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01/2015 Kirche und Welt Die Zeitschrift der Evangelisch-methodistischen Kirche der Schweiz The United Methodist Church Forschungsgegenstand und Heimat Norbert Pailer sprach über die «Faszination Weltraum» Seite 18/19 Kann nicht heute schon Weihnachten sein? Ein Advents-Überraschungs- gottesdienst in Lyss Seite 4/ 5 Von der Kauri-Muschel zur Kreditkarte Wie Zahlungsmittel sich entwickelt haben Seite 22/23 Eine Lebensgeschichte als praktische Auslegung der Jahreslosung «Die Haltung Simins machte mir Eindruck» Seite 8/9

Kirche und Welt 1/2015

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Die Zeitschrift für Mitglieder und Freunde der EMK in der Schweiz

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Kirche und WeltDie Zeitschrift der Evangelisch-methodistischen Kirche der Schweiz

The United Methodist Church

Forschungsgegenstand und HeimatNorbert Pailer sprach über die «Faszination Weltraum»Seite 18/19

Kann nicht heute schon Weihnachten sein?Ein Advents-Überraschungs- gottesdienst in LyssSeite 4/ 5

Von der Kauri-Muschel zur KreditkarteWie Zahlungsmittel sich entwickelt haben Seite 22/23

Eine Lebensgeschichte als praktische Auslegung der Jahreslosung

«Die Haltung Simins machte mir Eindruck»Seite 8/9

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InhaltsverzeichnisEin Advents-Überraschungsgottesdienst in Lyss

Kann nicht heute schon Weihnachten sein? 4

Die Jahreslosung als Anleitung zur «Seelsorge»

Übereinander wachen in Liebe 7

Eine Lebensgeschichte als praktische Auslegung der Jahreslosung

«Simins Haltung machte mir Eindruck» 8

Doris Schnell hat sich intensiv mit der Jahrelosung beschäftigt

«Ich hatte immer schon diese Bildwelt im Kopf» 10

«Startklar» – Trainingskurs für Gemeindegründer und Leiter von Fresh Expressions

Changing Times – den Wandel verstehen 12

Projekt netV-nordost.ch gestartet

Junge Erwachsene vernetzen 13

Einen persönlichen Einblick in den Prozess der EMK Lenk

Missional im Obersimmental 14

Im Gespräch mit Pedro Palacios und Gloria Mendoza über die Arbeit in Chile

«Es ist uns wichtig, ein gutes Zeugnis abzulegen» 16

Norbert Pailer sprach in Klingenberg über die «Faszination Weltraum»

Forschungsgegenstand und Heimat 18

Pfarrfrauentagung im März im Hotel Alpina in Adelboden

«Entdecke Deine Bedürfnisse!» 21

Wie Zahlungsmittel sich entwickelt haben

Von der Kauri-Muschel zur Kreditkarte 22

Dranzubleiben lohnt sich

Die Liebe geben, die es braucht 24

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«Alle rauchen Christus»

Von Stefan Moll

Das habe ich auf einem Lastwagen der Zeltmission gelesen. Das erste Wort stört: «Alle». Wirklich alle? Und die Nichtraucher? – Müssen die auch? Natür-lich ist das Ganze ein Irrtum. Ein Witzbold hat einen Buchstaben abgekratzt. Es fehlt ein «B» bei «brau-chen». Aber brauchen alle Christus? Wirklich alle? Heute meint nur eine Minderheit, Erlösung durch Jesus Christus zu brauchen. «Glaube,» sagen viele andere, «kann man doch rauchen. Kein Bedarf». Der Dirigent Benjamin Zander stellt eine ähnliche Frage: «Brauchen eigentlich alle Menschen klassi-sche Musik?» Er antwortet: «Natürlich!» Dann macht er es vor: Da ist eine Melodie voller Wehmut. In einigen Takten klingt die Einsamkeit an. Mit ab-gründiger Trauer fühle ich mich gut aufgehoben. Meine ganz Person kommt in den Melodien vor. Wo berge ich mich? Wo sind meine Gefühle und Ängste, meine Suche, meine felsenfesten Überzeu-gungen, meine Fragen, mein inneres Zittern und mein ganze Glück wirklich geborgen? Wo bin ich gut aufgehoben? Jesus Christus verkörpert die Melodie des Le-bens. In seinem Lied der Liebe können wir uns sel-ber neu hören und uns in Ewigkeit darin bergen – bis wir es mitsummen. Vielleicht können wir darum auch besser von Erlösung und Heil reden, wenn wir davon singen, musizieren oder tanzen.

