Gefangenen Info #359

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    gefangenen infounsere solidaritt gegen ihre repression

    jan./feb. 2011 nr. 359 preis brd: 2 preis ausland: 2,70 www.gefangenen.info

    Hamburg: Prozessgegen die somalischen Piraten

    Stuttgart: BrgerlicherProtest und brgerlicher Staat

    Spanien: Hungerstreikvon PCE(r), GRAPO und SRI

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    Liebe Leserinnen und Leser,

    diese Ausgabe steht leider im Zeichen des Verlusts unseres Freundes undGenossen Peter O. Chotjewitz, der sich stets fr die politischen Gefangeneneingesetzt hatte. Neben seines Engagements fr die Gefangenen aus der RAFhatte er sich zuletzt sehr solidarisch mit den Gefangenen aus den DHKP-C-Prozessen befasst und in diesem Rahmen auch den damals noch inhaftiertenMustafa Atalay in der JVA Stammheim besucht. An dieser Stelle mchten wirseiner Familie, seinen FreundInnen und GenossInnen unser herzlichstes Beileid

    aussprechen.Der Schwerpunkt dieser Ausgabe hat aufgrund der Urteile in Dsseldorf undder andauernden Isolationshaftbedingungen die Repression gegen die migran-tische Linke zum Thema. Wir haben versucht, die aktuellsten und relevantestenInformationen zum Thema 129b-Prozesse in einem Artikel unterzubringen.Aufgrund der massiven Repression gegen vermeintliche Mitglieder der Befrei-ungsbewegung LTTE aus Sri Lanka, kndigen wir hiermit an, in den kommen-den Ausgaben auch diesbezglich Informationen zusammenzutragen und zuverffentlichen. Ebenfalls zum Schwerpunkt gehrt die Kriminalisierung derkurdischen Jugendlichen, gegen die die Prozesse in Stuttgart bereits begonnenhaben.Und da wir gerade beim Thema Prozesse sind, mchten wir auf den neu auf-gerollten Prozess gegen die Mrder von Oury Jalloh hinweisen. Dieser begannAnfang Januar in Magdeburg und wird wohl ebenfalls noch eine Weile dauern.Wir schlieen uns der Forderung Gerechtigkeit fr Oury Jalloh an und rufenhiermit zur Teilnahme am Prozess auf.

    Passend zur aktuellen Debatte und der EUGH-Entscheidung hinsichtlich dernachtrglichen Sicherungsverwahrung von Gefangenen, haben wir zwei au-thentische Beitrge zum Thema abgedruckt. Zum einen der konkrete ProtestGefangener aus der JVA Schwalmstadt und zum anderen ein Beitrag des Ge-fangenen Thomas Meyer-Falk. Wir hoffen, das insbesondere jene LeserInnen,die ihre Informationen zur Sicherungsverwahrung ausschlielich aus den br-gerlichen Medien beziehen, somit ein klareres Bild von dieser Manahme be-kommen.

    Und da sich wieder der 18. Mrz - Tag der poltischen Gefangenen - nhert,mchten wir hiermit kurz ankndigen, dass es in verschiedenen Stdten wie-

    der zahlreiche Aktionen und Aktivitten geben wird. Selbstverstndlich betei-ligen auch wir uns wieder mit unterschiedlichen berlegungen an den Vorbe-reitungen und werden unser mglichstes geben, um diesem Tag den ntigenAusdruck zu verleihen.An dieser Stelle geht unsere Bitte und unser Aufruf an die Gefangenen, sichebenfalls zu diesem Tag zu verhalten. Wir hoffen, dass ihr uns Grubot-schaften und Beitrge zu diesem Anlass schickt, die wir dann drauen ver-breiten werden.

    Mit solidarischen Gren in die Knste und an alle Leserinnen und Leser wn-schen wir abschlieend ein gesundes und kmpferisches Jahr 2011.

    In diesem Sinne:

    Nein zu ihren Anti-Terror-Gesetzen und Schwarzen Listen!Freiheit fr alle politischen und sozialen Gefangenen!

    Die Redaktion

    Das Gefangenen Info ist aus dem Angehrigen Info hervorgegangen, welches im Hungerstreik der politischen Gefangenen 1989 als Hungerstreik Info entstand.HerausgeberInnen: Netzwerk Freiheit fr alle politischen Gefangenen und FreundInnen.V.i.S.d.P.: Wolfgang Lettow c/o Gefangenen Info, Stadtteilladen Lunte e.V., Weisestrae 53, 12049 BerlinNichtredaktionelle Texte spiegeln nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wider. Beitrge der Redaktion sind entsprechend gekennzeichnet.Bestellungen (Inland): Einzelpreis: 2. Ein Jahresabonnement kostet 25,20 (Frderabo 28,00), Buchlden, Infolden und sonstige Weiterverkufer erhalten bei Bestel -lungen ab 3 Stck 30% Rabatt. Bei Bestellungen erhalten Sie eine Rechnung, die anschlieend auf das Konto des Gefangenen Info zu berweisen ist.

    Bestellungen (Ausland): Einzelpreis: 2,70. Ein Jahresabonnement kostet 28,40 (Frderabo 31,20), Buchlden, Infolden und sonstige Weiterverkufer erhalten beiBestellungen ab 3 Stck 30% Rabatt. Bei Bestellungen erhalten Sie eine Rechnung, die anschlieend auf das Konto des Gefangenen Info zu berweisen ist.Anschrift: Gefangenen Info, c/o Stadtteilladen, Lunte e.V., Weisestrae 53, 12049 Berlin, Redaktion: [email protected], Vertrieb: [email protected]: Gefangenen Info, Konto-Nr.10382200, Bankleitzahl: 20010020, Postbank HamburgEigentumsvorbehalt: Nach diesem Eigentumsvorbehalt ist die Zeitung solange Eigentum der/des AbsenderIn, bis es den Gefangenen ausgehndigt worden ist. Zur-Habe-Nahme ist keine Aushndigung im Sinne des Vorbehalts. Wird das Info den Gefangenen nicht persnlich ausgehndigt, ist es der/dem AbsenderIn mit dem Grundder Nichtaushndigung zurckzuschicken.

    e-mail: [email protected] homepage: www.gefangenen.info

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    vorwort inhalt dieser ausgabe

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    Schwerpunkt

    129b bedeutet Kollaboration mit re-aktionren Regimes

    Interview und Solierklrung zum Fallder kurdischen Jugendlichen

    Inland

    Bizarres Schauspiel kolonialerArmutsbekmpfung

    Oury Jalloh-Prozess: Wir kmpfenfr Freiheit und Gerechtigkeit

    Zum Hungerstreik in derJVA Schwalmstadt

    SV - Was ist das?

    Stuttgart 21 und die Repression

    Der Schriftsteller und GenossePeter O. Chotjewitz ist tot

    Offener Brief vonPhilip und Pepe Mayer

    International

    Hungerstreik fr Zusammenlegung

    Gefngnisstreik in Georgia, USA

    Festnahmen von MitarbeiterInnen derZeitschrift Yrys

    No Border Camp Brssel

    Widerstand in griechischen Knsten

    Gefangene

    Briefe von Gnther Finneisen

    Briefe von Nurhan Erdem

    Briefe von Tommy Tank

    Briefe von Faruk Ereren

    Feuilleton

    Literaturempfehlungen anlsslich desTodes von Peter O. Chotjewitz

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    Mit den Urteilen am 16. Dezember 2010gegen Nurhan Erdem, Cengiz Oban undgegen Ahmet Istanbullu endet somit nachdem Stammheimer 129b-Prozess daszweite DHKP-C-Verfahren und bringterwartungsgem langjhrige Haftstra-fen mit sich. Nurhan Erdem wird wegenRdelsfhrerschaft in der DHKP-C zu 7Jahren und 9 Monaten, Cengiz Oban zu 5Jahren und 6 Monaten und Ahmet Istan-bullu zu 3 Jahren verurteilt. Ahmet Istan-bullu bendet sich allerdings mittlerweileauf freiem Fu.Der Prozess gegen Faruk Ereren, der

    ebenfalls wegen Mitgliedschaft in derDHKP-C angeklagt und weiterhin von derAuslieferung an die Trkei bedroht ist, jhrtsich am 15. Januar diesen Jahres zumzweiten Mal. Auerdem steht ein weitererDHKP-C-Prozess gegen die GefangenenSadi zpolat und nal Kaplan Dzyar an.

    Der ungebrochene Verfolgungswille

    Das Verfahren gegen Nurhan, Cengiz undAhmet dauerte im Vergleich zu den b-rigen DHKP-C Verfahren recht kurz. DerMammutprozess in Stammheim, der am17. Mrz 2008 begann gegen Ahmet Dz-

    gn Yksel, Mustafa Atalay, Hasan Subasi,Devrim Gler und Ilhan Demirtas begann,hatte ganze 28 Monate gedauert und derProzess gegen Faruk Ereren in Dsseldorf

    jhrte sich am 15. Januar zum zweitenMal! Zu der enormen Lnge der Prozesse

    kommen natrlich die Haftbedingungen er-schwerend hinzu.Selbst fr Laien ist der Charakter der so-genannten Terrorismus-Prozesse un-verkennbar; so werden politische Aktivi-stInnen aufgrund ihrer Ttigkeiten fr dielegal ttige Anatolische Fderation mitHilfe von Konstrukten zu Mitgliedern ter-roristischer Organisationen erklrt undreaktionren Regimes wie der Trkei Un-tersttzung entgegengebracht.Dasselbe Konstrukt Mitgliedschaft in ei-ner terroristischen Vereinigung wird z.B.auch gegen baskische oder kurdische

    BasisaktivistInnen angewandt, die dannals angebliche ETA- oder PKK-Gruppeverfolgt werden. Abgesehen davon, dasMitgliedern aus unbewaffneten Zusam-menhngen selbstndiges Agieren von derherrschenden Klasse abgesprochen wird,hat das alles hnlichkeiten mit dem vier-Ebenen-Konstrukt der BRD vor ber 20Jahren. Denn damals wurden Gefangene,Widerstand und Solidarittszusammen-hnge als Teil der Gesamt-RAF gesehenund teilweise mit bis zu 10 Jahren Knastverurteilt.Es ist auch bezeichnend, dass z.B. derEinsatz gegen die Isolationshaft in tr-

    kischen Gefngnissen mit Isolationshaftin der BRD geahndet wird. Darauf wiesCengiz Oban auch in seiner Schlusserkl-rung hin und beschrieb, wie sehr die Haftihn und auch andere belastete. Er erklrtedazu, dass die Freiheit das wichtigste Gut

    sei, das der Mensch besitzen knne.Auch Nurhan Erdem verlas eine Erklrung,in der sie die Aktivitten der AnatolischenFderation schilderte, dessen Vorsitzendesie war. Sie sprach ber die Entstehungder 129a und -b, ber die Trkei unddie dort tglich stattndende Isolation unddie Folter. Sie bezeichnete das Verfahrenals undemokratisch und entlarvte die so-genannten Beweise als unzulssig undgeflscht. Abschlieend zitierte sie FidelCastro mit den Worten: Die Geschichtewird mich freisprechen.Viele Menschen waren anwesend, als Nur-han ihre Erklrung verlas. Sie spendetenihr Beifall. Das Gericht unter dem Vorsit-zenden Breidling reagierte darauf mit Aus-schluss aus dem Prozess. Beim Verlassenwurden Slogans wie Isohaft ist Folter,Isohaft ist Mord und Freiheit fr alle po-litischen Gefangenen gerufen.Im Urteil verdeutlicht sich der ungebro-chene Verfolgungswille des BRD-Staatesgegen linke migrantische Organisationen.Die Bundesanwaltschaft hatte in ihremPldoyer noch hhere Strafen gefordert,wonach sie Nurhan sogar 10 Jahre ein-sperren lassen wollte.Nachdem mit den Przedenz-Urteilen inStuttgart-Stammheim der Weg fr die wei-tere und schrfere Kriminalisierung geeb-net wurde, ist mit dem jetzigen Urteil einweiterer Schritt zur Etablierung des 129bals Instrument zur Bekmpfung von linkenOrganisationen gegangen worden.

    Isolationsfolter ist ein Meisteraus der BRD

    Die Isolationsfolter gegen die Gefangenenaus den 129b-Prozessen setzt sich unun-terbrochen und unvermindert fort. Die Haft-bedingungen, die vergleichbar mit jenengegen die Gefangenen aus der RAF sind,stellen ein wichtiges und ergnzendesMittel fr den Staat dar, die politischenGefangenen sowohl psychisch als auchphysisch anzugreifen. So ist Faruk Ererenweiterhin isoliert, obwohl ihm selbst die Ju-stiz aufgrund seiner schweren ErkrankungUmschluss mit anderen Gefangenen zu-gebilligt hat. Der Prozess gegen ihn ziehtsich in die Lnge und die Androhungen,ihn an die Trkei auszuliefern, sind weiter-

    hin aktuell. Bei nal Kaplan Dzyar, der imFebruar 2010 verhaftet wurde, dauert diedeutschsprachige Post ber sechs bis achtWochen. Trkische Korrespondenz dauertin der Regel noch lnger. nal ist nebenden Zensur- auch rigiden Isolationsbedin-gungen ausgesetzt.Sadi zpolat wurde auf Betreiben der Bun-desanwaltschaft letztes Jahr in Frankreichverhaftet. Er war zu Beginn des Todesfa-stens von 2000 bis 2007 in der Trkei derGefangenensprecher. Letzteres ist be-stimmt ein Grund, warum er als Rdels-fhrer in einer terroristischen Vereinigungangeklagt wird und es ist zu befrchten,

    dass er noch zu mehr Jahren eingesperrtwerden knnte als Nurhan. Weil auch Sadimit massiver Zensur und Isolationshaftkonfrontiert ist, fhrte er gegen diese Ver-schrfungen einen Hungerstreik von vierTagen im November 2010 durch. Er teilte

    129b bedeutet Kollaborationmit reaktionren RegimesUrteile, Haftstrafen und Isolationshaft gegen die migrantische Linke

    red.

