Gefangenen Info #323

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  • 8/6/2019 Gefangenen Info #323

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    Gefangenen InfoC 10190 10.4.2007 Preis: 1,55 323

    Hervorgegangen aus demAngehrigen Info. Das

    Angehrigen Info entstand imHungerstreik der politischen

    Gefangenen 1989.

    Interview mit dem SchriftstellerPeter O. Chotjewitz zu Christian Klar

    Wir dokumentieren eine Sendung von Ra-dio Flora, Hannover, vom 12. Mrz.

    Am 13. Januar wurde ein Gruwort vonChristian, Gefangener aus der ehemaligenRAF, anlsslich der Rosa-Luxemburg-Kon-ferenz in Berlin verlesen. 7 Wochen sptermachte Report Mainz einer greren f-fentlichkeit reierisch bekannt gemacht,was in einer Hetzkampagne gegen ihn undalle aufrechten Linke kulminierte. Fr Chri-stian selber hatte das negative Folgen, sowurden die zugesagten Vollzugslockerun-

    gen vom zustndigen baden-wrttember-gischen Justizminister Goll erst einmalzurckgestellt.

    Peter, wie bewertest du das?Ich habe die Sendung verfolgt, und mir war

    vorher Christians Text bekannt. Das griff in-einander, denn es geht momentan darum, ihnin Haft, gewissermaen im Geiselhaft, kannman fast sagen, zu behalten.Wir haben gesehen, was passiert, wenn In-

    haftierte rauskommen, dann sind sie nmlichnicht mehr prsent und niemand spricht mehrber sie. ber Eingesperrte redet man so lan-

    ge, wie sie weggesperrt sind und ein Rechthaben , raus zu kommen, was man wieder-um mit rechtlichen Mitteln und was mandafr hlt, verhindern kann.

    Die Frage ist, warum will man die Debatte

    ber die RAF aufrecht erhalten. Ich denke,dass das eine propagandistische Notwendig-keit ist, die von Wolfgang Kraushaar, einerder wichtigsten Leute, der behauptet, wir wer-den uns noch lange mit der RAF befassen.

    Es mutet ganz absurd an, weil die RAF sichaufgelst hat ... Es gibt nicht die geringsten

    Anzeichen, dass sich die RAF neu konstitu-ieren knnte, aber das ffentliche Reden fgtsich in einen internationalen Rahmen ...

    Du hattest im Vorgesprch gesagt, die Kam-pagne ist fr die Herrschenden nach hinten

    losgegangen. Im Grunde ist es 1:0 fr Chri-stian ausgegangen. Kannst du das mal er-lutern?

    Das kann man so bewerten, aber wie es aus-geht, ist eigentlich ziemlich egal. Ich denkeauch, entweder der Bundesprsident, dem einGnadengengesuch vorliegt, oder der HerrGoll, der ein Vollzugsplan in Kraft setzen sollund wird, die werden ihn vielleicht vor dem

    Ablauf von 26 Jahren rauslassen. Dass istnicht der entscheidende Punkt, dass das nachhinten losgegangen ist, das knnen sie ver-kraften und darber ist gengend gesagt wor-den.

    Da haben gengend Leute darauf hinge-wiesen, dass der zustndige Herr General-staatsanwalt, ein gewisser Herr Pflieger inStuttgart, der behauptete hat, man wrde gar

    Mndliche An-hrung im Fall

    Mumia Abu-Jamalam 17. Mai 2007!

    Das 3. Bundesberufungsgericht in Philade-lphia hat fr den 17. Mai 2007 Verteidi-gung und Staatsanwaltschaft zu einem f-fentlichen Anhrungstermin geladen. Esgeht um die Frage, ob der Todeskandidateinen neuen Prozess garantiert bekommtoder hingerichtet wird.

    Wie Robert R. Bryan aus San Francisco,Hauptverteidiger von Mumia Abu-Jamal,jetzt mitteilte, hat er am 22. Mrz die La-dung zur mndlichen Anhrung vor dem3. Bundesbezirksgericht in Philadelphia frDonnerstag, den 17. Mai 2007, um 9:30 Uhrerhalten. Der ffentliche Termin - an demMumia Abu-Jamal allerdings nicht teil-nehmen darf - findet im Ceremonial Cour-troom im 1. Stock des U.S. Courthouse ander Ecke 6. und Market Street statt. Der Le-gal Defense and Educational Fund der Br-gerrechtsorganisation NAACP und der An-waltsverein National Lawyers Guild, die

    sich mit Petitionen so genannten amicuscuriae briefs - an das Gericht gewandt undgefordert hatten, dem weltweit bekanntenJournalisten endlich Gerechtigkeit wider-

    Fortsetzung Seite 2 unten Fortsetzung Seite 2 pben

    Brigitte Mohnhaupt ist drauen nach endlos langen Jahren. Wir freuen uns und wnschen ihr alles Gute. Viele andere Gefangenesind weiter im Gefngnis, viele seit Jahrzehnten. Die Forderung nach Freiheit fr alle politischen Gefangenen bleibt aktuell.

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    fahren zu lassen, werden neben inter-nationalen BeobachterInnen eben-falls im Gerichtssaal anwesend sein.

    In der Anhrung knnen die beidenVerfahrensparteien ihre bereits einge-reichten Antrge mndlich begrn-den und werden dazu von den dreiBundesrichtern detailliert befragt. Der

    Verteidigung geht es darum, das imJuli 1982 gegen ihren Mandanten ge-fllte Todesurteil aufheben zu lassen,weil es wegen der rassistischen Ver-handlungsfhrung des damals vorsit-zenden Richters Albert Sabo und desBezirksstaatsanwalts Joseph McGillgegen die US-Verfassung und inter-nationale Menschenrechtsgarantien

    verstt.

    Die Bezirksstaatsanwaltschaft willdemgegenber weiter auf die Hin-richtung Abu-Jamals drngen. In ei-nem verzweifelten Versuch hatte die-se Behrde erst krzlich noch bean-tragt, das 3. Bundesberufungsgerichtmge sich insgesamt in diesem Fall fr be-fangen erklren. ber die Grnde kann nurspekuliert werden, aber sicherlich ist es der

    Anklagebehrde schon verdchtig genug,dass sich die Bundesrichter berhaupt sach-lich mit diesem Fall befassen wollen.Rechtsanwalt Bryan zu dem Befangen-heitsantrag: Wir erwiderten auf diesen ab-

    surden Antrag, das Ansinnen der Gegen-partei sei ,vllig unbegrndet und von da-her nur zurckzuweisen. Am 10. Mrz[2007] erteilte das Bundesgericht derStaatsanwaltschaft eine scharfe Rge we-

    gen ihres unsachgemen Vorgehens undteilte mit, es werde sich mit dem Antragnicht inhaltlich befassen.

    Mit einer Entscheidung des Bundesge-richts ber die mgliche Wiederaufnahmedes Verfahrens ist allerdings nicht in der

    Anhrung, sondern erst geraume Zeit da-nach zu rechnen, da das Gericht an keine

    Fristen gebunden ist. Die Verteidigung gehtaber davon aus, dass an der Art und Wei-se, wie die drei Berufsrichter Fragen stellenund auf die Erluterungen der Verfahrens-parteien reagieren werden, zumindest an-

    deutungsweise eine Tendenz ihrer end-gltigen Entscheidung erkennbar seinwird. (Siehe zu den rechtlichen Fragen,um die es vor dem Bundesgericht geht,den Artikel von Dave Lindorff Ohnewirkliche Verteidigung - www.free-dom-now.de/news/artikel334.html.)

    Rechtsanwalt Bryan schliet seineMitteilung ber den Anhrungsterminmit den Worten: Meine Mitverteidige-rin, Prof. Judith Ritter, und ich habendiesen Fall bernommen, um einen neu-en und fairen Prozess fr Mr. Abu-Ja-mal durchzusetzen. Unser Ziel ist dieFreiheit unseres Mandanten. Unabhn-gig davon befindet er sich in groer Ge-fahr. Wenn wir verlieren, wird er hinge-richtet werden. Wir danken Ihnen des-

    halb fr ihr Interesse am Kampf fr dieMenschenrechte und gegen die Todes-strafe.

    In den USA rufen die UntersttzerIn-nen von Mumia Abu-Jamal unterdessendazu auf, am 17. Mai mglichst zahl-

    reich vor dem Gerichtsgebude prsent zusein und Mumias Freiheit und die Ab-schaffung der Todesstrafe zu fordern.Rechtsanwalt Bryan hofft, fr die interna-tionalen BeobachterInnen Pltze im Ge-richtssaal reservieren zu knnen, da mit ei-nem groen Andrang von Publikum undMedien zu rechnen ist.

    Jrgen Heiserwww.freedom-now.de/news/artikel335.html 25.03.07 (von ivk)

    Letzte Meldung: Siehe Seite 16

    nicht verstehen, was Christian Klar da sagthat, sich blamiert hat.

    So doof kann man gar nicht sein, um nichtzu verstehen, [dass das], was Christian da ge-sagt hat, die Meinung von vielen ist, etwa 10-15% der Bevlkerung, die das unterschreibenwrde.

    Darum geht es gar nicht, dass sie sich bla-mieren, wenn sie sagen, wir lassen ihn we-gen dieser Rede nicht raus. Jeder, der alle Tas-

    sen im Schrank hat, wei, dass es nicht we-gen der Rede ist, sondern er drin bleiben wird,es soll das Exempel statuiert werden. jede und

    jeder, der so was uert, muss damit rechnen,wenn wir als Justiz knnen, dass wir ihn be-halten oder nehmen.

    In diesem Sinne ist das nach hinten losge-gangen, dass wissen wir alle, dass es so ist.

    Wir wissen alle, dass wir in keinem Rechts-staat leben, aber entscheidend ist, warumwollen sie unbedingt weiter diese Gefahr imInnern an die Wand malen? Warum reicht esihnen nicht, dass sie diesen so genannten in-ternationalen Terrorismus als Vorwand ha-

    ben, um Truppen nach Afghanistan zu ent-senden und vielleicht eines Tages auch demnchsten US-Prsidenten die Hand zu rei-chen, wenn es darum geht in Venezuela zuintervenieren?

    Es geht endgltig darum, in der Bevlke-rung ein Klima der Angst zu schaffen, dass

    es der Bundesregierung ermglicht, im Inne-ren wie im ueren mit den bekannten Me-thoden zu intervenieren.

    Der Intendant des Berliner Ensembles, ClausPeymann, der Christian seit Lngerem einePraktikantenstelle angeboten hat, meint , das7/8 der Weltbevlkerung so denken wie er.

    Gegen Peymann wie gegen den ehemali-gen Bundesinnenminister Baum gibt es jetzt

    Morddrohungen, die Ausdruck einer Hetz-kampagne nicht nur von Boulevardmedien,sondern auch z.B. von Report Mainz, sind.

    Natrlich mssen sie verschrfen und zu-schlagen. 7/8 ist ein bisschen bertrieben undich teile auch nicht ganz Christians Optimis-mus, indem er annimmt, dass das letzte Stn-dchen des Kapitalismus und der Bourgeoisieschon geschlagen habe. Ich bin nicht ganz sosicher, wie lange das noch dauert.

    Da mssen wir mal schauen, aber auf deranderen Seite gibt es eine Debatte um Chri-stians Aussagen in der Linkspartei und

    selbst in der LeserInnnenbriefseiten der br-gerlichen Zeitungen wie die FR und SZ gabes teilweise Zustimmung: Wir haben aucheine antikapitalistische Einstellung, undmssen wir jetzt auch in den Knast? Umnoch einmal auf 1:0 fr Christian zurck-zukommen. Der politische Status wurde den

    Gefangenen aus der RAF von den Herr-schenden immer verwehrt, der ist jetzt frviele endgltig sichtbar geworden.

    Das meine ich ja auch, dass das ein Schussin den Ofen war, mit der Reportsendungund dem Interview mit Herrn Pflieger, der

    ja gesagt hatte, jetzt muss er aber drin blei-ben. Die wecken da hchstens Leute auf, dieinzwischen denken, dass der Staat inzwi-schen nicht mehr ganz so rabiat vorgeht,

    wie er es vor 30 Jahren gegen die RAF ge-macht hat.Es wird immer wieder vergessen, dass selbst

    konservativste Staatslehrer sich darber ei-nig sind, dass der Faschismus und mit ihmder Nationalsozialismus nicht ein Gegenent-wurf zur brgerlichen demokratischen Ord-nung ist, sondern dass er immer in ihr ruht.[Es] ist, wie der Brecht sagt, der Scho istfruchtbar, aus ihm kriecht sie hervor und inihn kriecht sie wieder zurck. Sie wird immersoviel vom Faschismus bzw. vom Nazismusals Option fr sich behalten, wie es in der je-weiligen historischen Situation braucht. Da

    mssen wir ansetzen bei diesen Gedanken,dass es die Bourgeoisie selber ist, die dieKeimzelle der faschistischen Gewalt ist.

    Aus dieser gesamten Kontoverse wird deut-lich, dass es um Gesinnung geht.