EditorialLiebe Leserin, lieber Leser

«Annahme verweigert» – kennen Sie das? Nein, ich meine nicht, dass ein Brief wieder zu Ihnen zurückkommt. Ich meine diese Erfahrung mit anderen Menschen: so, wie ich bin, habe ich da keinen Platz. Eine schmerzliche Erfahrung! Die Jahreslosung 2015 ermutigt, anzunehmen – den anderen in seiner Eigenart, die andere mit ihrer abweichenden Meinung. Sie und ihn annehmen und so das weitergeben, was ich selbst erfahren habe. Wie das aussehen kann, zeigt das Beispiel von Simin, das Rahel Arn erzählt. Und Doris Schnell erzählt, wie die Jahreslosung an ihr zu arbeiten begann, während sie an der Grafik zur Jahreslosung arbeitete. Wer staunend eine Ahnung erhalten hat, wie komplex das Weltall ist – und wie haargenau sich alles zusammenfügt, kann mit guten Gründen annehmen, dass bei der Entstehung des Alls Gott die Hand im Spiel hatte, meinte Norbert Pailer in sei-nem spannenden Vortrag in Klingenberg. Wo Anita Streit in Chile dran bleiben will, weil sie annimmt, dass Gott sie hier etwas lehren will, lesen Sie auf der letzten Seite dieser Ausgabe.

Ich wünsche Ihnen ein gesegnetes Jahr 2015, in dem Sie erfahren, wie sie von Gott und Menschen angenommen sind.

Sigmar FriedrichRedaktor

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UMSCHAU

Ein Advents-Überraschungsgottesdienst in Lyss

Kann nicht heute schon Weihnachten sein?Von Margret Läderach

Es ist Sonntag, der 2. Advent. Beim Eintritt in die EMK-Kapelle in der Lysser Rosengasse staunt man. Irgendwie ist die Stuhlordnung durcheinandergeraten. In der Mitte ein Stern aus Bambusstäben, ge-schmückt mit Tannenzweigen und nur wenig weihnachtlichem Schmuck. Im Raum verteilt kleine Bistrotische mit Weihnachtsgebäck und Kerzen.

Das Gebäck ist nicht als Schmuck ge-dacht. Es wird den ankommenden Gäs-ten als herzlicher Willkommensgruss mit einem warmen Teepunsch zum Verzehr angeboten. Dabei wird geplau-dert. Die Gäste sind gespannt, welche Überraschungen auf sie warten. Na-talja aus Estland mit ihrer kleinen Tochter ist neugierig, findet das Ganze sehr ungewöhnlich. Ihrer Mutter, die aus Nataljas Heimatland zu Besuch ist, gefällt vor allem die Einfachheit, die sich so stark von dem pompösen Kir-chenschmuck in ihrem Land unter-scheidet.

Nur keine Hektik«Überraschungschile isch hüt», das von Claudia Frutiger kreierte Lied lädt die Gäste ein, den Gottesdienst zusam-men mit dem Musikteam fröhlich zu beginnen: «Zäme lache, zäme singe, zäme spiele» heisst das Motto. Und «Gott isch da hie bi üs, er het üs gärn». Auch Babsi (die Puppe von Pfarrer Serge Frutiger) ist da, sollte es auf je-den Fall sein. Sie lässt uns warten, lässt sich von der vorweihnachtlichen Hektik nicht stressen. Als sie endlich aufkreuzt, besteht sie darauf, dass schon Weihnachten ist. Schliesslich hat sie schon alle Päckchen vom Ad-ventskalender ausgepackt, und darum muss doch heute Weihnachten sein.

Babsi lässt sich nicht stressen

Jeden Tag WeihnachtenAuch wenn noch nicht Weihnachten ist, erhält Babsi ein Geschenk, ein Licht. Sie reklamiert, findet das etwas «knauserig». Darum wird Babsi die Botschaft vom Licht der Welt erklärt,

das durch Jesu Geburt in die Welt ge-kommen ist. Sie will nicht recht glau-ben, dass so ein altes Licht noch leuch-ten kann. Aber das Licht, das hier gemeint ist, kann Babsi und können wir nicht sehen. Es ist unsichtbar. Es ist nur fühlbar und muss von uns wei-tergetragen werden. Babsi fragt: «Kann nicht ausnahmsweise heute schon Weihnachten sein?» Sie hat et-was erkannt: Weihnachten kann jeden Tag sein.

Kann so ein altes Licht noch leuchten?

