Gefangenen Info #329

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    Gefangenen InfoC 10190 25.9.2007 Preis: 1,55 329

    Hervorgegangen aus demAngehrigen Info. Das

    Angehrigen Info entstand imHungerstreik der politischen

    Gefangenen 1989.

    Dankeschn vonAndrej an dieUntersttzer/innenEin kurzes persnliches Dankschreiben vonAndrej an die vielen Untersttzer/innen, diesich die letzten Wochen fr die Einstellungdes Verfahrens eingesetzt haben.

    Liebe Kolleg/innen, Freund/innen, Mit-

    streiter/innen und Untersttzer/innen,

    ich habe gestern erfahren, dass der zustn-dige Strafsenat des Bundesgerichtshofs inKarlsruhe frhestens Anfang Oktober berdie Beschwerde gegen meine Haftverscho-nung entscheiden wird, weil nach Aussagedes Vorsitzenden Richters des 3. Strafsenatsmglicherweise rechtliche Grundsatzfra-gen bzgl. des dringenden Tatverdachtes undzur Anwendung des 129a StGB in dem

    Verfahren entschieden werden sollen, dieeinen lngeren Beratungsbedarf vorausset-zen.

    Ich mchte diese Gelegenheit nutzen, ummich auf diesem Wege bei den vielen Un-tersttzungs- und Solidarittskreisen zubedanken, die sich in den letzten Wochenso groartig fr meine Freilassung und dieEinstellung des 129a-Verfahrens eingesetzthaben.

    Bereits wenige Tage nach meiner Verhaf-tung habe ich ber meine Anwltin von den

    verschiedenen Initiativen erfahren. All diekleinen und greren Aktivitten, die inGang gesetzt wurden, haben mir Kraft ge-geben, die Situation der Einzelhaft zu er-tragen. Jedes Zeichen von drauen, jedekleine Zeitungsnotiz ber eine Solidaritt-saktion, jede neue Unterschrift unter denunzhligen Protesterklrungen und jederBrief, der mich in meiner Zelle erreichte,haben mir gezeigt, dass ich mit meiner Ohn-macht gegenber den Ermittlungsbehrden

    nicht allein gelassen werde.Die Untersttzung von Wissenschaft-

    ler/innen, Aktivist/innen, von Gewerk-schaften und Sozialen Bewegungen, vonFreund/innen, von politischen Stiftungenund Parteien waren von Beginn an so breitund umfassend, dass mit jedem Tag dieHoffnung auf eine schnelle Einstellung der

    Verfahren gewachsen ist - auch wenn ichnatrlich wei, dass letztlich die Richter/in-nen in Karlsruhe darber zu befinden ha-ben.

    Mit meiner zunchst fortgesetzten Haft-verschonung ist fr mich und meine Fami-lie ein wichtiger Teilerfolg erreicht. Bis zurendgltige Einstellung der Verfahren je-doch liegt noch ein weiter Weg vor uns. Ichhoffe dabei auch weiter auf eure Unter-sttzung.

    Andrej Holm, 30.08.2007Weitere Artikel zum Thema S. 9 ff.

    Gesehen auf der Demonstration gegen den Afghanistan-Krieg am 15.9. in Berlin

    Ron Augustin, ehemaliger Gefangener ausder RAF zu den Gefangenen, die den Knastnicht berlebt haben. Dokumentiert aus:

    junge Welt, 10.9.2007

    Der zweite TodSeit 30 Jahren verhindert der bundesdeut-sche Staat eine lckenlose Aufklrung derletzten Lebensstunden der RAF-Mitgliederim Stammheimer Hochsicherheitstrakt.

    Wer die offizielle Selbstmordthese in Zwei-fel zieht, wird diffamiert

    Von Ron Augustin

    Schon seit Wochen stimmen die bundes-deutschen Medien die ffentlichkeit auf dendeutschen Herbst 1977 ein. Was den Todvon Andreas Baader, Gudrun Ensslin, In-grid Schubert, Jan-Carl Raspe und UlrikeMeinhof betrifft, bernehmen sie unkritischdie These vom Selbstmord der Gefangenen.Dabei gibt es bis heute viel Ungeklrtes. Ron

    Augustin meldet deshalb seine Zweifel ander staatsoffiziellen Version an. Er war ab1971 Mitglied der RAF. Zwischen 1973 und1980 sa er wegen Widerstands gegen dieStaatsgewalt und Urkundenflschung fastununterbrochen in Einzelhaft. (jW)

    Am Morgen des 18. Oktober 1977 wurden imStammheimer Hochsicherheitstrakt drei Ge-fangene aus der RAF tot oder sterbend undeine schwerverletzt aufgefunden. Obwohl diegerichtsmedizinischen Untersuchungen auspolizeilichen Grnden erst am Nachmittag,um 16 Uhr, anfangen wrden, wurde von derbaden-wrttembergischen Landesregierung

    schon um neun Uhr frh die Nachricht ver-breitet, dass die Gefangenen sich selbst dasLeben genommen htten. Um 14 Uhr wurdedie versammelte Presse vom Sprecher derBundesregierung, Klaus Blling, auf Selbst-mord eingestimmt, whrend die SPD-Bun-destagsfraktion in einer Sondersitzung von

    Willy Brandt gemahnt wurde, kleinkarier-ten Streit ber die Umstnde beiseite zuschieben.Weil ich damals mit etwa 70 anderen Ge-

    fangenen dem Vakuum der Kontaktsperreunterlag, habe ich vom Tod der Gefangenenerst am nchsten Tag etwas erfahren, als mei-

    ne Zelle in der Justizvollzugsanstalt Hanno-ver auf Weisung des Bundeskriminalamtesdurchsucht und mir der Sachverhalt dar-gestellt wurde. Danach htten Andreas Baa-der und Jan Raspe sich mit Pistolen umge-

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    bracht, htte Gudrun Ensslin sich mit einemStromkabel erhngt und Irmgard Mller sichmit mehreren Messerstichen verletzt.

    Die Nachricht hat mich erst mal umgehau-en - wieder waren welche von uns tot, unddabei die, die fr mich in meinem Leben amwichtigsten waren. Ich war verzweifelt,konnte mir aber nicht zuviel anmerken las-sen, weil im selben Moment der Terror mitder permanenten berwachung anfing und

    somit der Kampf dagegen. Monatelang wur-de ich, wie die anderen Gefangenen aus derRAF, 24 Stunden am Tag beobachtet. Nachtsblieb das Licht in der Zelle an, jede Viertel-stunde wurde durch die Klappe geguckt, fast

    jeden Tag wurde die Zelle umgewhlt. For-mal unter dem Vorwand, uns vor weiterenSelbstmorden zu schtzen, unter der Handaber mndlich vermittelt als der Versuch,welche von uns mrbe zu machen und zu f-fentlicher Reue zu bewegen.

    Die Kontaktsperre wurde bei mir erst am31. Oktober aufgehoben. Damit konnte ichwieder Besuch von Angehrigen und Rechts-

    anwlten bekommen, war aber weiterhin vonKontakten zu Mitgefangenen ausgeschlos-sen. Ausnahmslos alle Antrge von Leuten,die mich besuchen wollten, z. B. WolfgangGrams, wurden abgeschmettert, ihre Briefemit den abstrusesten Begrndungen be-schlagnahmt. Privatpost, Verteidigerpost,Zeitungen, Bcher und sonstige Nachrich-tenquellen unterlagen einer verschrftenZensur. So wurde der Bericht des baden-wrttembergischen Landtages zur Stamm-heimer Todesnacht nicht ausgehndigt, weilSicherheit und Ordnung gefhrdet werdenknnten. Es hat also Jahre gedauert, bis ichan die - drftigen - Informationen zur To-desnacht rankam und mit anderen darbersprechen konnte. Heute, 30 Jahre nach dato,kann ich den Selbstmordversionen nach wie

    vor keinen Glauben schenken. Nicht, weil ichnie Zweifel gehabt htte. Nicht, dass ich dieunterschiedlichen Spekulationen nie an michherangelassen htte. Auch nicht, dass ich nieselbst der Verzweiflung nahe gewesen wre,unter dem Druck der malosen Hetze, der ichwie die anderen Gefangenen von Anfang anausgesetzt war: nie mit Fakten unterbreitet,sondern durchgehend aufgrund von gleich-

    geschalteten Sprachregelungen, Unterstel-lungen, Verleumdungen, Verdrehungen, Fl-schungen. Nein, was mich bei jeder zwei-felsfreien Erkenntnis aufs Neue stutzig ge-macht hat, war, dass ich sie - die Toten - dochbesser gekannt hatte, als was da alles aufge-tischt wurde.

    Baaders und Raspes TodZunchst einmal gibt es die bekannten Fak-ten, von denen die meisten inzwischen vonRechtsanwalt Weidenhammer in einem treff-lichen Buch zusammengetragen wordensind.1 Zur Erinnerung fasse ich sie kurz zu-

    sammen.Den kriminaltechnischen Ermittlungen zu-folge htte Andreas Baader sich mit einer 18Zentimeter langen Pistole erschossen, durcheinen aufgesetzten Schuss genau in der Mit-

    te des Nackens, drei Zentimeter ber demHaaransatz, mit einer Ausschussffnungdeutlich oberhalb der Stirn-Haar-Grenze.

    Nach einem BKA-Gutachten, das sich auf ei-ne Rntgenfluoreszenzanalyse sttzt, konn-te der Schuss aber nur aus einer Entfernung

    von 30 bis 40 Zentimetern (zwischen der Pi-stolenmndung und der Einschussstelle) ab-gegeben worden sein. Aus der Lage der Pi-stole, der Patronenhlsen und ausSchmauchspuren sowie Blutspritzern an derrechten Hand wurde geschlussfolgert, dassdie Waffe mit dem Griff nach unten gehaltenund mit der rechten Hand abgefeuert wordensei. In dem Wissen, dass Andreas Linkshn-der war, wurde dann eine Theorie verbreitet,nach der er sich die Waffe mit dem Griff nachoben aufgesetzt haben msse, mit der rech-ten Hand um den Pistolenlauf herum. Ande-rerseits htten Laboruntersuchungen beiderHnde mit Natriumrhodizonat keine alsSchussspuren anzusehenden Anhaftungenergeben. Die drei in der Zelle abgefeuertenGeschosse und ihre Hlsen wurden nicht mitder aufgefundenen Waffe verglichen. Sowurde weder die Tatwaffe eindeutig festge-stellt noch die Reihenfolge der drei Schsse.Eine wichtige, tatspezifische Probe ausBlut- und Geweberesten von der Abprallstel-le (Spur Nr. 6) soll beim Obduzenten Pro-

    fessor Rauschke verloren gegangen sein. Auch bei Jan Raspe konnten keineSchmauchspuren an den Hnden festgestelltwerden. An der bei ihm gefundenen Pistolegab es keine Spur von Blut, obwohl er of-fensichtlich an einem Nahschuss in die rech-te Schlfe starb. Nach den Aussagen der Be-amten, die ihn am Morgen in der Zelle ster-bend auffanden, htte die Pistole noch in sei-ner Hand gelegen. Bei einer Pistole in derHand muss nach kriminaltechnischen Er-kenntnissen grundstzlich auf Verschleie-rung einer Fremdttung geschlossen werden,weil die Waffe ansonsten durch den Rck-

    sto aus der Hand geschleudert worden w-re. In den Ermittlungsakten und Zeugenbe-fragungen sind darber dann die unter-schiedlichsten berlegungen angestellt wor-den, die nur als Vertuschungsversuche ge-

    deutet werden knnen. Hie es im Bericht desbaden-wrttembergischen Landtages noch:Die genaue Lage der Pistole ist ungeklrt,

    so wurde daraus in der Einstellungsverf-gung der Staatsanwaltschaft: Neben seinerrechten Hand lag eine Pistole. Ein anderer

    Versuch, Fremdeinwirkung auszuschlieen,wurde mit der Behauptung unternommen,dass es rechts von Jan keinen Platz fr eineandere Person gegeben htte - eine Behaup-tung, die schon in sich einfach widerlegt wer-den konnte.An den Pistolen konnten keine Fingerab-

    drcke gefunden werden. Obwohl sie keineSpuren von Blut aufwiesen, erklrte dieStaatsanwaltschaft zuerst, dass die Waffenso voll Blut waren, dass Spuren nicht mehrfestgestellt werden konnten. In der Folge wardas Blut dann noch eingedickt, bevor die

    Waffen pltzlich abgewischt und schlie-lich von einem lfilm bedeckt gewesen sei-en. In den polizeilichen Kommentaren hiees lapidar: Wenn die Waffen vor der Tat miteinem Tuch abgewischt worden wren, dannhtten vom einmaligen Benutzen keine ver-wertbaren Spuren zurckbleiben knnenund Fingerabdrcke wrden sich auf ein-gefetteten Waffen nicht halten.

    Zweifelhafte Selbstmordthese

    Auch bei Andreas Baader schlossen die Er-mittler von vornherein Fremdttung aus.Gudrun Ensslin wurde erhngt an einem

    Stromkabel am Zellenfenster aufgefunden.Beim Versuch, sie abzuhngen, riss das Ka-bel sofort. Weshalb es nicht schon whrenddes Todessturzes abgerissen war, wurde nichthinterfragt. Am Hals wurde eine doppelteHngespur auf beiden Seiten bis hinter denKopf mit zustzlicher Kammblutung festge-stellt. Ein Histamintest, mit dem in der Regelfestgestellt werden kann, ob die Aufhngung

    vor oder nach dem Tod stattgefunden hat,wurde zwar vorbereitet, aber dann doch nicht

    durchgefhrt. Eine daktyloskopische Spu-rensicherung wurde nicht veranlasst, nichteinmal am Kabel. Der Stuhl, der zum Sprin-gen benutzt sein soll, wurde ebenso wenigauf Spuren untersucht wie z.B. ihre Fin-

    Stuttgart-Stammheim.

