias und den anderen Gefangen der JVAMoabit solidarisch zu zeigen, riefen wir als Soli-gruppe Freiheit fr Tobias zu einer Demonstrationam 29.09.2011 auf, der sich trotz kurzer Mobilisie-rungszeit etwa 80 Menschen anschlossen.

    Wir werden weiterhin ber den Verlauf des Verfah-rens berichten und den Prozess kritisch beobach-ten. Es ist mglich, Tobias unter folgender Adressezu schreiben:

    Tobias PogeBuchungsnr. 2540/11/1

    Alt-Moabit 12a10559 Berlin

    Freiheit fr Tobias. Abschaffung aller Knste.Keine Vorverurteilung durch Polizei und Pres-se. Keine Gesinnungsjustiz durch Staatsan-waltschaft und Richtertum.

    freiheitfuertobias.blogsport.de

  • 7/31/2019 Gefangenen Info #365

    12/20

    Am 5. Oktober 2011 hat in Athen das Verfah-ren gegen 8 GenossInnen begonnen, denendie Mitgliedschaft in der griechischen Stadt-guerilla Revolutionrer Kampf vorgewor-fen wird. Hintergrund des Verfahrens ist derVorwurf, dass der Revolutionre Kampf eineterroristische Organisation sei, die mit zahl-reichen Anschlgen und Aktionen die Sicher-

    heit Griechenlands gefhrde.

    Wir mchten anlsslich des Verfahrens in demArtikel einen berblick ber den aktuellenStand des Verfahrens geben, sowie die Grup-pe kurz vorstellen, da diese in der BRD leiderkaum bekannt ist.

    Der Revolutionre Kampf...

    ... trat 2003 zum ersten Mal ffentlich auf dempolitischen Terrain mit einer Aktion gegen dasGerichtsgebude in Athen auf. InternationaleSchlagzeilen machte die Organisation mit demBombenanschlag auf eine Athener Polizeiwa-che im Mai 2004, einhundert Tage vor Beginn

    der Olympischen Spiele in Griechenland.Seit 2003 hat sich der Revolutionre Kampfzu insgesamt 18 Aktionen bekannt: Aktionengegen Repressionsbehrden, Banken, Ge-richte, Ministerien, Wohnungen von Ministern,die Botschaft der USA, gegen die Brse undgegen weitere Ziele.

    Wie die spter gefangengenommenen Ge-nossen selber in ihrem Politischen Schreibenan die Gesellschaft darlegen war ihr ersterpraktischer Schwerpunkt den sog. Kampf ge-gen den Terror anzugreifen: Mit Angriffe aufRepressionsbehrden, Polizeistellen und Ge-heimdienste, aber auch auf internationale Be-

    hrden versuchte die Gruppe zu verdeutlichenwer die Terroristen tatschlich seien: die dieunter genau diesem Deckmantel des Kampfesgegen den Terrorismus einen Krieg in Afgha-nistan beginnen und tausende von Menschenbespitzeln, verfolgen und verurteilen oder die,die fr eine Welt ohne Ausbeutung und Unter-drckung kmpfen.

    Mit dem Ausbrechen der Krise verlagerte sichder praktische Schwerpunkt: Mit Angriffenauf Banken, internationale Einrichtungen wieWeltbank, IWF, Europische Zentralbank etc.sollte verdeutlicht werden, dass nur eine revo-lutionre berwindung der Verhltnisse etwasan der Krisenhaftigkeit und der Ausbeutung

    des Groteils der Bevlkerung ndern wirdund daher der Name der Organisation auchals Programmatik zu verstehen ist: Revoluti-onrer Kampf!