Die Adventsgemeinde stimmt ein Lied an, in dem dieser Gedanke vom Aus-leben und Weitergeben wunderschön ausgedrückt wird. «Chum, mir wei es Liecht azünde, dass es hell wird i dr Nacht. Die, wo truurig si, söll’s tröschte und ne sage: I bi da»

Basteln, kochen, malenImmer wieder werden Lieder ange-stimmt, alle machen mit, klatschen, springen und bringen so ihre vorweih-

Überraschend: Alles, ausser gewöhnlich war der etwas andere Gottesdienst am 2. Advent in Lyss.

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nachtliche Freude zum Ausdruck. Ge-lacht und gesungen wird. Jetzt fehlt nur noch das «Spielen»: basteln, ko-chen und malen kann man als Spiel betrachten. Und das können die Gäste an verschiedenen Stationen: Ein Küchenteam bereitet das Mit-tagessen vor. Wer Lust hat, kann dort helfen. An einem langen Tisch wird vor allem Gemüse geputzt, geschnit-ten, verkleinert und zum Teil in Stern-chen verwandelt, Servela auf Spiesse gesteckt. An einem anderen Tisch sind fleissige Hände dabei, Kerzen zu ver-zieren. Adventsgestecke werden ge-bastelt, kunstvoller Weihnachts-schmuck aus Papierstreifen, Salzteig und Filz entsteht. Auf einem Teppich vor der Kanzel zeigen die Kleinsten, wie gut sie mit Farbstiften umgehen können.

Nachhaltige ErgebnisseAuch an diejenigen, die einfach nur die Stille suchen, ist gedacht worden: In einem Raum im oberen Stockwerk können sie eine Kerze mit einem stil-len Gebet für jemanden oder für sich selbst anzünden. In einem anderen

DIE KIRCHE MIT DEM «Ü»

«Überraschungskirche» ist ein lebendiges und kreati-ves Gottesdienst-Format, um neue Menschen mit Gott und der Gemeinde in Berührungen zu bringen. Der Got-tesdienst zum 2. Advent war der zweite dieser Art in der EMK Lyss.

Raum können sie still oder hörbar mit Gott sprechen oder sich von Serge Frutiger segnen lassen. Alles, was hier entstanden ist, ist nachhaltig. Das gerüs-tete Gemüse und die Servelas-Spiesse werden zum Mittag-essen nach dem Gottesdienst verspeist. Kerzen und Weih-nachtsschmuck schmücken den vorher so kahl aussehenden grossen Bambusstern. Die Zeichnungen der Kleinen wer-den wohl ihr Zuhause verschönern. Das Gebet, die brennende Kerze im Gedanken an andere und der Segen sind wohl das nachhaltigste Ergebnis die-ses wirklich überraschenden Gottesdienstes.

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KURZ NOTIERT

Agenda

SAMSTAG, 17. JANUAR

Einfluss der Naturwissenschaften auf das theologische DenkenArbeitskreis «Naturwissenschaft und Glaube»Würzburg14.30–17.00 UhrInfos/Anmeldung: www.emk-naturwissenschaften.de

SAMSTAG, 24. JANUAR

Kommt, es ist alles bereit!Mitarbeitertagung NordwestschweizBasel, Kleinbasel Infos/Anmeldung: Sonja Bitterli, 062 296 55 04, [email protected]

SAMSTAG, 24. JANUAR

Dynamo – Theologie für die GemeindepraxisBibelkunde Altes TestamentEMK Zürich 49.00–12.30 UhrInfos / Anmeldung: Fachstelle Bildung+Beratung, 044 299 30 87, [email protected]

SAMSTAG 31. JANUAR

ufgwecktMitarbeitertagung Berner DistriktEMK Bern10.00–16.00 UhrInfos / Anmeldung: Käthi Hiltbrand, 033 783 16 28, [email protected]

MO.– SA. 9.–14. FEBRUAR

Malkurs Acryl-Technik und CollagenHotel Artos, InterlakenKosten: ab CHF 872.– Infos / Anmeldung: Hotel Artos Interlaken, 033 828 88 44, www.artos.ch

FR.–SO., 13.–15. FEBRUAR

erfüllt sein – leer seinMeditatives MalenHotel Artos, InterlakenKosten: ab CHF 344.–Infos / Anmeldung: Hotel Artos Interlaken, 033 828 88 44, www.artos.ch

Ist Ihre Ehe auf Kurs?Ein neues Angebot unter dem Dach von Bildung+Beratung ermöglicht Ehepaaren, bei einem Segeltörn nicht nur mit dem Schiff, sondern auch in ihrer Beziehung ganz auf Kurs zu sein. Auf der Homepage www.ehe-auf-kurs.ch sind die Reisedaten für das Frühjahr 2015 und neu auch für Herbst 2015 aufgeschaltet. Mehr Informationen erhal-ten Sie auf der Homepage, direkt bei Gisbert Dörr ([email protected]) oder im Artikel in Kirche und Welt 11.2014 auf S.23 (issuu.com/emk_schweiz).