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    gerngel. Spuren von Verletzungen amRcken, am rechten Mundwinkel, an der Na-se, an der Kopfhaut und an der linken Leistewurden festgestellt, aber nicht nher unter-sucht. Die Tatsache, dass Briefe und andereschriftliche Unterlagen aus der Zelle entferntworden waren, wurde anfangs als Beschla-gnahme besttigt, dann bestritten, dannspter von Generalbundesanwalt Kurt Reb-mann teilweise zugegeben. Soweit sie heute

    noch existieren, sind sie nach wie vor unterVerschluss. Bei Andreas und Gudrun ist dieFeststellung des Todeszeitpunkts dadurch

    vereitelt worden, dass den Gerichtsmedizi-nern acht Stunden lang der Zutritt zu denZellen verweigert wurde.

    Irmgard Mller berlebte die Todesnachtmit Schnittverletzungen an den Handgelen-ken und vier Messerstichen im Herzbereich.Den Ermittlungen zufolge htte sie sichgleichsam im Harakiri mit einem kleinen,stumpfen, zum Anstaltsbesteck gehrendenMesser aus Chrom umzubringen versucht:mit groer Wucht, weil die fnfte Rippe ein-

    gekerbt und einer der vier Stiche sieben Zen-timeter tief bis an den Herzbeutel einge-drungen war. In der Einstellungsverfgungder Staatsanwaltschaft blieben davon nurnoch zwei bis vier Zentimeter brig. An demblutverschmierten Messer konnten keine Fin-gerabdrcke festgestellt werden. Irmgards

    Versuche, ihre Rntgenbilder zu bekommen,schlugen fehl. Der Pullover, den sie trug, warnach ihrer Einlieferung ins Krankenhaus sozerrissen, dass Beschdigungen durch Mes-serstiche angeblich nicht mehr festgestelltwerden konnten. Im polizeilichen Ermitt-lungsbericht heit es: Der Pulli ist so zer-schnitten, dass seine ursprngliche Formnicht mehr brauchbar rekonstruiert werdenkann. Und: Stichbeschdigungen sind we-gen des schlechten Zustandes nicht mit dergebotenen Sicherheit auszumachen. In derEinstellungsbegrndung der Staatsanwalt-schaft liest sich das dann so: Der von Irm-gard Mller als einzige Bekleidung ihresOberkrpers getragene Pullover war zwar aufder Vorderseite von Blut durchtrnkt, jedochnicht beschdigt; ein mit Ttungsabsicht An-greifender htte auf die Kleidung seines Op-fers erfahrungsgem keine Rcksicht ge-

    nommen. Irmgard hat immer von sich ge-wiesen, sich die Verletzungen selbst zugefgtzu haben oder dass es Absprachen zum kol-lektiven Selbstmord gegeben htte.

    Keine vier Wochen spter, am 12.11.1977,lag Ingrid Schubert tot in einer abgelegenenZelle im Gefngnis Mnchen-Stadelheim. Siebefand sich seit Mitte August 1977 in diesemKnast und war wenige Stunden vor ihrem Todaus einer anderen Zelle verlegt worden, nach-dem am Tag zuvor bekannt gemacht wordenwar, dass in der Zelle, in der sie bis Mitte Au-gust in Stammheim gewesen war, ein Ver-steck mit Sprengstoff gefunden worden sei.

    Ingrid soll sich mit einer Schleife, die aus dreiBettlakenstreifen geflochten war, erhngt ha-ben. Die Bettlakenstreifen bestanden aus fest-er Baumwolle von etwa acht mal 240 Zenti-meter. Die Reimuster der einzelnen Streifen

    stimmten nicht miteinander berein. Dasheit, dass sie entweder nicht vom restlichenBettlaken in der Zelle stammten, oder dass eszwischen ihnen zustzliche Stcke gab, dieaber spurlos verschwunden sind. Htte Ingriddas Bettlaken selbst zerrissen, so htten sichirgendwo in der Zelle Textilfaserspuren fin-den mssen. Den kriminaltechnischen Er-mittlungen zufolge aber konnten an keinemder vorliegenden Kleidungsstcke Baum-

    wollfadenbruchstcke festgestellt werden,wie sie zwangslufig beim Zerreien vonStoff wie dem Bettlaken entstehen. Nach ei-nem Besuch ihres Vaters zu ihrem 33. Ge-burtstag hatte Ingrid zuletzt noch am10.11.1977 mit einem Rechtsanwalt gespro-chen, ber einen Antrag auf Verlegung nachFrankfurt-Preungesheim. Dabei hatte sie ei-nen zunehmend aufgeschlossenen Ein-druck hinterlassen. Ihre Angehrigen knnensich bis heute nicht vorstellen, dass sie sichaus Resignation oder Verzweiflung umge-bracht htte.

    Ulrike Meinhof war schon am 9.5.1976 un-

    ter hnlichen Umstnden in ihrer Zelle auf-gefunden worden. Sie hing mit dem Kopf ineiner Schlinge, die so weit war, dass sie nurnicht herausgefallen ist, weil sie mit ihrer lin-ken Ferse fest auf einem Stuhl abgesttzt war.Einem Stuhl, der auch nur durch die Lei-chenstarre im Gleichgewicht gehalten wur-de, weil er mit einer unterliegenden Matrat-ze und Wolldecken erhht worden war. DasStuhlarrangement sowie der in einem nor-malen Winkel aufgesetzte Fu widersprechenden primitivsten kriminaltechnischen Krite-rien fr einen Sprung in den Selbstmord. Dietypischen Merkmale fr einen Strangulati-onstod durch Erhngen, wie die Verschie-bung von Halswirbeln oder, beim Fehlen ei-nes Genickbruchs, Blutungen in den Augen-bindehuten, konnten auch nicht entdecktwerden. Dagegen gab es Quetschungen undBlutergsse an den Beinen und Hften, die

    nicht vom Stuhl herrhren konnten. Die In-ternationale Untersuchungskommission, diesmtliche Unterlagen zu Ulrikes Tod unter-sucht hat, legte den Schluss nahe, dass sie totwar, als sie aufgehngt wurde, und dass dieIndizien eher auf Erwrgen oder Erdrosselnhtten schlieen lassen mssen.4 Der Strick,mit dem Ulrike sich am Zellenfenster erhngthaben soll, bestand aus einem Handtuch-streifen von etwa vier Zentimeter Breite. Sp-

    tere Versuche ergaben, dass ein Strick aus die-sem Material und in dieser Breite bei jederpltzlichen Belastung sofort htte reienmssen. Im Bericht der gerichtsmedizini-schen Untersuchung war dieser Streifen 68Zentimeter lang, mit einem zustzlichenDoppelknoten unter dem Kinn - zu lang freine glaubwrdige Erhngung. In der darauffolgenden Obduktion wurde die Lnge desStreifens dann kurzerhand auf 51 Zentime-ter festgeschrieben. Weiter wurde dem Ob-duzenten Professor Rauschke vom damaligenGeneralbundesanwalt Buback ein Aussage-

    verbot gegenber dem von der Familie be-

    stellten Nachobduzenten erteilt.Dazu ist zu wissen, dass Rauschke, der

    smtliche gerichtsmedizinischen Untersu-chungen in Stammheim geleitet hat, nachmeiner Einschtzung immer dann herange-zogen wurde, wenn es etwas zu vertuschengab. Im Mai 1975 bersah er bei SiegfriedHausner die schweren Schdelverletzungendurch Kolbenhiebe, die zu dessen Tod gefhrthatten. Im Oktober 1979 tauchte er beim Dik-tator Mobutu in Zaire auf, wo er sich offen-sichtlich mit der Obduktion von sieben Lei-chen beim Verschleiern eines OTRAG-Rake-tenunfalls ntzlich gemacht hat. Weder vonUlrike Meinhof noch von Ingrid Schubertwurden Hautproben fr einen Histamintestgenommen, mit dem htte festgestellt wer-den knnen, ob die Aufhngung vor odernach dem Tod stattgefunden hat. Toxikolo-gische Tests wurden nur auf wenige Stoffe

    beschrnkt, wie eines der Gutachtenfeststellte: Mit den angewandtenMethoden werden folgende Sub-stanzgruppen nicht erfasst: anorga-nische Verbindungen, tierische undpflanzliche Giftstoffe, die meistenPflanzenschutzmittel und Schd-

    lingsbekmpfungsmittel sowie vieleals Pharmaka nicht verwendete or-ganische Verbindungen.Wenn es in all dem keinerlei An-

    haltspunkte fr Fremdeinwirkunggegeben haben soll, so frage ich, wasda fr Selbstmord spricht.

    Nicht Tod, sondern Leben Wichtiger ist mir aber, dass wirSelbstmord als Entscheidung oderMittel in unserem Kampf immer ab-gelehnt haben. Eine Diskussion berSelbstmord hat es in der Gruppe

    nicht gegeben, weil bei uns Politikund persnliche Identitt in eins ge-setzt waren, bestimmt an den politi-schen Zielen, in der Gefangenschaftwie in der Illegalitt. Im Knast ist dasS

    iegfriedHa

    usner

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    nur noch schrfer: Da lsst du dich nicht soeinfach kleinkriegen, machst es dem Appa-rat so schwer wie nur mglich. Aufstehen,weiterkmpfen, leben, Widerstand - dieWaffe Mensch. Oder wie Gudrun schrieb:Wir knnen gar nicht damit aufhren, die

    Verhltnisse vom Kopf auf die Fe zu stel-len, haben erst angefangen. Nicht Tod, son-dern Leben.Von Seiten des Staates wurde seit den An-

    fngen der RAF kein Geheimnis daraus ge-macht, dass die Bande aufgerollt und ihreSchlsselfiguren ausgeschaltet werden m-ten.7 Da sollten ausgerechnet die, die fr unsam meisten Orientierung waren, sich selbstumgebracht, die Gruppe ohne Kader gelas-sen, den Bullen die Arbeit abgenommen ha-ben? Die Konstruktionen und Interpretatio-nen, die es dazu inzwischen gibt, lassen sichberhaupt in keine einzige politische Be-stimmung einpassen. Leute wie Ulrike und

    Andreas htten es dem Staatsschutz nie soleicht gemacht, sich selbst aus dem Weg zurumen. Ich kann mir Selbstmord auch nur

    als eine individuelle Entscheidung vorstellen,nicht mehr weiter zu knnen, als Aufgeben,als das Ende des Willens und der Politik. Ichhabe es in den schlimmsten Momenten nicht

    versucht, nicht mal in Erwgung gezogen.Egal, ob das eine als Mord inszenierte Stra-tegie sein soll, ein Akt der Befreiung odereine Sache der Verzweiflung, es wre ein Zu-gestndnis gewesen, dass alles aus sei.

    Dazu gab es aber keinen Grund. Abgese-

    hen von der militrischen Niederlage in denfestgefahrenen Geiselnahmen, hat die Situa-tion 1977 politisch noch fr die RAF gewirkt.

    Alles sprach damals fr Kontinuitt. Die Ge-fangenen waren intensiv beschftigt mit den

    Verfahren, mit den Texten, die verffentlichtwerden sollten, und mit internationalen Dis-kussionszusammenhngen, in denen sie auchein Stck Verantwortung hatten. Egal welchePerspektive eingenommen wurde - rauszu-

    kommen oder nicht -, unser Kampf ging ein-fach weiter. Jeder und jede hatte dazu auchLust. Wir sahen uns in einem Prozess, in demder Kampf in der Gefangenschaft eine sichnoch potenzierende Wirkung erzeugt hatte -eine Wirkung, die kurz- oder langfristigdurch einen Selbstmord nur in Desorientie-rung gekippt wre.

    Die Vehemenz, mit der vom Staatsschutzbis zur Bundesregierung jedem Zweifel amSelbstmord der Gefangenen begegnet wor-den ist, hat vielen zu denken gegeben. Des-halb wurden eiligst die abenteuerlichstenKonstruktionen verbreitet, die die Herkunft

    der Waffen nachtrglich glaubhaft machensollten: Sprengstoff in der Unterhose, Waf-fen in Gerichtsakten durch die peniblen Kon-trollen des Wachpersonals geschleust. Ver-stecke in zehn verschiedenen Zellen mitSchraubenziehern in massivem Beton derGteklasse B600 ausgehhlt. Eine Waffe ineinem mehrmals vorenthaltenen und kon-trollierten Plattenspieler, von der einen Zel-lenverlegung zur anderen gewandert. Ein

    phantastisches Kommunikationssystem ausLeitungen, Ltstellen, Lautsprechern, Mikro-fonen und Radios ...

    Entsprechend drftig ist die Beweis-fhrung, fr die der Kronzeuge VolkerSpeitel und sein Gefolge aufgefhrt wurden,um Waffentransporte in den StammheimerTrakt plausibel zu machen. Speitel, der beiseiner Verhaftung nach eigenen Angabenwahnsinnige Angst hatte, wurde mit Ma-

    nahmen des Jugendamts gegen seinen acht-jhrigen Sohn unter Druck gesetzt. Seit denersten Zeugenvernehmungen gegen uns(Ruhland, Brockmann, Mller) wissen wir,wie Belastungszeugen mit Formulierungen

    vom Staatsschutz gefttert wurden, Passagenauswendig zu lernen. In den wenigen Pro-zessen, in denen sie auftauchen mussten,wurden ihre Aussagegenehmigungen einge-schrnkt. Sobald sie vom vorgestanztenSchema abwichen (wie Peter-Jrgen Boock,der davon lebt), widersprachen sie sich ge-genseitig und verhedderten sich in Interpre-tationen vom Hren-Sagen.