    Verhaftungen, Prozessbeginn und Solidaritt

    Durch die Schlagkraft, die der RevolutionreKampf mit der Zeit sich erkmpfte geriet dieStruktur und ihre AktivistInnen immer mehr insFadenkreuz der Repression:Schlielich wurden im April 2010 bei einer Po-lizeioperation, die sich gegen den Revolutio-

    nren Kampf als Struktur richtete, zahlreicheWohnungen und andere Rumlichkeitendurchsucht und schlielich sechs Personenverhaftet: Nikos Maziotis, Evangulia PoliaRoupa, Kostas Gournas, Christoforos Kor-tesis, Sarantos Nikitopoulos und VaggelisStathopoulos. Die Polizei entdeckten bei denDurchsuchungen in Athen mehrere Depotsder Gruppe. Unter anderem wurden eineMaschinenpistole, zwei Kalaschnikows, fnfRaketen und ein RPG-7-Werfer, drei Pistolenund drei Granaten, Munition, Sprengstoff undZndungsmechanismen gefunden.

    Bereits nach wenigen Wochen bernahmenNikos Maziotis, Evangulia Polia Roupa,

    sowie Kostas Gournas in einem Brief die poli-

    tische Verantwortung fr die Mitgliedschaft imRevolutionren Kampf:

    Wenn die Repressionsbehrden glau-ben, dass sie uns durch die Inhaftierungbeseitigt htten, liegen sie falsch. Ob in-ner- oder auerhalb des Knastes wird derKampf, welcher fr uns eine Frage derEhre und Wrde ist, weitergehen.

    Kostas Gournas trat nach nur wenigen Wo-chen in einen Hungerstreik, um die Verlegungin ein Gefngnis zu erwirken welches fr seineFamile besser zu erreichen ist. Nikos Mazio-

    tis ein Mitangeklagter trat mit in den Hun-gerstreik. Nach 23 Tagen brechen die beidenden Hungerstreik ab, nachdem Kostas in einanderes Gefngnis verlegt wurde.

    Etwa zur selben Zeit werden gegen zwei wei-tere Personen gegen die Lebenspartnerinvon Kostas, Maria Beraha und gegen NikosMalapanis einen nahen Freund Kostas An-klage wegen Mitgliedschaft im Revolutionren

    Kampf erhoben. Die beiden sind gegen Kauti-

    onsauagen, wie dem Verbot das Land zu ver-lassen, sowie sich monatlich bei der Polizei zumelden, auf freiem Fu.

    Im Dezember 2010 verffentlichten Nikos,Evangulia und Kostas einen InternationalenSolidarittsaufruf, der zum bereitsangekndi-gten Prozess mobilisieren soll:

    In einem solchen Prozess, glauben wir,sind die besten Zeugen der Verteidigung,die Genossinnen und Genossen, die diemilitante Konfrontation mit dem Systemgewhlt haben. Es sind die Aktivisten, dieMitglieder von bewaffnet kmpfenden Or-

    ganisationen waren und die ihre politischeberzeugungen nicht gendert oder be-reit haben, die Kmpfe ihrer Genossenund Genossinnen verteidigend, die im Ge-fngnis gestorben sind oder viele Jahreeingesperrt verbracht haben.

    Den kompletten Aufruf haben wir auf unsererHomepage dokumentiert.

    Im April 2011 also knapp ein Jahr nach ihrerInhaftierung wurden die drei, die sich nichtzum Revolutionren Kampf bekannt hatten- Christoforos Kortesis, Sarantos Nikitopou-los und Vaggelis Stathopoulos - auf Kautionfreigelassen, Die anderen befanden sich wei-terhin in Untersuchungshaft. Doch aufgrund

    der Maximallnge von 18 Monaten Untersu-

    chungshaft wurden die restlichen Drei am 11.Oktober unter Bedingungen aus der Haft ent-lassen. So drfen diese die Region Attika nichtverlassen und mssen sich alle fnf Tage beider Polizei melden.

    Am 05. Oktober 2011 begann schlielich derProzess gegen die insgesamt 8 Angeklagten.Zum Prozessauftakt kam es von verschie-densten Seiten zu Solidarittsbotschaften und

    Aktionen.