Bereit für staatliche AnerkennungAn der ausserordentlichen Sitzung des Verwaltungsrates der Theolo-gischen Hochschule in Reutlingen vom 29. November 2014 wurden die Grundlagen für eine unbefristete staatliche Anerkennung der Hochschule festgelegt und verabschiedet. Eine Arbeitsgruppe unter der Leitung des Vorsitzenden des Verwaltungsrates, Markus Bach, hatte zuvor die notwendigen Strukturanpassungen erarbeitet. Damit die Anbindung an die EMK gewahrt bleibt, wurde eine Findungskom-mission eingesetzt, die für die Nominationen von Hochschulrats-Mit-gliedern verantwortlich ist. Bereits gewählt wurden: Dr. Klaus Bra-tengeier und die Superintendenten Uwe Onnen, Stephan Ringeis und Siegfried Reissing. Die Mitglieder aus der Jährlichen Konferenz Schweiz-Frankreich-Nordafrika und Österreich sind noch ausstehend.

Quelle: EMK-News

Claudia Haslebacher als Vizepräsidentin gewähltAnfang November wählte die Abgeordnetenversammlung des Schwei-zerischen Evangelischen Kirchenbundes (SEK) Claudia Haslebacher, Distriktsvorsteherin des Berner Distrikts, als eine ihrer beiden neuen Vizepräsidentinnen. Die Zürcherin Annelies Hegnauer, Kommunika-tionsfachfrau des Hilfswerks der Evangelischen Kirchen Schweiz (HEKS), wurde nebst Claudia Haslebacher ebenfalls zur Vizepräsi-dentin gewählt.

Quelle: www.sek.ch / EMK-News

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BISCHOFSBÜRO

Patrick Streiff: Wichtig sind Angebote, in denen wir ehrlich über Glaubenserfahrungen austauschen.

Die Jahreslosung als Anleitung zur «Seelsorge»

Übereinander wachen in LiebeVon Bischof Patrick Streiff

Erinnern Sie sich an den wesleyani-schen Dreischritt der Liebe? An die Bedeutung guter Gemeinschaft, be-sonders in kleineren Gemeinden? Das Gebot der Nächstenliebe steht dabei im Mittelpunkt. Das passt aus-gezeichnet zur Jahreslosung. Da geht es um den dritten Schritt, um prakti-zierte Nächstenliebe.

Kürzlich las ich ein interessantes Buch*, das diesen dritten Schritt mit dem ersten verbindet, nämlich mit der Verheissung, dass die Liebe Gottes in unsere Herzen ausgegossen wird durch den Heiligen Geist. Das Buch fordert he-raus, beides miteinander zu verbinden: einander anzunehmen im gemeinsa-men Unterwegssein und dabei die ei-gene Sehnsucht nach Gott, Glaubens-fragen und Glaubenserfahrungen zu teilen.

Die eigene Sehnsucht mit anderen teilen

Bildung im KopfEine Aussage des Autors hat mich be-sonders zum Nachdenken angeregt. Er

AUS DEM REISEKALENDER DES BISCHOFS IM JANUAR:

7.–12. Gemeindebesuche in Algerien;25.1.–13.2. Congo und Mozambique: Ständiger Ausschuss für Zentralkonferenzangelegenheiten

betont, dass es genügend Gruppen und Angebote in den Gemeinden gibt, in de-nen Nächstenliebe gelebt wird. Und dass es viele Gruppen und Angebote gibt, in denen man mehr über Gott und die Bibel lernen kann. Diese Angebote führen zu besserer Erkenntnis über Gott und die Welt. Das ist durchaus gut und wünschenswert. Sie schaffen Bil-dung im Kopf, führen aber selten zur Veränderung des Herzens.

Auch Fragen, Zweifel und Klage gehören dazu

Persönlich werdenDer Autor will eine Lanze brechen für Angebote, bei denen Menschen zusam-menkommen, um ehrlich auszutau-schen, wie es ihrer Seele geht. Also da-von zu sprechen, wie ich Gott suche und welche Erfahrungen ich dabei ma-che. Dazu gehören auch Fragen, Zwei-fel, Versagen und Klage. Es fällt gar nicht leicht, davon zu erzählen. Es kos-

tet Überwindung, über persönliche Dinge des Glaubens ins Gespräch zu kommen. Das Buch fordert heraus, uns wieder an Dinge heranzuwagen, die wir in un-seren Gemeinden verlernt haben, die aber dazu beitragen, den dritten Schritt der Nächstenliebe mit dem ersten, der Erfahrung von Gottes Liebe zu uns, zu verbinden. Wesley sprach zu seiner Zeit davon «übereinander zu wachen in Liebe», als er die Menschen, die sich nach Glaubenserfahrung sehnten, in Kleingruppen («Klassen») versam-melte. Es ist eine der vielen Möglichkei-ten, die Jahreslosung umzusetzen – und eine verheissungsvolle.