    Ich habe sie sechs Monate lang erlebt, dieLeibesvisitationen, Rollkommandos und Zel-lenverlegungen in Stammheim. Im Prozessgegen die Rechtsanwlte Arndt Mller und

    Armin Newerla, die des teilweise unwis-sentlichen Waffentransports beschuldigtwurden, hat es Aussagen von mehr als dreiigBeamten gegeben, die diese Transporte inZweifel zogen. Und alle, die Irmgard Mllerlnger kennen, wissen, dass sie nicht lgt. Ih-

    Wie Teile des Auslands auf

    die Todesnacht inStammheim 1977 reagierteDie unertrglichen Beitrge in Zeitung undFernsehen zu 30 Jahre deutscher Herbstreduzieren die ehemaligen Mitglieder derRAF auf brutale Killer. Anne Siemens hat-te schon in der ZEIT einen mehr als rhr-seligen Artikel ber die Witwe eines Polizi-sten gebracht. Dies hat sie jetzt im Fernse-hen wiederholt. Kein Wort ber die politi-schen Hintergrnde, z.B. das Morden derUSA in Vietnam - mit Untersttzung der

    BRD. Kein Wort ber die shoot-to-kill-Methoden der deutschen Staatsmacht. Underst recht kein Wort ber die Ereignisse am18.10.77 in Stammheim.

    Wer an Selbstmord zweifelt, kann nurTerroristIn sein! Dies war und ist dieSichtweise der BRD.

    Im Ausland sah dies bereits direkt nachden Ereignissen anders aus. In Zrich z.B.gab es ziemlich lange jedes Jahr am Todes-tag Aktionen als Zeichen der Solidaritt -mit groer Beteiligung.

    Zu diesem Thema ein Artikel aus einemSonderheft des ak (Arbeiterkampf): Wir

    glauben immer noch nicht an Selbstmord(Ende 1977):

    Auslndische Presse: Es war Mord

    Whrend die Selbstmord-Behauptung

    des BRD-Staates vom allergrten Teil derwestdeutschen Presse und der ffentlich-keit bis weit hinein in die Linke glubig auf-genommen wurde, wurden in der ausln-dischen Presse und ffentlichkeit strksteZweifel laut bis hin zur unverblmten Fest-stellung: Es war Mord. Die italienische Linke verffentlichte ei-

    nen Appell, der von zahlreichen Tages-zeitungen bernommen wurde. In diesem

    Appell heit es u.a.: Wir haben es miteinem Mord an eingesperrten und wehr-losen Mnnern und Frauen zu tun oder -was fr einen Staat noch schlimmer w-

    re - mit einer bewussten Anstiftung zumSelbstmord. Wir haben es zu tun mit ei-ner ,Endlsung, mit einer Vernichtungs-aktion. Dieser Appell wurde von rund1.000 Persnlichkeiten des ffentlichenLebens unterschrieben darunter auch Je-an Paul Sartre und Simone de Beauvoir.(il manifesto, 19.10.77)

    Die griechische Jannoe PanhellenischeSozialistische Bewegung (PASOK) forder-te: Die Regierung der BundesrepublikDeutschland hat nicht nur die Pflicht, Er-klrungen beizubringen, sondern auchder ganzen Menschheit Beweise vorzule-

    Sartre besuchte am 4.12.74 Andreas Baader in Stammheim. Rechts: RA Klaus Croissant

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    re Erklrungen sind seit 30 Jahren in sichkonsistent. Da gibt es keine Widersprche.

    Kein Frieden mit den Verhltnissen

    ber den wahren Verlauf der StammheimerTodesnacht wissen wir bis jetzt nichts. AusBerichten der RAND-Corporation (einem

    neokonservativen Thinktank aus den USA)und der CIA ist bekannt, dass die RAF 1977als eine der drei gefhrlichsten Gruppen ein-geschtzt wurde, und dass die Nachrichten-dienste sich darin einig waren, das Problemder Guerilla mit der Liquidierung ihrer Sym-bolfiguren lsen zu knnen. Beamte desBND hatten freien Zugang zum Stammhei-mer Trakt. Es gab einen direkten Zugang vonauen in den Trakt ber ein abgesondertes,

    abgeschirmtes Treppen-haus. Einiges, was wir unsso vorstellen knnen,trgt die Handschrift desisraelischen Auslandsge-heimdienstes Mossad,dessen AbteilungschefGideon Mahanaimi 1986zugab, befreundetenDiensten mit dem Tten

    von Terroristenchefs be-hilflich gewesen zu sein.Es ist auch bekannt, dassder BND dem Mossad in

    verschiedenen deutschenGefngnissen Zugang zupalstinensischen Gefan-

    genen verschafft hat, dass vom Mossad inAfrika und Lateinamerika ausgebildete Auf-klrungsexperten Gefangene umgebrachthaben und dass der Mossad als der kleinsteNachrichtendienst vergleichsweise die we-nigsten Verratsflle verzeichnet.

    Natrlich wissen wir nicht, wie die Amts-

    hilfe genau ausgesehen hat, wer im Appa-rat tatschlich davon gewusst oder wer da-

    von nur Vermutungen gehabt hat. Der Count-down zur Todesnacht konnte genau verfolgtwerden, als die psychologische Kriegfhrunggegen die Stammheimer Gefangenen hoch-gezogen wurde - nach den ersten Befrei-ungsversuchen in Stockholm 1975 und inEntebbe 1976. Aktionen der RAF wrdenaus den Zellen gesteuert, die RAF htte An-

    griffe auf Kernkraftwerke und Kinderspiel-pltze geplant, der Spuk sei nur mit neu-en Mitteln zu beseitigen. Gesetzliche undungesetzliche Manahmen steigerten sich inder Eskalation der letzten drei Monate: einals Provokation veranstalteter berfall aufdie Gefangenengruppe in Stammheim, dieBeschlagnahme der Klageschrift an die Eu-ropische Menschenrechtskommission, die

    Verhaftung der Rechtsanwlte und Komitee-

    mitarbeiter, ein Bombenanschlag auf dieStuttgarter Anwaltskanzlei. Bei jedem Ge-schehen drauen wurden die Gefangenen wieGeiseln mit dem Entzug von Kontakten undNachrichten bestraft, bis zur Zuspitzung inder Kontaktsperre, die ihnen den letztenRest von Schutz entzog. Bekanntlich hat inder Todesnacht nicht einmal die Videoanla-ge im Flur des Stammheimer Hochsicher-heitstrakts funktioniert. Vor dreiig Jahren schrieb der Pflaster-

    strand noch unverhllt: Wir schreckenzurck vor der Mordthese, die - wie auch im-mer im Detail - eine verdammt ernste Kon-

    sequenz htte. Und weiter: Mord: das hiee,dass es in der BRD zumindest gegenber be-stimmten Gruppen offenen Faschismus gibtund das heit, dass wir endgltig und abso-lut nicht so weiterleben knnen wie bisher.9Heute wird kaum noch etwas hinterfragt,wenn staatstragende Sperrmllproduzen-ten (wie Peter Chotjewitz sie nennt) oder wel-che aus unseren frheren Zusammenhngensich mit dem Kronzeugengelaber um ge-

    gen, dass die Mitglieder der OrganisationBaader-Meinhof nicht von Organen ihresStaates exekutiert worden sind.

    Die griechisch-linkssozialdemokratischeInitiative fr Demokratie und Sozialis-mus schrieb: Die Todesumstnde derpolitischen Gefangenen ... fhren unsgriechische Demokraten zu der berzeu-gung, dass es sich um einen organisier-ten politischen Mord handelt. Diese Er-klrung wurde u.a. vom Prsidenten desRechtsanwltevereins, Evangjelos Jan-nopoulos, mitunterzeichnet.

    Der amerikanische Autor Thomas G.Buchanan schrieb in Le Monde: Was

    die Baader-Gruppe betrifft, sind zwei Hy-pothesen mglich: Entweder sind sie vonihren Wrtern beiseite geschafft worden... oder sie haben sich dank der Kompli-zenschaft eines Teils ihrer Wrter ... mit

    Waffen und Kommunikationsmittelnausgerstet. Was vllig ausgeschlossenist, ist die Hypothese eines Selbstmordesohne solche Komplizenschaft. (25.10.77)

    Die Anwaltskammer der USA bezeichne-te es als absurd ..., dass Pistolen undMesse in die Zellen eingeschmuggelt wer-den knnen. (Hessischer Rundfunk,28.10.77)

    Le Monde (21.10.77), Frankreich, fragt:Und was ist mit Baader? Wie konnte ersich mit einem Genickschuss umbringen?Das ist alles sehr verwirrend.

    In der griechischen Eleftherotipia (25.

    10.77) war zu lesen: In Westdeutschland... schlagen seit dem vergangenen Diens-tag dmonisch die Warnglocken einesneuen, unmenschlichen und bestiali-schen Faschismus.

    Dagens Nyheter, Schweden, stellt fest:Die Behrden sprachen von Selbstmord,ohne auch nur die geringsten kriminal-technischen Untersuchungen gemacht zuhaben.

    Das dnische Ekstra Bladet (20.10.77)formuliert: Ein peinlicher Gestank vonunbeantworteten Fragen schwebt berder Stadt und ber den Leichen imStammheim-Gefngnis ... Die Umstnde

    um die drei Selbstmorde in Stammheimlassen es mehr als berechtigt erscheinen,sich an gewisse Ereignisse im Nazi-Deutschland der 30er Jahre zu erinnern.

    Und Nico Haasbroek, seinerzeit Korre-spondent in Bonn, schrieb in der nieder-lndischen Haagse Post (29.10.77):Fr Revolutionre ... ist Selbstmord dasallerletzte Mittel. Wenn dort soviel Waf-fen und Sprengstoff vorhanden waren,dann wrde es eher auf der Hand gele-gen haben, erst zu fliehen zu versuchen.Oder um einen Feind (einen Vertreter desStaates) zu ermorden.

    Dass die Anwlte der Gefangenen dasWaffenarsenal in die Zellen geschmuggelthaben knnen, hat eher mit bsartigerSuggestion zu tun als mit der Wirklichkeit.Dazu gab es viel zu scharfe Kontrollen ...

    Die Mglichkeit ist grer, dass die Waffenber einen anderen Weg hereingelotst wor-den sind ... Ich habe die Vermutung, dassdie eine oder andere Kraft den Mord aufdem Gewissen hat (am wahrscheinlichstenist in der Tat eine Geheimdienstorganisati-on, wobei an den Bundesnachrichtendienstund die Mglichkeit der Beeinflussungdurch ein Organ wie den CIA zu denken ist).Diese Organisation kann zum Mord ange-stiftet bzw. den Mord ausgefhrt haben ...Natrlich hat man auch alles Interesse dar-an, den Mord so zu inszenieren, dass es nachSelbstmord aussieht ... Es ist ebenso ver-stndlich, dass man eine beschrnkt unab-

    hngige Untersuchung nur zugesteht, wennman sicher ist, dass dies zu keinem ande-ren Schluss als Selbstmord fhren kann.

    Die Linke im Ausland

    Whrend die Linke in der BRD lange zu Er-eignissen um die toten Gefangenen und we-gen der Repression und der Hetze schwieg,gab es massive Proteste weltweit. Es gab De-monstrationen, militante Aktionen gegendeutsche Einrichtungen und Firmen inFrankreich, Italien, Schweiz, Belgien, Grie-chenland und den USA u.a.

    In Griechenland wurde Christos Kassimis,

    er gilt als Grndungsmitglied des Revolu-tionren Volkskampfes (ELA), bei einemBombenanschlag auf ein Lager der AEG in

    Athen erschossen.Renate Dhr, Irlandgruppe Omega, Berlin

  • 8/6/2019 Gefangenen Info #329

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    sellschaftliche Anerkennung bemhen. Frsie ist Mord oder Selbstmord tatschlichzur Glaubensfrage geworden, weil ihr Be-zug zur Geschichte der Frieden mit den be-stehenden Verhltnissen geworden ist. Den

    Widerspruch zum Selbstmord versuchen sienoch mal mit dem wahnwitzigen Konstrukteiner behrdlichen Komplizenschaft zu lsen- beim Selbstmord, versteht sich. Im groenKonzert sollen damit wieder rechtzeitig zum

    soundsovielten Jahrestag gleich aus allem,was von den Gefangenen bekannt ist, linkeLegenden gemacht werden, aus LgenReue, und aus denen, die weiterhin zu ih-rer Geschichte stehen, Hardliner.Anscheinend sollen damit auch die Stamm-

    heimer Gefangenen ein zweites Mal umge-bracht werden, denn der zweite Tod im bib-lischen Sinne ist ja die endgltige Abweisungder Verdammten in die Hlle, weil sie sich ge-weigert haben, Reue zu zeigen. Fr Dante warer der ehrenwerteste.

    Fakt bleibt, dass das letzte Wort zu unse-rer Geschichte noch nicht gesprochen ist.

    Auch wenn so manche das nicht wahrhabenwollen.