    Natrlich sitzt er wegen seiner Gesinnung,

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    das ist durch die Reaktion auf die Grubot-schaft deutlich geworden. Noch vor einenhalben Jahr konnte Her Pflieger sagen, dersitzt wegen der 6 oder mehr Morden, die erbegannen hat. Aber pltzlich muss er selberzugeben, wenn Christian das nicht gesagthtte, dann htten sie ihn rausgelassen, dieGesinnung wird bestraft.Magazin International bei Radio Flora ausHannover vom12.3.07

    Freiheit fr alle politischen Gefangenen

    Solidaritt mitChristian Klar!

    Anlsslich der Rosa-Luxemburg-KonferenzMitte Januar erschien in der Jungen Welt ei-ne Grubotschaft Christian Klars. In diesermacht er deutlich, dass er auch weiterhin demKapitalismus alles Schlechte wnscht und die

    systemberwindende Perspektive nicht ausden Augen verloren hat. Europa wird eine im-perialistische Macht genannt, und er beziehtsich positiv auf die neueren Entwicklungenin Lateinamerika.Wurde schon vorher vielerorts ber Chri-

    stian Klar und dessen Gnadengesuch disku-tiert, brach der Sturm der Entrstung ber dieBeharrlichkeit, mit der das ehemalige RAF-Mitglied seine antikapitalistische Positionzum Ausdruck bringt, jetzt erst richtig los. Esdauerte etwa sieben Wochen, bis die Gru-botschaft auf breiter Front thematisiert wur-de, dann schien aber jeder und jede etwas da-zu sagen zu mssen. Konservatives KeineGnade!-Gebrll und theologisches Reue-Philosophieren fllt Sondersendungen unddie Kommentarspalten der Zeitungen. DasLager der Links-SPDler, Grnen und Alt-68er,die sich kollektiv der Erinnerung an die da-maligen innerlinken Debatten verweigern,tut sich hier durch ihre vermeintlich abge-wogenen Feuilletons, naiv bis (gewollt?) be-griffsstutzig, besonders hervor. Alle, alle re-den ber Klar. Wirklich alle? Nein, eine klei-ne Linksradikale leistet hartnckig Wider-stand und zwingt sich sehr zgerlich zu ei-

    ner Stellungnahme.Das erstaunt, war doch seit Beginn des be-waffneten Widerstands in Deutschland diebreite Untersttzung der Kampagnen fr Zu-sammenlegung und Freilassung der Gefan-genen immer essentieller Bestandteil, auchund gerade autonomer Bewegungen. Vor die-sem Hintergrund muss man das lange Still-halten als ngstliche aber bewusste Entsoli-darisierung verstehen. Was war geschehen?

    Wem gehrt das Recht?

    Der brgerliche Staat ist in seiner Rolle alsideeller Gesamtkapitalist Mittel der Klassen-

    herrschaft. Seine Aufgabe ist die mglichsterfolgreiche Verwaltung der Kapitalselbst- verwertung unter Zuhilfenahme von Ar-beitskraft. Nach auen bedeutet das, sein hei-misches Kapital im Weltwettbewerb mg-

    lichst weit nach vorne zu bringen. Nach in-nen bedeutet das, die Wertvergesellschaftung

    vor Selbstzerstrung, sozialem Unfriedenund Angriffen auf Privateigentum zu scht-zen. Der Staat ist keine neutrale Instanz, dieklassenvershnend den Widerspruch, der Ka-pitalismus nun mal bedeutet, auffngt. Er

    verwaltet das groe Ganze im Sinne der Ge-winnerInnen, gegen die VerliererInnen. DieJustiz ist Teil dessen, gewissermaen ein Drit-

    tel, dient dem selben Zweck und ist somitebenfalls Mittel der Klassenherrschaft, istKlassenjustiz.

    Diese Definition wird der Komplexitt desThemas Staatstheorie nicht gerecht, be-schreibt aber die Stellung der Justiz zu so-zialen Kmpfen, die Frontstellung von br-gerlicher Herrschaft und revolutionrer Be-wegung. Beruft man sich auf den Staat, sei-ne Justiz und dessen rechtsstaatlicheGrundstze, beruft man sich auf Kapitalis-mus mit menschlichem Antlitz. Alle DiskussionsteilnehmerInnen sehen

    den demokratischen Rechtsstaat als das

    hchste Gut und berufen sich auf ihn und so-mit auf das von ihm verteidigte gesellschaft-liche Verhltnis. Nicht nur oben erwhnteFeuilletonistInnen sondern auch Stoiber,Beckstein und Konsorten mit ihren unver-hohlen geuerten Rachegelsten nach demMotto zerstrt den Mann, bis nichts mehr

    von ihm brig ist verlassen nicht den Rah-men einer rechtsstaatlichen Debatte. Wischtman ihnen den Schaum vom Mund, sprechensie nur das aus, was Ziel und Zweck von Stra-fe in Deutschland ist - das so genannte Ver-geltungsprinzip: Rache. Das Einzige, wasman ihnen vom Standpunkt eines Rechts-staatsglubigen vorwerfen kann, ist, dass dieProzesse, Ermittlungen, Beweisfhrungen,Urteile, auf die sie sich berufen, auerhalbdieses ihres Rahmens stattfanden.

    Ihr wollt ber damals reden? Redenwir ber damals.Kontaktsperren, Sondergesetze bis hin zurDebatte ber die Todesstrafe, Isolationsfolterund ungeklrte Todesflle in Hochsicherheit-strakten und in Bad Kleinen offenbarten, dass

    der demokratische Rechtsstaat mit seinen Ga-rantien, die im Zweifelsfall sehr schnell berBord gehen, eben nur eine Form brgerlicherHerrschaft ist. Das Ziel, sie und mit ihm denKapitalismus zu berwinden, ist uns mit denbewaffneten Organisationen gemein.Wir wollen unsere GenossInnen raus aus

    dem Knast, nicht weil bei ihren Festnahmen,Prozessen und Knastaufenthalten geltendesRecht mit einer Selbstverstndlichkeit gestri-

    chen wurde, die schwindelig macht, nichtweil Theorie und Praxis der RAF unserewren, sondern weil es unsere GenossInnenim Kampf fr ein besseres Leben sind. Staatund Justiz haben sich in der Auseinander-setzung mit ihnen noch unverhohlener als In-strument der Klassenherrschaft prsentiert.Christian Klar und alle anderen inhaftiertenMitgliederInnen aus dem bewaffneten Wi-derstand sind politische Gefangene.

    Der Staat bleibt fr uns kein Ansprech-partner, sondern ist Verwalter dessen, was wirabschaffen wollen. In diesem Kampf gibt eskeine neutrale Partei, an die wir im blinden

    Glauben an die Spielregeln um die Einhal-tung dieser bitten, sondern eine Konfliktliniezwischen Menschen, die mit ihren Mitteln umBefreiung kmpften und kmpfen und denrepressiven Manahmen einer Institution,deren Zweck die Aufrechterhaltung des Zer-strenswerten ist.

    Freiheit fr allepolitischen Gefangenen!Die Theorie und Praxis der RAF ist nichtunsere. Darum geht es aber nicht. Jenseitsaller Kritik ist der bewaffnete WiderstandTeil der linksradikalen, Teil unserer Ge-schichte. Die Solidaritt mit allen politi-schen Gefangenen, auch und gerade denendes bewaffneten Widerstandes, muss als einGrundprinzip linker Politik begriffen undartikuliert werden. In diesem Sinne:Freiheit fr Christian Klar, Eva Haule, Bri-gitte Mohnhaupt und Birgit Hogefeld, fralle politischen Gefangenen!Kapitalismus abschaffen!

    Antifaschistische Linke International(A.I.L.) Gttingen

    Am Anfang stand die Erschieung des Studenten Benno Ohnesorg

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    Mit dem Angriff gegen Chri-stian Klar sind alle antikapi-talistisch eingestellten Men-schen und Projekte gemeint !

    Christian Klar, Angehriger der ehemaligenRoten-Armee-Fraktion (RAF), seit 1982 in-

    haftiert und 1985 zu lebenslanger Freiheits-straft verurteilt, hat sich am 13. Januar miteiner kapitalismuskritischen Erklrung an dieTeilnehmer_innen der Rosa-Luxemburg-Konferenz gewandt.

    Er spricht darin von der Wrdigung derInspiration, die seit einiger Zeit von ver-schiedenen Lndern Lateinamerikas ausgeht.Dort wird nach zwei Jahrzehnten sozial ver-nichtender Rezepte der internationalen Be-sitzerklasse endlich den Rechten der Massenwieder Geltung gegeben und darber hinausan einer Perspektive gearbeitet.

    Er prangert ein imperiales Bndnis an,

    das sich ermchtigt, jedes Land der Erde, dassich seiner Zurichtung fr die aktuelle Neu-

    verteilung der Profite widersetzt, aus demHimmel herab zu zchtigen und seine ganzegesellschaftliche Daseinsform in einen Trm-merhaufen zu verwandeln.

    Er uert die Hoffnung auf eine Entwick-lung, die Niederlage der Plne des Kapitalszu vollenden und die Tr fr eine andere Zu-kunft aufzumachen.Abschlieend schreibt Christian Klar: Es

    muss immer wieder betont werden: Schlie-lich ist die Welt geschichtlich reif dafr, dassdie zuknftigen Neugeborenen in ein Lebentreten knnen, das die volle Frderung allerihrer menschlichen Potentiale bereithaltenkann und die Gespenster der Entfremdung

    von des Menschen gesellschaftlicher Bestim-mung vertrieben sind.

    Erst der Bericht des ARD-Magazins Re-port Mainz am Montag, den 26. Februar,sorgte fr dessen bundesweite Beachtung.

    Am Mittwoch darauf strich der baden-wrt-tembergische Justizminister Ulrich Goll (FDP)dem Gefangenen die vorgesehenen Hafter-leichterungen unter Verweis auf die Kapi-talismuskritik.

    Zahlreiche Politiker_innen haben seitdemgefordert, Christian Klar msse aufgrund sei-ner Gesinnung lebenslang hinter Gittern blei-ben.

    Besonders scharfmacherisch verhielt sichdabei Gnter Beckstein (CSU, Innenminister

    von Bayern) wenn er davon sprach, dass deraggressive Ton und die ideologische Ver-bohrtheit seiner Grubotschaft ihn als einenunverbesserlichen Terroristen zeige, undwenn er selbst die im Jahr 2009 mglicheHaftentlassung auf Bewhrung in Frage stell-te.

    Es soll nun eine neue Gefahrenanalyse

    angefertigt werden.Antikapitalistische Positionen werden alsoals strafverschrfend bewertet. Offensichtli-cher kann GesinnungsJustiz kaum sein.

    Hafterleichterung setzt also prokapitalisti-

    sche Ansichten und Bekenntnisse voraus. EinGefangener, der nach ber 24 Jahren Haft im-mer noch nicht politisch gebrochen ist undder es wagt, Kritik an den herrschenden Ver-hltnissen zu uern, scheint fr diese Poli-tiker nicht akzeptabel.

    Diesen Politikern geht es um die vllige Un-terwerfung des politischen Gefangenen; auchum ffentlich die Botschaft zu vermitteln:wer sich weigert vor der freiheitlich-demo-

    kratischen Grundordnung, vor dem Kapita-lismus zu Kreuze zu kriechen, wird krimina-lisiert (erinnert sei an dieser Stelle an dasKPD-Verbot 1956, an den Radikalenerla1972 mit den Berufsverboten, an die Unver-einbarkeitsbeschlsse des DGB 1973).

    Die Kampagne gegen Christian Klar deutetan, wohin die Reise gehen soll. Sie richtet sichnur vordergrndig gegen Christian Klar, ge-meint sind aber alle antikapitalistisch einge-stellten Menschen und Projekte.

    Die jngste Geschichte aus dem deutschenNS-Faschismus sollte hier sensibel machenund Mahnung sein.

    Kriminell sind nicht die Kritker_innen desKapitalismus, sondern die Protagonist_innendes Neoliberalismus und der kapitalistischenGlobalisierung, die weltweit fr Hunger,Elend, Krieg und Umweltkatastrophen ver-antwortlich sind.

    Deshalb rufen wir auch dazu auf, gegen dasTreffen von Vertreter_innen der kapitalisti-schen Zentren (G8) im Juni dieses Jahres inHeiligendamm ein deutliches antikapitalisti-sches Signal zu setzen.Freiheit fr Christian Klar und den ande-ren Gefangenen aus der RAF; fr BrigitteMonhaupt, Eva Haule und Birgit Hogefeld!Freiheit fr alle politischen Gefangenen,die sich fr eine solidarische, herrschafts-freie, humane Gesellschaft, fr eine Ge-sellschaft ohne Unterdrckung und Aus-beutung einsetzen !Fr eine Gesellschaft ohne Knste !Diese Erklrung wurde auf dem Treffen vonDelegierten linksoppositioneller auerpar-lamentarischer Gruppen gegen den G8-Gipfel (DISSENT-Bndnis) in Hamburg am4. Mrz diskutiert.Einige aus dem dissent-Bndnis - Hamburg,4. Mrz 2007

    Dokumentiert: Ein Beitrag vonPeggy Parnass

    Wenn wir schon vonMord sprechenDie KZ-Aufseherin Hermine Ryan wurde1981 wegen 1181fachen Mordes zu einmallebenslnglich verurteilt. Der RAF-Terrorist

    Christian Klar will nach 24 Jahren aus derHaft raus. Zu Recht. Denn noch immerkommt es darauf an, wen man ermordet hat.