    Zum Prozessbeginn haben die drei sich be-kennenden Mitglieder eine lngere Erklrung

    verffentlicht:Unser Prozess wird ein Feld der politi-schen Auseinandersetzung mit dem Kapi-tal und dem Staat, er wird ein politischesPodium der Verteidigung der Praxis undder Ansichten unserer Organisation sein[] Zum Schluss weisen wir darauf hin,dass unsere Verhaftung und Einsperrungins Gefngnis uns nicht nur nicht ge-beugt haben, wie unsere Verfolger sicherhofft haben, sondern dass wir strkersind als je zuvor. Und auch, dass wir indem politischen Kampf, den wir trotz deslangjhrigen Gefngnisses, zu die uns dieSchergen des Systems verurteilen werden,

    zuletzt die Sieger sein werden.

    Weitere Infos:

    www.political-prisoners.nethttp://actforfree.nostate.net/de.contrainfo.espiv.net/

    12 gefangenen info november/dezember 2011

    seite 3 schwerpunkt inland international dossier gefangene feuilleton kurzmeldungen

    Hintergrund und Aktueller Stand des Prozessesgegen Revolutionrer Kampf(Epanastatikos Agonas)

    red.

  • 7/31/2019 Gefangenen Info #365

    13/20

    november/dezember 2011 gefangenen info 13

    seite 3 schwerpunkt inland international dossier gefangene feuilleton kurzmeldungen

    gypten: Im Rahmen dergewaltsamen Unterdr-ckung der Proteste mit Hilfeeines riesigen Polizeiaufge-botes, kam es bei der Be-setzung des Tahrir Platzesin Kairo am 20. November

    2011 zu 1700 Verletztenund 55 Festnahmen. In

    ganz gypten starben an diesem Wochen-ende 33 Menschen, davon die meisten inKairo. Aber auch in el-Arish, Ismailia, Suezund Alexandria. Mindestens 4 der Totenstarben laut Mitarbeitern der Leichenhallean Schussverletzungen. Die Polizei setztemassiv Trnengas und Gummigeschosseein. (red.)

    Frankreich: Am 18. No-vember wurden in Toulouse2 Hausprojekte und 4 Pri-

    vatwohnungen durchsucht- 6 Personen wurden ver-haftet. Den Verhaftetenwird Verschwrung zur Be-schdigung oder Gewaltgegen Personen vorge-

    worfen. Hintergrund ist ein Vorfall am 5. Juli,an dem 10 Personen sich bei der Jugendge-richtshilfe Zugang verschafften und mit Kotgefllte Falschen auf Computer und in dieBros der Angestellten warfen und dazuFlugbltter verteilten. Vier der Verhaftetenwurden prventiv festgenommen. (red.)

    Frankreich: In Frankreich

    wurde ein neues Gesetz er-lassen, was die Wahl derVerteidiger im Falle einerAnklage wegen Terroris-mus erheblich einschrnkt.Die Gesamtvertretung derAnwlte in Frankreich kanneine Liste mit Vorschlgen

    der Anwlte, die einen solchen Fall berneh-men sollen, einreichen. Auf der Liste drfennicht mehr als 10% aller registrierten Anwl-te und nicht weniger als 3 sein. Die Gesamt-vertretung protestierte gegen deses Gesetzdas bereits seit dem 17. November in Kraft

    ist. (red.)

    USA: Am 16.11. wurde inNew York das Occupy WallStreet Camp von der Poli-zei gerumt. Als Reaktiondarauf wurde ein Aufruf ge-startet am 17. Novemberauf die Strae zu gehenund den Platz neu zu beset-zen. Im Laufe des Vormit-

    tags wurden bei gewaltttigen bergriffender Polizei ber hundert Menschen verletztworden sein. Alleine in New York wurden andem Tag 250 Personen festgenommen. Bei

    Demonstrationen in anderen Stdten derUSA wurden weitere 200 Personen festge-nommen.

    (red.)

    Kurzmeldungen international

    Anmerkung d. Redaktion:Am 17.10. fand in Berlin die Veranstaltung Dievergessenen Gefangenen in Spanien statt. Wirverffentlichen hier einen Teil eines Referats,das dort gehalten wurde. Aus Platzgrndenfehlen einige Anmerkungen zu dem Text. Dertext zusammen mit den Anmerkungen ist auf

    www.political-prisoners.net zu nden.