    1 Karl-Heinz Weidenhammer, Selbstmord oderMord? Todesermittlungsverfahren Baader:Ens-slin Raspe, Neuer Malik Verlag, Kiel 1988

    2 Kriminaloberkommissar Gnter Textor in derFrankfurter Rundschau, 27.10.1977 und14.12.1977

    3 Vgl. Oliver Tolmein, RAF - Das war fr uns Be-freiung; Ein Gesprch mit Irmgard Mller berbewaffneten Kampf, Knast und die Linke, Kon-kret Literatur Verlag, Hamburg 2002

    4 Vgl. Bericht der Internationalen Untersu-chungskommission. Der Tod Ulrike Meinhofs,Reprint, Unrast Verlag, Mnster 2007

    5 Informationsdienst zur Verbreitung von un-terbliebenen Nachrichten, 7.11.1979. Die deut-sche Firma Orbitaltransport und Raketen AG er-probte Raketenantriebssysteme

    6 Eine Sammlung aller RAF-Dokumente befindetsich im Internationalen Institut fr Soziale Ge-schichte in Amsterdam. Die Sammlung wirddemnchst auch digital zur Verfgung stehen.Die Website befindet sich derzeit in Bearbeitung:labourhistory.com/raf

    7 Vgl. Reinhard Rauball, Die Baader-MeinhofGruppe, Verlag Walter De Gruyter, Berlin 1973

    8 Vgl. Le Soir, 13.1.1986, und Der Spiegel,29.10.1979

    9 Pflasterstrand, Dezember 1977

    EingebetteteJournalistInnen imDeutschen HerbstIn einer groen Blutlache liegt eine Waffe.Es htte gar nicht mehr des RAF-Symbolsbedurft, um deutlich zu machen, dass das

    Nachrichtenmagazin der Spiegel mit die-ser Fotomontage auf dem Titelblatt fr dieSonderausgabe zum Thema 30 Jahre deut-scher Herbst wirbt.

    Zum runden Jubilum scheint keine Zei-tung ohne Sonderseiten und Beilagen zumThema auszukommen. Der Spiegel-Heraus-geber Stefan Aust hat sich allerdings als ge-schicktester Resteverwerter der RAF erwie-sen. Dabei hat er sogar den Hamburger Hi-storiker Wolfgang Kraushaar berboten.

    Doch der Neuigkeitswert bei den Spiegel-Sonderseiten hlt sich in Grenzen. Immerhinwird noch einmal daran erinnert, dass die

    Abhrprotokolle vom Toten Trakts im7.Stockwerk des Stammheimer Gefngnis-

    VeranstaltungshinweiseBerlin, Sonntag, 30. SeptemberIst jetzt alles Terrorismus? Die politischeDimension des 129aInformationsveranstaltung zum aktuellen 129a-Verfahren und zur Sicherheitspo-litik der Bundesregierung mit ChristinaClemm (Rechtsanwltin); Dr. Rolf Gssner,(Rechtsanwalt, Prsident der Internatio-nalen Liga fr Menschenrechte); Dr. FritzStorim (politisch aktiver Physiker und Phi-losoph und von mehreren Strafverfahrennach dem 129a betroffen; Mestelle fr

    Arbeits- und Umweltschutz - Bremen undUniversitt Bremen); Prof. Dr. Roland Roth(Fachhochschule Magdeburg, Komitee frGrundrechte und Demokratie); Dr. BrittaGrell.

    VeranstalterInnen: Bndnis fr die Ein-stellung des 129a-Verfahrens Berlin /akj-berlin. arbeitskreis kritischer juristin-nen und juristen an der Humboldt-Uni-

    versitt zu Berlin / Berliner MieterGe-meinschaft e.V. / Berliner Sozialforum /FelS Fr eine linke Strmung / HU Hu-manistische Union, Landesverband Berlin/ INURA International Network for Ur-ban Research and Action, Berlin / Komi-tee fr Grundrechte und Demokratie e.V./ PROKLA Zeitschrift fr kritische So-zialwissenschaft / RAV Republikanischer

    Anwltinnen- und Anwlteverein e.V. /Rosa-Luxemburg-Stiftung / Stiftung Hausder Demokratie und Menschenrechte, Vor-stand / Volksbhne am Rosa-Luxemburg-Platz. Auerdem zahlreiche Untersttze-

    rInnen11:00 - 13.00 Uhr,Volksbhne am Ro-sa-Luxemburg-Platz, Berlin

    Berlin, Freitag, 19. OktoberPeter O. Chotjewitz liest aus seinem neu-sten Buch Mein Freund Klaus

    Mit der im Berliner Verbrecher-Verlagerschienenen Romanbiographie MeinFreund Klaus erinnert der Schriftstellerund Rechtsanwalt Peter O. Chotjewitz anden von den BRD-Behrden schikaniertenund als Drahtzieher des internationalenTerrorismus kriminalisierten Strafvertei-diger Klaus Croissant. Der Roman ist auchein Einspruch gegen die offizielle Lesartder Geschichte des so genannten Deut-schen Herbst . An der Verfolgung von Cro-issant wird deutlich, wie in der BRD de-mokratische Rechte eingeschrnkt undMenschen verfolgt und kriminalisiertwurden, die darauf bestanden, dass auchals TerroristInnen Verfolgte das Rechtauf juristische Vertretung haben.

    Das Buch kann dabei helfen, Klaus Cro-issant, fr den sich 1976/77 viele Men-schen im westeuropischen Ausland ein-

    setzten, mindestens in der Linken dem Ver-gessen zu Entreien.Organisiert von Internationale Kommu-

    nistInnen. Mehr Infos: www.interkomm.tk19.30 h, Buchladen Schwarze Risse, Meh-ringhof, Gneisenaustr. 2a

    Hamburg, Freitag, 19. OktoberDie RAF und die Todesnacht von Stamm-heim

    In der Nacht vom 17. auf den 18. Okto-ber 1977, wurden die Angehrigen der Ro-ten Armee Fraktion Andreas Baader, Gu-drun Ensslin und Jan-Carl Raspe tot in

    ihren Zellen aufgefunden. Heute, dreiigJahre spter, ist das Mediale Interesse ander RAF gro, aber die offizielle These vom

    Selbstmord wird kaum hinterfragt. Dabeiist die Liste der offenen Fragen und Un-geklrtheiten lang. Diese Veranstaltungrichtet einen kritischen Blick auf dasHochsicherheitsgefngnis Stuttgart-Stammheim, und befasst sich mit der bun-desdeutsche und der internationale poli-tische Situation, die zur Entstehung derRAF fhrte. Dabei soll viel Zeit fr Fragenund fr Diskussionen zur Verfgung ste-hen. Als Referenten sind ein Publizist vomGefangenen Info und ein frherer Mili-tanter aus der Roten Armee Fraktion

    anwesend. Eintritt: frei. Veranstalter:SoL - Sozialistische Linke - (www.sol-hh.de)19.30 Uhr im Klibri, Hein-Kllisch-Platz12

    Berlin, Samstag, 20. Oktober18.10.1977 -Kein Vergeben Kein Vergessen!

    Eine internationale Vier-Stdteveranstal-tung in Berlin, Brssel, Stuttgart undZrich mit Videokonferenz. Aus Anlassdes 30. Jahrestages der Stammheimer To-desnacht und in Gedenken an die Gefal-lenen aus der RAF und dem revolutionren

    Widerstand fhrt das Netzwerk fr dieFreiheit der politischen Gefangenen in Zu-sammenarbeit mit der Roten Hilfe Inter-national eine internationale Veranstal-tung mit ehemaligen Gefangenen aus derRAF und Zeitzeugen durch.18.00 Uhr, Tommy Weissbecker Haus,

    Wilhelmstr. 9, 10963 Berlin-Kreuzberg

    Weitere Infos: www.political-prisoners.net, www.rhi-sri.org

  • 8/6/2019 Gefangenen Info #329

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    ses, in dem die RAF-Gefangenen inhaftiertwaren, bis heute nicht verffentlicht sind. DieFreigabe fordert der ehemalige Anwalt vonRAF-Gefangenen Christian Strbele seit Jah-ren.

    In einem Interview mit der WochenzeitungFreitag hat der heutige Grnen-Politikerkrzlich betont, dass fr ihn die Ereignissein der Stammheimer Todesnacht am18.10.1977, bei der Gudrun Ensslin, Andreas

    Baader und Jan-Carl Raspe tot und IrmgardMller schwer verletzt aufgefunden wurde,nicht aufgeklrt sind, bis smtliche Doku-mente offen gelegt sind. Damit steht Strbe-le heute sehr allein. Denn trotz des Rummelsum den Deutschen Herbst ist das Interesse anden Geschehnissen gering. Die Tageszeitung,einmal mit dem Anspruch angetreten, Organder Gegenffentlichkeit im Deutschen Herbstzu sein, verffentlichte vor 14 Tagen ein Dos-sier zum Herbst 1977, in dem weder ein ehe-maliger Gefangener noch ein Anwalt zu Wortkamen. Ansonsten ist dort in den letzten Wo-chen vor allem Jan Feddersen fr die Be-

    richterstattung ber die RAF zustndig. Dermacht in seinen Beitrgen immer wiederdeutlich, dass fr ihn die RAF-Mitglieder so-wieso nur Kriminelle waren, von denen ersich schon in den 70er Jahren belstigt ge-fhlt hat. Kritische Fragen zu den Haftbe-dingungen oder gar den Todesumstnden derGefangenen wird man in seinen Beitrgen

    vergeblich suchen. Dafr findet sich dort diegeballte Hme und Verachtung, der stellen-weise in offenen Hass umschlgt auf alle, dienicht das Loblied ber das angeblich so zi-

    vilisierte Deutschland singen.Eine Korrespondentin der Frankfurter

    Rundschau lie in einer Reportage ber ei-ne Visite im Toten Trakt ausfhrlich die Ge-fngnisbeamten zu Wort kommen. Mit kei-nem Wort erwhnte sie, dass die einzigeberlebende des 18.10.77 Irmgard Mller vormehr als 10 Jahren in einem ausfhrlichenInterview mit dem Journalisten Oliver Tol-mein ihre Version der Geschehnisse darge-legt hat. Dort weist Mller jede Selbstt-tungsabsicht zurck. Unabhngig von derBewertung ihrer Aussage, ist das vllige Tot-schweigen ein Armutszeugnis fr einen kri-tischen Journalismus,

    Dem ehemaligen RAF-Gefangene Ron Au-gustin und Anja Rhl, der Tochter aus derersten Ehe von Klaus Rainer Rhl, blieb es

    vorbehalten, in Beitrgen in der jungen Weltdaran zu erinnern, dass Anwlte, rzte und

    Architekten aus verschiedenen Lndern Wi-dersprche zur offiziellen Version derStammheimer Todesnacht und zum Tod vonUlrike Meinhof zusammengetragen haben.Die Texte sind noch erhltlich, werden aberin kaum einen der vielen Beitrge zum Deut-schen Herbst auch nur erwhnt.

    Nur der Terminus Deutscher Herbst, vor30 Jahren von Intellektuellen als Kritik an

    die Einschrnkung von Meinungs- und Frei-heitsrechten geprgt, hat sich durchgesetzt.Doch der kritische Impetus ist bei den ein-gebetteten Journalisten unserer Tage verlo-ren gegangen. Peter Nowak

    Ilse Schwipper schwer erkrankt

    Das ist meinletztes InterviewZweiter Teil des Gesprchs mit einer Wolfs-burger Zeitzeugin: Auch Sterbehilfe istpolitisch!

    WAZ: Frau Schwipper, Sie sind schwer er-krankt, Ihr Zustand ist sehr ernst.

    Schwipper: Ich habe einen Tag nach mei-nem 70. Geburtstag erfahren, dass ich Krebshabe. Lunge, Gehirn und Knochen sind be-troffen.

    WAZ: Sie klingen gefasst, sogar gelassen.Schwipper: Ich habe mich in den letzten

    Wochen auf diesen Abschied vorbereitet.Ich habe alle Therapien bis auf das schmerz-stillende Morphium abgebrochen und bin

    jetzt in ein Berliner Hospiz eingezogen, umdort langsam und in Wrde zu sterben.

    WAZ: Sie haben sich immer als politischenKopf verstanden und galten als Anarchi-stin, die der Bewegung 2. Juni nahe stand- spielt das jetzt alles noch eine Rolle.

    Schwipper: Natrlich, das war ja mein Le-ben. Politik wird mich bis zum letzten Tagbegleiten; auch Sterbehilfe ist politisch.

    WAZ: Interessieren Sie sich noch fr Wolfs-burg? Immerhin haben Sie dort lange ge-lebt.

    Schwipper: Ja, hier im Krankenbett inBerlin habe ich zum Beispiel vor ein paarTagen gelesen, dass die Bckergasse in

    Wolfsburg aus dem Straenregister getilgtwurde - immerhin stand dort das Haus, indem die Kommune Bckergasse lebte, zuder ich ja auch gehrt habe. So verschwin-

    det jetzt auch dieser Teil meines Lebens.WAZ: Denken Sie ber Fehler nach, die Siegemacht haben?

    Schwipper: Ja, natrlich. Ein zentralerPunkt dabei ist auch das Verhltnis zu mei-

    nen Kindern, die damals zurckblieben, alsich insgesamt elf Jahre im Gefngnis sa.Frher habe ich gedacht, dass Kinder keineRolle spielen drfen im politischen Kampf.Heute wei ich, dass Kinder gleichberech-tigt mitentscheiden sollen und mssen. berihre Kpfe hinweg zu entscheiden, war eingroer Fehler - ein Fehler, den brigens auchandere aus der RAF oder der Bewegung 2.Juni rckblickend eingesehen haben.

    WAZ: Wie ist heute das Verhltnis zu IhrenKindern?

    Schwipper: Es war lange sehr gestrt bisgar nicht vorhanden. Doch das ist vorbei.Meine Tochter Ines, die in Kanada lebt, hatmich gerade besucht, und meine TochterSabine kmmert sich stndig um mich. Wirhaben stundenlang unter Trnen ber allesgesprochen, ich bin sehr froh, dass diese

    Vershnung stattgefunden hat.