    Ein Gnadengesuch. Und eine Hysterie fastwie damals in den 70er Jahren. Wieder dre-

    hen viele durch, in all den Diskussionen froder wider Gnade fr Christian Klar. ber-wiegend heit es: Auf keinen Fall darf die-ser Mrder, dieser Massenmrder, nach nur24 Jahren freikommen. Er habe ja nur nochzwei Jahre zu sitzen, was gebe es da zu dis-kutieren, sagen die Leute.

    Sie betonen, dass dieser Mann doch ge-fhrlich sei. Selbst Freunde von mir. Er hat

    ja nicht einmal bereut, wenn er wenigstens

    sein Bedauern ausgedrckt htte. Ja natr-lich, er htte heucheln knnen, das ist jadie leichteste bung. Oh, wie furchtbar,was habe ich getan in meiner Jugend, inmeiner Dummheit, in meiner Verblendung.

    Was habe ich angerichtet? Oh, was habe ichverbrochen? Ja, das wre sehr einfach.

    Aber Christian Klar hat schon vor zehnJahren in der Sddeutschen Zeitung ge-sagt, dass es kein Zurck zum bewaffnetenKampf geben werde, auf keinen Fall. Undim Spiegel sagte er, er bedaure das Leidder Familien.

    Die arme, beklagenswerte WitweSchleyerJa, die beklagenswerte, greise Witwe vonHanns Martin Schleyer! Die unglcklicheFrau. Die Arme.

    Meine Mutter war keine zu bedauernde,greise Witwe. Konnte sie auch nie werden.Denn sie wurde zusammen mit Pudl, ihremMann, meinem Vater, vergast. So wie fast100 andere enge Verwandte von uns. Alsodie Groeltern, Tanten, Onkel, Vettern, Cou-sinen - alle weg.

    Man spricht von der Erbengeneration, zuder gehren wir nicht. Denn alle, von de-nen wir vielleicht htten erben knnen,wurden ermordet. Und haben nichts hin-terlassen. Denn alles, was sie vorher hatten,wurde ihnen von den Deutschen geklaut.

    Frau Schleyer hatte sicher sehr gute Jah-re mit ihrem Mann, fr sie gute Jahre. InLidice, in Bhmen, da fhrte das junge Paarein Herrschaftsleben. Er, an fhrender Stel-le als SS-Mann, nicht irgendein SS-Mann,er bekleidete einen Offiziersrang. Er war einberzeugter und begeisterter Nazi, von An-fang an. Schon als 16-Jhriger. Und bliebdabei.

    Er machte eine fr ihn sehr schne Kar-riere. War an Universitten, war ein gebil-deter Mann. Ab 1934 an der HeidelbergerUni, wo er das NS-Studentenwerk leitete.Er denunzierte seinen Uni-Rektor, weil dernicht geflaggt hatte.

    Schleyer war zustndig fr die Uni-GleichschaltungWar zustndig dort und spter in Inns-

    bruck fr die Uni-Gleichschaltung. Dannleitete er die Reichsgruppe Industrie amPrsidialbro Bhmen und Mhren. Und,bei alldem was er gelernt hatte, konnte manihn auch gut nach dem Krieg brauchen. Sei-

    ne Karriere ging fabelhaft weiter, er wurde Arbeitgeberprsident und war mit demFlickkonzern verbunden. So halfen undhelfen sich viele tchtige Leute gegensei-tig.

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    Sein Sohn trauert. Natrlich nicht um denerfolgreichen SS-Mann oder Lohndrcker,sondern um seinen Vater, der vielleichtauch ein guter Vater war. Ich bin nichtdafr, dass man ihn erschossen hat. Aberich bin dagegen, dass man solche Mnnerimmer weiter hat hochkommen lassen. Dassman ihnen immer weiter zu riesigem Ein-fluss verholfen und auf hchste Positionengehievt hat. Ich bin nicht fr das Umbrin-

    gen, auch nicht fr das Umbringen einesSchleyers. Aber sehr wohl dagegen, dassman sie in den so genannten Rechtsstaatbernommen hat.

    Und wenn wir schon von Mord sprechen,fallen mir auch andere Morde ein, und zwarreichlich. Ich wurde Gerichtsreporterin, umendlich einmal deutlich zu machen, wie dasgehandhabt wurde an deutschen Gerichten.Damals. Ich versuchte erst, die Gerichtsre-porter zu beeinflussen, die ich jeden Tag inder Zeitung lesen konnte, setzte mich mitdenen in Verbindung. Ich dachte, ich knn-te etwas ndern an dem, was sie auslassen.

    Oder falsch beschreiben. Ich wollte in NS-Prozesse gehen, aber die fanden nicht statt.Ich war in Hunderten von Prozessen. Vondenen gab es gerade drei, die sich mit Na-zis beschftigten.

    Stute und SchindmhreSo wie im Dsseldorfer Majdanek-Pro-zess. Dort standen von 1975 bis 1981 17ehemalige SS-Angehrige des KZ Majda-nek vor Gericht. Am Tag des Urteils im Au-gust 1981 sitzt Hermine Ryan, immer nochsehr hbsch und sehr gepflegt, inzwischen

    Amerikanerin und gut verheiratet, vor Ge-richt. Russel Ryan, ihr Mann, kann es nichtfassen, was seine Frau verbrochen hat. Wasdas war? Hermine Ryan, geborene Braun-steiner, Oberaufseherin in den KZ Ravens-burg und Majdanek, war ihren Opfern alsStute und Schindmhre bekannt. Die-se Frau, vom Ehrgeiz zerfressen, trug ei-senbeschlagene Schaftstiefel, wurde durchSchikanieren, Schlagen und Zertrampelnzur gefrchteten Adjutantin und Meisterin.

    Vor allem Kinder hatte sie auf dem Kieker.Die galten in dem KZ in der Nhe von Lub-lin als nutzlose Esser. Hermine Ryan be-

    strafte selbst sie mit Schlgen und Hieben.Wenn sich Kinder vor Angst an ihre Mt-ter klammerten, wurden die Verzweifeltenauseinandergepeitscht.Auch ihre Gehilfin Hildegard Lchert, die

    blutige Brygida, ist ihren Opfern unver-gesslich. Zeugen erzhlten beim Prozess,dass sie zwei Griechinnen in der Latrinen-grube im Kot ertrnkte. Und einmal peitsch-te und trat sie einen, der im Garten arbei-tete, bis sie ihn zerrissen hatte, bis er nurnoch ein Fetzen von einem Menschen war,ein Klumpen Fleisch. Dann befahl sie:Schafft den Dreck da weg.

    Vor Gericht sagte sie: Wir haben vielSpa gehabt, wir haben viel gelacht. Wirhatten ein wirklich herzliches Verhltnis,aber wenn eine aufsssig wurde, dann hatsie was auf den Hintern gekriegt. Das Ur-

    teil gegen Hermine Ryan: einmal lebens-lnglich wegen gemeinschaftlichen Mordsin 1181 Fllen und Beihilfe zum Mord in705 Fllen. Die blutige Brygida bekamzwlf Jahre.

    Augen mit der Peitsche ausgeschlagenEin anderes Urteil aus dem Prozess: Acht

    Jahre fr den Todesengel genannten EmilLaurich, SS-Totenkopf. Von ihm hie es, aus

    seinen Verhren komme niemand lebendzurck. Dann zog er die Peitsche kurz an,um die Augen auszuschlagen, sagte einZeuge damals aus.

    Nchster Angeklagter: Arnold Strippel,SS-Obersturmfhrer. Er machte Karriere ineinigen Konzentrationslagern: auch in Bu-chenwald und Neuengamme. 1949 wurdeer wegen Mordes an 21 Hftlingen zu 21mallebenslnglich verurteilt, doch der nchsteRichter hatte Gnade mit dem Mann und be-grenzte seinen Gefngnisaufenthalt. Dafrbekam er eine Haftentschdigung in Hhe

    von 121.300 D-Mark. Etwa 100.000 D-Mark

    mehr als berlebende KZ-Hftlinge. Er wur-de in Dsseldorf letztlich zu 3,5 Jahren ver-urteilt.

    Die weiteren Angeklagten, drei starben inder Zeit des Prozesses, erhielten je einmalzehn Jahre, sechs Jahre, vier, drei und zweiJahre. Fnf wurden freigesprochen.

    Jetzt geht es um Christian Klar. Bei demman sich ernsthaft fragt, warum er schonnach 24 Jahren raus will? Nach nur 24 Jah-ren! Nach allem, was er getan hat. Gefhr-lich, wie er ist.

    Es wird ja immer gesagt, dass die trauri-ge Schleyer-Witwe nicht mal erfahren hat,und auch der Sohn ist darber unglcklich,dass niemand wei, wer denn nun genauder Mrder ist. Wir haben auch nie erfah-ren, wer die Mrder unserer Verwandtenwaren. Im Grunde ist es auch nicht wich-tig.Aber wofr man hier in der Bundesrepu-

    blik bestraft wird, oder nicht bestraft wird,kommt darauf an, wer das Opfer ist. Ist es

    jemand Angesehenes, Hochgestelltes, Be-kanntes, Berhmtes? Oder ist es einfach nurein Mensch, der auch gerne gelebt htte?

    Artikel vom 29. Mrz 2007http://www.stern.de/politik/deutsch-land/:Debatte-Christian-Klar-Wenn-Mord/585933.html

    NEWS Magazin

    30 Jahre deutscher HerbstSendung vom 11.3.2007 von AntenneMnster. Eine Diskussionsendung u.a miteinem Mitarbeiter des Gefangenen Infos.

    Zu hren und zum Herunterladen un-ter www.freie-radios.net. Die Sendunghat die Nummer 15913 und ist dort im

    Archiv zu finden.

    UnserRhythmusgegen ihren

    RhythmusJean-Marc Rouillan (Gefangener aus Ac-tion Directe) im Interview mit der RotenHilfe - verffentlicht in der Sonderbeilageder Jungen Welt zum 18.03. (hier in un-gekrzter Version) Teil 1. Der zweite Teilwird in der nchsten Ausgabe verffent-licht.

    Zur Person

    Wie ist Deine soziale Herkunft?Mein Vater war Lehrer, zuerst in einem

    Dorf und spter in einer Mittelstadt im S-den des Landes. Er war Mitglied der Revo-lutionren Sozialistischen Partei, bevor ersich in der Rsistance als Funker engagier-te. Spter war er an der Volkserziehung be-teiligt. Meine Mutter stammt aus einer Fa-milie von Kleinbauern, die der Kommuni-stischen Partei nahe standen.

    Meine Jugend war von den Schlgen ge-gen den algerischen Befreiungskrieg, fa-schistischen Attentaten und von gaullisti-scher Repression geprgt. Bei uns zu Hau-se trafen sich die linken Militanten unseres

    Viertels. Ich war also bereits in sehr jungenJahren in einem Umfeld der Bewegung.

    Welche persnlichen Erfahrungen habenDich zum revolutionren Engagement ge-bracht?

    Im Mai 68 war ich 16. Ich besuchte inToulouse das Gymnasium und tauchte alsMitglied des CAL in die Bewegung ein (Co-mits d Action des Lycens - Aktionskomi-tee der Gymnasiasten, eine Basisstruktur, diemit der aufstndischen Studentenbewegung

    verbunden war und in der alle revolu-tionren Strmungen vertreten waren). DieEreignisse von Mai, Juni (und der folgendenMonate) haben mich tief beeindruckt undberwltigten mich durch die Mglichkei-ten, die sie offenbarten. Man muss sich indiese Periode zurckversetzen. Millionen

    von Arbeitern besetzten ihre Fabriken. Wirschlugen uns jeden Abend mit der Polizei.

    Wir haben nicht protestiert, wir bekmpftenalle Realitten der Gesellschaft und in ersterLinie die kapitalistische Ordnung bis in ih-re Wurzeln. Doch meine politische Bildungwar noch unausgereift. Ich lernte in der

    Menge, am Fue der Barrikaden und aufVollversammlungen.In meinem Innersten hatte ich ein inter-

    nationalistisches Bewusstsein, das aus derKritik an den frheren Kolonialkriegen und

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    aus dem Vietnamkrieg kam. Und ich hatteeinen Feind: den brgerlichen Staat. EinStaat, der durch die Wiederverwendung vonKollaborateuren (whrend der Besetzung imNaziregime) und durch eine starke Militari-sierung verkommen war. Seit 1945 habenwir niemals Frieden kennen gelernt, Frank-reich war im fortwhrenden Kriegszustand,in Indochina, in Algerien, in Afrika Die

    Armee gehrte zu den Honoratioren. So ins-

    zenierten beispielsweise Militrgerichte wei-terhin und stndig politische Repression (dieStaatssicherheitsgerichte Cour de Sretde l Etat). Und binnen zehn Jahren erlebtenwir zwei Staatsstreiche: den von General DeGaulle 1958 und den Putsch algerischer Ge-nerle einige Jahre spter.

    Auf diesem Hintergrund hat mich 68 mitdem Feuer des Antiautoritren und vor al-lem mit dem Primat der Praxis entflammt:

    nicht darauf zu warten, dass sich die Dingevon selbst ndern.