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    dieses seinem Anwalt am 17. Novembermit, jedoch erreichte der Brief seinen An-walt erst am 16. Dezember!Doch die Isolationsmanahmen endennicht mit dem Knast. Bei Devrim Gler,der bis zum Prozessende in Stammheimber drei Jahre eingesperrt war, hrt dasauch nach seiner Entlassung nicht auf. Wirzitieren Devrim: Ich bin seit Donnerstag,den 9. Dezember 2010, zwangslug inHeidelberg und werde es wohl noch ln

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    ger bleiben. Das Verwaltungsgericht Klnhat entschieden, mich nach Heidelberg zuverbannen und mir eine Residenzpichtaufzuerlegen. Ich darf Heidelberg ohnedie Erlaubnis der Auslnderbehrde nichtverlassen. Diese hat mir ebenso eine ein-monatige Duldung erteilt. Wie Du sehenkannst, luft die Repression auf vollenTouren. Devrims Duldung sei letzten Infor-mationen zufolge auf drei Monate verln-gert worden, jedoch muss er sich tglichbei der Polizei melden.Auch der ehemalige Stammheim-Gefan-gene Ahmet Dzgn Yksel ist seit Januarin Residenzpicht genommen worden. Ermuss sich jeden Tag zwischen 11 und 13Uhr bei der Polizei melden. Und auch ihmdroht - ebenso wie Devrim Gler - weiter-hin die Auslieferung an die Trkei.

    Es heit, wir wrden die Ordnung inihren Knsten bedrohen

    Sadi zpolats Korrespondenz zum Netz-werk Freiheit fr alle politischen Gefange-nen wurde vom Bundesgerichtshof (BGH)durch den Richter Sander beschlagnahmt.Geschickt wurde Informations- und Hinter-

    grundmaterial zum erfolgreichen Prozessgegen das Gefangenen Info vor demLandgericht Berlin. Bei den inkriminiertenTexten handelt es sich um die Prozess-erklrung und den dazugehrigen Berichtvom Prozess, Gruadressen von Gefan-genen, von der BundestagsabgeordnetenUlla Jelpke bis hin zur Roten Hilfe Itali-ens. Fr das BGH seien das nur Propa-gandamaterialien und Sympathiebekun-dungen. Dem Gefangenen Info wirdauch zum Vorwurf gemacht, dass es erst-malig 1989 anlsslich des Hungerstreiksder Gefangenen aus der RAF als Hunger-streik Info in Erscheinung getreten ist und

    es sei eine Waffe der Solidaritt, um ge-gen die zunehmende Repression an poli-

    tische Gefangene aufmerksam zu machenund somit besser gegen die Unterdr-ckung agieren zu knnen. Ebenso werdendie HerausgeberInnen des GefangenenInfos - das Netzwerk Freiheit fr alle poli-tischen Gefangenen - angegriffen, weil essich als Zusammenschluss versteht, umsich gegen die herrschenden Verhltnisseorganisierter wehren zu knnen. Somitwerden unsere eindeutigen Absichten alsMacherInnen dieser Zeitung Abschnitt frAbschnitt zitiert und es ist fr uns weiterhinwichtig, Stellung gegen diese Verhltnisse

    zu nehmen.Nun, Objektivitt ist eine Angelegenheit,die wir sog. unabhngigen Beobachte-rInnen berlassen mchten. Wir sinduns unserer Lage als Ausgebeutete undUnterdrckte bewusst und nehmen die

    Verhltnisse auch dementsprechend zurKenntnis. Insbesondere wenn es um dieseit fast einem Jahrzehnt angeheizte Ter-rorhysterie und der dazugehrigen Flos-keln der imperialistischen Kriegstreiberund Folterer geht, sind wir ganz und garnicht gewillt, so zu tun, als stnden wirvollkommen unparteiisch und abseits vomGeschehen. Als Betroffene und Leidtra-gende des kapitalistischen Systems soli-darisieren wir uns selbstverstndlich mitunseren WeggefhrtInnen rund um denGlobus, welche ebenso wie wir aktivgegen die bestehenden Missverhltnisseankmpfen. So auch mit den politischenGefangenen in der BRD!

    Die BRD untersttzt Mrder und Folterer

    Im Gefangenen Info Nr. 354 hattenwir unter dem Titel Sie lieben Kriegs-geschfte etwas zu den innigen Bezie-hungen zwischen der BRD und der Trkeigeschrieben. Dabei ging es natrlich umWaffengeschfte. Und zwar hatte dieTrkei, welche der grte Waffenabneh-mer der BRD ist, wieder enorme Summen(2 Milliarden und 56 Millionen ) fr Pan-zer und U-Boote ausgegeben. Es ist somitkeineswegs von der Hand zu weisen, dassdie BRD ein vitales Interesse an guten Be-ziehungen zum NATO-Partner Trkei hat.Ein weiterer BRD-Exportgter, der nebenvielen verschiedenen Lndern auch in dieTrkei exportiert wurde, ist das Modell-Stammheim. Als Ende der 90er die De-batte zur Lsung des Gefngnisproblemsin der Trkei breitgetreten wurde, legtedie EU der Trkei nahe, Folter nunmehr

    zivilisierter zu praktizieren. Das Resultat,d.h. die trkische Variante von Stuttgart-Stammheim und Kln-Ossendorf oderkurz F-Typ Knste genannt, verschlangenbereits beim Erffnungsakt im Dezember2000 das Leben von 28 Gefangenen. Rund100 weitere Gefangene starben in den fol-genden Jahren in Hungerstreiks und To-desfasten. Sind die Verantwortlichen frdiese Verbrechen allein in der Trkei zusuchen? Denn Folter in Gewahrsam undin den Knsten, das Verschwindenlassen,Hinrichtungen auf offener Strae, Vernich-tung von Drfern und die Massaker an derkurdischen Bevlkerung geschehen mit

    Billigung und solidarischer Untersttzungder EU - allen voran der BRD. Und einenFaktor dieser aktiven Untersttzung stelltder Anti-Terror-Paragraph 129b dar, weil ereben genau dazu geschaffen ist: Personenund Organisationen zu zerschlagen, die imAusland ansssig sind und den kapitali-stischen Interessen im Wege stehen. Aus-gehend davon, dass Menschen vom Rechtauf Widerstand gegen StaatsterrorismusGebrauch machen, darf das Engagementgegen die Praktiken des Staatsapparatesder Trkei kein Verbrechen darstellen.Doch da juristische Entscheidungen berRecht und Unrecht und die Auslegung

    von Begrifichkeiten wie Terrorismusden Herrschenden vorbehalten sind, wirddieses Engagement noch kriminalisierbarbleiben. Wir werden diesen unhaltbarenZustand nicht widerstandslos hinnehmen!

    Unter den Parolen Isolation ist ein Ver-brechen an der Menschheit! Alle Isolati-onspraktiken mssen abgeschafft werden!Der Paragraph 129 muss aufgehobenwerden! Schluss mit dem Verbot der Or-ganisierungsfreiheit! Freiheit fr Meinungund Organisierung! Alle faschistischen undrassistischen Parteien mssen verbotenwerden! Freiheit fr alle politischen Gefan-genen! hatte die Anatolische Fderationin Deutschland zu einem Langen Marschaufgerufen.Die Protestaktion begann am 16. Novem-ber vor dem OLG Dsseldorf und wurdemit einer Demonstration am 27. Novemberin Kln beendet.Im Zuge des Langen Marsches wurdenin insgesamt 23 Stdten Kundgebungenund Veranstaltungen durchgefhrt, mehrals 17.000 Flugbltter verteilt, ber 150Postkarten an die Gefangenen geschickt,

    40 Infomappen an humanistische Einrich-

    tungen berreicht, Gesprche mit neunLandtags- und Bundestagsabgeordnetengefhrt und mit Tausenden Menschen ge-sprochen.Ein weiterer Langer Marsch sei laut Ver-anstalterInnen fr den Mrz 2011 geplant.

    Gruadresse von Werner Braeuner zum

    Langen Marsch an die Organisation Ta-

    yad fr die 129b-Gefangenen in der BRD

    Das Kapital sagt Wohlstand, aber meint Aus-beutung | es sagt Freiheit, aber meint Un -

    terwerfung | es sagt Demokratie, aber meintEinsperrung | So war es mit Irland, Griechen-land, Portugal, Spanien | und den neuen ost-europischen Republiken, berall | hinterlsstdas Kapital Trmmer, Zerstrung und Not| Derzeit jubelt das Kapital ber ein Wachs-tum seines Prots | von jhrlich 10% in derTrkei, mehr Wachstum aber | bedeutet mehrAusbeutung, Unterwerfung und Einsperrung!| Denn das Kapital ist kein Wohltter, sondernein Ruber. | Immer mehr Menschen auf derWelt sehen dies heute, sie | brauchen sich nurumzuschauen. Darum wchst berall | auf derWelt der Widerstand gegen die kapitalistischeRegime | und der Lange Marsch von TAYAD

    fr die 129b-Gefangenen | wird darum dieRepression zurckschlagen und den Wider-stand aufbauen.

    Es lebe die internationale Solidaritt,es lebe Tayad!

    Der Lange Marschgegen Isolation

    red.

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    Gefangenen Info: Kannst du uns etwas zur

    aktuellen Situation der Jugendlichen erzh-

    len.

    Kurdischer Jugendlicher: Im letzten Jahr

    wurden in Stuttgart und Region 18 kurdischeJugendliche verhaftet und in Knste berganz Baden-Wrttemberg verteilt. Ihnen wirdvorgeworfen am 7. Mai 2010 eine hugvon Faschisten besuchte Kneipe in Nrtin-gen angegriffen zu haben. Dabei wurden 4Faschisten verletzt. Die Anklage lautete aufversuchten Mord, das wurde nun auf ge-meinsame schwere Krperverletzung herun-tergeschraubt.Ursprnglich war eine Personnach 129 (Mitgliedschaft/ Untersttzung ei-ner kriminellen Vereinigung) angeklagt, dieswurde nun fallengelassen. Er bendet sichaber weiterhin in Haft. Auch die Aussagen vonzwei der Jugendlichen wurden zurckgezo-gen. Nun werden zwei unterschiedliche Pro-zesse beginnen einmal am 13 Januar gegendie ber 21 Jhrigen und am 17 Januar gegendie jngeren. Die Staatsanwaltschaft hat denJugendlichen Deals angeboten.

    GI: Wie ordnet ihr die Verhaftungen ein und

    was erwartet ihr nun von den Repressionsbe-

    hrden?

    K: Seit 2006-2007 werden die kurdischen Mo-bilisierungen in Stuttgart kontinuierlich grer,Hand in Hand damit stiegen auch die Aktivi-tten der Polizei, so werden wir z.B. bereitsseit mehreren Jahren mit allen Mitteln ber-wacht. Gerade nach den Verhaftungen wur-

    den wieder vermehrt Jugendliche von Staats-schtzern angesprochen und versucht diese

    mit Geld und Jobversprechen zur Zusammen-

    arbeit zu bewegen.In Heilbronn hat sich durch das krasse Vorge-hen der Polizei gezeigt, dass der Staat jedenAnlass nutzen wird um die kurdischen Zusam-menhnge zu treffen (*). Insbesondere wenn

    diese sich wie in Heilbronn mit deutschen Lin-

    ken solidarisieren und zusammenarbeiten. Alldies zeigt, dass die Polizei seit Jahren einenAnlass gesucht hat um dem entgegenzutretenund um einer groen spektrenbergreifendenantifaschistischen Bewegung von Anfang anden Riegel vorzuschieben.

    GI: Wie siehst du die aktuelle Situation in Kur-

    distan?

    K: Einerseits ndet seit dem Verbot der DTPein Auseinandersetzung von Intellektuellenund Demokraten mit dem Thema Kurdistanstatt. Auerdem werden kleine Zugestnd-nisse an die Kurden gemacht. Andererseitswerden Politiker und Brgermeister wegenangeblicher Nhe zur PKK verhaftet unddie trkische Luftwaffe bombardiert trotz desdurch die PKK ausgerufenen Waffenstill-stands weiterhin kurdisches Territorium. Mitdieser Zuckerbrot und Peitsche Taktik ver-sucht der trkische Staat einen Keil zwischendie neue kurdisch demokratische Partei BDPund die Anhnger calans zu treiben.In Deutschland wird whrend dessen durchdie Kriminalisierung von Straendelikten ver-sucht die kurdischen Zusammenhnge in einschlechtes Licht zu rcken.

    GI: Wie kann man euch untersttzen?