    WAZ: Wie steht es mit anderen Themen?Werden Sie angesichts Ihrer Situation et-

    was sagen zu Aktionen, fr die Sie einstverurteilt oder angeklagt worden sind?

    Schwipper: Nein, das werde ich nicht tun.Das mache ich mit mir selber ab, und ichkann zumindest sagen, dass es in den 70-er Jahren einige Aktionen gab, ber die ichheute ganz anders denke als damals. Aberffentlich sagen werde ich nichts, ich ht-te immer das Gefhl, andere zu verraten,die an Aktionen beteiligt waren und ja nochweiterleben werden.

    WAZ: Das Wolfsburger Stadtarchiv hat Sieausfhrlich befragt und diese langen Ge-sprche aufgezeichnet, um Sie und Ihre Ge-schichte historisch aufzuarbeiten. Hat Siedieses Interesse berrascht - immerhin lie-gen die Wolfsburger Anschlge rund 35 Jah-re zurck.

    Schwipper: Ich finde es gut, dass sichWolfsburg seiner linken Geschichte stellt.In den 60- und 70-er Jahren war ja in die-ser Hinsicht viel los in Wolfsburg, auch die-se Aspekte gehren zur Geschichte derStadt. Das Interesse an diesem Teil der Ver-gangenheit scheint sogar wieder grer zuwerden.

    WAZ: Wobei Sie selbst - nicht zuletzt we-gen des Schmcker-Falls - immer wieder indas Interesse der Medien gerieten.

    Schwipper: Das ist bis heute so geblieben.Selbst jetzt planen Zeitungen in Berlin undFrankfurt lngere Artikel ber mich undmeine Geschichte. Dass ich mit der WAZgesprochen habe, hat aber seinen Grund:Dieses Interview, das letzte, sollte zuerst in

    Wolfsburg in der Zeitung stehen, zumal sichdie WAZ immer um Objektivitt bemhthat.

    WAZ: Mchten Sie auch in Wolfsburg be-graben werden?Schwipper: Nein, ich werde neben mei-

    ner Mutter auf einem Friedhof im BerlinerWedding liegen.

  • 8/6/2019 Gefangenen Info #329

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    Zur Verhandlung des Antragesauf Bewhrung vonJean-Marc RouillanAm 4. September hatte der Gefangene Je-an-Marc Rouillan, der seit ber zwanzigJahren wegen Aktionen, fr die Action Di-recte die Verantwortung bernommen hat,inhaftiert ist, eine Anhrung mittels Vi-

    deokonferenz. Dieses Vorgehen entsprichtden neu in Kraft getretenen Sonderverfah-rensweisen. Es ging hierbei um seinen An-trag auf Freilassung auf Bewhrung, den eram 12. Mrz gestellt hat.

    Seine durchaus auch juristisch tragfhigeneingereichten Unterlagen - eine Arbeitsstel-le und ein Arbeitgeber, der die vom Gerichtauferlegten Einschrnkungen auf sich zunehmen bereit ist - wurden von der Staats-anwaltschaft sehr heftig angegriffen. DieStaatsanwaltschaft hegte offen Zweifel ander Seriositt seines zuknftigen Arbeits-platzes in einem Verlag, fr den Jean-Marc

    Rouillan im brigen bereits jetzt arbeitet.Der Staatsanwalt benutzte erneut das

    heuchlerische Argument der Nicht-Ent-schdigung der Opfer, ein Argument, wel-ches vorher bereits mehrfach abgewiesenworden ist, zumal die Opfer aus Fonds, diezu diesem Zweck bestimmt sind, entsch-digt wurden.

    Geht es darum Jean-Marc Rouillan dafranzuklagen, dass er nicht abgeschworenhat, ohne diese Anklage konkret zu formu-lieren? Das Rckfallrisiko war Gegen-stand einer lngeren Betrachtung. Ein Rich-ter zog provokativ absurde Konstruktionenheran, um die Gefhrlichkeit von Jean-Marc unter Beweis zu stellen. Die Gesamt-heit der Debatte, die fast zweieinhalb Stun-den gedauert haben, beweist, dass der Fall

    von Jean-Marc Rouillan ein politischer ist,auch wenn die Gefangenen aus Action Di-recte nie als politische Gefangene aner-kannt wurden.

    Die Entscheidung wurde auf den 24. Sep-tember vertagt.Georges Ciprianiwird nach eigenen Anga-ben seinen Antrag auf Freilassung auf Be-whrung im November stellen.

    Die Justiz hat die Militanten aus ActionDirecte kollektiv dafr verurteilt, dass siebewaffnet gegen die kapitalistische und im-perialistische Gewalt gekmpft haben. Seitdem 2. August hat Nathalie Mnigon Frei-gngerstaus. Sie arbeitet tagsber und ver-bringt die Nchte und die Wochenenden imGefngnis. Das, was Nathalie Mnigon er-reicht hat, ohne ihrem politischen Engage-ment abzuschwren, muss auch allen an-deren zuerkannt werden.Rgis Schleicher, der seit ber 23 Jahren in-haftiert ist, kann seine Bewhrung erst 2008wieder beantragen.

    Joelle Aubron, konnte diesen Antragnicht mehr stellen. Sie starb am 1. Mrz2006 whrend ihrer Haftverschonung.Collectif Ne laissons pas faire!4. September 2007 Zu den aktuellen poli-

    SIE GRENZEN EINSIE SICHERN DIE HERRSCHENDEN VERHLTNISSE

    DAS PIVATEIGENTUMDIE PRIVILEGIENDIE MACHT

    SIE GRENZEN AUSSIE VERWEHREN ZUTRITT UND TEILHABE

    SIE DEFINIEREN OBEN UND UNTEN ARM UND REICH LEBENSWERTUND LEBENSUNWERT

    SIE SIND VERANTWORTLICH FR TOD UND LEIDEN UNZHLIGERMENSCHEN

    FR DIE VERNICHTUNG DER SOZIALEN UND KOLOGISCHENLEBENSGRUNDLAGEN

    FR DIE ZERSTRUNG VON KOMMUNIKATION VON AUTONOMIE UNDKOLLEKTIVITT

    ABER SIE SIND KEIN NATUREREIGNIS KEIN SCHICKSAL SIE SIND VONMENSCHEN ERRICHTET UND SIE KNNEN VON MENSCHEN EINGERISSENWERDEN

    Text- und Bildwerkstatt / Mestelle fr Arbeits- und Umweltschutz - Bremen / Fritz Storim, Juni 2007

    DIE ZUNE EINREIEN - SICH DAS LEBEN ANEIGNEN

    DIE HCHSTEN ZUNE DIE ES ZU BERWINDEN GILT SIND NICHT DIE AUSBETON UND STAHL ODER DIE AUS GEWALT VON AUEN SONDERN DIEDIE WIR SELBSTIN UNS UND ZWISCHEN UNS ERRICHTEN UND ERRICHTENLASSENWIE FREMDBESTIMMTHEIT KONKURRENZ- LEISTUNGS- UND WARENAUSTAUSCHDENKEN BERHEBLICHKEIT OPPORTUNISMUS UNTERWRFIGKEIT RATIONALISIERUNG VON ANGST MUTLOSIGKEIT RESIGNATIONVEREINZELUNG USW. EINE PROJEKTION DER HERRSCHENDENVERHLTNISSE IN UNSERE KPFE UND HERZEN

    IN DEM MAE IN DEM WIR SIE EINREIEN - GEMEINSAM UND VOR DEMHINTERGRUND EINER PERMANENTEN AUSEINANDERSETZUNG ZWISCHENINNEN UND AUEN WERDEN WIR LERNEN WIDERSTAND GEGEN DIESEVERHLTNISSE ZU ENTWICKELN UND UNSER LEBEN SELBSTBESTIMMT UNDKOLLEKTIV ZU GESTALTEN

    NUR NICHT EIN SOGENANNTER FREIER WILLE SONDERN DIEGESELLSCHAFTLICHEN VERHLTNISSE PRGEN UNSER BEWUTSEIN DAGIBT ES KEIN DRAUEN AUSSTEIGEN IST NICHT MGLICH WIR SINDNICHT NUR OPFER SONDERN IMMER AUCH TRGER_INNEN DERVERHLTNISSEABER BERALL DA WO WIR MIT IHNEN IN WIDERSPRUCH GERATENWERDEN WIR SIE AUCH VERNDERN KNNEN

    SOMIT IST DIE HHE DER ZUNE NICHT HAUPTSCHLICH EINETECHNISCHE FRAGE SONDERN HAUPTSCHLICH EINE FRAGE DERREVOLUTIONREN MORAL DER REVOLUTIONREN BEGRIFFLICHKEITWOLLEN WIR SIE EINREIEN UND UNS UNSERER FESSELN ENTLEDIGENMSSEN WIR UNS DER MORAL DER HERRSCHENDEN VERHLTNISSE DIE DIE KONOMISCHE RATIONALITT IN DEN VORDER GRUND STELLT WIDERSETZEN UNSERE EIGENE MORAL ZUM Ma STAB UNSEREDENKENS UND HANDELNS MACHENDEN MENSCHEN IN DEN MITTELPUNKT STELLEN UND EINEN EIGENEN BE-

    GRIFF VON KOMMUNIKATION ALS SABOTAGE AN DEN HERRSCHENDEN VERHLTNISSEN EINEN EIGENEN BEGRIFF VON RECHT UNDLEGITIMITT VON GEWALT UND WIDERSTAND VON SOLIDARITT VONHERRSCHAFTSFREIHEIT ENTWICKELN

  • 8/6/2019 Gefangenen Info #329

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    Abgeordnete Jelpkebesuchte politischeGefangene in MoabitDie Bundestagsabgeordnete Ulla Jelpkehat am Dienstag Nachmittag drei Ge-

    fangene besucht, die unter dem Vorwurfder Bildung einer terroristischen Verei-

    nigung seit mehr 1 1/2 Monate in Un-tersuchungshaft gehalten werden. Nachihrem Besuch im Gefngnis erklrte Ul-la Jelpke:

    Am Dienstag habe ich Florian L., Oliver R.und Axel H. im Gerichtsgefngnis Berlin-Moabit besucht. Dieser Sonderbesuchmusste bereits einmal verschoben werden,da angeblich nicht gengend Beamte desBundeskriminalamtes zur berwachungdes Gesprchs bereit standen.

    Die Gesprche wurden von zwei Beam-ten des Bundeskriminalamtes und einer

    Justizvollzugsbeamtin berwacht. Einvertrauliches Gesprch war mir deshalbebenso wenig mglich wie den Angehri-gen der Inhaftierten. Die drei Gefangenenschilderten mir ihren Haftalltag. Sie wer-den tglich 23 Stunden in Einzelhaft ge-halten und haben lediglich Anrecht auf ei-ne Stunde Besuch im Monat. Durch dieUntersuchungshaft hat einer der Inhaf-tierten bereits seinen Arbeitsplatz verlo-ren, ein anderer hat nicht einmal Antwort

    von seinem Arbeitgeber bekommen.Den drei Untersuchungsgefangenen

    wird von der Bundesanwaltschaft ein ver-suchter Brandanschlag auf LKW der Bun-deswehr vorgeworfen. Zudem werden siebeschuldigt, Mitglieder einer terroristi-schen Vereinigung nach 129a Strafge-setzbuch (StGB) zu sein.

    Der Terrorismusvorwurf setzt Straftatenvoraus, die durch die Art ihrer Begehungoder ihrer Auswirkungen einen Staat odereine internationale Organisation erheb-lich schdigen knnen. Fr die den Be-schuldigten vorgeworfenen Brandstiftun-gen trifft dies sicherlich nicht zu, der Vor-wurf der Bildung einer terroristischen Ver-

    einigung ist unverhltnismig. Anstattwegen versuchter Brandstiftung nach 306 StGB zu ermitteln, wird zum 129amit seinen zahlreichen Sondervollmach-ten fr die Ermittler gegriffen. So konnteUntersuchungshaft angeordnet werden,obwohl die Beschuldigten nicht vorbe-straft sind und in geordneten Verhltnis-sen lebten. Fluchtgefahr besteht alsonicht.

    Die politischen Gesinnungsparagra-phen 129, 129a und b StGB, die immerwieder gegen unliebsame soziale Protest-bewegungen eingesetzt werden, haben in

    einem Rechtsstaat nichts verloren. Siegehren endlich abgeschafft. Die Haftbe-fehle gegen Florian L., Oliver R. und AxelH. mssen sofort aufgehoben werden.

    Zu den aktuellenpolitischen Verfol-gungen nach 129a(Diese Rede wurde am 8. Sept. 07 auf derKundgebung Freiheit fr Binali in Ham-burg in gekrzter Form gehalten)

    Schon im Vorfeld des G8 Gipfels in Heili-gendamm kam es zu einem der grten Re-pressionsschlge der letzten Jahre. Am 9. Maistarteten Bundesanwaltschaft und Bundes-kriminalamt in Hamburg, Berlin, Bremen,Schleswig-Holstein, Niedersachsen undBrandenburg eine Durchsuchungswelle vonber 40 Wohnungen und Projekten und be-grndeten dies mit dem Vorwurf der Bildungeiner terroristischen Vereinigung nach129a. Betroffen sind davon 21 Personen.

    Die besondere Bedeutung des Verfahrensbegrndete die BAW wie folgt:

    Ziel der militanten Kampagne ist es mitBrandanschlgen und anderen gewaltttigern

    Aktionen den bevorstehenden Weltwirt-schaftsgipfel der G8 in Heiligendamm erheb-lich zu stren oder zu verhindern. DieseStraftaten sind dazu bestimmt, die in der BRDbestehende Gesellschafts- und Wirtschafts-ordnung zu erschttern und knnen die in-ternationale Position der BRD als verlssli-cher Partner im Verbund der 8 wichtigstenWirtschaftsnationen erheblich schdigen.