    Beim derzeitigen Wiedererwachen vonIdeologien kleiner Grppchen darf man dasAnti-Autoritre der 68er nicht mit der sek-tiererischen libertren Ideologie verwech-seln.

    Das Antiautoritre war das Hauptmerkmalunserer Auflehnung und zog sich durch dieKmpfe gegen die wachsende konomische,finanzielle, politische, kulturelle und mi-litrische Macht der Monopole. Das WortBefreiung bekam einen konkreten Sinn.

    Durch diese antiautoritre Haltung ha-ben wir mit dem gebrochen, was wir damalsalte Linke (Parlamentarier und Revisioni-sten) und neue Linke (den integriertenGauchismus: grppchenhaft, legalistischund pazifistisch) nannten. Wir haben mit derbrgerlichen Art, Politik zu machen, radikalgebrochen.

    Die aufstndischen Kmpfe in Europa von1968/69 haben die erste Generation derje-

    nigen, die bewaffnetet gekmpft haben, be-einflusst und kulturell zusammengebracht.

    Was waren Deine Grnde zur Anwendungvon Gewalt?

    Zunchst muss ich etwas Wichtiges pr-zisieren. Die Umschreibung der Geschichteder Jahre 68/69 will uns in die Irre fhren.

    Die Vorstellung der RAF und der Weathe-rmen - der bewaffnete Kampf fr die ge-sellschaftliche Transformation - war es, denKrieg dahin zurckzubringen, von wo erausgegangen war. Der Krieg sollte hierherzurckgebracht werden, um den interna-tionalen Zusammenhang des revolutionren

    Kampfes in den Metropolen klar zu ma-chen. Diese beiden grundlegend miteinan-der verbundenen Achsen tauchten im Her-zen der aufstndischen Bewegung auf. Undnicht nachher als ein verurteilungswrdigesschlechtes Ende. Ab diesem Zeitpunktwurden bewaffnete Taktiken ausprobiert.

    Meine Situation in Toulouse war ein we-nig besonders. Wir lebten ganz in der Nhedes francistischen Spaniens, und in unserer

    Gegend war der bewaffnete Kampf durch diestarke Prsenz von Flchtlingen eine Wi-derstandspraxis geblieben. Und so habe ichmich nach 68 schnell im Umfeld von Gue-rillagruppen beteiligt, die gegen die Dikta-tur gekmpft haben. Zunchst in einer Un-tersttzergruppe fr eine Arbeiterabspal-tung der ETA (ETA 6te Versammlung), sp-ter mit der MIL (Mouvemet Ibrique deLibration Iberische Befreiungsbewe-gung), die vor allem in Barcelona und Ka-talonien operierte.

    Und so bin ich 71 ber die Grenze, ummich der Guerilla anzuschlieen.

    Um das etwas genauer zu machen, dieseOrganisation war durch die Rtevorstellun-gen der deutschen Partei der 20er Jahre, derKPD, besonders beeinflusst. Gleichzeitig be-wahrte sie eine praktische Erinnerung an diekommunistischen und anarchistischen Gue-rillabewegungen der 40er und 50er Jahre.

    Nach der Zerschlagung der Gruppe 1974kam ich nach Frankreich zurck und grn-

    dete mit Ehemaligen der MIL die GARI (grou-pes daction rvolutionnaire internationali-stes revolutionre internationalistische

    Aktionsgruppen), die in verschiedenen Ln-dern angriffen, um die Untersttzung der eu-

    ropischen Bourgeoisien fr die francisti-sche Diktatur zur Sprache zu bringen undzu versuchen, die Genossen, die von Mi-litrgerichten mit dem Tode bedroht wur-den, zu retten.

    Action DirecteWelche Erfahrungen haben zur Grndungvon AD gefhrt?Wenn sie auch nicht so machtvoll wie in

    Italien war, so hat auch Frankreich 77/78seine autonome Revolution mit einem sehrgroen Antagonismus junger Arbeiter undStudenten erlebt. Im Zuge dieses Elans, alsauch innerhalb der organisierten autono-men Bewegung, drngte sich die Konfron-tation auf und es wurde notwendig die ver-schiedenen bewaffneten Erfahrungen aufdiesem Gebiet zu vereinigen.

    Jetzt muss ich zwei Dinge przisieren, umdie Grndung von AD zu erklren.

    Im Gegensatz zu dem, was Universitts-und Medienkreise behaupten, stellte dasLand bis zu diesem Zeitpunkt ein wahres La-

    boratorium an radikalen und besonders anbewaffneten Kmpfen dar. Alleine aufGrund der in Kolonialauseinandersetzungengesammelten Erfahrungen nehmen die fran-zsischen Regierenden fr sich in Anspruch,Experten in Aufstandsbekmpfung zu sein.Im brigen exportierten sie ihr Know-how.Ihre Methoden wurden von Amerikanern in

    Vietnam angewendet und von sdamerika-nischen Folterern whrend der OperationCondor. (Vor drei Monaten gab der US-Mi-litrchef im Irak zu, dass er jeden Tag wie-der einige Seiten aus den franzsischenHandbchern des Anti-Guerillakampfes le-se). Hier verstanden sie es, wirkliche Kon-frontationen zu vereiteln und zu entschr-fen. Und zu guter Letzt konnten sie die groeMehrheit der Gauchisten und Stadtgueril-leros in einen breiten nationalen Konsenszurckfhren, in welchem sie das Aufstn-dische gegen ein machtloses Protestlertumeintauschten. Und was noch schlimmer ist:Es ist ihnen gelungen, die Erinnerung an dieKmpfe verschwinden zu lassen.

    Weitergehen, es ist nichts passiert!Es ist wichtig daran zu erinnern, wie sehr

    77/78 die RAF und die Roten Brigaden mitihren Aktionen gegen Schleyer und Morodie europische antagonistische Bewegungbeeinflusst haben. Der bewaffnete Kampfwar eine machtvolle Realitt, die tief in derBewegung verwurzelt war. Es entstanden zigkleine Widerstandsorganisationen, wie dieautonomen Gruppen, die mit den eingefah-renen und pazifistischen Kmpfen brachen.

    Die Guerillas haben sowohl Einfluss aus-gebt und als auch sich selbst aus einembreiten illegalen Bewusstsein gespeist, dassich durch die Gesellschaftskritik reprodu-zierte. Der bewaffnete Kampf stellte eineglaubwrdige Alternative zum falschen Pro-

    testlertum und zur tatschlichen Kollabora-tion dar, wie sie in den Metropolen zur Schauzelebriert werden, um den demokrati-schen Regimes Glaubwrdigkeit zu verlei-hen.

    Studentendemonstration im Mai 1968

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    In diesem Zusammenhang von Repressi-on und Antagonismus haben sich die Mili-tanten aus GARI und aus zwei Organisatio-nen, die aus der maoistischen Bewegungstammten - die internationalen Brigadenund die NAPAP (Noyaux Arms pour l`Au-tonomie Populaire bewaffnete Kerne frdie Volksautonomie) einander angenhert,um AD zu grnden.

    Auf welcher politischen Grundlage und mitwelchen Zielen fand diese Annherungstatt?

    Im Hinblick auf die Zusammensetzung desProletariats (koloniales Erbe, ein Drittel derHilfsarbeiter aus der Pariser Region stamm-ten aus den Lndern des Sdens) und be-sonders seiner am strksten ausgebeutetenund rmsten Schichten waren wir berzeugtdavon, dass keine revolutionre Organisati-on eine Politik des Bruches ohne ein prakti-sches Verstndnis dieser Klassenzusammen-setzung und ihrer wachsenden Internationa-lisierung entwickeln knne. Whrend die

    traditionellen Gauchisten sich hinter ihremewigen Pathos der nationalen Klasse ver-schanzten, ist uns durch Diskussionen unddie neue Praxis autonomer Aufstnde be-wusst geworden, dass ein neues Klassensub-

    jekt aufgetaucht war. In diesen autonomenAufstnden vermischten sich die Prekarisie-rung junger Proletarier und die Tatsache,dass Kinder der zweiten Immigrantengene-ration auf der Bildflche erschienen waren,miteinander.

    Um das an einem Punkt deutlich zu ma-chen: Die ersten Texte der Organisation wa-ren auf franzsisch und arabisch verfasst undunsere Plakate waren mehrsprachig, darun-ter arabisch und trkisch. Ich sage das, umzu zeigen, dass wir uns weder als lokale Or-ganisation noch als Avantgarde einer reinfranzsischen Arbeiterklasse verstanden ha-ben. Mehr noch als irgendwo sonst bleibenhier kommunistischer und anti-imperialisti-scher Kampf eng miteinander verbunden.Und das war in einer Epoche groer Wand-lungen des Haupt-Klassensubjektes, vomFliebandarbeiter (der fordistischen Phase)hin zum transnationalen prekren Arbeiter(der neoliberalen Phase), besonders stark.

    Unsere Taktik als kommunistische Gueril-

    la war in erster Linie auf der Gesellschafts-schicht begrndet, die durch die harten Ten-denzen des Imperialismus: Globalisierungund Prekarisierung in den Vordergrund rck-te.Wir analysierten, dass die Bourgeoisie auf

    die allgemeine Krise des Nachkriegs-Regu-lierungsmodells (Welfare-Fordismus) mit ei-ner Gegenoffensive antworten wrde. DieseGegenoffensive zielte in erster Linie darauf,

    die Haupterrungenschaften von 68 und vor-her - der antifaschistischen Volksbewegungder Nachkriegszeit und der erkmpften Ent-kolonisierung - zu zerstren. Es war der An-fang dessen, was wir Roll back nannten.Die berwindung der Krise des Modells be-ruhte einerseits auf einem Krfteverhltnis,das sich zugunsten der imperialistischenBourgeoisie entwickelt und sich vor allemweltweit ausgebreitet hatte (Aufbrechen na-tionaler Schranken sowohl der Lnder dessowjetischen Blocks als auch der fortschritt-lichen Lnder, Auslagerungen, der Verstaat-lichung von Rohstoffen ein Ende setzen und

    die freie Kapitalzirkulation durchsetzen ...);andererseits beruhte sie auf der intensiveren

    Ausbeutung der weltweiten Arbeit (sozialeDeregulierung, intensive Ausbeutung, Flexi-bilitt, Zerstrung sozialer Errungenschaf-ten, Verstrkung des Drucks durch eine Re-servearmee von Arbeitslosen ... im Herzen ei-ner groen Proletarisierung in den Lnderndes Sdens ... ). Als Marxisten wissen wir,dass die Ausweitung von Globalisierung undPrekarisierung die ersten Vorboten fr die

    Wiederherstellung der Profitrate sind. Undvon Anfang an stellte dies das Hauptziel derglobalisierten amerikanischen neokonserva-tiven Umwlzung dar.

    Ich meine, dass diese Erklrung schonwichtig war, da wir unter bestimmten Be-dingungen aufgetaucht sind. Fr Revolu-tionre gibt es weder eine ein fr alle Malgltige Methode noch Taktik, sie entsprechenimmer einem historischen Moment, dem Zu-stand des Klassenwiderspruchs und den all-gemeinen Widersprchen, die die jeweiligeEpoche beherrschen. Wir konzentrierten unsab der Entstehung von AD auf zwei Linien,die eng miteinander verwoben waren und diesich in zwei Parolen klar ausdrckten: Aus-gehend von den Fabriken und Stadtvierteln

    Nathalie Mnigon: Gerichtwill am 25. April die Ent-scheidung bekannt geben

    Bei der Verhandlung ber Videokonfe-renz am 2. April, bei der Nathalie Mni-gon vor dem Antiterrorismus-Richtererschienen war, deutet alles auf Ableh-

    nung des Antrages hin (sie sei zu krank,um mit ihrer krperlichen Beeintrchti-gung arbeiten zu knnen - eine Voraus-setzung zur Freilassung auf Bewhrung).

    Delegation bergab PetitionEine Delegation aus 19 Persnlichkeitender Zivilgesellschaft versuchte in Be-gleitung der Kollektive Dfense Active,Librez-les und Ne laissons pas faire imJustizministerium vorzusprechen, umeine Petition mit 6500 Unterschriftenabzugeben, in der die Freilassung der

    Militanten aus Action Directe gefordertwurde.Die Polizei verwehrte dieser als uerstsubversiv eingeschtzten Delegationden Zugang zum Place Vendme.Schlielich wurde fnf gewhlten Ab-geordneten der Alternativen, der KPFund der Grnen als auch Madame Au-bron erlaubt, die imposante Absperrungzu berwinden. In der Eingangshalle desMinisteriums wurden sie von einem Be-amten, der sich nicht vorstellte, emp-fangen und gaben die Petition ab, oh-ne dass sich ein Reprsentant des Mini-steriums herbemht htte.In einer allgemein repressiven Stim-mung wird Nathalie Mnigon am 2.