* Kevin Watson, The Class Meeting: Re-claiming a Forgotten (and Essential) Small Group Experience.

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THEMA

Offene Frage: Grenzt der Glaube andere aus – oder werden Menschen so, wie sie sind, angenommen?

Eine Lebensgeschichte als praktische Auslegung der Jahreslosung

«Simins Haltung machte mir Eindruck»Von Rahel Arn

Vor einige Jahren floh Simin zusam-men mit ihrem Mann und den beiden halbwüchsigen Kindern aus dem Iran in die Schweiz. Ihre Geschichte kann helfen, die Jahreslosung besser zu verstehen.

Ich fragte Simin, ob ich aus ihrem neuen Leben als Christin erzählen dürfe. Gerne erlaubte sie es mir und sagte: «Du kannst auch meinen und Bahrams Namen nennen.»

Sie las intensiv in der Bibel

Selbst urteilenWährend der Zeit in der Asylunter-kunft lernte Simin durch Afrikaner Jesus Christus kennen. Weil sie ein ausgesprochen wahrheitsliebender Mensch ist und in ihrem bewegten Le-ben gelernt hatte, nicht allen Leuten und allen Wahrheiten zu glauben, las sie selbst intensiv in der Bibel. Sie ver-glich die biblische Botschaft des Alten und Neuen Testaments mit Versen aus dem Koran. Dankbar war sie, dass Hans S. sie anleitete, ganz auf ihr Ur-

teilsvermögen und die Leitung Gottes zu vertrauen; auf den Gott, der uns liebt und annimmt, so wie wir sind.

Religion grenzt ausNach ein paar Jahren konnte die Fa-milie eine kleine Wohnung beziehen. Simin war erfüllt von der Gnade Got-tes, die sie erfahren hatte. Voll Freude hängte sie Kreuze in Wohn- und Schlafzimmer auf. Gerne wollte sie auch vor den Mahlzeiten beten. Mit dem Widerstand der Familie hatte sie nicht gerechnet. Ihr Mann sagte zwar nicht viel zu den Veränderungen. Der Tochter da-gegen gefiel die «neue Mode» gar nicht. Der Sohn begehrte entschieden auf: «Eben sind wir dem zerstöreri-schen Machtgehabe einer Religion entronnen und nun beginnt Mutter mit einer neuen Religion! Ich mag von keiner Religion mehr etwas hören! Der religiöse Glaube schliesst Men-schen aus, teilt sie in Gläubige und Ungläubige, in Freunde und Feinde ein. Religion ist der Grund für brutale Verfolgungen und auch für Kriege – all dies im Namen des Glaubens und der Religion!» Äusserst heftig wehrte sich der Sohn gegen die christlichen Symbole und Zeichen.

Kommen heute nicht viele Men-schen, junge und auch ältere, zu ge-nau diesem Schluss? Nämlich, dass Religion diejenigen bevorzuge und annehme, die auf dieselbe Art glau-ben? Dass die Religions- und Glau-bensgemeinschaften auf die, die an-ders oder nicht gläubig sind, herab- schauen, sie gering achten, zu bekeh-ren versuchen oder sie gar verfolgen?

Gott öffnete auch ihrem Mann das Herz

Zusammen haltenNehmt einander an! Simin entfernte stillschweigend die Kreuze. Vor dem Essen, für die andern unmerklich, dankte sie Gott, dem Gott, der uns alle annimmt, so wie wir sind, und uns so viel Gutes schenkt. Nach wenigen Jah-ren öffnete Gott wundervoll auch ih-rem Mann das Herz, ohne dass Simin gross über den Glauben sprach. Tief berührt und von Jesu Liebe über-zeugt, liess er sich taufen. Während heute die Tochter das Thema Religion umgeht, nennt sich der Sohn auf Grund seiner negativen Erfahrungen Atheist. Trotz des unterschiedlichen

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THEMA

Eine Lebensgeschichte als praktische Auslegung der Jahreslosung

«Simins Haltung machte mir Eindruck»Glaubens hält die Familie zusammen. Die erwachsenen Kinder leben nun in ihren eigenen Wohnungen nahe bei den Eltern. Man schätzt sich, hilft sich und freut sich aneinander. Die andern ohne Vorbehalte, ohne stumme Vorwürfe anzunehmen, da-für aber rücksichtsvoll und wertschät-zend miteinander umzugehen, diese Haltung Simins machte mir Eindruck. Jörg Zink übersetzt den Vers Römer 15,7 so: «Darum lasst einander gelten und nehmt einander an, wie auch Christus euch angenommen hat, da-mit Gottes Herrlichkeit sichtbar wird.»