    Eine der Sulen des spanischenStrafvollzugsrechts war die Straf-minderung durch Arbeit. 1938,mitten im Brgerkrieg in den fran-quistischen Gebieten eingefhrtund vor allem in den ersten fnfJahren der Nachkriegszeit breitangewendet, hatte sie die Redu-zierung der enormen Anzahl vonpolitischen Gefangenen und denWiederaufbau eines verwstetenLandes zum Ziel.Seit den 60er Jahren wurde die Arbeitsttig-keit in den Gefngnissen reduziert und die letz-

    ten Arbeitslager wurden geschlossen. Seitdemhat sich die Strafminderung durch Arbeit vonGrund auf verndert. In den 60er Jahren lebtedie Besserungstheorie (unter dem Namen derResozialisierung) im Bereich des Strafvollzugswieder auf und verdrngte die Vergeltungstheo-rie; Strafminderung durch Arbeit wurde zu einerattraktiven Mglichkeit, die Strafdauer durchein diszipliniertes und arbeitsreiches Leben zuverkrzen. Auch wenn es in den Gefngnissenwenig produktive Arbeit gab, wurden dort me-chanische, nicht produktive Ttigkeiten bei derStrafminderung mit einberechnet. Fr jeweilszwei Arbeitstage wurde der Freiheitsentzug umeinen Tag verringert. 1977 erweiterte man imSinne des Prinzips der Resozialisierung (was nur

    eine neue juristische Formulierung fr die frhereBesserungsstraftheorie ist) die Vergnstigungen.Neben der gewhnlichen Strafminderung fhrteman die auerordentliche Strafminderung ein,um den besonderen Arbeitswillen und die Dis-ziplin der Gefangenen zu belohnen und dabeiauch intellektuelle Ttigkeit wertzuschtzen. Dieauerordentliche Strafminderung sollte eine zu-stzliche Verkrzung der tatschlichen Strafdau-er sein.

    Dieser Regelung setzte das Strafgesetzbuch von1995, das endgltig die so genannten beneciospenitenciarios (die Vorziehung der bedingtenFreilassung und den besonderen Straferla)einfhrte, ein Ende. Sie ist aus Sicht der Gefan-

    genen weitaus weniger gnstig als die Strafmin-derung durch Arbeit, so dass diese Regelung aufder Basis der nichtrckwirkenden Anwendungdes Strafgesetzes fr alle, die durch das Straf-gesetzbuch von 1973 verurteilt worden waren,weiterhin gltig blieb. Nur wenn die Regelungendes neuen Strafgesetzbuches von 1995 in ihrerGesamtheit fr die Gefangenen gnstiger waren,war die rckwirkende Anwendung derselben ge-stattet.

    Dies ist bis heute ein unbestreitbares Prinzip desVerfassungsrechts und des Strafrechts gewesen:Nichtrckwirkung im ungnstigen Falle und eineAusnahme fr die Rckwirkung im gnstigen Fal-le. Gegen dieses Prinzip wenden sich heute eini-

    ge Gerichtsentscheidungen, die die Rckwirkungim ungnstigen Fall zu einem neuen Leitprinzipdes Rechts werden lassen wollen, obwohl nichteinmal das neue Strafgesetzbuch seine rck-wirkende Geltung beansprucht. Ziel dieser Ent-scheidungen ist es, die Anwendung der Strafmin-

    derung durch Arbeit auf Personen zu verhindern,die wegen Terrorismus gem dem Strafgesetz-buch von 1973 verurteilt sind (s. AJCVP4 vom 1.September 2004; AAN5 vom 27. Juni 2006). Die-se Zielsetzung schliet unseren berprfungennach auch einige aufgrund dieses Strafgesetz-buchs verurteilte Gefangene der GRAPO mit ein.