    April ber Videokonferenz aus dem Ge-fngnis von Bapaume vor dem Antiter-rorismusrichter erscheinen. Filipe Bi-dard und Brigitte Mohnhaupt sind vorKurzem freigelassen worden. Eine Ab-lehnung bei Nathalie wrde den beson-deren Rachedurst gegenber den Mili-tanten aus Action Directe zum Ausdruckbringen.Paris, 29. Mrz 2007, Collectif Nlpf !Zusammensetzung der Delegation: MadeleineAubron; Catherine Ballestero, MRAP ; Jean-Pierre Bastid, Schriftsteller; Olivier Besance-not, Kandidat der Prsidentschaftswahl, LCR ;Armonie Bordes, ehemalige Europaabgeordne-te, LO ; Catherine Gegout, Stadtrtin von Pa-ris, PCF ; Jimmy Gladiator, Schriftsteller ; Do-minique Grange, Sngerin; Yves Fremion, Re-gionalrat der Ile-de-France, die Grnen; Jac-ques Gaillot, Droits Devant!! ; Georges Labica,Philosoph ; Gilles Lemaire, Ex-Sprecher derGrnen ; Henri Malberg, Justizkommission derKPF; Pierre Mansat, Stadtrat von Paris, KPF;Mireille Mendes France, Frantz Fanon Stiftung; Jean-Francois Pellissier, Gemeinderat l Paris13e, Die Alternativen; Yves Salesse, Koperni-

    kusstiftung ; Mylene Stambouli, Rechtsanwl-tin und beigeordnete Brgermeisterin von Pa-ris, die Grnen; Philippe Tancelin Mitglied derUniverstitt, Dichter.

    Solidarittskundgebung mit den Gefangenen aus AD im Februar 2007

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    die kommunistischeOrganisation aufbau-en und mit den Re-

    volutionren der dreiKontinente die anti-imperialistische Frontaufbauen. Man kannkein Kommunist sein,ohne konkret gegenden Imperialismus zu

    kmpfen, und mankann nicht grundle-gend gegen den Im-perialismus vorge-hen, ohne Kommunist zu sein.

    Ich muss hier gleich przisieren, dass wirunter anti-imperialistischem Kampf wederirgendeine Haltung oder Diskussionen vonhohlen Erklrungen verstanden noch ir-gendwelche Positionen, die auf Prinzipienoder Untersttzung anderer Kmpfe beruh-ten. Unser Kampf bestand darin, nicht nurgegen die imperialistische Politik unserereigenen Metropolenbourgeoisie zu kmp-

    fen, sondern auch konkret an der Seite derRevolutionre des Sdens gegen den ge-meinsamen Feind zu handeln: das interna-tionale Kapital.

    Die Taktik, die zur Entwicklung der Frontund zum Prozess der Einheit der Guerilla in

    Westeuropa fhrte, zielte unter den gegebe-nen historischen Umstnden darauf ab, dieRestrukturierung und die imperialistischeRekonstruktion um jeden Preis zu sabotierenund aufzuhalten.

    Natrlich konnten die Guerillas ein solchesZiel weder alleine noch lokal begrenzt errei-chen. Wir orientierten uns also darauf, ge-meinsam mit der Bewegung im geostrategi-schen Raum der neuen Klassenherrschaft zuhandeln, das hie in den verschiedenen im-perialistischen Staaten (die von der neolibe-ralen Deregulierung umgewandelt wordenwaren), aber auch gleichzeitig im europi-schen und mediterranen Rahmen, in dem dieKrfte der Bourgeoisie und ihr Herrschafts-wille zusammentrafen.Von da ausgehend hofften wir, dass wir in

    die Lage zu kommen, die Front der Haupt-krfte der revolutionren Bewegung mit ei-nem einzigen Schwung anzustoen. Und da-mit uns das gelingen konnte, mussten wiruns konkret auf das neue Klassensubjektsttzen: das prekre Proletariat. In Verbin-dung mit dem prekren Proletariat wre je-der lokale Antagonismus in dem neuenRaum der Kontinentalisierung und der Glo-balisierung gestrkt worden.

    Indem wir diese beiden Orientierungenentwickelten (an denen sich die Haupttaktikin den 80er Jahren abspielte) hatten wir ei-ne Chance, die Ausbreitung und die Konso-lidierung des neuen Regulationsregimes wir-kungsvoll zu verzgern. Wir zielten daraufab, die allgemeine Krise des Systems (zu de-

    ren Lsung die Restrukturierungen und Aus-weitung htten dienen sollen) durch Gegen-schlge weiter zu verschlimmern, und hoff-ten, dass sie sich in eine revolutionre Krise

    verwandeln wrde.

    Unglcklicherweise rollte dieDampfwalze der neokonservativenUmwlzung ber uns hinweg, so wiesie es weltweit mit allen fortschrittli-chen und revolutionren Krfte getanhat. Wir haben den bitteren Ge-schmack der Niederlage kennen ge-lernt. Wir, die Guerilla, aber auch dieBewegung in ihrer Gesamtheit.Wenn man die Niederlage deutlich

    vor Augen hat, kann man sie unmg-lich leugnen. Die Gesamtheit der ak-tuellen Politiken (ihre Mglichkeitenund ihre Grenzen) sind von dieser Nie-

    derlage noch tief geprgt. Es gibt keine Gue-rilla mehr und die Bewegung ist, was sie ist.

    Es gibt jedoch verschiedene Arten, mit derNiederlage umzugehen. Einige haben allesber Bord geworfen, andere sind mehr oderweniger offen ins Kielwasser des Protestler-tums und des traditionellen Gauchismuszurckgekehrt. Noch ist kein Ende desZurckweichens und des Aufgebens in Sicht.berall gewinnt die Vorsicht die Oberhand,

    und das, obwohl zur Zeit Beherztheit not-wendig wre, um aus der Defensive in dieOffensive zu kommen. Niemand traut sich,radikale Wege auszuprobieren, um auf dieallgegenwrtige Reaktion eine passende

    Antwort zu geben, die zu einem revolu-tionren Bezugspunkt fr die am strkstenausgebeuteten und unterdrckten Schichtenwerden knnte. Niemand traut sich, hier kon-kret neue Praxis mit dem internationalen

    Antagonismus zu verknpfen, der im NahenOsten, in Lateinamerika... und in allen kom-pradisierten (Anm.: vom Imperialismus ein-gesetzte Marionettenschichten) Peripherienwieder entsteht.

    (Fortsetzung in der nchsten Ausgabe)

    Bericht vom Kongress in Berlin zum

    18. Mrz Internationaler Tag der

    politischen Gefangenen

    Wer sich seinerGefangenen nicht

    annimmt, kann sichseiner Zukunft nichtannehmen

    Am 18. Mrz 2007 wurde im BerlinerStadtteil Kreuzberg im Statthaus Bckler-park ein internationaler Kongress vomNetzwerk Freiheit fr alle politischen Ge-fangenen und der Roten Hilfe Interna-tional veranstaltet.

    Der 18. Mrz, der bis 1922 als Tag der Pa-riser Kommune begangen wurde und 1922

    von der Kommunistischen Internationalenauf dem IV. Weltkongress als Internationa-

    ler Tag der politischen Gefangenen ver-kndet wurde, war der Anlass, sich dieserTradition anzunehmen und in der gegen-wrtigen Zeit auf die Notwendigkeit der na-tionalen und internationalen Organisierunghinzuweisen. In diesem Sinne erklrten dieSprecherInnen des Netzwerkes Freiheit fralle politischen Gefangenen auf dem Kon-gress die Beweggrnde fr die Veranstaltungund begrten die rund 300 BesucherInnen

    des Kongresses. In der kurzen Einleitungs-rede wurde darauf hingewiesen, dass dasNetzwerk am 18. Mrz 2006 auf der Inter-nationalistischen Konferenz in Berlin ge-grndet wurde und sich zum Ziel gesetzt ha-be, die Anti-Repressionsarbeit und die Soli-darittsarbeit mit den politischen Gefange-nen zu strken. ()

    Im ersten Teil des dreiteiligen Kongresseswurde die erste Rede von der CCCPSRI [Ge-nossinnen und Genossen fr den Aufbau derRoten Hilfe in Italien] gehalten, in der berdie Repressionswelle in Italien am 12. Fe-bruar 2007 berichtet wurde und erzhlt wur-

    de, dass die Verhafteten grtenteils in Fa-briken gearbeitet htten und in den Sozia-len Zentren aktiv waren. Die CCCPSRI, dieebenfalls auf die Staatsrepression einging,erklrte, dass sie die politischen Gefangenenpraktisch untersttzen wrde und dass siemit der Roten Hilfe International zusam-menarbeiten wrde.

    () [Danach] berichtete die in Athen an-sssige Journalistin Heike Schrader ber diepolitischen Prozesse gegen Gefangene ausder Revolutionren Organisation 17. No-

    vember und ging auf die Staatsrepressionin Griechenland ein. Schrader, die ebenfallsauf die Haftbedingungen der 17N Gefange-nen aufmerksam machte, erklrte im An-schluss an ihre Rede, wie die Gefangenenuntersttzt werden knnen.Als dritter Redner des ersten Blocks un-

    terstrich ein palstinensischer Genosse mitZahlen und Fakten die Situation in den is-raelischen Gefngnissen und machte auf dieber 9.000 politischen Gefangenen auf-merksam. Er erklrte, dass sich unter diesenGefangenen auch welche aus anderen Ln-dern des Nahen Ostens befinden wrden.

    Anschlieend verdeutlichte er mit weiterenZahlen die Situation des palstinensischen

    Volkes und schlug anhand des 18. April, demSolidarittstag mit den palstinensischenGefangenen, vor, wie die palstinensischenGefangenen untersttzt werden knnen.

    Im Anschluss sprachen Vertreter der bas-kischen Jugendorganisation SEGI ber dieRepression in Spanien und erklrten, dassSEGI vor zwei Wochen auf die Terrorlistegesetzt worden sei. Die Vertreter von SEGI,die sagten, dass ihre Organisation auf dieTerrorliste gesetzt wurde, weil sie einenKampf fr Unabhngigkeit und Sozialismusfhrten, sich rund 300 Jugendliche BaskIn-

    nen in Gefngnissen seien, stellten die Per-spektiven und Strategien der Organisationvor.

    Am Ende des ersten Teils wurde eine Er-klrung hinsichtlich des in der Slowakei ein-

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    sitzenden Mario Bango verlesen und einAufruf zur Prozessbeobachtungsdelegationin die Trkei wegen der im letzten Septem-ber in der Trkei Verhafteten verlesen. ()

    Der zweite Teil des Kongresses begann mitder Rede eines Schweizer Vertreters der Ro-ten Hilfe International. Die Organisation, diealljhrlich eine Arbeitskonferenz in Baseldurchfhrt und damit die Organisierung derInternationalen Roten Hilfe beabsichtigt, be-

    richtete ber die Ergebnisse der letzten Kon-ferenz in Basel im November 2006. () DieRede wurde mit der Parole Solidaritt auf-bauen Kapitalismus zerschlagen beendet.

    Im Anschluss machte die Vertreterin derInternationalen Plattform gegen Isolation[IPAI) eine Rede und ging auf die weltweiteRepression anhand der Isolationspolitik inihren verschiedenen Formen ein. Sie beton-te, dass zum Beispiel in Belgien die Gefan-genen aus den DHKP-C Prozessen aufgrundder Kollaboration zwischen den Staatsappa-raten der Trkei und Belgiens eingesperrtwurden und dass Belgien ebenfalls seine An-

    ti-Terror-Gesetze erweitert habe. Die IPAI-Vertreterin erwhnte ebenfalls die Verhaf-tung von Revolutionren aus der Trkei, diein der BRD gefangen sind und mit Hilfe des

    Anti-Terror-Paragrafen 129b wegen Mit-gliedschaft in der DHKP-C verurteilt werdensollen. Die IPAI-Vertreterin erklrte dassein gemeinsamer Kampf notwendig sei.

    Im dritten Beitrag berichtete der Vertreterdes Anti-G8-Bndnisses fr eine revolu-tionre Perspektive vom G8-Gipfel (sie-he Beitrag in dieser Ausgabe)

    Den letzten Beitrag des zweiten Teils lie-ferte Prof. Dr. Heinrich Fink; er ging auf dieSituation und mgliche Freilassung desRAF-Gefangenen Christian Klar ein. Fink,der bereits im Januar 2007 auf der Rosa-Lu-xemburg-Konferenz in Berlin gesprochenund eine Botschaft Klars verlesen hatte, wor-aufhin eine Medienhetze des deutschenStaates begann, erklrte dass sich dieser An-griff gegen alle richte. Fink, der im Verlaufseiner Rede stndig von Applaus begleitetwurde, fragte hinsichtlich Schleyer, der vonder RAF damals hingerichtet worden war,dass von Christian Klar eine Entschuldigungbei der hinterbliebenen Schleyer erwartetwerde und warum Schleyer sich niemals beiden Juden entschuldigt habe, die in denKZs gestorben waren.