    K: Kommt zu den Prozessen, spendet fr dieSolidarittsarbeit und die Prozesskosten und

    Die Prozesse begannen am 13. und 17.Januar um im Landgericht Stuttgart, Urb-anstr. 20, Haltestelle Staatsgalerie

    Spendenkonto: Rote Hilfe e.V. OrtsgruppeStuttgart Konto Nr. 4007 238 313 BLZ 430609 67 Stichwort kurdische Jugendliche

    Kontakt: [email protected]

    * Redaktionelle Anmerkung: Am 20 November2010 fand in Heilbronn eine Demonstration unterdem Motto Frieden und Freiheit fr Kurdistanstatt. Die Demonstration als gemeinsame Akti-on kurdischer und nicht- kurdischer Linker solltedie Notwendigkeit eines gemeinsamen Kampfesum Befreiung unterstreichen. Die Demo wurdevon Anfang an von einem martialischen Poli-zeiaufgebot begleitet und provoziert. Schlie-

    lich setzte die Polizei massiv Pfefferspray undSchlagstcke ein und kesselte einen groen Teilder Demonstration ein. 82 Menschen wurdenabfotograert, durchsucht und erhielten einenPlatzverweis. Weitere 41 Personen wurden mitauf die Wache genommen.

    Anfang dieses Jahres wurden in der RegionStuttgart ca. 40 Hausdurchsuchungen beikurdischen Familien durchgefhrt und zahl-reiche kurdische Jugendliche verhaftet. Seitnun knapp sieben Monaten benden sich 18Jugendliche in Untersuchungshaft.

    Sie wurden voneinander getrennt und in Ge-fngnisse ber ganz Baden-Wrttemberg

    verteilt. Ihnen wird vorgeworfen an einemAngriff auf eine Kneipe namens Bary inNrtingen bei Stuttgart, welche regelmigvon trkischen Faschisten besucht wurde,beteiligt gewesen zu sein.Im Zusammenhang mit diesem Verfahrenwird auf das soziale Umfeld der inhaftiertenKurden, wie Familie und Freundeskreis, bisheute massiver Druck ausgebt: Telefonan-rufe der Polizei, Eingriffe in das Privatleben,Hausdurchsuchungen durch schwerbewaff-nete Einheiten des Sondereinsatzkomman-dos (SEK), spontane Mitnahmen auf dasPolizeirevier und verstrkte Kontrollen undObservation des gesamten Alltags der Be

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    troffenen sind nur einige Beispiele dafr.Dabei nutzt die Polizei die emotionale Bin-dung der Eltern an ihre Kinder schamlos ausund setzt die Betroffenenen und ihre Fami-lien durch all diese Manahmen psychisch

    unter Druck. Diese Vorgehensweisen habentief greifende Auswirkungen auf den Alltagder Betroffenen und deren Umfeld. Sinn undZweck dessen ist es, eine Stimmung ausAngst und Unsicherheit zu erzeugen und vor

    jeglicher politischer Bettigung abzuschre-

    cken.Fnf der Jugendlichen wurde unter Geld-versprechungen angeboten mit der Polizeizusammenzuarbeiten. Auerdem wurdenGerchte im Umfeld der kurdischen Jugend-lichen verbreitet, dass sich seit lngerer Zeitein Spitzel der Polizei in den politischen Zu-sammenhngen bewegt. Dies soll zu einemgegenseitigen Misstrauen fhren und dieZusammenhnge von innen heraus schw-chen.Diese Verhaftungen reihen sich ein in eine

    jahrzehntelange Verfolgung von Kurdinnenund Kurden in der BRD und sind dabei nurein Beispiel fr die generelle Verfolgung undUnterdrckung von kurdischer Politik nichtnur in der BRD.Auf europaweiter Ebene werden seit den80er Jahren kurdische Strukturen verstrktverfolgt und kriminalisiert. Das beschriebeneVorgehen ist ein typischer Ausdruck fr diePolitik gegen die kurdische Bewegung.

    Solidarittserklrung mit den kurdischenJugendlichen

    Die Verfolgung der kurdischen Jugend Stutt-gart muss daher im Kontext der jahrhunder-telangen Unterdrckung von KurdInnen undder aktiven Bekmpfung von kurdischenStrukturen in der BRD, in der Trkei undberall gesehen werden.Wir verurteilen die Verhaftung der kurdischenJugendlichen, die Schikanen, mit denen dieKurdinnen und Kurden konfrontiert werdenund fordern ein Ende der Unterdrckung vonKurdInnen, wie auch die Freiheit der kur-

    dischen Jugendlichen.

    Kurdische Jugend Stuttgart

    UntersttzerInnen:

    Young Struggle Stuttgart, ATIK-YDG (NeueDemokratische Jugend), Libertres BndnisLudwigsburg, Revolutionre Aktion Stuttg-art, Arbeitskreis Internationalismus Stuttgart,Netzwerk Freiheit fr alle politischen Gefan-genen Stuttgart, Antifaschistische InitiativeHeidelberg, Kampagne Tatort Kurdistan,Antifaschistische Revolutionre Aktion Ber-lin, Rote Hilfe Braunschweig, FAU Freiburg,Kurdistan-Solidarittskomitee Berlin, Anti-faschistische Linke Freiburg, SozialistischeLinke Hamburg, Zusammen Kmpfen Duis

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    burg, Lydia Trueten (IG-Metall Vertrauens-frau Esslingen), Thomas Trueten (Vertrau-enskrpermitglied, DelegiertenversammlungEsslingen)

    stellt euch unter das Untersttzerschreiben

    GI: Gibt es noch etwas was du sagen willst?

    K: Die die Freiheit liebende kurdische Bewe-gung wird sich durch Repression und faschi-stische Attacken nicht unterdrcken lassenund wird die Freiheit jedes einzelnen unter-drckten Menschen verteidigen und sich auchimmer gegen den Unterdrcker auehnen.

    Der Befreiungskampf aller linken und demo-kratischen Organisationen weltweit wird die

    nchsten Jahre stark zunehmen, weil sich dieWahrheit im 21. Jahrhundert nicht lnger ver-leugnen lsst. Nehmt nicht alles stillschwei-gend hin. Ihr knntet die nchsten sein.

    Interview zum Prozess gegen diekurdischen Jugendlichen in Stuttgart

    Untersttzung

    red.

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    Seit dem 21. November 2010 mssensich zehn Jungen und Mnner aus Soma-lia vor dem Landgericht Hamburg wegenAngriffs auf den Seeverkehr sowie ver-suchten erpresserischen Menschenraubs

    verantworten. Ihnen wird vorgeworfen, am5. April 2010 den Frachter Taipan derHamburger Reederei Komrowski rund 530Seemeilen vor der Kste Somalias in ihreGewalt gebracht zu haben, in der Absicht,die Besatzung als Geiseln zu nehmen undLsegeld zu erpressen. Die 13kpgeBesatzung konnte sich indes in Sicher-heit bringen und einen Notruf abgeben.Sie wurden von einem niederlndischenKriegsschiff im Dienste der EU-Militrmis-sion ATALANTA befreit, und die Somalisverhaftet. Dabei wurden fnf Maschinen-gewehre und zwei Raketenwerfer samtMunition sowie zwei Enterhaken sicherge-

    stellt. Die Somalis wurden zunchst nachAmsterdam gebracht, und auf Antrag derStaatsanwaltschaft Hamburg Anfang Juninach Deutschland ausgeliefert. Ihnen dro-hen Strafen bis zu 15 Jahren Haft.Einer der Beschuldigten gibt an, 13 Jah-re alt, zwei weitere, minderjhrig zu sein.Damit wre der eine gar nicht strafmndig,und gegen die beiden anderen msste einJugendgericht verhandeln. Die Staats-anwaltschaft zweifelte diese Angaben in-des an, und ordneten eine medizinischenUntersuchung zur Altersfeststellung imRechtsmedizinischen Institut am Univer-sittsklinikum Eppendorf (UKE) an. Dort

    wurde mittels fragwrdiger und durchausauch in der rzteschaft umstrittener Me-thoden festgestellt, dass nur einer vonihnen eventuell erst 17 Jahre alt ist, diebeiden anderen in jedem Fall das 18. Le -bensjahr berschritten haben.

    Derweil wird der Fall vor der Kammer frVerkehrsstraftaten verhackstckt, die zu-gleich auch Jugendkammer ist.Deren Namen klingen fremd in den Ohrendes Richters Bernd Steinmetz. Mehrfach

    lsst er die Beschuldigten diese buchsta-bieren, um sie auch richtig zu verstehen.

    Auch die Sitten und Gebruche in demLand, aus dem sie kommen, sind gelindeformuliert anders als hierzulande: Wh-rend des Regens sei er zur Welt gekom-men, sagt ein Somali. Unter einem Baumein anderer.Kein jhrliches Wiegenfest mit Geburts-tagstorte und Kerzen je nach Anzahl derLebensjahre auspusten, sondern jedenAbend das gute Gefhl, diesen Tag ber-standen zu haben, mit Glck sogar mitvollem Magen, und jeden Morgen die ban-ge Ungewissheit, den Abend berhaupt

    zu erleben. Das ist die Lebensrealitt der jungen Mnner und Jugendlichen, die ineinem Hamburger Gericht auf der Anklage-bank sitzen. Sie kommen aus einem Land,in dem 60% der Bevlkerung weder Lesennoch schreiben knnen, 40% auf Nah-rungsmittelverteilung der UN angewiesensind und in dem 1,5 Millionen Menschensich als Inlandschtlinge durchschlagenmssen.Eine Ursache fr das Elend in Somaliaist neben dem andauernden Krieg der in-ternationale Fischraub: Fischtrawler ausJapan, den USA und Europa schen dieMeere leer, und zerstren dabei nicht nur

    die Lebensgrundlage der somalischen Fi-

    scher, sondern auch deren Equipment,Netze, Boote, etc. So dass sie, selbstwenn die Fischbestnde sich erholen wr-den, keine Mglichkeit mehr htten, ihremeigentlichen Beruf nachzugehen.

    So werden sie leichte Beute fr maseBanden, die aus dem anfnglichen Ab-wehrkampf der Fischtrawler lngst eineneigenen lukrativen Geschftszweig ent-wickelt haben. Denn eines ist sonnenklarbei diesem bizarren Schauspiel koloni-alistischer Armutsbekmpfung, dessenzweiter Akt seit dem 21. November 2010vor dem Hamburger Landgericht aufge-fhrt wird: die Beschuldigten sind armeSchlucker, denen durch Krieg und ber

    -

    schung die Existenzgrundlage vernichtetwurde, eine spezielle Form von Sldnern,die sich von organisierten Banden an-heuern lieen, um das berleben fr sichund ihre Familien zu sichern. Sie sind dieBauernopfer, die in eine Westmetropoleverschleppt und vor den Kadi gestellt wer-den, weil die eigentlichen Verantwortlichennicht zur Rechenschaft gezogen werdenknnen oder sollen.Die Reeder scheinen nicht so sehr anden Hintermnnern interessiert zu sein,als an harten Strafen fr die Somalis. Soforderte der Geschftsfhrer der ReedereiKomrowski, Roland Hger, im HamburgerAbendblatt die hrtesten Methoden.Dabei blicken die hanseatischen Pfef-ferscke auch nicht eben auf eine ruhm-reiche Tradition zurck: Ihre Wurzeln ge-hen auf Dreieckshandel zurck, den berden Atlantischen Ozean betriebenen Wa-renhandel zwischen Europa, Afrika undAmerika. Im Klartext heit das, dass ausAfrika Sklaven in die USA verbracht wur-den, aus den USA die Baumwolle, die dieSklaven auf den Cottonelds pckenmussten, nach Europa gebracht, und dortverarbeitet wurden. Die Produkte daraus

    wurden mitverschifft, und so ganz neben-bei noch munter Waffenhandel betrieben.

    In diese Tradition ist die 1923 gegrndeteReederei Komrowski indes nicht zu stel-len. Allerdings fllt auf, dass das Unterneh-men whrend der Zeit des deutschen Fa-schismus stark expandierte: von 1934 bis1940 wurde die Flotte von fnf auf zwlfSchiffe erhht und damit mehr als ver-doppelt. Seit 1972 aggt Komrowski aus.Dazu wurden in Curacao auf den Nieder-lndischen Antillen eigens zwei Tochterr-men gegrndet, dadurch erhielten einigeSchiffe niederlndische Flaggen. Anderewurden nach Liberia ausgeaggt. Nieder-

    lndische Anwlte fanden im Zusammen-hang mit den somalischen Gefangenen

    heraus, dass den Angaben im Internet zu-folge die Taipan mal als deutsches Schiffauftaucht, dann wieder unter der FlaggeLiberias oder Bahamas gefhrt wird.Das Ende des Prozesses ist derzeit nochnicht abzusehen. Noch wird primr dieFrage des Alters der Beschuldigten disku-tiert. Die Anwlte versuchen, die Fragwr-digkeit der Methoden, mit denen rzte dieFleischbeschau durchfhren, und davondas Alter eines jungen Menschen ableitenzu knnen glauben, vor Gericht zu diskre-ditieren. Sollte ihnen das gelingen, wre

    damit ein Meilenstein in der Asylpolitikgelegt: denn auch jugendliche Flchtlingewerden hug um ihre Rechte gebracht,indem sie einfach hchst wissenschaft-lich zu Erwachsenen gemacht werden.