    Und genau vor diesem politischen Hinter-grund ist dieser Angriff auch zu verstehen.Die Durchsuchungswelle und das 129a-Ver-fahren waren ein konkreter Angriff auf dieautonomen und systemoppositionellen Mo-bilisierungen im direkten Vorfeld von G8 inHeiligendamm und ASEM-Gipfel in Ham-burg. Gemeint waren mit diesem Angrifftatschlich alle Menschen, die ihren Protestim Rahmen von Aktionen praktisch werdenlassen wollten. Auch hier sollte Repressioneinschchtern, denunzieren und zu Entsoli-darisierung und Spaltung fhren.

    Das hinter den Durchsuchungen stehendeKalkl zielt auch darauf ab, ein Terrorbild inder ffentlichkeit zu transportieren, das jede

    weitere Repression gegen radikale Oppositi-on rechtfertigen und verfassungsmigeRechte weiter aushhlen soll und die Wahr-nehmungsgrenzen verschwimmen zu lassenzwischen Einsatz der Bundeswehr gegen alKaida oder Taliban und G8-Widerstand:

    Der Einsatz von Kriegswaffen wie Sph-panzer und Tornados gegen den G8-Wider-stand in Heiligendamm bringt das deutlichauf den Punkt!

    Wir haben in den Busch geschossen, nunsehen wir, was und wer sich dort bewegt,hat ein Fahnder des BKA auf Spiegel-Onlineerklrt.

    Doch dieser Schuss ist eindeutig nach hin-ten losgegangen. Er hat zur massiven Mobi-lisierung fr den Widerstand gegen den G8-Gipfel - auch weltweit - gefhrt und die un-terschiedlichen politischen Spektren strker

    zusammengefhrt. Vielen Menschen wurdendie Augen ber diese herrschenden Verhlt-nisse geffnet und es wurde fr viele deut-lich:angeklagt sind nur wenige, aber gemeintsind wir alle!Am 13. Juni, also unmittelbar nach dem

    G8-Gipfel, kam es in Hamburg, Bad Oldesloeund Berlin zu einer weiteren Reihe von Haus-durchsuchungen. Insgesamt 11 Personen

    wird in einem neuen 129a-Verfahren vor-geworfen, an 4 Aktionen gegen Objekte derBundeswehr und von Rstungsfirmen betei-ligt gewesen zu sein.

    Seit dem 31. Juli sitzen in Berlin 4 Leute -zur Zeit noch 3, einer ist mit Haftverscho-nung entlassen worden - im Knast von Mo-abit. Ihnen wird vorgeworfen, in der MG -heit militante Gruppe - organisiert zu seinund ihnen werden weiter Brandanschlge aufBundeswehrfahrzeuge und die Herstellung

    von ideologischer Munition in Form von kri-tischer Wissenschaftsttigkeit und ffent-lichkeitsarbeit vorgeworfen.

    Insgesamt sind 7 Leute von dieser Durch-suchungswelle betroffen.

    Der 129a (wie brigens auch der 129b,der sich auf terroristische Vereinigungen im

    Ausland bezieht) ist ein zentrales Mittel derpolitischen Justiz. Als Staatsschutzparagrafzielt die Anwendung des Paragrafen immerauf Gesinnung, auf politische Inhalte und aufkollektiven Widerstand.

    Neben dieser politische Bedeutung ist er frdie Staatsschutz-Behrden ein ganz wesent-liches Ermittlungsinstrument. Kein andererParagraf bietet dem Staatsschutz so vieleMglichkeiten an berwachung und Ausfor-schung wie der Paragraf 129a oder b. Im Rah-men der aktuellen Verfahren hat der Appa-rat ber einen langen Zeitraum seine ganzentechnischen Mglichkeiten ausgeschpft.Flchendeckende Observationen, Telefon-berwachung, e-Mail-berwachung, Post-berwachung Filmaufnahmen, Abhrma-nahmen, Peilsender usw.

    Diese berwachungsmanahmen habenweit mehr Leute betroffen als die jetzt un-mittelbar Beschuldigten.

    Mit diesem Gesinnungs- und Schnffelpa-ragraphen 129a - mit dem die Durchsuchun-

    gen juristisch legitimiert wurden - ist es derJustiz heute wieder mglich, Oppositionelle- wie z.B. Menschen, die sich gegen den be-

    vorstehenden G8-Gipfel in Heiligendammengagieren - auszuforschen, sie zu krimina-lisieren und die laufende Arbeit zu behindern.

    Der 129a ist bisher nur in 2% der Flle zurAufklrung von Straftaten dienlich gewe-sen. Alle restlichen Verfahren wurden sang-und klanglos eingestellt. Was bleibt, ist je-doch z.B. die Stigmatisierung bestimmter po-litischer Zusammenhnge und einiger vondem Verfahren unmittelbar betroffener unddurch die Presse herausgehobener Personen.

    Vor diesem Hintergrund sehen wir im129a ein Instrument staatlicher Willkr, dasprinzipiell alle politisch kritischen Menschenunter Generalverdacht stellen kann. Wir allesind potentiell Verdchtige.

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    Um dieses Ziel zu erreichen, scheint jedesMittel recht. Vor nicht allzu langer Zeit wur-den Menschen in Gefngnisse oder Lager ge-sperrt, wenn sie systemkritische Flugbltter

    verteilten oder Kontakt zu bestimmten Per-sonen hatten. Heute reicht dieser Tatbe-stand scheinbar immerhin schon wieder aus,um Hausdurchsuchungen damit zu begrn-den.Alle drei 129a-Verfahren sind Ausdruck der

    aktuellen politischen Situation, die von Dis-kursen ber den Begriff Sicherheit geprgtist. Die Politik staatlicher berwachung, dasSammeln und Speichern aller Daten vonMenschen und das Vorantreiben von Re-pression sind Ausdruck einer Vernderungdes staatlichen und gesellschaftlichen Sy-stems, im Rahmen der neoliberalen Umge-staltung der Welt:

    Es herrscht Krieg nach Auen und nach In-nen:

    *** So agiert die Bundeswehr schon langewieder als Angriffs- und Eroberungsarmeeund steht ohne jeden Zweifel in der Konti-nuitt des deutschen Militarismus zur Durch-setzung von Herrschaftsinteressen. Heute ist

    sie Teil der NATO, an zehn Militreinstzenim Ausland beteiligt und verantwortlich frdie Bombenabwrfe 1999 auf die Bevlke-rung in Jugoslawien und jetzt in Afghani-stan.Allein in Afghanistan gehen bereits meh-

    rere Tausend Tote, Verstmmelte, Vergewal-tigte, Gefolterte, Obdachlose und Fliehendeauf das Konto dieser so genannten Friedens-stifter.

    Ist die Sabotage gegen diese KriegsarmeeTerrorismus?

    Ist der Widerstand gegen das G-Treffen- der grten terroristischen Vereinigung

    dieser Welt, die verantwortlich ist fr Un-terdrckung, Hunger und Krieg - Terroris-mus?

    Ich will daran erinnern, dass alle 5 Se-kunden ein Kind an den Folgen von Hun-

    ger und Armut stirbt. Das sind ber 70 Kin-der, whrend ich hier rede.

    Das ist kein Schicksal - das ist Mord!*** Der aggressiven deutschen Auenpo-

    litik entspricht die Verschrfung der sozia-len Bedingungen im Inneren.

    Lohnraub durch Lohnsenkung und Ar-beitszeitverlngerung. Rationalisierungund Entlassung von Arbeitskrften, Kr-zung der Renten, Reduzierung der Gesund-heitsversorgung durch die so genannte Ge-sundheitsreform, Reduzierung der Bildungauf die Kinder der Wohlhabenden, enormePreiserhhungen, Armut, Obdachlosigkeit.Eine immer weiter zunehmende Verarmungder Bevlkerung.

    In dem Mae, indem u.a. unser Wider-stand gegen die Verschrfung unserer Le-bensbedingungen wchst, erhht der Staatden Terror gegen uns.

    Solange Menschen sich aus einer unver-shnlichen Haltung den herrschenden Ver-hltnissen gegenber politisch organisierenund ihren Widerstand in verschiedenen For-men praktisch machen, wird die Antwortdes Staates Repression sein. Aber Repressi-

    on wird nicht vermgen, die Ablehnung derunmenschlichen globalen Verhltnisse auf-zuhalten oder gar zu zerschlagen.

    Ich will ausdrcklich betonen:wir sind nicht harmloswir sind nicht unschuldigwir kmpfen gegen diese herrschenden Ver-hltnissewir wollen ein anderes Lebenwir wollen eine andere WeltEs geht uns um eine Welt, in der der Menschund nicht die konomische Rationalitt imMittelpunkt von Denken und Handeln steht.

    Und um uns in die Kontinuitt der Ge-

    schichte zu stellen - mit Marx gesprochen:Alle Verhltnisse umwerfen, in denender Mensch ein erniedrigtes, ein geknech-tetes, ein verlassenes, ein verchtliches We-sen ist.

    In diesen Sinne:kein Frieden mit den herrschenden Ver-hltnissen!vorwrts! gemeinsam!und nicht vergessen die Solidaritt!Solidarittsgruppe fr die 129a-Verfolg-ten - Bremen Solidarittsgruppe fr die129a-Verfolgten - Hamburg

    Schikanen gegenChristian S.

    Am 20. Juli 2007 wurde der inhaftierte Ber-liner Antifaschist Christian S. berraschendund trotz seiner schweren Erkrankung, einerlaufenden Schulausbildung und der be-kannten berbelegung der JVA-Tegel vonder JVA-Hakenfelde nach Tegel verlegt. Erbefand sich seit Mitte Juni 2007 in der JVA-Hakenfelde, da er einen Neonazi Aufmarscham 1. Mai in Berlin Friedrichshain mittelsBarrikadenbau verhindert haben soll. Ein

    ihm zustehender Vollzugsplan wurde ihmverweigert. Zeitgleich mit der Verlegung for-mulierte der mit ihm dort inhaftierte Neona-zi Christian Bentz eine konkrete Todesdro-hung gegen ihn: Er werde in der JVA Tegelauf viele politische Gegner treffen. Er sollesich selber erhngen, das werde ihm vielSchmerz ersparen. Seine Angehrigen und

    Anwlte erfuhren erst durch diese Drohungvon der Verlegung. Bentz ist mit einer Viel-zahl von Gewalttaten gegen politische Geg-ner aufgefallen. In der JVA-Hakenfelde nutztBentz seine Freiheiten, um Christian S. mitdem Tode zu bedrohen und seine inhaftier-ten Freunde der Berliner KameradschaftsSzene gegen ihn zu mobilisieren.Wie jetzt bekannt wurde, hat Herr Dr. Mey-

    er-Odewald am 20. Juli 2007, als ChristianS. pltzlich vom offenen Vollzug in die JVA-Tegel verlegt wurde, mit dem VollzugsleiterHerrn Troike persnlich Rcksprache gehal-ten. Christians Ehefrau und seine Anwltinwurden hingegen nicht informiert. ChristianS. wurden dann erst ber einen Monat sp-ter die Grnde fr die Verlegung mitgeteilt,in dem jetzt bekannt gewordenen Schreiben( Geschftszeichen: 343/07/3 ) wirft Herr

    Letzte Meldung: Weiterhin Haft trotzFreispruchs fr ChristianDie codierten Staatsschutz-Polizeizeugenseien unglaubwrdig und die Videobe-weise nicht zu gebrauchen um nachzu-weisen, dass Christian am 13. Februar2005 eine Flasche in Richtung Polizeiket-ten geworfen habe. Christian wurde Frei-tag, den 21.September, vor dem Landge-richt Berlin freigesprochen. Leila ist we-gen Waffenbesitz zu einer Geldstrafe

    von 90 Tagesstzen zu je 20 Euro verur-teilt worden. Christian hat demnach 11

    Monate umsonst in Untersuchungshaftgesessen. Er bleibt aber weiterhin im Knastnoch fr zirka drei Jahren wegen seinesantifaschistischen Engagements.

    Rund300 Menschen demonstrierten am 8.9. in Hamburg fr die Freilassung von BinaliYildirim, der, obwohl er in Hamburg Asyl erhalten hatte, von spanischen Behrden fest-genommen wurde und in Abschiebehaft sitzt. Ihm droht Auslieferung an die Trkei.

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    Meyer-Odewald dem Inhaftierten vor, er seimitschuldig an einer schlechten Berichter-stattung ber sein Gefngnis und habe da-her kein Recht auf ein Vollzugsplan, ge-schweige denn auf den offenen Vollzug.

    Meyer-Odewald rumt dem Selbststellerzwar ein, dass keine Fluchtgefahr bestand,

    verweist aber in einer weiteren Eignungs-prfung auf dessen politischen Ansichten.Diese gehe - seiner Auffassung nach - auto-

    matisch mit weiteren Gesetzesversten ein-her.Nachdem er Christians juristische Fehltre-

    te (beginnend im Februar 1985 mit Trun-kenheit am Steuer) auflistete, gibt er an, imRahmen einer Internetrecherche ber die Sei-te www.political-prisoners.net/pdf/gi_326.pdf auf einen Artikel im Gefangenen-In-fo ber Christian gestoen zu sein. Diesermissfiel ihn offenbar sehr. Er erklrt daherseinem Ex-Gefangenen, den er trotz Post-kontrolle und schlicht unbewiesenermaenfr den Autoren hlt: Darber hinaus ent-hlt der o. g. Artikel unzutreffende Angaben

    zum Tagesablauf in der Anstalt, die sog. In-siderwissen voraussetzen.Wir wissen nicht, worin Herr Dr. Meyer-

    Odewald seinen Doktor gemacht hat, aberauch ohne Staatsrechtler zu sein oder stu-dierte Juristen, sind uns doch die wenigendemokratischen Spielregeln des Strafsy-stems bekannt, wonach offiziell nicht poli-tische Meinungen oder Ansichten sanktio-niert werden, sondern Gesetzesverste. Die-se sind dem vermeintlichen beltterzunchst zu beweisen und er hat das Recht,sich zu verteidigen.