    Unter anderem fr die wirksame Durchsetzungdieser Zielsetzung wurde 2003das neue Zentralgericht fr Straf-vollzugsaufsicht eingerichtet.

    Dass das besagte Gericht neueGewhrungen von Strafminde-rung durch Arbeit fr Gefangene,die nach dem Strafgesetzbuchvon 1973 verurteilt wurden, ver-hindert, ist zwar umstritten, un-ter juristischen Gesichtspunktenspricht aber das Fehlen von ge-

    eigneter Arbeit im Gefngnis dafr (AJCVP vom26. Juni 2006). Die Aufhebung der Strafminde-rungen durch Arbeit, die schon vor der Einrich -

    tung des Zentralgerichts fr Strafvollzugsaufsichtbewilligt wurden, ist dagegen eine juristischeBarbarei. Sie widerspricht einem tief verwurzel-ten Merkmal der Praxis des Strafvollzugs, dem-zufolge sich die Strafminderung durch Arbeitautomatisch ergibt (STS 557/1996 vom 18. Juli1996); einmal bewilligt, kann sie nicht mehr rck-gngig gemacht werden. Aus einer praktischenSicht setzt diese neue Rechtspraxis eine rck-wirkende Anwendung des Grundlagengesetzes7/2003 vom 30. Juni 2003 ber den vollstndigenund wirksamen Strafvollzug voraus, der aller-dings durch die STS 197/2006 vom 28. Februar2006 (Fall Parot) Rckendeckung erhlt.6 DiesesGesetz bestimmt in der Tat, dass jegliche Redu-zierung der Haftdauer in bestimmten Fllen von

    Verbrechenskonkurrenz ausgehend von der Ge-samtsumme der verschiedenen Strafen und nichtvon der gesetzlichen Hchststrafe ausgehend zuberechnen ist. Dies macht sie in der Praxis illuso-risch. Die Bestimmungen dieses Gesetzes berneue Reduzierungen der Haftdauer werden heu-te auf rckwirkende und analoge Art zum Nachteildes Gefangenen auf die Strafminderung durchArbeit angewendet.

    Joaqun Gimnez, Jos Antonio Martn Pallnund Perfecto Andrs Ibez, Richter des Ober-sten Gerichtshofes, argumentieren in ihrem Son-dervotum zu der STS 197/2006 vom 28. Februar2006, dass der Mehrheitsbeschluss des Gerichtseine Neuschreibung des Strafgesetzbuches

    von 1973 bedeute: ein Fall reiner richterlicherRechtsschpfung. Dies war auch in Deutschlandals staatliches Mittel gegen den Aufstand derRoten Armee Fraktion zu beobachten (Schulze2005).

    Neben den politischen Grnden, die hinter dieserneuen richterlichen Meinung vermuten lassen,liegt hier ein grundlegendes juristisches Pro-blem vor: das Vorhandensein von zwei (parallelexistierenden) Gesetzgebungen ber politischmotivierte Gewalt (die der bergangszeit zur De-mokratie und der Verfassung entsprungene unddie 2003 entstandene). Da die erste fr die Ge-fangenen sehr viel mehr Vorteile als die zweitebesitzt, bemerkten wir eine Neigung von Seiten

    einiger Richter zur Anwendung der Philosophieder Gesetzgebung von 2003 gegenber erklr-ten Staatsfeinden unabhngig vom Datum desVerbrechens. Fr diese Vorgehensweise gibt esvielleicht politische Grnde, jedoch nicht eineneinzigen rechtlichen.

    Strafminderung durch Arbeit in SpanienDetlev Georgia Schulze

  • 7/31/2019 Gefangenen Info #365

    14/20

    14 gefangenen info november/dezember 2011

    seite 3 schwerpunkt inland international dossier gefangene feuilleton kurzmeldungen

    In 12 Gefngnissen und Untersuchungszentren,und in einem geheimgehaltenen Gefngnis un-ter dem Namen Einrichtung 1391 , werden ca.8000 bis 9000 palstinensische Frauen, Mnnerund Minderjhrige festgehalten.