    Nach der Rede von Fink machte das Netz-werk Freiheit fr alle politischen Gefange-nen einen Aufruf, um sich fr die Freiheitder Gefangenen aus der RAF in Bewegungzu setzen. ()

    Nach einer kurzen Pause begann der drit-te Teil mit der Rede des Istanbul TAYAD Vor-sitzenden Mehmet Gvel, der die Gre derrevolutionren Gefangenen aus der Trkeibermittelte. Mehmet Gvel berichtete,dass er sich selbst whrend des Angriffs vom

    19. Dezember 2000 im mraniye Gefngnisbefand, und versuchte zu verdeutlichen,dass es die Bndnisse gegen die Isolation ge-wesen waren, die dazu gefhrt hatten, dassder Staat einen Schritt zurck wich und der

    Todesfastenwiderstand enden konnte. Meh-met Gvel erklrte, dass man sich verbn-den msse, und unterstrich, dass auch dieErgebnisse eines solchen Kongresses dazudienen mssten, zusammenzukommen.Nach seiner Rede verlas Mehmet Gvel ei-ne Botschaft aus der Trkei von GlcanGrroglu und Behic Asci: ...Wir haben indiesen 7 Jahren sehr viel erlebt, gesehen undgelernt. Insbesondere lernten wir, uns einen

    Aufopferungsgeist anzueignen.Dieser Geist steht fr berzeugung, Liebe,Hoffnung, Vertrauen, Mut und Aufrichtig-keit. Er steht fr Willenskraft und Wrde,welche aus diesen besonderen Bedingungenhervorgingen. Wir sind berzeugt, dass die-se Wrde und die Praxis, die uns unsere 122Menschen gelehrt haben, weiterhin einNhrboden fr unser Bewusstsein und un-sere Herzen sein werden. Mit diesen Emo-tionen mchten wir Euch erneut umarmenund unsere innigsten Gre bermitteln. Mitrevolutionren, herzlichen Gren, GlcanGrroglu und Behic Asci.

    Nach der Rede des TAYAD Vorsitzenden verlas ein Todesfastenveteran eine kurzeBotschaft an den Kongress und rief zur So-lidaritt mit den Gefangenen aus der RAFauf. Er betonte, dass die Errungenschaftenin der Trkei gemeinsam ausgebaut werdenmssten und beendete seine Rede mit den

    Worten Wer sich seiner Gefangenen nichtannimmt, kann sich seiner Zukunft nicht an-nehmen. Als zweite und dritte Redner des Kon-

    gresses waren die franzsische NLPF und dieRote Hilfe Frankreich an der Reihe. Der Ver-treter der NLPF schilderte die Situation derseit 20 Jahren in Frankreich inhaftierten Ac-tion Directe Gefangenen und informierteber die Kampagnen und Aktivitten inFrankreich fr die Befreiung der Gefange-nen aus der Action Directe. Der Vertreter derRoten Hilfe Frankreich hingegen erzhlteber die Situation des seit 1982 in Frank-

    reich Gefangenen Georges Ibrahim Abdal-lah und unterstrich, dass er weiterhin nichtfreigelassen werde, weil er keine Reue zei-ge.

    Jrgen Heiser, der ber die Situation vonMumia Abu-Jamal berichten wollte, welchersich in den USA in der Todeszelle befindet,konnte sich am Kongress nicht beteiligen,wodurch eine Erklrung von Jrgen Heiser

    verlesen wurde. Im Anschluss sprach ein

    Vertreter der Gruppe Freiheit fr Mumia berdie rechtliche Situation des Falles Mumiaund klrte ber die geplanten Aktionen und

    Aktivitten auf. Danach verlas das NetzwerkFreiheit fr alle politischen Gefangenen ei-nen Aufruf hinsichtlich Mumia Abu-Jamalund erklrte, dass es nun wichtig sei, einestarke Einheit aufzubauen.

    Gegen Ende des Kongresses wurde die vondem Netzwerk Freiheit fr alle politischenGefangenen und der Roten Hilfe Internatio-nal angefertigte Schlussdeklaration verle-sen, welche von den TeilnehmerInnen desKongresses akzeptiert wurde.

    Der Kongress, auf dem aufgrund der ak-tuellen Hetzkampagne in der BRD ein Foto-grafierverbot bestand, endete mit einer Ge-denkminute fr die Gefallenen der Revolu-tion.

    Netzwerk Freiheit fr alle politischen Ge-fangenen )Aus Platzgrnden gekrzt)

    Redebeitragdes Anti-G8-Bndnisses fr eine re-

    volutionre Perspektive auf der In-

    ternationalen KonferenzWir haben uns als Aktionsbndnis zusam-mengeschlossen, um gemeinsam auf anti-imperialistischer, internationalistischer undklassenkmpferisch-antikapitalistischerGrundlage gegen die G8 Anfang Juni in Ro-stock-Heiligendamm zu mobilisieren.

    Ausgesperrt - eingesperrt. Hier in Heiligendamm sperrt der Zaun die Kritiker aus, an-derswo ein.

  • 8/6/2019 Gefangenen Info #323

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    Neben der Beteiligung an den Aktionen amantimilitaristischen Aktionstag gegen den

    von der NATO genutzten Flughafen in Ro-stock-Laage wird es auch Blockadeaktionenund Internationale Camps mit einem Stern-marsch nach Heiligendamm geben. DasBndnis mobilisiert vor allem zum zentralen

    Aktionstag, zur Internationalen Grode-monstration am 2. Juni in Rostock. Dort solles auf der Demoroute in der Innenstadt ab

    Hauptbahnhof einen groen internationali-stischen und antikapitalistischen Block ge-ben. Fr eine internationalistische Mobili-sierung ist das Bndnis unter anderem imGesprch mit den GenossInnen des Antiim-perialistischen Netzwerks im EuropischenSozialform, wo z.B. trkische, baskische oderkolumbianische Gruppen sowie Gruppen ausweiteren Lndern vernetzt sind, oder mit Ge-nossInnen, deren Organisationen diese Kon-ferenz hier organisieren.Wie aus anderen Lndern bekannt, strt es

    die Herrschenden mchtig, wenn die Linkean einem Strang zieht und anlsslich von

    Gipfeltreffen der Herrschenden Zehntausen-de Menschen gegen die neoliberale Globali-sierung mobilisiert. Die Herrschenden igelnsich bereits jetzt ein. Sie haben nicht nur dieRote Zone um den Tagungsort an der Ostseebis knapp vor Rostock erweitert und eine G8-Sondereinheit die sog. Kavala als zu-stndiges Polizei- und Sicherheitsorgan inZusammenarbeit mit Interpol eingerichtet.

    Auch die Repression im Vorfeld wird vorbe-reitet.

    So lancierte BundesinnenministerSchuble von der CDU mit Blick auf den G8-Gipfel in Deutschland, man msse bei G8nicht nur den islamistischen Terror berck-sichtigen, sondern auch den der so genann-ten Linksextremen. Schuble behauptete ineinem Artikel in der Springer-Zeitung Die

    Welt vom 14. Januar in einem Interview mitder berschrift grenzenlose Polizeiarbeit:dass sich der so genannte Linksextremismusim Vorfeld der G8 sogar mit der spanischenETA oder der kolumbianischen FARC ver-netzen wrde, um nach Rostock zu mobili-sieren.

    Diese Behauptungen zielen einzig und al-lein darauf, die internationale Solidarittzum Beispiel bei der Arbeit fr die Freiheitder Gefangenen zu kriminalisieren. Es istauerdem der Versuch, den bereits einge-fhrten Paragraph 129b auch praktisch um-zusetzen.

    Das luft wie bei Christian Klar, Gefange-ner aus der RAF, dessen Rede von der Rosa-Luxemburg-Konferenz analysiert wurde.Daraus wurde herausgelesen, dass Christianweiterhin konsequent gegen die kapitalisti-sche Globalisierung eintritt und somit nichtaus der Haft entlassen werden knne.

    In der Pressemeldung von United Press In-ternational vom 5. Mrz, in der Aussagen des

    Verfassungsschutz-Chefs Fromm verwendetwerden, entstand daraus die Behauptung, und jetzt ins Deutsch bersetzte Zitate dar-aus - dass Deutschlands bekannteste anti-kapitalistische Terrorgruppe, die Rote Armee

    Fraktion, sich zwar vor sieben Jahren auf-gelst hat, dass aber Beobachter davor war-nen wrden, dass Reststrukturen der RAFauf den Plan treten knnten, um militante

    Aktionen whrend des G8 Gipfels zu pla-nen.

    Und genauso systematisch (systema-tisch in Anfhrungsstrichen) werden die

    Aufrufe der Anti-G8-Mobilisierung ausge-wertet. Auch hier kam heraus, dass zum Bei-

    spiel das Bndnis fr eine revolutionre Per-spektive fr eine berwindung des Imperia-lismus und Kapitalismus eintritt. Da hat wohl

    jemand von der teuer bezahlten Sonderein-heit Kavala die Aufrufe auch grndlich ge-lesen.Wir knnen diese Analyse nur besttigen,

    auch wir treten konsequent fr diese Zieleein: berwindung des kapitalistischen Sy-stems und fr internationale Solidaritt ge-gen die neoliberale Globalisierung.Welche Stilblten die Kaffeesatzleserei des

    Sicherheitsapparates derzeit treibt, zeigtesich unter anderem bereits im Vorfeld der

    Anti-WEF-Mobilisierung von Davos und derAnti-NATO-Mobilisierung von Mnchen. InMnchen wurden Wohnungen, linke Pro-

    jekte und Druckereien durchsucht sowieComputer beschlagnahmt. Wegen einesBlockadeaufrufes gegen den G8. In diesem

    Aufruf wird fr eine vielfltige Blockade-kultur pldiert, also auch Sitzblockaden.

    Welche Gefahrenanalyse den Worten BlockG8 zugrunde liegt, darber knnen wirnicht ernsthaft spekulieren.

    Ein weiteres Beispiel fr die Versuche der Vorfeld-Repression war zum Beispiel diekurzfristige Sperrung eines Spendenkontoseines weiteren internationalistischen Anti-G8-Bndnisses. Oder zum Beispiel dieDurchsuchung und Personalienkontrolle vonCamp-AktivistInnen, die eine Grundstcks-besichtigung machten. Und dies, obwohl sichdie Camp-AktivistInnen in direkten Ver-handlungen mit den Behrden bezie-hungsweise mit der Kavala befinden - frdie Einrichtung von Camps und somitSchlafmglichkeiten fr die zu erwartendenDemonstranten und Demonstrantinnen.

    Klar ist hier, es geht nicht um ihre wirrenSprach-Analysen von Aufrufen, sondern derSicherheitsapperat bastelt sich willkrlichseine zusammenkonstruierten Anlsse, umdie Linke hier bereits im Vorfeld zu krimina-lisieren und einzuschchtern.

    Einige Sicherheitsgesetze in der RegionMecklenburg-Vorpommern, wo der G8-Gip-fel stattfinden wird, wurden schon vor einpaar Monaten verschrft. Neue Sicherheits-Technik fr die ansonsten wirtschaftsarmeRegion wurde angeschafft, wie z.B. Auf-zeichnungsgerte, welche Autokennzeichenund Gesichter systematisch auswerten kn-nen.

    Ein kilometerlanger Sicherheitszaun weit

    um den Tagungsort herum wurde bereits auf-gestellt. Und die Sondereinheit Kavala hatein komplettes Medienzentrum aufgebaut, indem Tausende Internetseiten, Aufrufe, Zei-tungsartikel und natrlich Personendaten

    gespeichert und ausgewertet werden. Vonhier aus werden die Medien im Vorfeld ge-fttert und manipuliert.

    Bereits im Vorfeld der Anti-G8-Protestelaufen hier in der BRD Aktionswochen undGipfelproteste in den umliegenden Gro-stdten.

    Hier in Berlin ist nchste Woche eine Gro-demonstration gegen den EU-Gipfel, und am1. Mai wird es in Berlin-Kreuzberg anlss-

    lich des 20. Jahrestags des Kreuzberger Auf-stands von 1987 wie auch in anderen Std-ten grere Revolutionre 1. Mai Demon-strationen geben, die sich in diesem Jahrauch als Bestandteil der Anti-G8-Mobilisie-rung begreifen.

    Und in Hamburg am 28. Mai, wo es einenEU-/ASEAN-Gipfel gibt, oder in Potsdam(das liegt in der Nhe von Berlin), wo die US-

    Auenministerin Condolezza Rice und ihreKollegen der anderen G8-Staaten am 30. Maiim Schloss Cecilienhof residieren werden,formiert sich der Protest.

    Bei der Anti-G8-Mobilisierung drfen wir

    die Gefangenen nicht vergessen, die schonlange wegen ihres Kampfes gegen die neoli-berale Globalisierung in den Knsten sitzen,aber auch nicht die Gefangenen, die in denTodestrakten der USA sitzen oder im Zugeder weltweiten Kriege der USA mit Hilfe derEU-Staaten z.B. in Guantanamo interniertsind.

    Daher rufen wir alle auf, gemeinsam eineinternationalistische und antikapitalistischeMobilisierung gegen die G8 voranzutreibenund in Rostock mit dem Internationalisti-schen Block ein deutliches Zeichen der In-ternationalen Solidaritt zu setzen.In diesem Sinne!Freiheit fr alle politischen Gefangenenweltweit!Hoch die Internationale Solidaritt!

    Anti-G8-Bndnis fr eine revolutionrePerspektive

  • 8/6/2019 Gefangenen Info #323

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    Kurdische Politikerin Sakine Cansiz in

    Hamburg festgenommen

    Trkei begehrtAuslieferungDie Versuche der trkischen Strafverfol-gungsbehrden, mit Hilfe des internationa-len Haftbefehls die Auslieferung von poli-tisch Verfolgten aus Deutschland in die Tr-kei Haftzum Zweck der Strafverfolgung zuerreichen, reien nicht ab. So wurden am

    Abend des 19. Mrz die kurdische PolitikerinSakine Cansiz und ihre Begleiter von einem15-kpfigen Polizeiaufgebot in einem por-tugiesischen Caf in Hamburg festgenommenund in Handschellen abgefhrt. Die aus Der-sim (trkisch: Tunceli) stammende Kurdinwar aufgrund ihres Engagements fr die kur-dischen Interessen in der Schreckenszeit nachdem Militrputsch 1980 fr 12 Jahre in tr-kischer Haft, aus der sie 1991 entlassen wur-de.