Lasst einander gelten!

Klar positionierenNehmt einander an! Dies ist ein Im-perativ, ein Befehl. Einer solchen Auf-forderung können wir Folge leisten oder sie ablehnen. Ein bequemes sich von Fall zu Fall zu entscheiden, ist eine Missachtung der paulinischen Aufforderung. Die Haltung – diesen kann ich gelten lassen, aber jene regt mich so auf, dass ich sie ablehnen muss – darf für Christusnachfolger nicht gelten.

Doch ist ein solches bedingungsloses Annehmen nicht eine Überforderung, vielleicht sogar unehrlich? Sind Sym-pathie und Antipathie nicht durchaus verständlich und in allen Beziehun-gen (Familie, Verwandtschaft, EMK, Betrieb, Schule, Nachbarschaft, Aus-ländern gegenüber usw.) «gang und gäbe»?

Masslos liebenHenry Miller schrieb: «Ich muss vor niemandem den Hut ziehen – denn ich habe keinen.» Der Dichter meinte da-mit, dass für ihn niemand höher steht, weil er selbst keine Hierarchien kennt. Für einen Christen, eine Chris-tin gilt: Wir müssen niemanden als annehmbar oder unannehmbar ein-stufen, denn wir haben keinen Mass-stab! Wir haben allein umfassende Liebe, die Jesus uns vorlebt. Christus hat unsere Schwachheit und «Unmög-lichkeit» auf sich genommen und liebt uns «mass-los». Solche «masslose» Liebe schenkt er dir und mir.

Verstorben

Hanni Steiner-Wyssen (84)Frutigen-Adelbodenam 25.9.2014

Elisabeth Spinner-Furrer (88)Affoltern a. Albisam 29.9.2014

Esther Beutter-BänteliBasel Neubadam 12.10.2014

Heidi Pfund (92)Region Schaffhausenam 30.10.2014

Luise Menzi-Baumgartner (81)Glarusam 9.11.2014

Maria Schneider-Güntert (89)Region Schaffhausenam 13.11.2014

Ruth Diethelm (94)Region Schaffhausenam 17.11.2014

Lina Liechti-Steiner (92)Region Oberaargauam 19.11.2014

Otto Bär-Baumberger (87)Staffelbacham 20.11.2014

Walter Zumbrunnen-Schneiter (97)Thunam 23.11.2014

Jean Althaus (88)Bielam 26.11.2014

Martha Althaus-Lüthi (88)Bielam 1.12.2014

Walter Roth (86)Rheineckam 3.12.2014

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THEMA

«Spielraum»: Am Computer kann Doris Schnell ihre Ideen umsetzen und immer wieder verändern.

Doris Schnell hat sich intensiv mit der Jahrelosung beschäftigt

«Ich hatte immer schon diese Bildwelt im Kopf»Von Sigmar Friedrich

Die grafische Gestaltung der Jahres-losung für die EMK in der Schweiz wurde dieses Jahr von Doris Schnell aus Bregenz vorgenommen. Im Ge-spräch erzählt sie von den Bildern, die in ihrem Kopf entstehen, und da-von, wie die Jahreslosung sie persön-lich herausfordert.

Doris, wie sah bei Dir der Weg vom Text der Jahreslosung bis hin zur fertigen Grafik aus?Als ich das Mail erhielt, dass ich ei-nen Entwurf machen darf, war ich ge-rade in Griechenland im Urlaub. Ich hatte noch eine ganze Woche Zeit und habe diese Zeit genutzt, um den Vers «in meinem Herz zu bewegen», wie man so schön sagt. Ich habe mir Fra-gen gestellt wie: Was bedeutet das «ei-nander»? Was bedeutet das «anneh-men»? Und warum dieser Schlussteil: «zu Gottes Lob»? Wenn ich über Bibelworte nach-denke, dann entstehen Bilder in mei-nem Kopf. Diese Bilder, die ich dann gesehen habe, habe ich aufgeschrie-ben. Ich habe mir viele Notizen ge-macht. Später dann, zuhause, habe ich die