    Manche wurden zu einer oder mehreren lebens-langen Haftstrafen verurteilt, andere zu bis zu 20Jahren Haft. Einige wurden whrend Kampfope-rationen gefangengenommen, viele auch vor ih-ren Husern, bei der Arbeit oder auf der Strae,und an militrischen Check Points Sperren.Kinder und Minderjhrigen wurde desfterenvorgeworfen Steine auf die Armee geworfen zuhaben.Die Zugehrigkeit zu einer politischen Organisa-tion oder Partei, die sich gegen die Besatzungrichtet ist auch ein Grund fr Festnahmen .Als die PLO und Israel 1993 das Oslo-Abkom-men, im Vorgarten des Weien Hauses unter-schrieben hatten, versprach Israel die Gefange-nen zu entlassen. Es wurde nur ein kleiner Teil

    freigelassen.Statistiken verschiedener Organisationen besa-gen, dass der Zionistische Staat seit der erstenIntifada bis heute 40% bis 45% aller Mnner inPalstina fr lange oder krzere Zeit festgenom-men haben.

    Zustndig fr alle gerichtliche Angelegenheitender PalstinenserInnen in der West Bank undGaza sind Militrgerichte.Richter sowie Staatsanwlte sind Angehrigedes Militrs. Das ganze Leben der Palstinenserunter der Besatzung wird durch Militr Dekretegenannt Military Orders geregelt.

    Es sei erlaubt ein paar allgemeine Aspekte hin-sichtlich der politischen palstinensischen Gefan-genen vorab zu erwhnen:

    1- Wie aus der Landkarte zu sehen ist,werden in 5 Gefngnissen Gefangene fest-gehalten die in Israels Kernland liegen, einesdavon in der Negev. Nach dem internationa-len Recht ist es nicht erlaubt die Gefangenenin diese Gebiete zu verschleppen. Diese Po-litik der Zionisten soll es den Familienange-hrigen der Gefangenen und ihren Anwltenerschweren die Gefangenen zu besuchen,besonders dann wenn Israel die Einreise inseine Gebiete nur mit einer extra Erlaubniszu lsst. Das ist faktisch ein Besuchsverbot.

    2- Durch die Weigerung der Zionis-tischen Behrden die Gefangenen als poli-tische Gefangene zu betrachten und zu be-handeln, werden ihnen alle Privilegien und ihrStatus als politische Gefangene entzogen.

    3- Ein Teil der Gefangenen wird festge-halten ohne Urteil oder Gerichtsverhand-lung und ohne das Recht auf einen Anwalt.Das sind die sogenannten AdministrativenGefangenen. Ihre Haftzeit wird von MilitrOfzieren verordnet, meistens fr 6 Monate

    und oft automatisch verlngert. Diese Verln-gerung kann jahrelang stattnden.

    Die palstinensischen Gefangenen sind seitdem Oslo-Abkommen wie zwischen Hammerund Amboss. Die zionistischen Behrdenbetrachten sie als Geiseln die nicht freige-lassen werden, auer als Austauschobjektewie im Fall des ehemaligen GefangenenSchalet. Die sogenannte palstinensischeBehrde die auer gelegentlichen verbalenErklrungen nichts fr sie unternimmt. ist einThema fr sich und hngt damit zusammen,dass diese Behrde sich als Stellvertreter derBesatzung in ihrem Gebiet versteht und soauch funktioniert.

    4- Die Bestrafung der Gefangenen istnicht nur, dass sie die Zeit zu der sie verurteiltwurden absitzen mssen, sondern geht wei-ter in den Praktiken der Gefngnisbehrde:Beispiele sind etwa die nchtlichen Durchsu-chungen der Zellen bei denen sich die Ge-fangenen nackt ausziehen mssen, oder dieKonszierung ihrer privaten, selbst aus demGefngnis gekauften Lebensmitteln und an-deren Gegenstnden. Die Ausgangzeit wirdoft gekrzt und Besuche untersagt. Gefange-ne die Fernstudieren, werden daran gehin-dert ihre Prfungen zu machen, oder ihre Un-terlagen und Bcher werden beschlagnahmt.