    Birgit Grtner

    Bizarres Schauspiel kolonialerArmutsbekmpfung

  • 8/6/2019 Gefangenen Info #359

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    Dsseldorf: Ahmet Istan-bullu ist frei. Ahmet wareiner der drei Angeklagtenin dem 129b Prozess,der sich gegen ihn, NurhanErdem und Cengiz Obanrichtete. Am 16. Dezemberwurde in ihrem Verfahren

    das Urteil gesprochen. Er wurde zu 3 JahrenHaft verurteilt, da er seit dem 5. November2008 also mehr als 2 Jahre und 1 Monat in U-Haft eingesperrt war, wurde er nun frei-gelassen. Nurhan Erdem wurde zu 7 Jahrenund 9 Monate und Cengiz Oban zu 5 Jah-ren Haft verurteilt. (red.)

    Berlin: Polizeibericht 2010erschienen. Wie bereits imJahr zuvor umfasst der Be-

    richt der von Autonome

    Gruppen herausgegebenwird Informationen berAusrstung, Strukturen,Einsatztaktik der Polizei,

    sowie Hintergrnde, Analysen, Kritik. Bereitsim Vorwort wird darauf hingewiesen, dassdie gesammelten Informationen lediglicheine Momentaufnahme polizeilicher Struk-

    turen darstellt. Unter anderem enthlt derBericht 2010 eine Liste mit Kennzeichen von182 zivilen Polizeifahrzeugen. (red.)

    Dortmund: Am 16. De-zember 2010 wurden zwei

    Antifaschisten vom Amts-

    gericht Dortmund zu 8 Mo-naten auf 3 Jahre Bewh-rung und zur Zahlung einesSchmerzensgeldes an zweiFaschisten verurteilt. Ihnen

    wird vorgeworfen, Ende Juli in der Dortmun-der Nordstadt drei Nazis angegriffen und di-ese verletzt zu haben. Mit Hilfe der Anklageder gefhrlichen Krperverletzung wurdendie zwei Antifaschisten die bis dato keineVorstrafen hatten bereits am zweiten Pro-zesstag auch anhand von widersprchlichen

    Zeugenaussagen verurteilt. (red.)

    Karlsruhe: Am 14. Dezem-ber 2010 wurde ein Unter-sttzer der revolutionren1. Mai Demonstration 2010in Karlsruhe zu 150 Tages-

    stzen Geldstrafe verurteilt.Zwei Tage darauf fand derzweite Prozess in diesem

    Kontext statt. Dies zeigt den Kriminalisie-

    rungswillen der Karlsruher Justiz deutlichauf, die versucht die TeilnehmerInnen derDemonstration zu kriminalisieren, um diese

    prventiv unterbinden zu knnen. Am Abenddes Urteils fand in der Karlsruher Innenstadteine spontane Soli-Demonstration mit 60TeilnehmerInnen statt. (red.)

    Kurzmeldungen bundesweit

    Wir kommen zusammen in unserem ber-zeugten Einsatz dafr, die rassistischenStrukturen des Staates und der Gesellschaftin der Sache Oury Jalloh zu enthllen - sym-bolisch fr all die Opfer staatlich organisier

    -

    ter Verbrechen und fr die Erfahrungen, dieim Kampf dafr gemacht worden sind, dieMrder Oury Jallohs beim Namen zu nen-nen. Wir wollen auch unseren Aufruf bekrf-tigen, Polizeibrutalitt zu bekmpfen und zustoppen und gegen das rassistische Prolingder Behrden vorzugehen.Der Tod von Oury Jalloh durch Polizeige-walt, dessen wir gedenken, ist lediglich einAspekt der gesamten rassistischen gesetz-lichen Manifestation der Ausgrenzung undUnterdrckung von Flchtlingen und Mi-grantInnen. Wir erinnern uns auch an dieOpfer, die an den Auengrenzen Europas

    gestorben sind, in Abschiebegefngnissen,whrend der Abschiebung oder durch dieVerweigerung medizinischer Frsorge, undsogar die Zerstrung von Leben in den La-gern ist ein Beweis fr dieselbe rassistischeStruktur der Gesellschaft.Die VOICE-Flchtlingskonferenz, die imDezember 2010 in Jena stattgefunden hat,verabschiedete einen Appell an alle, sichuns anzuschlieen in der Verurteilung desrassistischen Systems und die ffentlichkeitber die Tode und die Misshandlungen vonFlchtlingen und MigrantInnen zu informie-ren sowie die verschiedenen Kampagnenmiteinander und dem Fall Oury Jalloh zuverbinden. - Der Kampf um Gerechtigkeit im

    Fall Oury Jalloh wird fortgesetzt, auch wennwir keinerlei Wahrheit vom Gerichtsprozesserwarten, der nchste Woche in Magdeburgbeginnt.Wir fordern die deutsche Rechtsprechungauf, eine grndliche Untersuchung desFalles durchzufhren und die rassistischenPolizeimrder Oury Jallohs festzustellen

    oder sich den Konsequenzen des organisier-ten Polizeiverbrechens der rassistischen In-stitutionen und Behrden zu stellen.Wir fordern eine unabhngige Kommissionzur Untersuchung des Mordes an Oury Jal

    -

    loh in der Polizeizelle in Dessau.Obwohl und vielleicht weil wir von dem neu-en Prozess keine Gerechtigkeit erwarten,muss auch dieser Prozess von unabhn-gigen JuristInnen, Menschenrechtsaktivi-stInnen und Betroffenen kritisch beobachtetwerden. Diese Beobachtung des Prozessessoll nicht als Legitimation der Vertuschungdurch das Gericht verstanden werden, son-dern als eine Delegation zur Dokumentationdes Prozesses und seiner Ergebnisse.Wir werden den Fall sehr kritisch verfolgenund fordern immer noch Wahrheit, Gerech-tigkeit und Entschdigung der Familie von

    Oury Jalloh.Genauso werden wir es im Fall von LayeAlama Cond halten, dem anderen Fall, wokeine Gerechtigkeit im Gerichtsverfahrenerzielt wurde. Doch beide sind nur ein Teilvieler Flle von Polizeigewalt, die tdlich en-dete. Ndeye Mareame Sarr, Halim Dener,John Achidi, Zdravko Nikolov Dimitrov, AamirAgeeb, Arumugasamy Subramaniam, Domi-nique Koumadio und viele andere sind Opferder deutschen Polizei und ihrer rassistischenStraosigkeit geworden. Die Mehrheit die-ser Flle wurde nicht einmal vor Gericht ge-bracht.Fast sechs Jahre nach Oury Jallohs bestia-lischem Tod in Zelle Nr. 5 in Dessau sagen

    wir weiterhin: Oury Jalloh das war Mord!

    Wir fordern:Break the Silence!Wahrheit! Gerechtigkeit! Entschdigung!

    The VOICE Refugee ForumJanuar 2011

    Wir kmpfen fr Freiheit und Gerechtigkeit!Erklrung von The VOICE Refugee Forum zum Prozessauftakt in Magdeburg

    Foto von der Demonstration zum Todestag von Oury in Dessau am 7. Januar

    Fr, 14. Januar 2011

    Fr, 21. Januar 2011Fr, 4. Februar 2011Do, 10. Februar 2011Fr, 11. Februar 2011Do, 3. Mrz 2011Fr, 4. Mrz 2011

    Do, 10. Mrz 2011

    Fr, 11. Mrz 2011Do, 31. Mrz 2011Fr, 1. April 2011Do, 7. April 2011Fr, 8. April 2011Do, 14. April 2011

    Fr, 15. April 2011

    Do, 28. April 2011Do, 5. Mai 2011Do, 12. Mai 2011Do, 19. Mai 2011Do, 26. Mai 2011

    Am 12. Januar begann der Prozess gegen den Angeklagten Andreas Schubert. Der Prozessluft vor dem Landgericht Magdeburg, Halberstdter Str. 8, 39112 Magdeburg. Weitere Pro-zesstermine jeweils um 9.30 Uhr:

    Weitere Prozesstermine

    The VOICE Forum

  • 8/6/2019 Gefangenen Info #359

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    8 gefangenen info jan./feb. 2011

    seite 3 schwerpunkt inland international dossier gefangene feuilleton kurzmeldungen

    Ab dem 01.11.2010 treten die Sicherungs-verwahrten der JVA Schwalmstadt in einenzunchst auf 5 Tage befristeten Hunger-streik.- trotz eindeutiger Rechtsprechung desEGMR wird die Sicherungsverwahrung inder JVA Schwalmstadt nach wie vor wieeine zustzliche Strafe vollzogen;- wir Sicherungsverwahrten werden denderzeit menschenrechtswidrigen Vollzugvon Prventivhaft in Zukunft nicht mehr wi-derstandslos hinnehmen.

    Am 01.11.2010 tritt das HStVollzG inKraft. Darin enthalten die 66 - 68, dieden Vollzug der Sicherungsverwahrungin Hessen regeln sollen. Gerade einmaldrei Paragrafen, die den Vollzug des ein-schneidensten Instruments des Strafrechtsorganisieren.

    Unter vlliger Ignoranz der aktuellen Recht-sprechung des EGMR hat die hessischeLandesregierung die gesetzliche Regelungder SV wieder in das Gesetz zur Regelungvon STRAFvollzug integriert. Eigentlich imPrinzip folgerichtig: nach wie vor wird einevorgebliche Maregel wie eine STRAFEvollzogen, stellt also de facto eine zustz-liche Strafe dar.(...) Allein durch das Tragen eigener Klei-dung, einem Backofen auf der Station, eingeringfgig erhhtes Taschengeld, eine zu-stzliche Hofstunde und Bambi - Bildern aufden Flurwnden bekommt diese Form vonEinsperrung noch lange keinen anderenCharakter.Es gilt immer wieder zu vergegenwrtigen:Wir haben unsere STRAFEN verbt! Hierwerden wir weiterhin eingeknastet, vorgeb-lich um zu verhindern, dass wir in Zukunfteventuell Leben, Gesundheit oder EigentumAnderer gefhrden KNNTEN. Und das aufder Basis von gutachterlichen Gefhrlich-

    keitsprognosen, von denen neueste Studi-en ( u.a. von Kinzig, Feltes und Alex) davon

    ausgehen, dass sie in ihrer Aussage zu 80- 90% flschlich noch vorhandene Gefhr-lichkeit annehmen.Natrlich gibt es auch die Wenigen, bei de-nen aufgrund ihrer Taten jeder Mensch mitklarem Verstand und auch libertrer Gesin-nung sagen muss: das kann eine Gesell-schaft einfach nicht tragen; hier ist dringendBehandlung ntig.Aber eine adquate Therapie fr die Men-schen, die aufgrund gewisser Dispositionenin ihrer Persnlichkeitsstruktur unbestrittenderartige Hilfe bentigen, wird innerhalbdes Vollzuges der SV nicht ansatzweiseangeboten. Sie werden auf das Gefngnisverwiesen - denn auch die sozialtherapeu-tischen Anstalten sind integraler Bestandteildes Vollzuges von STRAFhaft. (...)Diese Forderungen der hungerstreikendenSV`ler der JVA Schwalmstadt wurden am

    2.11.2010 an die Anstaltsleitung und dashessische Justizministerium geschickt:(...) Das Bundesverfassungsgericht hatseit langer Zeit bereits mehrfach ausdrck-lich die Vollzugsbehrden verpichtet, denVollzug der Sicherungsverwahrung in einerWeise zu gestalten, der Sozialisationsan-geboten und insbesondere Erprobungssitu-ationen in Form von Vollzugslockerungen,wozu auch Tagesausgnge und offener Voll-zug gehrt, in hinreichendem Mae Raumgibt.