Gedanken als Skizzen zu Papier ge-bracht. So wurde die grobe Struktur klarer, also die Elemente: Mensch, Gruppe usw. Dann habe ich das ganze als Skizzen am PC angefertigt. In mei-nem Grafikprogramm kann ich sehr gut mit Farben und Formen spielen und sie hin und herschieben. Als dann die Idee grundsätzlich feststand: ich nehme eine Gruppe, ich nehme eine Notenlinie und ich nehme einen Dirigenten, diese drei Haupt-komponenten, habe ich mich an die Feinarbeit gemacht: Was passiert mit den Menschen? Wie stehen sie zuein-ander? Dann kam ich auf die Idee mit dem Hintergrund und mit der Struk-tur: die Personen haben alle etwas, was sie beschäftigt und was sie ge-prägt hat. Dazu habe ich die Muster ausgesucht: das Notenblatt, die Blin-denschrift, das Kreuzworträtsel, die Apps, die Landkarte.

Wenn ich dir zuhöre, habe ich den Ein-druck: bei Dir sprudelt die Kreativität die ganze Zeit. Was machst Du, wenn es mal «hakt»?Es hakt nicht! Da kommt immer et-was. – Seit ich 14 bin, hatte ich immer diese Bildwelt im Kopf und auch im-mer das Bedürfnis, das in irgendeiner

Weise darzustellen, sei es als Bild oder als Keramik. Das ist eine Gabe, für die ich sehr dankbar bin. Manchmal muss ich schon etwas länger suchen, bis ich das «Richtige» finde. Das ging mir so zum Beispiel bei den Noten. Erst fing es an mit den Menschen. Da war mir schnell klar, dass ich diese Gruppe mache. Mit den Noten habe ich länger gesucht – und auch gebetet und gefragt: Was passt denn da jetzt? Warum «zu Gottes Lob»? Ich hatte verschiedene Ideen. Ir-gendwann kam das mit den Notenli-nien wie «vom Himmel gefallen». Das kam mir vor wie dieser Moment, wenn einem ein Licht aufgeht: Na klar! No-tenlinien kommen dazu. Wir sind ja nicht nur für uns da. Sondern wir sind aufgefordert, gemeinsam etwas zu-stande und in Beziehung zu Gott zu bringen. Für mich war das eine Gebet-serhörung: ein Symbol, mit dem alle etwas anfangen können.

Du hast Dich intensiv mit der Jahreslo-sung auseinandergesetzt. Was ist Dir für Dich selbst neu aufgegangen dabei?Mir ist klar geworden, dass mich das selbst persönlich betrifft und heraus-fordert: Ich bin ein Mensch, der sich lieber zurückzieht und alleine ist.

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THEMA

Doris Schnell hat sich intensiv mit der Jahrelosung beschäftigt

«Ich hatte immer schon diese Bildwelt im Kopf»Menschengruppen fordern mich im-mer heraus. Von daher brachte die Be-schäftigung für mich persönlich eine starke Auseinandersetzung damit, mich der Gruppe, konkret als Pfarr-frau in der Gemeinde, auszusetzen, auch der Unterschiedlichkeit der Cha-raktere, die wir da haben. Und ich habe mir eine wichtige Sa-che vorgenommen: dass ich ganz neu versuche, wertneutral auf Menschen zuzugehen. Das passiert ja ganz schnell, grade wenn man Menschen kennt: man steckt sie oder ihr Verhal-ten in eine Schublade. Ich habe mir vorgenommen, wieder ganz neu auf alle zuzugehen und sie immer wieder ohne Vorurteile zu beachten und so stehen zu lassen als Mensch.

Vielen Dank für das Gespräch.

ZUR PERSON

Doris Schnell arbeitet als Grafik-Designerin und freie Künstlerin in Bregenz (Österreich). Sie ist ver-heiratet mit Bernfried Schnell, Pfarrer des EMK-Bezirks Bre-genz.

www.doris-schnell.at

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FRESH EXPRESSIONS

«Startklar»: Im zweiten Modul setzten die Teilnehmen-den sich mit dem gesellschaftlichen Wandel auseinander.

«Startklar» – Trainingskurs für Gemeindegründer und Leiter von Fresh Expressions

Changing Times – den Wandel verstehenVon Tanja Lübben (D)

Der «Startklar»-Kurs lädt Pfarrer/innen und Laien ein, ihre von Gott geschenkten Gaben und Fähigkeiten zu erkennen und sie als Gemeinde-gründer, Missionare und Pioniere in neuen Formen von Gemeinde (Fresh Expressions) einzusetzen. Der Kurs besteht aus fünf Kursmodulen.