    Eine besondere angewendete Bestrafungs-methode ist die ftere Versetzung von einemGefngnis zu einem anderen. Diese Methodewird hug gegen Aktivistinnen und Aktivistenangewandt, um die mgliche Organisierung derGefangenen zu unterbinden. Die schlimmste Be-strafungsmethode ist aber die Isolationshaft.

    ber die Isolationshaft werden wir nicht vielschreiben, da viele hier wissen was das bedeutetund damit bezweckt wird. Sie sollen die Gefange-nen entmenschlichen und zu geistigen Krppelnwerden lassen. Diese Strafe soll die Gefangenenin den Wahnsinn treiben und sie brechen. Kapi-talismus und besonders eine koloniale Variantedulden keine aktive Opposition und Widerstand,

    weder im Denken noch im Handeln. Das Systembestraft, um seine Opposition zu ermorden.Wasbleibt einem Mensch der dem Feind in die Hndegefallen ist? Nichts auer den Kampf fortzuset-zen mit der einzigen Waffe die er noch besitzt,nmlich dem Hungerstreik.

    Nach der Gefangennahme des israelischen Sol-daten Jilad hat die zionistische Gefngnisbehr-de angefangen gezielte Strafmanahmen gegendie palstinensischen Gefangenen durchzufh-ren, und vieles was die Gefangenen frher er-kmpft hatten rckgngig gemacht.

    Ein paar gefangene Aktivisten wurden in Isolati-onshaft gehalten so auch der General Sekretr

    der PFLP Ahmad Sa`adat. Seit mehr als zweiJahren ist er in Isolationshaft ohne Besuch derFamilienmitglieder oder seines Anwaltes. AhmadSaadat und eine andere Gruppe von gefange-nen Genossen haben beschlossen in den Hun-gerstreik zu treten. Der Gesundheitszustand von

    vielen hat sich verschlechtert, und bis zuletzt hatsich die Gefngnisbehrde geweigert die Strei-kenden ins Krankenhaus zu bringen.Whrend dieser Zeit haben viele Menschen inganz Palstina, sich solidarisch erklrt und man-che haben auch mit dem Hungerstreik ange-

    fangen. Dafr wurden extra Zelte gebaut in ver-schiedenen Stdten und Gemeinden. Der Streikauen lief unter dem Motto Hungrig fr dieFreiheit! Kampf den leeren Mgen!

    Kurz vor dem Gefangenaustausch mit der Hamashat die Gefngnisbehrde mit dem Streikkomiteeverhandelt und versprach Saadat und die Kran-ken in Krankenhusern behandeln zu lassen,und die Forderungen der Streikenden zu verwirk-lichen. Voraussetzung war die Beendigung desStreiks.

    Die Streikenden haben den Behrden 3 Tage Zeitgegeben, um ihr Versprechen zu verwirklichen.In vielen Gefngnissen wird jetzt laut diskutiert

    und kritisiert, dass nicht alle Gefangenen undauch nicht in allen Gefngnissen gestreikt wurde.

    Es ist klar, dass die Gefngnis Behrde ihr Ver-sprechen nicht einhalten wird, so hat ein Gerichtdie Isolationshaft von Ahmad Saadat fr 6 Mo-nate verlngert. Ein neue Kampfetappe der Ge-fangenen ist schon vorprogrammiert.

    Die Mainstreampresse in Deutschland berichtetkaum darber, umso wichtiger ist es, dass alleFortschrittlichen und Revolutionre und die diesich als Linke verstehen ihre Solidaritt mit denGefangenen kundtun und zeigen.

    Stoppen wir die Verfolgungen und Inhaftie-rungen von politischen Oppositionellen.

    Isolationshaft ist versuchter Mord.Freiheit fr alle politischen Gefangenen inPalstina und berall.