    Herr Meyer-Odenwald hat hingegen frseine Gefangenen eigene Gesetze: Die ver-fgbaren einschlgigen Informationsquellenzeugen von einer weiterhin bestehenden in-tensiven Eingebundenheit in das fr Straf-flligkeit mit urschliche Milieu - sprichwenn ber einen politischen brisanten Fall

    von Dritten im Internet berichtet wird, flltdies auf den Gefangenen zurck. Herr Mey-er-Odewald wird noch deutlicher und fordertChristian auf: sich aus Ihrer bisherigenideologischen Grundeinstellung zu lsen,was es Ihnen ermglichten wrde, sich in dasim Wesentlichen auf der Selbstdisziplin undMitwirkungsbereitschaft des Gefangenenberuhende System des offenen Vollzug ein-zufgen und zuknftig von der Begehungideologisch geprgter Delikte abzusehen.

    Am Ende stellt er klar, dass die von Ihnengezeigten positiven Anstze, nmlich ihrenachgewiesene Drogenfreiheit und der vonIhnen begonnenen Ausbildungsmanahmenicht geeignet sind, die bestehenden Miss-brauchsvorwrfe zu entkrften.

    Mariken Kohlhaas von der Christian Soli-gruppe erklrt hierzu: In der JVA Haken-felde gehren rechte Symbole und Literaturzum Alltag. Neonazis genieen ihre Freihei-

    ten zum Totschlagen von Menschen oder umdamit zu drohen. Antifaschisten hingegenwerden psychisch und physisch unter Druckgesetzt und ihrer wenigen Rechte beraubt.Die brandenburgische Polizei hat am 9. Au-

    gust 2007 den Freignger der JVA-Haken-felde Andreas Schnbacher wegen Verdachtsdes Totschlages festgenommen. Der 35-Jhrige soll einen Bekannten gettet haben.Schnbacher gilt als rechter Gewalttter undwurde wegen gefhrlicher Krperverletzung

    verurteilt. Herr Meyer-Odewalt strte das of-fenbar nicht.

    Soligruppe, Berlin, 11.9.2007

    Mustafas Lagehat sich wiederlebensbedrohlichverschlechertBrief von Mustafa Atlalay vom 22.8.07 anseinen Anwalt, den er am 19.9.07 erhielt.

    Heute endet meine vierte Woche als Ge-fangener im Gefngniskrankenhaus Lin-gen. Ich mchte in den folgenden Zeilenbeschreiben, was in dieser Zeit passiert ist,was alles medizinisch unternommen wur-de und ob sich somit mein Gesundheitszu-standes verbessert hat. Das knnte als In-formation fr Sie ntzlich sein.Als ich hierher ankam , wollte ich eine

    medizinische Behandlung, damit es mirwieder besser geht und sich meine Ge-sundheit wieder stabilisieren wrde. Bis

    jetzt wurde nichts unternommen, auerdass sie mir jeden Tag 5 Tabletten geben,die ich auch schon nach meiner Bypasso-peration Ende 2006 bekam. Nach diesemEingriff wurde ich whrend eines Kurauf-enthalts in Bad Bevensen verhaftet. Die Iso-lationshaftbedingungen, die schlechte Luftin der Zelle und die Klte haben wieder da-zu gefhrt, dass von den drei Gefen(Adern) zwei sich verschlossen haben. Ge-sprt habe ich das durch Schmerzen underhhtes Rasen des Herzens, was ich dem

    Arzt auch mitteilte. Es kommt immer hu-figer vor, dass beim Aufstehen mir

    schwindlig und schwarz vor den Augenwird, was zu Folge hatte, dass ich einigeMale gestrzt bin. In frheren Briefen hat-te ich schon erwhnt , dass durch Isolati-onsfolter mein Recht auf Leben genommenwird. In der Zeit von Mrz bis April 2007hatte ich sehr oft Herzattacken, die sehrschnell zur Erschpfung fhrten. Das hat-te auch der Knastarzt in Hannover bemerkt.Dank ihrer Bemhungen wurde ich in dasdortige Universittskrankenhaus zur ber-prfung meines Zustandes verlegt. Die Un-tersuchungen dort ergaben, das von dreiGefen zwei wieder verschlossen sind,

    daraus resultieren die momentanen Be-schwerden. Laut Aussage des Arztes trifftdas fr die ersten 2 Wochen zu, aber sp-ter bemerkte selbst dieser Arzt meinen le-bensbedrohlichen Zustand.

    Gefangen im GefngniskrankenhausLingen

    Am 1. und 5. oder 6. August 2007 hatte ichabends zwischen 20.00 - 22.00 Uhr sehrstarke Herzbeschwerden. Es wurde nurBlutdruck gemessen und nach 22.00 Uhr

    verringerten sich die Beschwerden. In derNacht und am folgenden Tag war mir stn-dig schwarz vor Augen und ich neigte zu

    Erschpfung .Am 2. und 10. August 2007 traten abendsgegen 18.00 Uhr wieder verstrkt Her-zattacken auf. Durch ein Klingelzeichen ha-be ich nach Hilfe gerufen. Erst nachdem ichgegen die Tr geschlagen hatte, ist Perso-nal gekommen - nach vierzig Minuten. Vonden starken Schmerzen war ich halb be-wusstlos. Es wurde Blutdruck gemessen undein EKG gemacht.Am 3. und 19. August 2007 abends hat-

    te ich einen sehr starken Herzschmerzen.Die diensthabende Krankenschwester kamzufllig vorbei, um meinen Blutdruck zu

    kontrollieren. Ich teilte ihr gegen 17 Uhrmit, dass ich Herzprobleme htte. Sie hatdaraufhin den Blutdruck gemessen: 150/60waren die Werte. Sie sagte: Ich rufe den

    Arzt! Nach einer Stunde kam die Kran-kenschwester wieder und hat noch einmalBlutdruck gemessen und blieb. Den Blut-druck konnten sie erst nach anderthalbStunden durch eine Tablette gesenkt wer-den. Nach 19.00 Uhr wurden die Be-schwerden weniger und ich war sehr er-schpft . Um 20.00 Uhr kamen drei vomdiensthabenden Personal, haben das Herzabgehrt und haben sich nach Ausma undLokalitt der Schmerzen erkundigt. Ich ha-be erwidert, das die Schmerzen sich ver-ringert htten. Die Beschwerden betreffendie gesamten linke Hlfte meines Krpers:

    Arm, Brustkorb und Herz. In der Nacht kamnoch jemand, der nur geguckt hat und sichdanach wieder entfernte. Am 19., 20. und21. August war ich sehr kaputt . Am 20. und21. August konnte ich deshalb keinen Hof-gang machen, das teilte ich auch dem Arztmit. Am 20. August sollte ein Zahn gezo-gen werden, was aber verschoben wordenist. Der Zahnarzt gab zu bedenken, dass es

    sehr riskant sei, in meinem Zustand so ei-nen Eingriff durchzufhren. Ich habe zurZeit keine Zahnschmerzen. In den letzten 2Monaten habe ich unter starken Herz-schmerzen gelitten, die strksten Problemehatte ich in den letzten 15 Tagen. Die Be-schwerden habe ich bereits geschildert , dieErschpfung und die Kraftlosigkeit.

    Das ist meine Situation. So verluft mo-mentan mein Leben. Es gibt hier keine rich-tige medizinische Behandlung, meine Ge-sundheit hat sich daher nicht verbessert,sondern verschlechtert. Soweit ich mich mitdem Arzt auf Englisch unterhalten konnte,

    sagte er mir, dass mein Gesundheitszustandnicht gut sei, aber einen Herzinfarkt schlieter aus. Was ich nicht verstehen kann, am14.8.07 wurde eine Rntgenaufnahme vonder linken Brusthlfte gemacht. Nach einer

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    Woche wei ich immer noch nicht das Er-gebnis. Soweit ich es verstehe, sind smtli-che Manahmen dazu da, meinen drohen-den Herzinfarkt unter Kontrolle zu halten!Ist so was mglich? Meine berleben-schance besteht bis zum drohenden Herz-infarkt, wenn dieser rechtzeitig behandeltwird, habe ich ja noch eine weitere Chan-ce bis zum nchsten Herzinfarkt.

    Die einzige Lsung fr mich ist, die Haft

    zu unterbrechen. Meine Behandlung ist nurin einem richtigen Krankenhaus mglich. Was gibt fr Verbesserungen in diesemKnastkrankenhaus? Frische Luft whrenddes Hofganges. Ich atme tglich eine Stun-de Sauerstoff, der mir in Hannover whrendder harten Bedingungen verwehrt wurde.Unter den Bedingungen der weiter beste-henden Isolation wurde mir jetzt der Zu-gang zur Frischluft erleichtert. Glauben diewirklich, dass es mir dadurch besser gehenwrde? Meine Gesundheit wurde durchschlechte Luft drinnen und zu wenig Fri-schluft erheblich beeintrchtigt. Wenn man

    nach 8 Monaten und 10 Tagen wieder inbesseren Luftverhltnissen lebt, ist es dannmglich, dass sich der Gesundheitszustand

    verbessert? Nein, er wurde schon genug ge-schdigt. Laut Aussage des Arztes ist mei-ne Gesundheit schlecht, schlechter knntesie nicht sein. Es geht nicht mehr mit rech-ten Dingen zu, dass sie meine Behandlungund Genesung verhindern und mir meinGrundrecht auf Leben nehmen.

    Ich fordere mein Recht zum Leben undmein Recht auf Wiederherstellung meinerGesundheit! Ich fordere meine Freiheit!

    Vor und nach den Besuchen seiner Rechts-anwlte muss sich Mustafa jedes Mal aus-ziehen. Aus diesen Grund verweigert er al-le weiteren Besuche auer den von seinen

    Anwlten.Seine Adresse:

    Mustafa AtalayJustizvollzugskrankenhaus LingenKaiserstr. 549809 Lingen

    Er freut sich ber Post. Er kann sich ne-ben Trkisch auch in englischer Sprache

    verstndigen.

    Vorlufiger Abschiebeschutzfr Engin Celik!

    Am 21. August 2007 entschied die Vorsit-zende Richterin am VerwaltungsgerichtSchleswig, dem kurdischen Oppositionellenund Knstler bis zum Abschluss des Klage-

    verfahrens Abschiebeschutz zu garantie-ren.

    Zuvor hatten Herr Celik und sein Rechts-anwalt einen erneuten Eilantrag gestellt

    und neue Beweise, eine Einschtzung desInternationalen Menschenrechtsverein IHDin Istanbul und ein Gutachten bezglich der

    Verfolgungsgefahr eingereicht.... Die Herleitung und die gelieferten Be-

    lege lassen es mglich erscheinen, dass derAntragsteller tatschlich als Mitglied oderUntersttzer der MKP angesehen und be-straft wird. In diesem Kontext erhht sichzudem die Wahrscheinlichkeit, dass er imZuge der Einreisekontrollen und spteren

    Verhren bei der politischen Polizei in Tun-celi (Dersim, Anm. d. Karawane) men-schenrechtswidrigen Behandlungen ausge-setzt wird. ... argumentiert die Richterin.

    Wir danken allen, die Herrn Celiks Kampffr sein Recht bisher untersttzt haben. Zu-sammen mit dem Engagement des Rechts-anwalts und vor allem dem unbeugsamenKampfeswillen Herrn Celiks haben wir ei-nen groen Schritt geschafft.Wir halten Euch auf dem Laufenden im

    weiteren Verlauf des Verfahrens.Solidaritt gegen Abschiebung!Karawane Hamburg, 14.9.2007

    Berufsverbot gegen Antifa-

    schisten endlich aufgehoben

    Am 4. September wurde endlich das Be-rufsverbot gegen den Heidelberger Antifa-schisten Michael Csaszkczy aufgehoben,indem das Regierungsprsidium Karlsruhedie Einstellung des Realschullehrers be-kanntgab, nachdem der Verwaltungsge-richtshof Mannheim bereits sechs Monatezuvor das Berufsverbot fr Unrecht erklrthatte.

    Die Entscheidung der Schulbehrde er-folgte auf vehementen Druck seitens einer

    kritischen ffentlichkeit sowie einer brei-ten Solidarittsbewegung. Die Rote Hilfefreut sich ber den Erfolg dieser Kampa-gne.

    Nicht angetastet wurden mit dieser Ent-scheidung allerdings die gesetzlichenGrundlagen der Berufsverbotspraxis, diemit ihrer Beweislastumkehr und der gefor-derten Gesinnungsprognose solche absur-den Repressionsmanahmen berhaupterst ermglichen.

    Die Rote Hilfe wird sich auch weiterhinfr die Abschaffung dieser Gesetze einset-zen. Unser Kampf gilt auch in Zukunft

    staatlicher Einschchterung kritischen Pro-testes und der Kriminalisierung linker Po-litik.Mathias Krause fr den Bundesvorstand derRoten Hilfe, Gttingen,06.09.2007

    Der lange Kampf fr dieFreiheit von Leonard Peltier

    Keine ChanceAus Anlass des 63. Geburtstag des indige-nen amerikanischen politischen Gefange-

    nen Leonard Peltier fanden in diversenStdten der USA und Kanada bzw. in Riode Janeiro und in Erfurt, Deutschland, So-lidarittsveranstaltungen statt. Die Unter-sttzer von Leonard Peltier fordern seinesofortige Freilassung bzw. die Freigabe vonFBI-Dokumenten, die seine Unschuld be-weisen knnten.