    1998 erhielt sie politisches Asyl in Frank-reich.

    Gegen Sakine Cansiz besteht laut Haftbe-fehl des Staatssicherheitsgerichts in Malatya

    vom September 2002 der Verdacht der Zu-gehrigkeit zu einer terroristischen Organi-sation, was nach trkischem Recht mit ei-nem Hchststrafma von 22 Jahren und 6Monaten Freiheitsstrafe bedroht wird. Sie sollals Hauptverantwortliche des KADEK bzw.der PKK im Jahre 1993 an einer Guerillaaus-bildung teilgenommen haben, ein Jahr sp-ter im Lager Mahsum Korkmaz in Syrien ttiggewesen sein sowie 1998 drei Monate langdort Aktivistinnen ausgebildet haben. Fernersei sie Mitglied des PKK-Zentralkomitees undder Frauenliga Kurdistans gewesen.

    Nach Auffassung des Hanseatischen Ober-

    landesgerichts, das auf Ersuchen der trki-schen Justizbehrden den Haftbefehl gegenSakine Cansiz ausgestellt hat, handelt es sichin ihrem Fall um eine auslieferungsfhigeStraftat, womit die Auslieferung der Ver-

    folgten grundstzlich zulssig sei. Dies

    auch, weil die PKK in der BundesrepublikDeutschland und ihre Untersttzung straf-bar ist.

    Bisher haben in allen uns bekannt gewor-denen Fllen die Senate von Oberlandesge-richten die Auslieferung von politisch Ver-folgten in die Trkei wegen eines bestehen-den Ausliefe-rungshindernis-ses fr unzulssigerklrt. In der Re-gel gebe es be-achtliche Bewei-sanzeichen dafr,dass im Falle der

    Auslieferung sol-chen Personenpolitische Verfol-gung drohe bishin zu Misshand-lung oder Folterbei zu erwarten-den Ermittlungs-manahmen. Indem der von derTrkei eingeleite-ten Reformpro-

    zess seien eherRck- als Fortschritte festzustellen, so dassnach wie vor von einer Gefhrdungslage beieiner Auslieferung ausgegangen werdenmsse. Auerdem gengten die von den tr-kischen Behrden vorgelegten Unterlagenhinsichtlich der behaupteten Tatzeit, des Tat-ortes oder der Tathandlung in keiner Weisedem europischen Rechtsstandard.Azad verurteilt das Vorgehen der trki-

    schen Strafverfolgungsbehrden aufsSchrfste und appelliert an das zustndigeHanseatische Oberlandesgericht in Hamburg,eine kritische Haltung hinsichtlich der Fol-

    gen einer mglichen Auslieferung in die Tr-kei einzunehmen und das vorliegende Ersu-chen der trkischen Justizbehrden fr un-zulssig zu erklren und den Haftbefehl ge-gen Sakine Cansiz aufzuheben. (Azadi)

    Freiheit frMustafa Atalay!

    Am 31. Mrz fand eine Kundgebung frMustafa statt, die getragen wurde vonTayad, dem Netzwerk Freiheit fr alle po-litischen Gefangenen, und von der Orts-gruppe Hannover der Roten Hilfe unter-

    sttzt wurde.ber 30 berwiegend trkische Men-schen waren aus Berlin, Hamburg und Han-nover gekommen.Am 15. November 2006 veranlasste die

    Bundesanwaltschaft die Festnahme vonMustafa Atalay whrend seiner Behand-lung im Rehabilitationszentrum in Bad Be-

    vensen. Festgenommen wurden 3 weitereMnner. Vorgeworfen wird ihnen Mit-gliedschaft in einer auslndischen terrori-stischen Vereinigung ( 129a und des 129b). Die Verhaftungen basieren auf Aus-sagen eines Polizeispitzels. Am 28. No-

    vember wurden in gleichem Zusammen-hang in verschiedenen Stdten 59 Woh-nungen, Bros und Vereine durchsucht. Wirberichten in der Ausgabe 319 darber.

    Mustafa Atalay, ein linker Journalist, warwegen seiner Gesinnung fast 20 Jahre imGefngnis weggesperrt. Er wurde whrend

    dieser Zeit unzhlige Male gefoltert und lei-det heute aufgrund dieser Folter an ernst-haften gesundheitlichen Problemen wie ei-ner kaputten Wirbelsule und posttrauma-tischen Strungen. Aufgrund seines Kamp-fes fr Demokratie war er am 12. Septem-ber 1980 whrend des Militrputsches derNato in der Trkei verhaftet worden.

    In der Bundesrepublik Deutschland warMustafa Atalay polizeilich gemeldet undunter anderem wegen Aufenthaltsangele-genheiten den zustndigen mtern wohl-bekannt. Er hatte einen festen Wohnsitz

    und aufgrund seines Gesundheitszustandeswar er immer wieder in Behandlung.Mustafa Atalay ist 50 Jahre alt, er befand

    sich wegen einer schwierigen Bypassope-ration im Krankenhaus. Etwa zwei Wochen

    Demonstration fr die Freilassung von Sakine Cansiz am 31.3. in Hamburg (Bild: B.W.)

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    nach seiner Operation, noch in der not-wendigen Rehabilitations- und Behand-lungszeit, wurde er von Beamten des Bun-deskriminalamt verhaftet.

    Nach seiner Verhaftung wurde MustafaAtalay in eine Einzelzelle der JVA Hanno-ver gesperrt und befindet sich auf der Si-cherheitsstation in Isolationshaft. Er hatfolglich keinen Kontakt zu anderen Gefan-genen. Verstndigen kann sich nur auf Tr-

    kisch und in gebrochenen Englisch.Der erste Besuch ist erst nach zwei Mo-naten genehmigt worden, und er hatte bis-her insgesamt nur zwei innerhalb von 5Monaten. Weitere Antrge bleiben entwe-der unbearbeitet, werden auf die lange Bankgeschoben oder verboten. Die Besuchemssen mit dem BKA abgesprochen wer-den und finden mit Trennscheibe und un-ter polizeilicher berwachung statt.

    Zensur: Gewisse linke trkische Zeit-schriften erhlt er nicht, obwohl sie in derBundesrepublik und selbst in der Trkei er-laubt sind.

    Morgens um 6 Uhr wird er zum Einzel-hofgang gezwungen, den er aber wegen sei-nes angegriffenen Gesundheitszustandesnicht wahrnehmen kann.

    Selbst die medizinische Abteilung derAnstalt befrwortet auf Grund eines Gut-achtens wegen posttraumatischen Strun-gen die Verlegung Mustafas entweder in die

    Anti-Foltereinrichtung in Berlin oder in dasZentralkrankenhaus der Untersuchungs-haftanstalt Hamburg.

    Die verantwortlichen Stellen lehnen diesaber ab. Deshalb fordern wir, dass Mustafaraus aus dem Gefngnis und in eine Ein-richtung kommen muss, die seine gesund-heitliche Rehabilitation garantiert.

    Mustafa muss sofort aus den Knast, umsich gesundheitlich zu rehabilitieren!

    Vorwurf des versuchten Totschlagsgegen den Antifaschisten Matthias Z.fallengelassen

    Antifaschist MatthiasZ. aus der Untersu-chungshaft entlassenHeute, am 23.3, entschied ein Richter desLandgerichts Berlin: Unser Freund und An-tifaschist Matthias Z. ist nicht lnger vorder Schwurgerichtskammer Berlin wegen

    versuchten Totschlags angeklagt und dieUntersuchungshaft wird auer Vollzug ge-setzt.

    Die zweifelhaften Aussagen zweier stadt-bekannter Neonazis und ein Foto aus ihrerAnti-Antifa-Kartei reichten dem Richternicht, um das uerst gewagte juristische

    und politische Konstrukt versuchter Tot-schlag gegen Matthias Z. noch lnger auf-rechtzuerhalten. Deshalb wurde dieser Vor-wurf nun in den der gefhrlichen Krper-

    verletzung abgeschwcht. Selbst der an-

    gebliche Tatablauf, den die Neonazis inihren zweifelhaften Aussagen den hierfrabsolut aufgeschlossenen Beamten des LKA/ Abteilung Staatsschutz geschildert hatten,gab bei unvoreingenommener juristischerBetrachtung nicht genug Anhaltspunktefr einen versuchten Totschlag her. Die

    Anwlte von Matthias gehen davon aus,dass der Prozess nicht vor dem Schwurge-richt, sondern vor dem Amtsgericht erff-

    net wird. Hierber wird die Kammer in dennchsten Tagen entscheiden. Matthias Z.sa somit bis heute 101 Tage unschuldig inUntersuchungshaft.

    Er wird von den Ermittlungsbehrdenverdchtigt, an einer Auseinandersetzungim November vergangenen Jahres mit denbeiden stadtbekannten Neonazigren Se-bastian Z. und Stefanie P. in Berlin-Lich-tenberg beteiligt gewesen zu sein, bei derbeide leicht verletzt wurden. Obwohl die

    Angreifer vermummt waren, wollen diebeiden Neonazis Matthias Stunden spterauf ihren privaten Anti-Antifa-Fotos wie-

    dererkannt haben. Nach umfangreichen Er-mittlungen und intensiver Observationwurde Matthias durch das Landeskriminal-amt Berlin am 12. Dezember 2006 verhaf-tet. Seitdem sa er in Untersuchungshaft inder berchtigten JVA-Moabit. Polizei undTeile der Berliner Justiz setzen alles an ei-ne harte Verurteilung, bei der ihm mehrereJahre Haft drohen. Obgleich es, abgesehen

    von den Aussagen der beiden Neonazis,keinerlei belastendes Material gibt, sa erseit Dezember aufgrund der angeblichenSchwere der Tat in Untersuchungshaft.Dieser skandalse Umstand war eindeutigpolitisch gewollt!

    Seit Jahren ist Lichtenberg als Hochburgder rechtsextremen Szene bundesweit be-kannt. Keine Woche vergeht ohne frem-denfeindliche bergriffe, denen unter an-derem auch einige Politiker wie der PDS-

    Abgeordnete Giyasettin Sayan zum Opferfielen. Ein Groteil dieser Straftaten wurdebisher nicht aufgeklrt, die Ermittlungen

    verliefen im Sande oder wurden einfacheingestellt.

    Um den rechten Umtrieben in Lichten-berg endlich etwas entgegenzusetzen, star-

    teten antifaschistische Initiativen in Zu-sammenarbeit mit zivilgesellschaftlichenGruppen im Herbst vergangenen Jahres dieKampagne Hol dir den Kiez zurck.Schon in dieser Zeit wurde offensichtlich,dass vor allem das LKA Berlin eher an derKriminalisierung der Kampagnenarbeit in-teressiert war als an der Aufklrung rechts-extremistischer Straftaten. In diesen Zu-sammenhang steht auch die Inhaftierung

    von Matthias. Offenbar ist es den Behrdenwichtiger, antifaschistisches Engagementzu kriminalisieren, als sich einmal intensivmit dem rechtextremistischen Problem in

    Lichtenberg auseinander zu setzen.Stefan Jakob von der UntersttzerInnen-Gruppe fr Matthias erklrt zu der Ent-scheidung: Die richterliche Entscheidungzum Fall Matthias Z. zeigt, dass Teile der

    Berliner Ermittlungsbehrden in ihrer rea-littsfernen Ermittlungswut gegen Antifa-schisten jegliches Augenma verloren hat-ten. Viele Abgeordnete sowohl auf Bun-des- wie auch Landesebene und Gewerk-schafter haben in den vergangenen Tagendiesen skandalsen Vorgang verurteilt undihre Solidaritt mit Matthias bekundet; un-ter anderem erklrte die Bundestagsabge-ordnete der PDS/Linkspartei Ulla Jelpke:

    Die Berliner Justiz setzt mit dem andau-ernden Untersuchungshaftbefehl gegenden Antifaschisten ein fatales Signal: Sieschchtert antifaschistisch und demokra-tisch engagierte Menschen ein, statt Zivil-courage gegen rechte Gewalt zu ermuti-gen.Die UntersttzerInnen-Gruppe von Mat-thias Z.

    Prozess gegen Christian und

    Leila auf 21.6. verschobenDie Berufungsverhandlung gegen Christi-an und Leila wegen Landfriedensbruch pp.in Dresden am 13. 2.2005, wurde whrendder Beweisaufnahme wieder abgebrochen.

    Aufgrund der Abwesenheit des Polizeizeu-gen Radmann und den terminlichen Eng-pssen des Gerichts (Vorsitzender Linde-mann) und der Verteidigung war es nichtmglich, weitere Verhandlungstage zur Be-fragung der anonymisierten Polizeizeugeninnerhalb der gesetzlich vorgeschriebenenFrist von drei Wochen, auszumachen. Die

    Verhandlung wird demnach am 21. Juni2007 wiederholt.