    Zur Situation der palstinensischen GefangenenSalah aus Hamburg

  • 7/31/2019 Gefangenen Info #365

    15/20

    november/dezember 2011 gefangenen info 15

    seite 3 schwerpunkt inland international dossier gefangene feuilleton kurzmeldungen

    Baskenland: Antoni Otegi(nicht zu verwechseln mit

    Arnaldo) wurde als ETA-Mitglied zu 110 Jahren Ge-fngnis verurteilt. Vorge-worfen wurde ihm 67kgSprengstoff in einem Auto

    vor einem Hotel in der an-dalusischen Stadt Fuengi-rola abgestellt zu haben; Javier GarciaGaztelu wurde zu 60 Jahren Gefngnis frdie Liquidierung des rechten Stadtrates Leit-za verurteilt. Trotz des angekndigten Frie-densprozesses und der Beendigung des be-waffneten Kampfes seitens der ETA geht dieRepression weiter und die versprochenenErleichterungen seitens des Staates werdennicht eingehalten. (red).

    Chiapas, Mexiko: Chiapas:Acht indigene Gefangeneim mexikanischen Bundes-

    staat Chiapas haben MitteNovember ihren 39 Tagedauernden Hungerstreikbeendet. Die Inhaftierten,unter denen sich auch eineFrau befand, waren im Ge-

    fngnis Nummer fnf in San Cristbal EndeSeptember in den Hungerstreik getreten. Ins-gesamt beteiligten sich bis zu 13 Inhaftierte.Ihre Freilassung als eigentliches Ziel erreich-ten im Verlauf des wochenlangen Streiks al-lerdings nur zwei der Teilnehmer. Die Aktionorientierte sich an einem erfolgreichen Hun-gerstreik Anfang 2008. (red.)

    Trkei/Nordkurdistan:Am22. November fhrte die tr-kische Polizei eine groan-gelegte Razzien gegen dieKCK (Union der Gemein-schaften Kurdistans) durch.Verschiedene Quellen ge-hen davon aus, dass diePolizei mindestens 65 Men-

    schen bei gleichzeitigen Razzien in Diyarba-kir, Istanbul, Izmir und Bursa verhaftet habe.Genaue Zahlen wurden bislang nicht verf-fentlicht. Die Behrden werfen der Organisa-tion vor die Stadtguerilla der PKK zu sein.Gleichzeitig startete das trkische Militreine groe Operation in der Provinz Tuceli,bei dem ganze Landstriche bombardiert wur-den. (red.)

    Marokko/Sahara: Seit dem31. Oktober benden sich22 saharauische politischeGefangene, die in Marokkoinhaftiert sind, im Hunger-streik. Sie protestieren mitihrem Streik gegen die Ver-weigerung von legitimenGrundrechten und gegen

    die Unterdrckung ihrer Protestes in den Ge-

    fngnissen. Der Gesundheitszustand derGefangenen ist angeschlagen: Einige be-schweren sich ber Rcken-, Nieren- undKopfschmerzen, sowie Schwindelanflle. Ei-nige der Gefangenen haben bereits zwi-schen 5 und 10 kg Gewicht verloren. (red.)

    Kurzmeldungen international

    Leonard Peltier, mittlerweile 67 Jahre alt, sitzt seit35 Jahren als politischer Gefangener in US ame-rikanischen Gefngnissen. Das American IndianMovement, dem Peltier angehrte war 1977 inder Pine Ridge Reservation aktiv und verteidigtedie indianische Bevlkerung erfolgreich gegenparamilitrische Banden die diese unter Anleitung

    des FBI tyrannisierten. 77 wurde Leonard Peltierunter dem flschlichen Vorwurf zwei FBI Agentenerschossen zu haben verhaftet. Es handelte sichum eine der damals, gegenber Brgerrechts-aktivisten wie ihm, hugen, ngierten Aktionen,im Rahmen des staatlichen Counterintelligence(Aufstandsbekmpfungs-) Programmes. Verur-teilt wurde er, nach einer Flucht nach Kanadaund der Auslieferung, in Folge der Aussage einerdurch das FBI