    Der Besetzung der Stdtchen WoundedKnee in Februar 1973 durch Mitglieder der

    American Indian Movement (AIM) und tra-ditionell gesinnte Bewohner der Reservati-on gegen die repressive und korrupte Poli-tik der Reservationsfhrung und den Ver-

    kauf ihres Landes an Bergbaugesellschaf-ten folgte eine Herrschaft des Terrors.ber sechzig traditionelle Reservationsbe-wohner wurden in den Jahren unmittelbarnach der Besetzung ermordet und Dutzen-de verletzt. Obwohl die private Brgerwehrder Reservationsfhrung nachweislich frdie bergriffe berwiegend verantwortlichwar und trotz einer massiven FBI-Prsenzin der Reservation tat die Regierung nichts,um die Gewalt zu beenden.

    In Juni 1975 kam es auf der Pine RidgeReservation zu einer Schieerei zwischen

    Agenten verschiedener Polizeibehrdenund Mitgliedern der AIM und traditionel-len Bewohnern, bei der zwei FBI-Agentenund ein Mitglied von AIM, Joseph StuntzKillsright, ums Leben kamen. Der Tod vonJoseph Stuntz ist bis zum heutigen Tag nochunaufgeklrt.

    Obwohl mehr als vierzig indigene Ame-rikaner an der Schieerei beteiligt waren,machte die Regierung nur drei fhrendenMitgliedern von AIM, Leonard Peltier, BobRobideau und Dino Butler, fr die Schiee-rei und den Tod der beiden FBI-AgentenJack Coler und Ronald Williams verant-

    wortlich.Robideau und Butler wurden zuerst ver-haftet und 1976 vors Gericht gestellt. EineGeschworenenjury befand, sie htten an-gesichts der herrschenden Angst in der Re-servation in Notwehr gehandelt, und sprachsie frei.

    Leonard Peltier wurde in Kanada verhaf-tet und mittels geflschter FBI-Beweise aus-geliefert. Um eine weitere Niederlage im Ge-richtsaal zu verhindern, verlegte die Behr-de den Prozess von Peltier in eine andereStadt und bertrug den Vorsitz einem be-kannten Indianerhasser. Entlastende

    Zeugen durften nicht aussagen und im Ge-gensatz zum Prozess Robideau-Butler wur-den Beweise fr die Repression in der Re-servation nicht zugelassen. Belastende Zeu-gen nahmen spter ihre Aussagen zurck

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    und erklrten, das FBI htte sie unter Druckgesetzt, falsch auszusagen. Leonard Peltierwurde zu zweimal lebenslnglicher Haft

    verurteilt.Peltier hat immer wieder seine Unschuld

    beteuert und kmpft seit seiner Verurtei-lung vor ber dreiig Jahren unentwegt umseine Freilassung. Und er beabsichtigtnicht, diesen Kampf je aufzugeben, wie erin einem Brief an seine Untersttzer er-

    klrte: keine Chance.

    ...aber sie knnen mich nicht tten

    Ich hatte mich berlegt, es msste eigent-lich ein Diplom geben frs Fachwissen berdas Knastleben. Ich denke, man wrde michProfessor Peltier, PhD, nennen, seit 30 Jah-ren eingestellt. Ein Freund erklrte mireinst, dass, wo er herkommt, PhD steht frpost hole digger(Zaunpfahllochgrber).Gegenwrtig wre ich gern ein post holedigger, obwohl es mir nicht behagt, ber-haupt was einzuzunen, nachdem ich sel-

    ber seit ber 30 Jahren ,eingezunt bin.Bezglich Knast mchte ich etwas sagen.

    Es gibt welche, die auf der einen oder an-deren Weise meinen, ich sollte nach den

    vielen Jahren Kampf fr meine Freiheitendlich aufgeben. Auer den Unterdr-ckern, die mich einbuchteten, waren eini-ge von ihnen Leute, die zeitweise Teil desLeonard-Peltier-Verteidigungskomiteeswaren oder mit involviert. Meine Antwort,um es einfach umgangssprachlich so aus-zudrcken, dass jeder verstehen kann, ist ...keine Chance! Es gibt viele Grnde, sowohlphysisch und psychologisch, wie auch spi-rituell und sozial. Der erste Grund ist, esgibt keine Frauen hier drin. Das sollte diesozialen abdecken. Oder?

    Ein anderer Grund ist, der Kampf gehtnicht nur um mich. Es geht um das Lebenauf der Erde, ums berleben, den Ansturmdestruktiver Technologien, die Goldjger,die die einfachen Menschen als entbehrli-che Wesen in ihrem privaten Streben nachMacht und Reichtum betrachten. Ich binhier, weil ich mich als einfacher Mensch,zusammen mit anderen einfachen Men-schen, gegen die Ausbeutung meines

    Volkes wehrte. Ich wei, dass der Schpferzu anderen Zeiten und an anderen Ortenund zu anderen Vlkern andere einfacheMenschen schickte, um das gleiche zu tun.Es ehrt mich, zu den einfachen Menschenzu gehren. Sie versuchen, Hautfarbe, Re-ligion und geographische Unterschiede als

    Vorwand zu nehmen, unsere Bndnisse zusprengen, aber unser Kampf ist ein ge-meinsamer Kampf. [Er richtet sich dagegen,mehr zu nehmen, als persnlich gebrauchtwird.] Meine Kultur lehrt, man nimmt nichtmehr, als man braucht. Christentum, Budd-hismus und Zen, wie auch anderen Reli-

    gionen, lehren, dass Gefrigkeit eine Sn-de ist. Die Missachtung dieser Lehre ist derGrund der globalen Erwrmung und der

    Weltkriege, inklusive des gegenwrtigen inIrak.

    Wegen Leuten, die mehr nahmen, als siegebrauchen konnten, hat mein Volk viel ge-litten. Sie sind die rmsten der Armen, hal-ten dennoch berwiegend an der ur-sprnglichen Lehre fest. (Es kmpft] seitmehreren Generationen gegen die Ausbeu-tung unseres Landes, die illegale Besetzungunseres Landes, die ungerechte Behandlungdurch das US-Justizsystem und vor allemgegen die Lgen und Lgner der Regierung,

    die das amerikanische Volk berzeugt ha-ben, dass diese Ausbeutung und Missach-tung von Abkommen in seinem Interesseist. Ab und zu gucke ich mal fern und esfllt mir auf, dass welche versuchen, dieKriege als Religionskriege zu verkaufen. Ichsage euch, es ist nur ein Vorwand, um jun-ge Menschen zu berzeugen, fr diejenigenzu sterben, die Reichtum und Macht berdie einfachen Menschen ersehnen.Wenn die vielen Konfessionen vereint ge-

    gen die Gewalt, die das Leben selber be-droht, vorgehen wrden, wrde es weltweiteine groe Auswirkung haben. Heute bist

    du, mehr denn je zuvor in der Geschichte,entweder Teil des Problems oder Teil der L-sung. Ich habe vielleicht jetzt mehr ge-schrieben, als du lesen willst, aber von woich aus schreibe, ist es das Beste, das ichselber tun kann. Das nach mir benannte

    Verteidigungskomitee kmpft dafr, die f-fentlich ber die Geschehnisse und Bedrf-nisse von Menschen in Not aufzuklren.Den Begriff Kmpfen benutze ich nichtunberlegt. Auer Geld fr Anwalts- undBrokosten usw. versuchen wir Geld [zusammeln] fr Nahrungsmittel und Kleidungfr notleidende Menschen auf den Reser-

    vationen. In meiner Welt sind die einfachenMenschen arm. Es ehrt, einer von ihnen zusein, sie ab und zu zu vertreten, auch wennes aus der Ferne ist. Wir, als Indeganas, zie-hen unsere Lehren aus den Manifestatio-nen des Schpfers, Mutter Erde und ihreNatursystem, und hin und wieder aus per-snlichen Visionen.Wir sehen, wie sich Gras, obwohl von Be-

    ton umgeben, durch die Risse vorschiebt.Wir sehen, wie Bume und Wasser die sieeinengenden Menschenbauten zerspren-gen. berall sehen wir, wie alles Leben ver-

    sucht, die ohm vom Schpfer zugeteilte ur-sprngliche Aufgabe zu erfllen. Wre ichein Grashalm, wrde ich rauswachsen. W-re ich Wasser, wrde ich von hier wegf-lieen. Wre ich ein Lichtstrahl, wrde ich

    von der Wand abprallen und hieraus ver-schwinden. Aber ich bin es nicht, und auerdass ich irgendwann meine Freiheit erlan-ge, die sie mir raubten, wie so vielen Indi-genas vor mir, kann ich [diesen Ort] nurdurch meine Malerei, geschriebene Worteund andere Kommunikationsformen ver-lassen. Ich bin jetzt ber 60 Jahre alt. Soll-te ich meine letzte Tage hier verbringen und

    mein letzter Atemzug auf dem Wind glei-ten, meine Krperflssigkeiten zum Meerflieen und die Elementen meines Seins dasGras und die Bume ernhren, merke wohl,sie knnen meinen Krper tten, aber sie

    knnen mich nicht tten. Ich bin ein ein-facher Mensch.

    Das Leonard-Peltier-Verteidigungskomi-tee wird weiterhin in meinem Namen undfr meine Freiheit kmpfen, es sei denn, ihr,die Untersttzer, sagt mir, das Komitee auf-zulsen. Das alles gesagt, ich bitte euch,wenn ihr uns helfen knntt, d.h. dem Ver-teidigungskomitte, schicke eine Spende an.Leonard Peltier Defense Committee

    3800 N. MesaA2 El Paso, Texas 79902

    Sollte mein Fall sich nicht ndern, hat keineinfacher Mensch echte Freiheit. Nur die Il-lusion, bis du was hast, was die Unter-drucker wollen. Zurck zum post hole dig-ger... Ich wre lieber ein freier post holedigger als Professor Leonard Peltier, PhD.Mge der Schpfer euch segnen.Im Geiste Crazy Horse, der nie aufgab.

    Neues von denSan Francisco 8Fnf der acht ehemaligen Mitglieder derBlack Panther Party, die Anfang des Jahresim Zusammenhang mit einem Angriff derBlack Liberation Army gegen eine Polizei-wache 1971 in San Francisco, bei dem einPolizist ums Leben kam, verhaftet wurden,sind mittlerweile gegen Kaution frei [SieheInfo 328]1. Nachdem ein Richter im Augustdie ursprngliche Kautionssummen von $3bis $5 Mio. auf $200.000 bis $660.000 her-absetzte, brgten Freunde und Familienan-gehrigen sogar mit ihren Husern, umHank Jones, Ray Boudreaux, Richard O-Neal, Richard Brown und Harold Taylorfreizubekommen. Es wird erwartet dassFrancisco Torres in den nchsten Tagenauch auf Kaution freikommen wird. Her-man Bell und Jalil Muntaqim sind nichtkautionsberechtigt, weil sie seit ber 30Jahren Haftstrafen wg. angeblichen Mor-des verben.

    Die nchste Anhrung ist fr den 24. Sep-tember terminiert. U.a. wird ber die Be-weisaufnahme, Einsprche der Verteidi-

    gung und ber einen Antrag auf Nicht-Zu-lassung von Aussagen von Harold Tayloraus dem Jahre 1973 verhandelt. Taylor undJohn Bowman, der im letzten Dezember

    verstarb, wurden in New Orleans verhaftetund Tage lang von der Polizei gefoltert, bissie ihre Beteiligung an dem Angriff ge-standen. 1975 wurden sie verurteilt. Ein Be-rufungsgericht hob aber die Verurteilungwegen der durch Folter erzwungenen Ge-stndnisse wieder auf. Diese Aussagen dr-fen also nicht wieder im Gericht verwendetwerden, sagt die Verteidigung, da Taylorzwei Mal fr die gleiche Tat verfolgt wird.

    1 Der Angriff gegen die Polizeiwache war Vergel-tung fr den Mord an dem revolutionren Ge-fangenen George Jackson durch Gefngnis-wchter im San Quentin Gefngnis im Monatzuvor.

  • 8/6/2019 Gefangenen Info #329

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    Margaret Prescod interviewte Mumia Abu-Jamal am Telefon fr die KPFK-RadioserieSojourner Truth, die am 7. August 2007ausgestrahlt und auch im internet live zu

    hren war. Das englische Original wirddemnchst auch auf http://abu-jamal-ne-ws.com/ zu lesen sein. Der der dort ttige

    Journalist Michael Schiffmmann transkri-bierte das Interview und bersetzte es aufdeutsch.

    Mumia Abu-Jamal, fr das Pacifica RadioNetwork mchte ich dir ganz herzlich frdeine Teilnahme an der Sendung danken

    Danke fr die Einladung, Margaret.

    Mumia, Leute fragen sich oft, als was mandich sehen sollte: als Taxifahrer, als inve-

    stigativer Journalist, als Black Panther, alsschwarzer Militanter, als Gefngnisanwalt- als was betrachtest du dich selbst?

    In gewisser Hinsicht als all das und nochmehr. Ich meine, wenn Leute sich solcheFragen stellen, wollen sie die Dinge oftmglichst einfach haben, whrend das Le-ben selbst selten so einfach ist. Das Lebenist eine komplexe Sache. Ich bin all das und

    vieles andere, ein Kruterspezialist, einKnastanwalt, ein Autor, ein Dichter - keingroer, aber ich gebe mein Bestes -, ein Va-ter, ein Grovater, ein Eheman