    Die Leiter der JVA Schwalmstadt weigernsich strikt die Vorgaben des Verfassungsge-richts umzusetzen.Der Vorrang der Resozialisierung hat Ver-fassungsrang und kann deshalb gesetzlichnicht abgendert werden.Wir fordern, dass die Vollzugsanstalt sichab sofort an die von Verfassungswegenden Sicherungsverwahrten zugestandenenRechte hlt und die ergangenen Gerichts-beschlsse in Sachen Vollzugslockerungenunverzglich umsetzt. Und nicht erst nach

    jahrelangem Klageweg.Wir fordern den Sicherungsverwahrten absofort mindestens einen Tagesausausgangmonatlich zu gewhren, sofern kein kon-kreter Anhaltspunkt von Flucht oder Miss-brauch vorliegt.Die Ausgnge knnen durch elektronischeberwachung oder durch Begleitung vonAngehrigen oder Betreuern durchgefhrtwerden.Auch muss den Sicherungsverwahrten dieMglichkeit des offenen Vollzugs gegebenwerden, damit sie die Gelegenheit erhalten,ihre Sozialprognose erheblich zu verbes-sern.Wir fordern auerdem:1.) Jegliche strafhafthnlichen Restriktionenab sofort zu unterlassen. Es drfen Siche-rungsverwahrten keinerlei Grundrechtsein-

    schrnkungen auferlegt werden, mit Aus-nahme derer, die fr die uere Sicherheit

    unerlsslich erscheinen.2.) Sicherungsverwahrte drfen tagsbernicht in den Haftrumen eingeschlossenwerden. Falls das bei Nacht berhaupt er-forderlich erscheinen sollte, dann frhe-stens um 23 Uhr. Der Einschluss in dieHaftrume um 16:30 Uhr und 15:30 Uhr anden Wochenenden ist sofort abzuschaffen.Es gibt fr den frhen Einschluss keinenvernnftigen Grund. In manchen Bundes-lndern bleiben die Haftraumtren sogarnachts offen.3.) Sicherungsverwahrten muss ein unbe-schrnkter Telefonverkehr gewhrt werden.Ebenso ein unbeschrnkter Besuch an denTageszeiten.Dasselbe hat auch fr den unbeschrnktenPaketempfang zu gelten.4.) Das Taschengeld muss ab sofort auf 90EURO monatlich festgesetzt werden, ge-

    m SGB XII, wie im Maregelvollzug.Dies wird brigens schon von mehrerenBundeslndern so gemacht und es ist nichtnachvollziehbar, warum Hessen sich wei-gertEbenso steht den Maregelpersonen Be-kleidungsgeld gem SGB XII zu.Dies fordern wir auch fr die Sicherungsver-wahrten.5.) Sicherungsverwahrte mssen das Recht

    haben, Heimarbeit zu machen bzw. sichselbststndig zu machen (falls kein gericht-liches Berufsverbot vorliegt).6.) Die Verpegung muss den Verpegungs-stzen des forensischen Maregelvollzugesin den forensischen Kliniken entsprechen.7.) Die bisherige Gleichsetzung der Verpe-gung mit der Gefngniskost muss ab sofortverboten werden.Sicherungsverwahrte mssen das Rechtauf Selbstverpegung haben, sofern sie daswnschen.8.) Sicherungsverwahrten muss grundstz-lich ein Rechtsanspruch auf angemessenenWohnraum von mindestens 16 Quadratme-tern zugestanden werden, wobei die Toilet-

    te separat sein muss, wie es in einer men-

    schenwrdigen Wohnung in europischenKulturstaaten blich ist.9.) Fr Sicherungsverwahrte muss ab so-fort die Mglichkeit geschaffen werden,dass fr die psychologische und therapeu-tische Betreuung auswrtige, bzw. externeTherapeuten und Psychologen beauftragtwerden, die nicht von den Justizbehrdenabhngig sind und unvoreingenommen mitden Probanden arbeiten knnen.10.) Die ehrenamtlichen Betreuer mssengrundstzlich das Recht haben, ihre Pro-banden in ihren Haftrumen zu besuchenund zwar uneingeschrnkt.11.) Die Zensur des Briefverkehrs der Si-cherungsverwahrten mit der Auenweltmuss ab sofort unterbleiben. Es gibt kei-nen vernnftigen Grund zu einer derartigenManahme, umso weniger als sogar in denmeisten Justizvollzugsanstalten heute keineZensur der Briefe mehr erfolgt.Dazu ist festzustellen, dass auch in denforensischen Kliniken keine solche Zensurstattndet, obwohl auch dort schwerkrimi-nelle Straftter einsitzen.Da der Hungerstreik von den zustndigenOrganisationen und Behrden wie Al undJustizministerium ignoriert und diffamiertwurde, wurde am 5.11. der befristete Hun-gerstreik in einen Unbefristeten umgewan-

    delt.

    Am 15.11.2010 beendeten die Gefangenenihren Streik und erklrten:Der Hungerstreik ist (...) nach einer heutestattgefundenen Gesprchsrunde zwischenVertretern der JVA Schwalmstadt und desHessischen Justizministerium beendet.Den Sicherungsverwahrten wurden, was diederzeitige Unterbringung betrifft, in wesent-lichen Punkten Zugestndnisse gemacht.Dies hat uns dazu veranlasst, den Hunger-streik zu beenden.Weitergehend wurde ein permanenter Aus-tausch zwischen Justizministerium und Si-cherungsverwahrten vereinbart.

    Der Hungerstreik wurde von drauen da-durch untersttzt, dass die Erklrungen andie Medien weitergegeben und zustzlicheine Knastkundgebung organisiert wurde.

    Zum Hungerstreik in derJVA SchwalmstadtZum erfolgreichen Hungerstreik von 11 Gefangenen aus der JVA Schwalm-stadt gegen die rechtswidrige nachtrgliche Sicherungsverwahrung. Wirdokumentieren aus der Hungerstreikerklrung der Gefangenen aus der JVA

    Schwalmstadt vom 30. Oktober 2010.

    www.sicherungsverwahrung.info

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    Heidelberg: In Heidel-berg wurde ein verdeckterErmittler des Landeskrimi-nalamts durch einen Zu-fall enttarnt. Der Ermittlernannte sich Simon Bren-ner und war mit diesem

    Namen an der Universitteingeschrieben. Sein Ziel

    war es, ber offene Strukturen in Kontaktmit verbindlicheren Strukturen zu kom-men sich langsam zu etablieren, um ansensible Informationen und Kontakte zukommen, um diese seinem direktem Vor-gesetzten in Stuttgart zu melden. (red.)

    Berlin: Am Samstag, den11. Dezember demons-trierten ca. 200 Menschenin Berlin fr die Freilas-sung von Mumia Abu-Jamal, Leonard Peltier

    und die Cuban 5 und frdie Abschaffung der To-desstrafe. Die Demo fand

    anlsslich des 29. Jahrestages der Ver-haftung von Mumia am 9.12.1981 statt.Der Demonstration waren einige Veran-staltungen ber die aktuelle Situation vonMumia vorausgegangen. In Hildesheim

    wie an zahlreichen anderen Orten welt-weit - fand am 9. Dezember aus dem sel-ben Anlass eine Kundgebung statt. (red.)

    Ulm: Das Verwaltungsge-richt Sigmaringen hat am29.11.2010 die Einkesse-

    lung von Demonstrations-

    teilnehmerInnen, die ge-gen den am 1. Mai 2009in Ulm stattndenden JNAufmarschs demonstrier-ten, fr rechtswidrig er-

    klrt. Neben allerlei juristischen Spitzn-digkeiten, ging es vor allem um die Frage,ob Menschen prventiv und polizeirecht-lich auf Grund schwarzer Kleidung stun-denlang ihrer Freiheit und ihrem Rechtzu demonstrieren beraubt werden drfen.Diese Auffassung der Polizei lehnte dasGericht ab. Eine ausfhrliche Begrndungwird noch verffentlicht werden. (red.)

    BRD/Frankreich: DieAuslieferung von SonjaSuder und Christian Gau-ger ist vom franzsischenStaat besttigt worden.Sie werden beschuldigt,Mitglieder der Revolutio-nren Zellen und an dreiBrand- und Bombenan-

    schlgen in den Jahren 1977 und 78 be-teiligt gewesen zu sein. Zwei der Anschl-ge richteten sich gegen MAN und einenZulieferer fr Kernkraftwerke. Der Brand-

    anschlag richtete sich gegen das Heidel-

    berger Schloss. Die beiden lebten 22 Jah -re in der Illegalitt und ab 2000 waren siegeduldet in Paris. (red.)

    Kurzmeldungen bundesweit

    Die Sicherungsverwahrung (SV) wurde 1933von den Nazis (nach Vorarbeiten in der Wei-

    marer Zeit) ins Strafgesetzbuch aufgenom-

    men und ermglicht seitdem Menschen auchnach Verben der eigentlich zugemessenenFreiheitsstrafe, ggf. bis zu deren Tod zu ver-wahren.Gingen in Deutschland (nebenbei: in der DDRwurde die SV als faschistisch gebrandmarktund verboten) die Zahlen der Verwahrten auf176 im Jahr 1996 zurck, steigen seitdem dieZahlen, auf mittlerweile 520 Sicherungsver-wahrte.Nach diversen Reformen seit 1998 knnenmittlerweile Ersttter genauso in der SV lan-den, wie nach Jugendstrafrecht Verurteilte.War bis 1998 die erstmalige Unterbringung in

    der SV auf 10 Jahre begrenzt, kann sie seit-dem lebenslang vollstreckt werden; nur allezwei Jahre wird berprft, ob der/die Betrof-fene weiterhin gefhrlich ist.

    Welches Menschenbild steckt hinter

    der SV

    Die SV geht seit ihren Anfngen von einemreduktionistischen Weltbild aus, kurz gesagt:Einmal kriminell, immer kriminell. Goebbels,dem Propagandaminister der Nazis, ging esnach eigenem Bekunden darum Volksschd-liche unschdlich zu machen. Dieses Men-schenbild schwingt heute zumindest implizit

    immer noch mit, so als vor etwa 10 Jahren derdamalige Kanzler Schrder ein Wegschlie-en fr immer verlangte. Aus vergangenemVerhalten auf eine knftige angebliche Ge-fhrlichkeit zu schlieen entspricht qualitativder Prognose: Weil es gesten regnete, musses auch morgen, bermorgen und nchstenMonat regnen. Eine Aussage, eine Prognosedie wohl kaum jemand fr vernnftig haltenwrde; nur wird auf vergleichbarem Niveauber Gefangene geurteilt, was deren knf-tiges Verhalten anbelangt. Es regiert das Vor-urteil und mit vernunft bestimmtem Wissenmchte man sich tunlichst nicht konfrontieren.

    Vernunft bestimmtes Wissen?

    Es gibt eine Studie aus dem Jahr 2010 (Dr.Alex, Nachtrgliche Sicherungsverwahrung-ein rechtsstaatliches und kriminalpolitischesDebakel) die eindrucksvoll belegt, da die

    SV - Was ist das?Thomas Meyer-Falk

    absolute Mehrzahl jener die als extrem ge-fhrlich diagnostiziert wurde, eben keineStraftaten mehr begingen, als man sie trotzdieser angeblichen Gefhrlichkeit in die Frei-heit entlassen musste. Selbst renommierteforensische Psychiater, die zu den heraus-ragenden Kpfen ihrer Zunft in Deutschlandzhlen, wie die Professoren Krber und Ley-graf, gehen davon aus, da maximal 10-20%der langjhrig Inhaftierten wieder rckflligwerden.

    Aktuelle SV-Reform

    Angestoen durch ein Urteil des Europ-ischen Gerichtshofs fr Menschenrechte vomDezember 2009, reformierte der Bundestagim November 2010 die Regelungen zu SV.Whrend es knftig keine nachtrgliche SVgeben soll (freilich nur fr den Personen-kreis der nach In-Kraft-treten des Gesetzesverurteilt werden wird. D.h. Fr alle schonVerurteilten, bleibt das Damoklesschwert dernachtrglichen SV, d.h. die Verhngung der

    SV erst kurz vor oder sogar nach Haftende,ber ihren Kpfen schweben), und auch Ein-brecher, Betrger und Diebe nicht mehr in derSV landen sollen, diese Gruppe machte etwa20% der Verwahrten aus, wird die sogenann-te vorbehaltene SV exzessiv ausgeweitet.Bei der vorbehaltenen SV erfolgt im Haftzeiteine neue Hauptverhandlung, in der dannanhand der Entwicklung whrend der Haftentschieden wird, ob die SV angeordnet wird,oder ob nicht.

    SV fr politische Delikte

    Auch Verurteilungen nach 129a StGB

    (Terroristische Vereinigung), ja selbst KFZ-Brandstiftung kann nach wie vor die Anord-nung der SV rechtfertigen. Es ist also mitnich-ten so, dass die SV sich auf Sexualverbrecherbeschrnken wrde, wie selbst viele in derpolitischen Linken glauben.

    Perspektiven fr die Verwahrten

    Auch wenn sich ein groer Teil der Betrof-fenen der Hoffnung hingibt, durch eine So-zialtherapie, durchgefhrt in speziellen the-rapeutischen Knast-Abteilungen, der SV zuentkommen, wird die Zahl der Verwahrtenweiter ansteigen, denn in einer gesellschafts-

    politisch so angespannten Lage wie der heu-tigen, in der eines der vordringlichen Ziele,die Vermeidung jeglichen Risikos ist, werdenimmer weniger Gerichte und Gutachter denVerwahrten eine wohlwollende Sozialprogno-se zu stellen bereit sein. Stattdessen wird inArbeitsgruppen der Justizministerien lnde-rbergreifend an einem (kein Scherz!) hu-manen Sterben im Justizvollzug gearbeitet.Und die bayrische Justizministerin Merk, sonstals absolute Hardlinerin bekannt, mchte denVollzug der Verwahrten aufbessern, durch ei-gene Zimmer mit Dusche, anstatt schnderKnastzellen, sowie vielleicht einem Teich mitGoldschen im Hofbereich. Nicht umsonst

    nennen Sicherungsverwahrte die Verwahrungeine Todesstrafe auf Raten, nur da dieseknftig offenbar in anheimelenderem Ambi-ente vollzogen werden soll... Oder wie KaiSchlieter in der taz (4.1.2011) schreibt: DieAmerikaner grillen, wir schmoren.

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    seite 3 schwerpunkt inland international dossier gefangene feuilleton kurzmeldungen

    Die Bilder und Berichterstattung ber dieSchlacht um den Stuttgarter Schlossparksorgten bundesweit in den Medien und inder Bevlkerung fr Emprung und regeDiskussionen. In diesem Artikel mchten wiruns ansatzweise mit der Repression, der dieProtestbewegung vor allem an diesem Tagausgesetzt war, und ihren Hintergrnden be-fassen.