    Oury Jalloh

    Recht auf Aufklrung!Im Folgendem dokumentieren wir eine Er-klrung aller drei NebenklagevertreterIn-nen.

    Das ist eine gemeinsame Erklrung aller Ne-benklger bzw. Nebenklagevertreterinnen

    zur Anklage und zu dem nun laufenden ge-richtlichen Verfahren: Diese Erklrung istinsbesondere vor dem Hintergrund erfor-derlich, da unsere Mandanten nunmehr hier

    Vor dem Gerichtsgebude (Umbruch-Bild-archiv)

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    anwesend sind und erstmalig die Gelegen-heit haben, sich zu diesem Verfahren zuuern. Fr unsere Mandantinnen ist wei-terhin unfassbar, wie es dazu kommenkonnte, dass Oury Jalloh an allen vier Glied-maen gefesselt im Polizeigewahrsam Des-sau verbrennen konnte. Sie sind froh, dasses nun doch zu einer Hauptverhandlung ge-kommen ist, die jetzt die Chance bietet, die

    Vorgnge im Polizeigewahrsam Dessauumfassend aufzuklren. Die Anklage der

    Staatsanwaltschaft, die hier verhandeltwird, geht von der Hypothese aus, dass OuryJalloh sich selbst angezndet hat. Wir hal-ten die Anklage, wie sie hier verlesen wor-den ist, fr eine Hypothese, fr einen Ge-schehensablauf, der zwar denkbar ist, aberinsgesamt wenig plausibel, da hier eine

    Vielzahl von Unwahrscheinlichkeiten zu-sammen htten kommen mssen. Nach un-serer Auffassung ist nach wie vor ungeklrt,wie es zu dem Brandausbruch in der Zellegekommen ist. Umso mehr hoffen wir, dassin diesem Verfahren allen Prozessbeteilig-ten die Mglichkeit gegeben wird, den Ge-schehensablauf im Polizeigewahrsam voll-stndig aufzuklren, ohne sich nur auf diekonkreten Vorwrfe gegen die Angeklag-ten S. und M. zu beschrnken. Wir hoffenauch, dass insbesondere die Vertreterinnender Nebenklage seitens des Gerichts inihrem Fragerecht nicht behindert werden.

    Wir gehen davon aus, dasssowohl die ffentlichkeit alsauch unsere Mandanten dasRecht auf eine umfassende

    Aufklrung haben. Dies istim brigen auch fr die hier

    Angeklagten im Rahmen derStrafzumessung von Bedeu-tung. Die umfassende Auf-klrung wird auch ergeben,dass mglicherweise nochandere Personen fr den Tod

    von Oury Jalloh die Verant-wortung tragen. Schon diePraxis der Fixierung, wie sieim Polizeigewahrsam Des-sau bis zum heutigen Tag angewandt wird,ist menschenunwrdig und hat gezeigt,dass einem derartig gefesselten Menschen

    jede Mglichkeit genommen wird, sich ei-

    ner Notsituation selbst zu retten.Rechtsanwltin Regina GtzRechtsanwalt Ulrich von KlinggrffRechtsanwalt Felix IsenseeDessau, 27. Mrz 2007

    Urteilspruch gegenMarco CamenischDie Staatsanwaltschaft ist mit der Forde-rung nach Verwahrung nicht durchgekom-men! Drinnen und Drauen: der Kampfgeht weiter!

    Heute (13.3.) um elf Uhr fand am ObergerichtZrich der letzte Teil des Prozesses gegen Mar-co Camenisch statt. Das Aufgebot der Staats-gewalt knnte nach wie vor als leicht berdi-mensioniert bezeichnet werden. Es fanden sichetwa fnfzehn solidarische Leute ein, um denWorten des Richters zu lauschen. Anders alsgestern wurde nicht nur jede/r Einzelne gefilztund durch den Metalldetektor geschleust, zu-stzlich registrierte die Kapo gleich prventivdie Identitt aller Besucher/innen.

    Der Richter lie es sich nicht nehmen, mitdem Einsatz der Schmier zu drohen, fr denFall, dass der Pbel sich nicht ruhig verhielte.

    Darauf verkndete er das Urteil: acht JahreFreiheitsstrafe, abzglich der bis zum erstenProzess im Juni 04 dauernden U-Haft. Der Antrag auf Verwahrung wurde abgelehnt.Dann listete er die immensen Summen auf, dieMarco als Genugtuung oder Gerichtskostenbezahlen muss. Zuletzt erklrte der Richter,dass auch gegen dieses Urteil Nichtigkeitsbe-schwerde - sowohl kantonal als auch beimBundesgericht - erhoben werden kann.

    bersetzt und umgerechnet heit das, dassMarco sptestens 2018 rausgelassen werdenmuss. Frhester Entlassungstermin ist 2012,falls sie ihm einen Drittel der Strafe bedingterlassen. das Urteil bedeutet vor allem auch,dass der verbissene Hardliner und Staatsan-walt Ulrich wieder auf der ganzen Linie ver-loren hat! Wenn ihn sein Boss nicht zurck-pfeift, muss vielleicht damit gerechnet wer-den, dass er die erneute Niederlage nicht ver-kraftet und das Urteil weiterzieht.

    Es folgte eine kurze und uerst technischeBegrndung des Urteils durch den Richter, beider einen das Gefhl beschlich, dass es sichbei der ,Rechtsfindung um eine Art geheime

    Zauberkunst oder Bibelauslegung handelt. soscheint beispielsweise das neue Strafgesetz-buch so einige neue Probleme geschaffen zuhaben, die erst an ein paar Angeklagten gete-stet und von verschiedenen weisen Gelehrten

    verschieden interpretiert werden. Immerhinwurde deutlich, dass das Gericht die Verwah-rung in diesem Fall fr unverhltnismig undmenschenrechtswidrig hlt und die Argu-mente von Marcos Anwalt praktisch 1:1 ber-nahm.Auch wenn der Angriff wieder erfolglos

    war, gibt es kaum Grund zu feiern: wenn Mar-co die gesamte Strafe absitzen muss, wird ermit 66 nach 28 Knastjahren raus kommen.

    Aber wer behauptet denn, Gerichte htten wasmit Gerechtigkeit zu tun? Jedes verdammteJahr im Knast ist eins zu viel! Marco muss rausund zwar sofort!Darum bleibt es dabei: Freedom andsunshine for Marco Camenisch - fr eineGesellschaft ohne KnsteFreund/innen und Untersttzer/innen vonMarco Camenisch, 13.3.07

    Italien

    Erklrung derAngehrigen undFreundInnender Verhafteten vom 12. Februar

    Die Familienangehrigen und Freunde derVerhafteten vom 12. Februar 2007 und jener,gegen die ermittelt wird, sind am 18. Februar2007 zusammengekommen, um zu begreifen,was geschehen ist und um folgende Reflek-tionen zum Ausdruck zu bringen:Wenn man die heikle politische Balance der

    Regierung, die Nhe der Demonstration in Vi-cenza gegen die Basis Dal Molin und dieschwerwiegenden Angriffe gegen die Arbei-terInnen, wie beim Streik der TFR beobachtet,ist die Chronologie, in der die polizeilichenAktion sich entwickelt hat, durch die ein Kli-ma der Angst und eines unverhltnismigenund beunruhigenden Druck geschaffen wur-de, nicht zufllig.

    Die Eile, mit der Distanz hergestellt und ein-genommene politische Positionen und dasBild der CGIL um jeden Preis vor der Gesell-schaft geschtzt wurden, hat das mediale Lyn-chen all der eingetragen Mitglieder und Dele-gierten gefrdert, die mit Ernsthaftigkeit,Kompetenz und Entschlossenheit das Rechtder ArbeiterInnen gesttzt haben. Es warhchst einfach, sie des Verrats, eines Doppel-lebens und fehlender Loyalitt zu beschuldi-gen, um die Enttuschung der ArbeiterInnenbezglich der Politik, die ihnen in keinsterWeise entspricht, weder seitens der Rechtennoch der Linken, als Unverstndnis oder man-gelndes Fassungsvermgen glaubhaft zu ma-chen. Der schwerwiegendste Angriff richtetesich gegen die Integritt unserer Shne undGenossen und gegen ihre transparente

    Kohrenz. Der Verrat war ein berra-schungsangriff auf alles, was auf dem media-len Markt leicht verletzlich ist.

    Die Radikalitt des Denkens, der Hand-lungsweise der jugendlichen Militanten hat

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    uns nicht berrascht; es wre eher selten, wenndie Jugendlichen nicht so reagieren wrden.Wir wollen unterstreichen, dass in einer aus-verkauften Gesellschaft, in der alles und dasGegenteil von allem gerechtfertigt wird, die-se Jugendlichen wenigstens den Willen haben,zu studieren, sich zu konfrontieren und fr ih-re starken Ideale Risiken einzugehen.Was uns berhrt, ist die warme Solidaritt,

    die sich trotz des Klimas von Terror und Spott

    in so vielen persnlichen Fllen und seitensKollektiven gezeigt hat. Auch das steht unterAnklage, wie es beim Anbringen von Plaka-ten an den Mauern von Milan oder der auer-ordentlichen Teilnahme an der Demonstrati-on in Vicenza hinter den gegen die Inhaftie-rungen gerichteten Transparenten geschehenist.

    Der Medienapparat und die Presse, die an-scheinend sehr viel besser informiert sind alsdie eigenen AnwltInnen der Verteidigung,haben einmal mehr die Wrde nicht nur derinhaftierten Personen, sondern auch der Fa-milien und Freunde verletzt. Die Leben, die sie

    durch ihre Verurteilungen und Kriminalisie-rungen zerstrt haben, knnen niemals ingengendem Ma entschdigt werden.

    Denjenigen, die unsere Lieben als Monsterauf die erste Seite gebracht haben, war es un-wichtig, die Tatsachen zu verifizieren oder zubegreifen, bevor sie urteilten; es hat keine Be-deutung fr sie, in der Gesellschaft die Not-wendigkeit einer Klarheit hinsichtlich derSchwere der erhobenen Anschuldigungen rei-fen zu lassen, eher das Gegenteil. Ihr Ziel istes, die Konfusion aufrecht zu halten, um Iso-lierung um die Ideen unserer Lieben herum zuerzeugen und das Gleichgewicht der Macht be-stndig zu halten.

    Nach den angestellten berlegungen habendie Familien und Freunde der Inhaftierten undderer, gegen die Ermittlungen laufen, be-schlossen, ihre Lieben gemeinsam zu unter-sttzen und eine Kette der Solidaritt zu schaf-fen, um ihnen whrend ihrer Verhaftung unddes ganzen legalen Prozesses, der ziemlichkomplex, heikel und kostspielig werden wird,zu helfen. Eine Initiative ist auch, die Hilfe-stellung bei den Problemen, die sich in dieserSituation ergeben knnen, unter den An-gehrigen auszutauschen. Wir verpflichtenuns auerdem, jenen, die sich von den Infor-mationsmedien, die entschlossen sind, jedeNotiz im Namen der bestmglichen Auflagezu manipulieren, verraten fhlen, mehr Gehrzu verschaffen.Wir beschlieen auerdem, unsere Lieben

    uns selbst zu unterhalten und uns gegenberjedem Angriff, der sich in verschiedenen Be-reichen, wie Entlassung, Gewerkschaftsaus-schluss und rachschtigen Diffamierungen inden Medien zeigen kann, zu verteidigen.Wir laden die wenigen Angehrigen, die

    nicht an unserem Treffen teilgenommen ha-ben, vielleicht weil sie nicht unterrichtet wa-

    ren oder nicht wussten, wann sie sich an wensich wenden knnen, oder weil sie vielleichtAngst hatten, Schaden zu erleiden, oder da-vor, dass ihren Lieben durch die breite Ein-schchterungskampagne der Medien Schaden

    zugefgt wird, mit uns Kontakt aufzunehmen. Aufgrund des insgesamt hier Genannten

    wurde beschlossen, die Associazione Paren-ti e Amici degli arrestati el 12/02/2007 (Ver-einigung der Angehrigen und Freunde derInhaftierten vom 12/02/2007) zu grnden, diebald eine Kontonummer fr Postberweisun-gen bekannt geben wird, fr jene, die finan-zielle Untersttzung leisten wollen. Die E-Mail-Adresse der Associazione Parenti e

    Amici degli arrestati del 12/02/2007 ist: [email protected]

    Bericht Jenin

    GewaltloserWiderstand in IsraelsGefngnissenVon Ali Samoudi

    22 Gefangene befinden sich im Hungerstreik.Sie begannen am Donnerstag mit ihrer Akti-on aus Protest gegen 4 aufeinander folgendeMonate der Isolation, nachdem eine Zeit derVerhre beendet war.

    Eine Stellungnahme zu den israelischen Ge-fngnissen sagt aus, dass die Gefngnisver-waltungen weiter die Schlinge anzieht undalle noch existierenden Rechte verletzt. DiePalstinenser sind den schwierigsten Bedin-gungen ausgeliefert, die nur weitere Verlet-zungen von Menschenrechten, speziell durchdie Isolationshaft, den Orten der Folter, mitsich bringen.

    Eine nicht geringe Zahl von politischenHftlingen hat die Zeit ihrer Verhre beendet,welcher nun eigentlich die Einlieferun