    Entwicklung und Zusammensetzung desProtests

    Der Protest gegen Stuttgart 21 formiertesich im kleineren Rahmen in Form von Br-gerinitiativen und Vereinen seit den erstenffentlichen Ankndigungen im Jahr 1994.Seitdem haben die GegnerInnen des Pro-

    jekts kontinuierlich Informations- und ffent-lichkeitsarbeit geleistet und so immer mehrMenschen fr dieses Thema sensibilisiert.Aus dieser Arbeit hat sich ein sehr breiterund aus allen Schichten der Gesellschaft ge-tragener Protest entwickelt. Die organisato-

    rische Protestbewegung besteht zum einemaus Parteien teils brgerlichen Spektrums,Vereinen und Initiativen. Andererseits gibtes vielfltige basisdemokratisch organisier-te Gruppierungen wie die Parkschtzer, diesich als konsequentester Teil der Bewegungerwiesen haben. Das zeigte sich unter an-derem darin, dass sie den Charakter derSchlichtung erkannten und daher umge-hend die Teilnahme an den Schlichtungsge-sprchen absagten. Sie erkannten, dass dieSchlichtungsgesprche nur einen weiterenVersuch darstellten das Projekt Stuttgart 21in der ffentlichkeit mit Hilfe massiver medi-aler Berichterstattung zu legitimieren. Zudemhaben die Grnen durch die Schlichtung dieMglichkeit, das Projekt nach eventuell er

    -

    folgreicher Landtagswahl ohne einen Pro-teststurm von der Basis weiterzufhren.Zu den Grnen ist noch wichtig zu sagen,dass sie sich bereits 2008 von einer kompro-misslosen Opposition zu S21 entfernten und

    stattdessen eine konstruktive Begleitungdes Projekts anstrebten, was durch denstrker werdenden Druck der Bewegung ge-gen Stuttgart 21 wieder rckgngig gemachtwurde.

    Der 30.9.2010

    Die Dynamik der Bewegung wurde entschei-dend durch die Ereignisse des 30.9.2010geprgt. Dennoch ist es wichtig zu betonen,dass die Situation an diesem Tag nicht es-kaliert ist, sondern von staatlicher Seite be-wusst eskaliert wurde. Die Vorbereitung frdie Baumfllarbeiten im Schlosspark begannbereits um 11 Uhr - entgegen der Ankndi -gungen am Vortag. Nachdem SchlerInnenauf einer gleichzeitig stattndenden Auftakt-kundgebung des SchlerInnenstreiks gegenS21 vor dem Hauptbahnhof von dem Be-ginn der Polizeioperation erfuhren, strmtensie sofort unkoordiniert in den Schlosspark.Dort erwarteten sie die Prgeleinheiten derBFE, die sofort begannen die SchlerInnen

    im Park zu schlagen und dadurch am weiter-kommen zu den Polizei- und Baufahrzeugen

    zu hindern. Dabei kam es zu ersten Verlet-zungen. Indem TeilnehmerInnen der Sch-lerInnendemonstration die Fahrzeuge derPolizei erfolgreich blockieren konnten, wares tausenden weiteren S21-GegnerInnenmglich in den Park zu gelangen und dieBlockaden zu verstrken. Um ihren Auftragder Rumung der betroffenen Flche durch-zusetzen setzte die Polizei Wasserwerferund Pfefferspray gegen die Leute ein. Die-se Wahl der polizeilichen Mittel machte denEinsatz nicht weniger brutal, da trotz alledemMenschen krperlich angegangen und auchdurch Pfefferspray und Wasserwerfer teilwei-se schwer verletzt wurden. Beispiele und Bil

    -

    der hierzu sind allgemein bekannt.Einige Punkte seien zu dem Polizeieinsatz inStuttgart gesagt:Ein derartiges Vorgehen gegen zehntau-sende Menschen in einem Park ist niemals

    verhltnismig. Der massive Einsatz vonPfefferspray kann zu schweren gesundheit-lichen Komplikationen fhren und hat in derVergangenheit schon einige Todesopfer ge-fordert. Wenn im Vorfeld aus dem gesam-ten Bundesgebiet derart viele Polizeiein-heiten zusammengezogen wurden, mehrereWasserwerfer bereitgestellt wurden und diePolizeioperation gleichzeitig zur bereits er-whnten SchlerInnendemonstration ange-

    setzt wurde, dann ist es eindeutig, dass einemassive Eskalation zur spteren propagan-distischen Verwertung gewollt und geplantwar.

    Fazit

    In einer Solidarittserklrung aus Hamburgheit es:Die polizeilichen bergriffe von Stuttgartsind kein Einzelfall und auch keine persn-liche Verfehlung einzelner Beamter, sie sindvielmehr eingebunden in die autoritre Ideo-logie eines starken Staates, der nach Innenund Auen zunehmend aufrstet. Brokdorf,Wackersdorf, Gorleben oder die Startbahn

    West in Frankfurt sind Synonym und Begrifffr den Umgang des Staates mit Protestbe-wegungen. Die Rumung von Httendrfern,der Kampf um Baustellen von Groprojektenund milliardenschweren Bauruinen sah undsieht sich mit einer politisch gewollten Kri-minalisierung konfrontiert. Protest soll hier-durch kontrollierbar werden, zu einem un-gefhrlichen Beiwerk und demokratischenFeigenblatt von Verhltnissen, in denen dieEntscheidungen lngst gefallen sind.Auch in Stuttgart war dies nicht das ersterigide Vorgehen der Polizeikrfte. Wie in al-len anderen Stdten Deutschlands kommtes auch hier hug zu zum Teil uerst ge -waltsamen oder repressiven Einstzen. Bei-spiele hierfr sind der Polizeiangriff auf dierevolutionre 1. Mai-Demonstration 2010,die massive Repression gegen die Protestezum Bundeswehrgelbnis auf dem Schloss-platz, die Verhaftungswelle von zum Teil

    jugendlichen kurdischen Aktivisten und diegewaltsame Rumung des selbstverwaltetenJugendhauses OBW9 im Jahr 2005 durchdas SEK. All diese Flle zeigen eindeutig,dass das Vorgehen der Polizei am 30.9. keinbedauerlicher Ausrutscher oder hnlicheswar, wie es teilweise in den brgerlichen Me-dien dargestellt wird.Ganz im Gegenteil: Immer wenn Protest-bewegungen Kapitalinteressen kontrr im

    Wege stehen, und seien sie auch noch sobrgerlich, werden auch sie mit allen Mittelndes brgerlichen Staates bekmpft.Dies beinhaltet einerseits die mediale Diffa-mierung bis hin zur Hetze wie zum Beispieldurch falsche Berichterstattung, Spaltungs-versuche durch den Vorwurf der Gewaltbe-reitschaft, von dem sich die Bewegung ge-zwungen sieht sich im Voraus zu distanzierenund weitere propagandistische Mittel.Andererseits ist es auch ein probates Mittelfalls ntig gewaltsam gegen Proteste vorzu-gehen, was zum Ziel hat die Akteure einzu-schchtern, die eigene Strke zu demons-trieren und weitere Konikte anhand derGewaltfrage zu forcieren. (red.)

    Links:Monitor-Report vom 21.10. zu den Hinter-grnden des Polizeieinsatzes am 30.9.:http://www.wdr.de/tv/monitor//sen -dungen/2010/1021/stuttgart.php5

    Brgerlicher Protest und brgerlicher Staat

    Stuttgart 21 und die Repressionred.

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    seite 3 schwerpunkt inland international dossier gefangene feuilleton kurzmeldungen

    Als erstes Mal nahm ich Pit 1968/69 als lin-ken Schriftsteller in der Konkret wahr. Daswar zu der Zeit, als Ulrike Meinhof noch fr

    diese Zeitschrift schrieb und sich eine starkeanti-imperialistische und antagonistische Be-wegung hier im Herzen der Bestie, BRD undWestberlin, bildete.Andreas Baader kannte er seit Mitte dersechziger Jahre und spter war er als seinAnwalt in Stammheim ttig. Ebenso verteidi-gte er den Schriftsteller Peter Paul Zahl. Na-trlich war er auf der Beerdigung von Andre-as, Gudrun und Jan-Carl Ende Oktober 77.In den neunziger Jahre las ich vor allemseine Kolumnen im Freitag. Die neben ei-ner Kritik an den Machtstreben des wiedererstarkten Grodeutschland auch weiter dieTodesnacht des 18. Oktober 1977 themati-sierten. Auch diese Beitrge wurden im Ge-

    fangenen Info verffentlicht.Mehrere Radiointerviews fhrte ich mit ihmzu dieser Thematik. Er war ein witziger,geistreicher, mutiger Interviewpartner, derimmer die herrschenden Klasse angriff:So zum Beispiel als er am 12. 3. 2008 Chris-tians Klar lange Haft von 26 Jahren als Gei-sel- und Gesinnungshaft bezeichnete (Ver-ffentlicht im Gefangenen Info 323).Persnlich kennen gelernt habe ich ihn erstam 18.10.2007 anlsslich einer Veranstal-tung im Tommy-Weissbecker-Haus in Berlinzur Stammheimer Todesnacht. Das Mottolautete: Kein Vergeben - Kein Vergessen- Gedenken an all die Gefallenen aus dem

    revolutionren Widerstand.Pit berichtete als Zeitzeuge ber die Haft-situation von Andreas Baader in Stuttgart-Stammheim aus seinem eigenen Erleben.Die bis in die heutige Zeit angewandtenHaftbedingungen wurden als Isolationsfol-ter charakterisiert und wurden damals selbstvon der UNO als Folter gechtet. Auch in dieanschlieende Diskussion griff er beherzt einund an.Im Sommer 2008 traf ich ihn auf einer De-monstration fr die fnf trkischen Linken,die alle in Stuttgart-Stammheim wegen 129b zu vielen Jahren Knast verurteilt wor-den sind und stark isoliert wurden. Auf Grundseiner angegriffenen Gesundheit musste Pit

    frhzeitig die Demo verlassen, was er selbsttief bedauerte.Im Mrz 2009 besuchte er den schwerkran-ken und damit haftunfhigen Mustafa Atalayin Stuttgart-Stammheim.Pit bezeichnete in der jungen Welt vom 21.3. 2009 die Haftbedingungen, denen Musta-fa Atalay ausgesetzt ist, als schikans undschlimmer als die Situation der RAF-Ge-fangenen in der 70er und 80er Jahren. Dietrkischen Gefangenen mssen 23 Stundendes Tages allein in der Zelle, oder wie Atalayin der Krankenstation, verbringen. Die Posterhalten sie mit starker Verzgerung ausge-hndigt. Politische Zeitschriften bekommensie gar nicht. Mustafa sagte dazu in seiner er-sten Prozesserklrung: Die Isolation ist diegrte Schlechtigkeit, die ein Mensch einemanderen Menschen antun kann. Sie war frmich die grte Folter. hnlich skandalssind die Besuchsbedingungen. Gesprchewerden vom BKA berwacht. ber den Pro-

    zess darf Atalay mit Besuchern berhauptnicht sprechen. Eine Scheibe trennt ihn kr-perlich von seinen Gsten. Trotzdem musste

    sich Peter O. Chotjewitz wie andere Besu-

    cher auch einer peinlichen Leibesvisitationunterziehen. Freunden Atalays gegenberwurden Besuchsverbote ausgesprochen.Mustafa schrieb zum Besuch; Peter ist einguter Mensch. Trotz Krankheit und seiner 75Jahre, wirkt er weiterhin sehr jugendlich undungebrochen.Auch brachte er einen Besuchsbericht im derKonkret 4/2009 unter.Auch setzte er sich fr Savvas Xiros von derBewegung 17. November aus Griechenlandein, der, obwohl haftunfhig, immer nocheingekerkert ist. Von ihm erschien in derKonkret 5/2008 ein Artikel, den wir auch imGefangenen Info 337 verffentlichten.

    Zuletzt sah ich ihn wieder in Berlin im Okto-

    ber 2009 anlsslich der Ausstellung von demitalienischen Knstler und Kommunisten Pa-olo Neri. Er schuf 8 Mosaiken von politischenGefangenen aus bewaffneten Gruppen ausder BRD, die den Knast nicht berlebten. Andiesen Tagen war er als bersetzer von Pa-olo und als Redner ttig. Auch schrieb er na-trlich was zur Bedeutung dieser Mosaikenaus Marmor: So erfllen die Portrts .. diewichtige Aufgabe, die Bilder ein paar Jahr-hunderte lang zu bewahren. So lange wie esdauern mag, bis wir gesiegt haben.Wir hielten weiterhin per Mail und TelefonKontakt. Anlsslich der Veranstaltung in

    Stuttgart im Oktober letzten Jahres: NullaE Finito! Nichts ist vorbei! Revolutionre Ge-schichte aneignen und verteidigen! zu denEreignissen um den Oktober 1977 und zurGeschichte de RAF wre er gerne gekom-men. Doch seine Gesundheit lie es nichtmehr zu, doch verfolgte er weiterhin interes-siert dieses Geschehen, von dem ich ihnauch in einem langen Telefonat unterrichtete.Bei der Kranzniederlegung an den Grbernvon Andreas, Gudrun und Jan am 16.10.2010 wre er gern dabei gewesen.Zirka 2 Wochen vor seinem Tod rief er michnoch einmal an. Er wollte den genauen Na -men des Friedhofs wissen, wo die 3 Gefan -genen aus Stammheim begraben sind.

    Es ist der Dornhaldenfriedhof.Nach seinem Tod erfuhr ich, dass er michdeswegen kontaktierte, weil er sein Begrb-nis genau geplant hatte und er deswegen diegenaue Adresse bentigte.Er liegt ganz in der Nhe von von Gudrun,Jan-Carl und Andreas begraben.Alle brgerlichen und linken Gazetten vonSddeutsche Zeitung bis Junge Welt ha-ben das verschwiegen, dass er ganz in derNhe von Gudrun, Jan-Carl und Andreasliegt.So sind sie, httest du gesagt, Pit.

    Die Schwachen kmpfen nicht.Die Strkeren kmpfen vielleicht eine Stundelang.Die noch strker sind, kmpfen viele Jahre.Aber die Strksten kmpfen ihr Leben lang.Diese sind unentbehrlich.

    Bert Brecht

    Der Schriftsteller und GenossePeter O. Chotjewitz ist tot

    Wolfgang Lettow

    ber die Verleumdungen und Verffentli-chungen einiger Papagaien des Staatesber unsere Schwester

    Das miese Spiel, da auf dem Rcken un-serer Schwester und unserer Familie ge-spielt wird.Im Hinblick auf den kommenden Prozesswegen der angeblichen Mitgliedschaft inder Organisation der Verschwrung derKerne des Feuers und da die Explosionam Verwaltungsgericht bisher nicht mit Ver-haftungen beantwortet worden war, war zuerwarten, da der Staat versuchen wrdeeinen groen Fang zu machen und wenndas nicht mglich sein sollte, einen zu kon-struieren, um Strke zu demonstrieren undverlorenes Prestige aufzuhbschen.Dazu erffnete sich gewisssen Journa-listen, Agenten der Herrschaft, die Mg-lichkeit, basierend auf einer zuflligenNamensgleichheit unserer Mutter mit demehemaligen angeblichen Mitglied der RAF,Barbara Meyer, ein lmreifes Verschw-rungsszenario ber Querverbindungen voninternationalen und lokalen Gruppen zu in-szenieren. Sie erreichten dabei den Gipfelder Lcherlichkeit, als sie die Namen vongesuchten Mitgliedern der RAF aus den

    80er Jahren verffentlichten und anderewrzige Saucen hinzufgten, um die terrori-sierte ffentlichkeit zu befriedigen.Whrend sie zuhause in Griechenland zu-sammen mit uns, ihrer Familie lebt, wird sieals gesuchte und verschwundene Terrori-stin prsentiert.Noch bler war das Schicksal in ihren Hn-den fr unseren Vater Wolfgang, nachdemsie nicht nur seinen Namen gendert hat-ten, sondern ihn auch noch als vor Ewig-keiten gettet, in einer Schiesserei mitBullen in sterreich, hinstellten! usserstschockierend fr einen Musiktherapeuten,der vllig lebendig in Deutschland lebt undarbeitet

    Weil es sich ergeben hat, da unsereSchwester mit einem der vier wegen einesBrandanschlags in Thessaloniki beschul-digten Verhafteten ein Bier getrunken hat,wird sie durch diese Mrchen und ihremterroristischen Stammbaum zu einem Mit-glied einer kriminellen Organisation getauftund mu vor dem Untersuchungsrichter er-scheinen!Unsere Schwester ist, so wie wir, keineTerroristin, sondern eine Anarchistin, eineschwere Wahl in einer Welt von Unterdr-ckern. Wir fordern, da dieses schmierigeSpiel auf dem Rcken unser Schwester undFamilie augenblicklich beendet wird und wir

    warnen alle daran teilnehmenden, da siesich uns angesichts gegenber nden wer-den.

    Und nicht vergessen: Die Staaten sind dieeinzigen Terroristen!

    Offener Brief von

    Philip und Pepe Mayer

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    Die PSOE - Spanische Sozialistische Ar-beiterpartei - aktuell an der Regierung desmonarchisch-faschistischen spanischenStaates - nimmt die Schlssel der Gefng-nisse, der Amnestie der politischen Wider-standsbewegungen gegen den Faschismusund die Rechte auf Selbstbestimmung derVlker fest in Geiselhaft, in Kollaboration mitder PP - der Volkspartei der extremen Rech-ten.

    Ziel dieser Erklrung ist die Bekanntma-

    chung der vom faschistischen und terro-ristischen Staat Spanien durchgefhrtenVernichtungskampagne gegen das Kollek-tiv der POLITISCHEN GEFANGENEN SRI,PCE(R) - (REKONSTITUIERTE) KOMMUNI-STISCHE PARTEI SPANIENS - UND DERGRAPO - ANTIFASCHISTISCHE WIDER-STANDSGRUPPE ERSTER OKTOBER -.Obwohl diese Situation nicht neu ist, erlei-den wir seit vielen Jahren einen akribischgezeichneten Plan, um uns zur Verleugnungunserer demokratisch-revolutionren Ideenzu bringen. Damit wir unsere richtige Liniedes Widerstands aufgeben: Diese Kampa-

    gne wurde in letzter Zeit auf allen Ebenenbedeutend verschrft, auf der Gerichtlichenangefangen.Wir haben immer aufgezeigt, dass die vonder Audiencia National (aus dem Frankis-mus hervorgegangenes faschistisches Spa-

    nisches Gericht) gefhrten Prozesse eineregeltrechte Farce sind: Ein Schritt weiterwurde krzlich mit dem andauernden Einsatzvon juristisch-polizeilichen Konstrukten zurVerhngung von Lebenslnglich gegangen:Gegen Manuel PEREZ MARTINEZ, demGeneralsekretr der PCE(r) und um anderekommunistische Anfhrer wie Juan GARCIAMARTIN lebenslnglich zu verurteilen.Man msste zu frankistischen Zeiten zurck-

    gehen, wo die Militrgerichte ausnahmslosdas Gesetz zur Unterdrckung, der Frei-maurerei und des Kommunismus oder jenedes Banditismus und des Terrorismus an-wendeten, um eine der aktuellen hnlicheSituation zu beschreiben.Heute knnen diese Montagen nicht nurdank dem Arsenal an repressiven Gesetzenstattnden, den sog. Antiterrorismusgeset-zen, mit denen sich der Staat ausgestattethat, so dem bekanntlich auch dank dem letz-ten derselben: Das faschistische Parteien-gesetz, das speziell geschaffen wurde, umdie politischen Widerstandsorganisationenwie im Fall der PFE(r), wie die mit der Ez -

    kerra Abertzale (Baskische NationalistischeLinke) solidarischen Leute, wie jene, die imBaskenland fr die Anerkennung ihres Pro-gramms zur Unabhngigkeit und fr dasRecht des baskischen Volkes auf Selbstbe-stimmung kmpfen. Wir drfen auch nicht

    vergessen, dass dieses Gesetz wie ein Da-moklesschwert ber der Zukunft der unab-hngigen Gewerkschaftsorganisationen, derantifaschistischen Jugend oder jedes ande-ren Kollektivs, das sich in der Hitze des Klas-senkampfes radikalisiert, hngt.Wir, die politischen Gefangenen, sind dieGeiseln womit der Staat die Gesamtheit derorganisierten Widerstandsbewegung erpres-sen will. Darum setzt er seine Politik der Ent-

    fernung und Isolation um, indem wir hunder-te Kilometer von unseren Familien entfernt

    und die Mehrheit von uns in Totalisolierunggesetzt werden. Diese kriminelle Politikwird immer weiter verschrft: Indem unsereschriftliche Kommunikation unterbunden, dieBesuche mit Verwandten und Freundinnenerschwert und in gewissen Fllen unterbun-den werden, indem diese entwrdigendenDurchsuchungen unterzogen werden, usw.Ihr Rachedurst ist grenzenlos. Nicht genugdamit, uns Jahrzehnte Gefngnis aufzuerle-gen, hat der faschistische, spanische Staatdie Doktrin PAROT aus dem Zylinder ge-holt, dank der ein guter Teil der politischen

    Gefangenen, die ihre Strafe schon abge-

    sessen haben, weiter im Gefngnis bleiben.Wie bei Xaime SIMON QUINTELA, dessen25 Jahre Haft mit 10 Zustzlichen verlngertwurden. Oder auch keine Freilassung undlebenslnglich im Gefngnis fr schwerkran-ke politische Gefangene wie Paco CEALSOANE, Laureano ORTEGA ORTEGA, Car-men MUNOZ M RTINEZ, Manuel ARANGORIEGO, Maria Jose BANOS Andujar, IsabelSANCHEZ und einige andere, fr die wir diesofortige Freilassung fordern.Logisch wnschen alle Gefangenen aus demGefngnis zu kommen und wir sind keineAusnahme. Trotzdem, wir wurden nicht aus

    persnlichen Grnden, sondern wegen un-

    seren Ideen gefangen genommen und wennwir daraus entlassen werden, dann um die-selben demokratisch-revolutionren Ideenund Projekte zu vertreten, fr die wir - einesTages - verhaftet wurden, und im gegentei-ligen Fall machen wir hier im Gefngnis da-mit weiter.Darum werden wir am 1. DEZEMBER 2010Tage des Hungerstreiks - prinzipiell jedenDienstag und Freitag - beginnen, im Be-wusstsein, dass sich der schon bedenklicheGesundheitszustand der Kranken und derschon ber 20 Jahre Gefangenen, die anlangen Hungerstreiks mitgemacht haben,

    verschlimmern knnte.

    ABSCHAFFUNG DESPARTEIENGESETZES!SOFORTIGE FREIHEIT FR DIESCHWERKRANKEN POLITISCHEN GE-FANGENEN,ZUSAMMENLEGUNG ALLERPOLITISCHEN GEFANGENEN DES SRI,PCE(R) UND DER GRAPO IN EINEINZIGES GEFANGNIS!

    OKTOBER 2010

    6. NOVEMBER 2010 - AUF FRANZSISCH

    VOM KOMITEE FR EINE IRH IPAR EUS-

    KAL HERRIAOCCITANIA

    (Aus dem fransischen bersetzt,solidarisch, mc, politischer Gefangener,

    Gefngnis Orbe, CH)

    Hungerstreik fr Zusammenlegung

    Erklrung des Kollektivs der politischen Gefangenen SRI, PCE(r) - (Rekonstruier-te) Kommunistische Partei Spaniens - und der GRAPO - Antifaschistische Wider-standsgruppe Erster Oktober

    www.presos.org.es

    Revolutionre Gefangene aus PCE(r), GRAPO und SRI

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    Chile: 81 Tote bei Gefng-nisbrand. Am 8. Dezember2010 brach gegen 4 Uhrmorgens, aus bislang unge-klrten Grnden, ein Feuerim San Miguel Knast in San-tiago de Chile, aus. Da der

    Knast mit beinahe 2000 Ge-fangenen weit ber der vor-gesehenen Anzahl von 700 Inhaftierten liegt,konnten bei der Evakuierung sich nicht alleGefangenen aus dem brennen Gefngnisretten. Nach dem Brand traten 1.500 Gefan-gene in einen Hungerstreik um auf die uner-trglichen Zustnde in chilenischen Knstenaufmerksam zu machen. (red.)

    Griechenland: Am 13. De-zember 2010 wurde Chriso-valantis Pouziaritis zu einerHaftstrafe von 9 Jahren und6 Monaten wegen Besitzes

    eines Molotow-Cocktailsund der Bandenrdelsfh-rerschaft verurteilt. Chriso-valantis soll trotz einer Geh-

    behinderung in der Nacht des Jahrestagesder Ermordung von Alexis Grigoropoulus sich an den Auseinandersetzungen beteiligthaben und wurde nun zu einem Rdelsfhrerstilisiert. Im Rahmen der Auseinanderset-zungen um den Tod von Alexis nden zur Zeitzahlreiche Prozesse statt. (red.)

    Peru: Am 13. Dezember2010 wurde in Aucayacu(370 km von Lima) Ribelino

    Aspajo Perez von Ofzierender Antiterror Einheit ver-haftet. Ribelino war verant-wortlich fr die Sicherheitvon Genosse Artemio ei-ner der Kpfe der PCP-SL

    (Sendero Luminoso), der seit ber 17 Jah-ren bereits untergetaucht ist. Die Verhaftungreiht sich in eine neuerliche Offensive Perusgegen die PCP ein, in der bereits zahlreichePersonen verhaftet wurden. Im Dezemberwurde ebenfalls bekannt, dass die USA be-schlossen haben Peru in ihrem Kampf gegendie PCP-SL zu untersttzen. (red.)

    Argentinien: Roberto Marti-no von der Piquetero-Orga-nisation (Piquetes bedeutetsoviel wie Straenblockade)Movimiento Teresa Rodri-guez hat vom 10. Novem-ber bis zum 15. Dezember2010 einen Hungerstreik frseine sofortige Freilassung

    aus der Untersuchungshaft absolviert. Ro-berto wurde im Mai dieses Jahres mit Hilfeeines internationalen Haftbefehls verhaftet,weil ihm vorgeworfen wird an einer Auseinan-dersetzung mit Besuchern einer 60 Jahres

    Feier Israels vorgeworfen wird. Mit ihm wur-

    den weitere 10 Personen festgenommen, dienach 2 Monaten wieder freigelassen wurden.(red.)

    Kurzmeldungen international

    Am Morgen des 9. Dezember 2010 begannim US-Bundesstaat Georgia der bisher gr-te Ausstand von Gefngnisinsassen in denUSA. Tausende Gefangene legten in denKnsten Augusta, Baldwin, Hancock, Hays,Macon, Smith und Telfair im Zuge einesgemeinsamen Streiks die Arbeit nieder. Un-

    abhngig von Hautfarbe, Haftdauer oderHaftgrund verweigern die Gefangenen dieZwangsarbeit und bleiben in ihren Zellen.Ziel des Streiks ist es zumindest grundle-gende Menschenrechte fr die Gefangeneneinzufordern und durchzusetzen. Die Strei-kenden fordern das Recht auf regelmigeBesuche von Anwlten und Familie, eine an-gemessene medizinische Versorgung, eineausreichende Ernhrung, Bildungsmglich-keiten und ein Ende der grausamen und un-menschlichen Bestrafungen, wie zum Bei-spiel die Anordnung von Einzelhaft. Zudemfordern sie eine Entlohnung der Zwangsar-beit im Knast, die ihnen bisher verwehrt wird.Kurz nachdem der Streik begann wurde einStatement von Streikenden verffentlicht:

    Gefngnisstreik inGeorgia, USA

    Brder und Schwestern, wir haben ei-nen groen Schritt in unserem Kampf voll-brachtwir mssen das weitermachen, waswir begonnen haben Der einzige Weg,unser Ziel zu erreichen ist unsere friedlicheAktion - denn wir wollen keine Gewalt - wei-terzufhren.wenn sich am Montag die T-ren ffnen, geht nicht zur Arbeit, schliet dieTren wieder.. lasst sie uns dazu bringen,an den Tisch zu kommen und mit uns zu ver-

    handeln. Seid stark..!

    Als Reaktion wurde versucht die Strei-kenden zur Arbeit zu zwingen. In Telfair zer-strten bewaffnete Spezialeinheiten persn-liche Gegenstnde und die Einrichtung derGefangenen.In allen Gefngnissen wurde versucht, dieStreikenden zur Arbeit zu prgeln. In jeweilseinem Gefngnis wurde das Warmwasserbzw. die Heizungen bei Temperaturen umden Nullpunkt abgestellt, die Haftbedin-gungen der angeblichen Rdelsfhrer desStreiks wurden verschrft.Die Gefangenen nutzen die Verweigerungder Knastarbeit als eines der wenigen ihrer

    Mittel um auf die Zustnde in den Knstender USA, vor allem im Bezug auf die Wah-rung der grundlegenden Menschenrechte,aufmerksam zu machen. Um auch vonauerhalb der Knste Druck auszubenwurden die Telefonnummern der Gefng-nisverwaltungen verffentlicht und dazu auf-gerufen Beschwerden einzureichen.Trotz der Gre des Streiks und der Repres-sion der die Streikenden ausgesetzt sind be-richten die US-amerikanische Medien nichtber diese Ereignisse. Lediglich Anwlteaus anderen Bundesstaaten uern sichzu hnlichen Beschwerden der Gefangenendort.Die Streikenden in Georgia kndigten anden Streik fortzusetzen. (red.)

    Trkei: Festnahmen von MitarbeiterInnender Zeitschrift Yrys

    Am 24. Dezember 2011 strmten hunderteEinsatzkrfte der Polizei die Brorume desVerlages Ozan, wo die wchentlich erschei-nenden, politischen Zeitschrift Yrys(Der Marsch) zum Druck vorbereitet wird.Zum ffnen der Tren benutzen die Einsatz-krfte xte und Schweigerte. Es folgte dieVerwstung der Brorume, die Beschlag-nahmung aller der Computer, technischenGerte, Bcher und Zeitungen und die Fest-nahme der Anwesenden MitarbeiterInnen.Gleichzeitig gab es Festnahmen in Woh-nungen und auf der Strae. Insgesamt wur-den whrend der Repressionswelle 12 Per-sonen festgenommen, die anschlieend demHaftrichter berstellt wurden. Dies fhrte zurVerhaftung vom Yrys-Chefredakteur Ha-lit Gdenoglu, Remzi Ucucu, Kaan nsal,Mehmet Ali Ugurlu, Naciye Yavuz, CihanGn und Musa Kurt.Aus Protest gegen die Repression begann in

    der Trkei eine Kampagne fr die Freiheit derinhaftierten MitarbeiterInnen der Zeitschrift.Die Zeitschrift selber machte in eigenen Ver-ffentlichungen darauf aufmerksam, dass essich hierbei auch um einen Kampf fr Mei -nungs- und Organisierungsfreiheit handeleund die Repression das Ziel verfolge, dieZeitschrift zum Schweigen zu bringen.Yrys nimmt auerdem Bezug auf in derTrkei erschienene Artikel in brgerlichenZeitungen, wo die Berichterstattung ganz imSinne der Polizei gemacht werde.Zur Untersttzung der inhaftierten Yrys-MitarbeiterInnen wurde ein zudem Aufrufverffentlicht, den Gefangenen Bcher undBriefe zu schicken. Der Auruf mit dem Titel1000 Bcher, 1000 Briefe solle demnachdazu dienen, neben einer konkreten Unter-sttzung der Gefangenen die staatlichen An-griffe ins Leere laufen zu lassen.

    red.

    red.

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    seite 3 schwerpunkt inland international dossier gefangene feuilleton kurzmeldungen

    Das No Border Camp das vom 27. Sep-tember bis 03. Oktober 2010 in Brssel statt-fand, wurde von starker Repression seitensder Polizei berschattet, welche mit heftigerGewalt vorging.Die erste Demonstration, die sich gegen dieschlechte Situation in einem Flchtlingslagerin der Nhe von Brssel richtete, fand am 26.

    September in den Vororten von Brssel statt.Die Aktivisten wurden an der Haltestelle voneinem groen Polizeiaufgebot begrt. DiePolizisten lmten die gesamte Demonstra-tion, fhrten Durchsuchungen durch, kon-trollierten systematisch alle Personen undhielten die AktivistInnen in den Gngen derStation fest. Trotz allem setzte sich die De-monstration in Bewegung. 11 Personen, dieden Eingang der Station blockieren wollten,wurden festgenommen.Kurz darauf, wurde ein Fotograf der dies do-kumentierte, verhaftet und verprgelt.Am 29. September wurden 42 Aktivistennahe dem Ort an dem die FrontexKoferenz

    stattnden sollte verhaftet. Am selben Tagwurden die am No Border Camp teilneh-menden und andere antikapitalistische Akti-vistInnen, die an der EU-Demo teilnehmenwollten, prventiv gewaltsam festgenom-men.

    Die Festnahmen begannen am morgen inunmittelbarer Nhe des No Border Camps.Einige weitere Aktivisten wurden verhaftet,als sie sich der Demonstration nherten. Zudieser Zeit hatte es bereits 240 prventiveFestnahmen gegeben.Bei der Demonstration selbst wurde derantikapitalistische Block eingekesselt. Die

    Festgenommen wurde gezwungen mit demRcken an einer Wand zu sitzen. Einige Ge-werkschaftsfhrer forderten die Ausungder Demonstration. Andere Gewerkschaft-ler zeigten sich jedoch mit den Gefangenensolidarisch und protestierten mit anderenDemonstrantInnen gegen die Verhaftungen- sie wurden letztlich selbst brutal verhaftet.Insgesamt wurden bei der Demonstrationmehr als hundert Personen festgenommen.Die verhafteten AktivistInnen mussten in ei-ner Reihe mit den Hnden auf dem Rcken

    auf der Strae sitzen. Ein Krankenwagenkam um erste Hilfe fr die Verletzten zu lei-sten. Nach und nach wurden die Festge-

    nommenen mit Bussen in die Gefangenen-

    sammelstelle abtransportiert.Einige Demonstranten wurden misshandelt:Schlge, Beleidigungen, Erniedrigungen(darunter auch Erniedrigungen sexueller Na-tur). Am Abend wurden die ersten Aktivisten

    frei gelassen. 4 Demonstranten mussten aufGrund der gegen sie angewandten Gewaltim Krankenhaus behandelt werden: 2 Bel-gier, eine 19 Jhrige, deutsche Frau und ein50 jhriger Deutscher, der ernst am Hals ver-letzt worden war.Am 30. September wurden 6 Personen nacheiner kurzen Blockade des Hauptquartiersvon British Petroleum verhaftet.Am 1. Oktober hatte eine anarchistische Anti

    Repressions-Gruppe zu einer Anti-Knast-De-mo aufgerufen ohne diese anzumelden. Der

    Sdstationsbereich wurde von der Polizeiabgeriegelt, die jede Versammlung von mehrals 5 Menschen verboten hatte.Zuerst begann die Polizei kleine Gruppen zuverhaften, dann wurde willkrlich jede Per-son festgenommen die nach einem Demons-tranten aussah. Es gab auch an diesem Tagzwischen 150 und 200 Festnahmen.Whrend dieser Nacht griffen ca. 50 Per-sonen die Nahe gelegene Polizeiwache mitSteinen und Eisenstangen an. Dabei wurdeein Polizist verwundet der Schaden an derWache war betrchtlich: In den Fenstern des

    Gebudes waren 66 Lcher und einige Au-tos wurden beschdigt. Die Polizei nahm 6

    Personen ins Verhr, 4 wurden verhaftet, einSpanier, ein Schweizer und zwei Italiener.Am 2. Oktober fand die No Border De -monstration statt. 1200 Demonstranten wa-ren von einem massiven Polizeiaufgebotumgeben, um diese Sorgfltig von den Men-schen in den Armenvierteln, durch die dieDemonstration lief, abzuschirmen. Frheram Tag hatten 50 Personen am BrsselerFlughafen ein Transparent entrollt und Flyergegen Frontex verteilt.Am 6. Oktober warfen ca. 10 schwarzgeklei-dete Personen Feuerwerkskrper gegen den

    Knast von Forest, wo die 4 bei dem Angriffauf das Polizeirevier Festgenommen gefan-gen gehalten wurdenNachdem die Polizei die Umgebung durch-kmmt hatte, nahm sie zwei Verdchtige (ei-nen Schweizer und einen sterreicher) insVerhr.Des weiteren wurde am 6. Oktober ein Ge-richt einberufen um zu entscheiden ob die 4Festgenommenen gefangen gehalten wer-den sollten oder nicht.Ca. 50 Personen, inklusive einer Delegationder belgischen Roten Hilfe (Secours Rouge)hatten sich vor dem Gerichtsgebude ver-sammelt um den Angeklagten ihre Solidaritt

    zu zeigen.Am 10. Oktober sammelten sich ca. 100Protestierende (eine Delegation der SecoursRouge eingeschlossen) vor dem Gefngnisvon Saint-Gilles um die Freiheit der 4 Gefan-genen zu fordern.Am 16. Oktober entstand aus einer Anti-Repressions Versammlung eine Spontan-demontration, die mit 500 Personen, samtder Delegation der Secours Rouge, vor denKnast von Saint-Gilles zog.Fr kurze Zeit wurden wichtige Kreuzungenblockiert.Die Demonstration endete dann vor demGefngnis. Vor dem Knast stand eine Poli-

    zeikette, die von einem Wasserwerfer unter-

    sttzt wurde.

    Secours Rouge Belgique(Rote Hilfe Belgien)

    No Border Camp Brssel

    Wir dokumentieren im Folgenden einen Artikel der Roten Hilfe Belgien ber die Re-pression gegen das No Border Camp in Brssel. Das No Border Camp dient zurVernetzung von Menschen und Strukturen, die gegen Abschiebungen aktiv sind undsich fr eine Welt ohne Grenzen einsetzen.

    www.secoursrouge.org

  • 8/6/2019 Gefangenen Info #359

    15/20

    jan./feb. 2011 gefangenen info 15

    seite 3 schwerpunkt inland international dossier gefangene feuilleton kurzmeldungen

    Frankreich/Baskenland:10 Menschen haben am28.12.2010 einen vorber-gehenden Hungerstreikin Solidaritt mit AuroreMartin einem Aktivistender verbotenen Partei Ba-

    tasuna gestartet. Diespanische Regierung hat

    gegen Aurore Martin wegen Mitgliedschaftin einer terroristischen Vereinigung eineneuropischen Haftbefehl erlassen. Aurorehatte daraufhin am 21. Dezember seinenGang in den Untergrund angekndigt, umseiner Auslieferung zu entgehen. Die 10Hungerstreikenden schlafen jede Nachtvor einer Kirche, verteilen Flugbltter berAurores Situation und organisieren Solida-rittstreffen. (red.)

    Tunesien: In Tunesien n-den seit dem 19. Dezem-

    ber Auseinandersetzungenzwischen meist jungenDemonstrantInnen undRepressionsorganen statt.Hintergrund sind die stei-genden Lebenshaltungsko-sten und die zunehmende

    soziale Ungerechtigkeit. Auslser war derSelbstmordversuch eines jungen Mannes,der seinen Lebensunterhalt mit dem Ver-kauf von Gemse und Obst nanzierte.Seine Waren