Unter der Leitung von Matthias Fank-hauser (CH), Eberhard Schilling (D) und Barry Sloan (D) fand vom 16.-19. Oktober 2014 in Nürnberg das zweite Kursmodul des «Startklar»-Kurses statt. Das Thema «Changing Times – den Wandel verstehen» lud die 13 teil-nehmenden Pioniere aus Deutschland und der Schweiz ein, ein neues Gespür für den gesellschaftlichen Wandel und das damit verknüpfte veränderte Le-bensgefühl der Menschen im 21. Jahr-hundert zu entwickeln.

Sich ganz einlassenWas bedeutet es, als Kirche und Ge-meinde den postmodern geprägten Menschen zu begegnen und mit ihnen

unterwegs zu sein? Wie hat sich das Leben in Bezug auf Familie, Arbeit und Gemeinde verändert? Wie müs-sen sich Kirche und Gemeinde verän-dern, wenn wir das Evangelium und die Liebe Gottes mit unseren Mitmen-schen teilen möchten? Durch Reflek-tion als einzelne und in der Gruppe, durch Bibelarbeiten und durch die persönliche Begegnung mit Gott suchte die Gruppe nach Wegen, eine weit verbreitete dualistische Sicht von Kirche und Welt zu überwinden, um sich ganz und gar auf die Menschen einzulassen oder – mit den Worten von Paulus – «den Juden ein Jude und den Griechen ein Grieche» zu sein.

Wie müssen Kirche und Gemeinde

sich verändern?

Viel versprechender AufbruchVon ganz besonderer Bedeutung wa-ren die Begegnungen mit den Mitar-beitern des Jesus Centrums Nürnberg (JCN), der gemeinsame Gottesdienst zum Abschluss des Kursmoduls in

der dortigen Gemeinde sowie das Ken-nenlernen der Jugendkirche LUX, ein viel versprechender Aufbruch in der Evangelischen Landeskirche in Bay-ern, junge Menschen zwischen 15 und 27 Jahren mit dem Evangelium zu er-reichen. Beide Begegnungen haben eindrücklich gezeigt, dass Gott gerade dort wirken kann, wo mutige Missio-nare das Evangelium mit ihrem Kon-text in Beziehung setzen. Erfüllt und angereichert durch viele segensreiche und nachdenkenswerte Impulse und mit mancher Hausauf-gabe im Gepäck verabschiedeten sich die Kursteilnehmer am Ende des Kur-ses. Ein Wiedersehen gibt es im Feb-ruar 2015 in Chemnitz!

STARTKLAR

Mehr Infos zum Kurs:

is.gd/startklar

Mehr Infos zu Fresh Expressions:

www.freshexpressions.ch

Beitrag zu FX auf SRF2:

is.gd/fx_srf2

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Gedanken zu Kirche und Gesellschaft

Neues wagen?

Paulus ruft dazu auf, nicht nur gedankliche und geistige Unterschiede und Gegensätze, vielleicht sogar Auseinandersetzungen zu ertragen. Zu Gottes Ehre, sagt er, räumt denen, die euch über den Weg laufen, einen Platz ganz nahe bei euch ein, praktisch und konkret. Betrifft dieses Platzeinräumen nur Gleichge-sinnte, mit bekannter Sprache und Kultur und ge-sellschaftlicher Anerkennung? Oder geht es da-rum, «einander in der Gemeinde» anzunehmen? Paulus definiert genauer: «wie auch Christus euch angenommen hat, zur Ehre Gottes». «Wie Christus» bedeutet, dass wir die, die nicht dazu-gehören, die nicht mit uns einer Meinung sind, annehmen, um Gott «einmütig und einstimmig» zu loben (Röm. 15,6). Weil Christus uns angenom-men hat, als wir für Gott fremd waren, nehmen wir Menschen an, die nicht unserer Meinung oder die aus einer fremden Kultur sind, nehmen wir Menschen auf, die von der anderen Seite der Grenze kommen. Ruft Paulus uns 2015 dazu auf, beharrlich wei-terzumachen wie bisher, wenn wir abstimmen und einkaufen gehen, wenn wir über Menschen reden, wenn wir unsere Ferien planen? Oder lädt Christus uns ein, zu Gottes Ehre, etwas Neues zu wagen?

«Startklar» – Trainingskurs für Gemeindegründer und Leiter von Fresh Expressions

Changing Times – den Wandel verstehen

Auftakt: Junge Erwachsene in Winterthur beim netV-Abend.

TAKANO

Projekt netV-nordost.ch gestartet

Junge Erwachsene vernetzenVon Michael Breiter

Samstagabend, 13. Dezember. In der EMK Winterthur treffen sich Jugend-liche und junge Erwachsene zum ers-ten netV-Abend im Distrikt Nordost-schweiz.

Nach einem Begrüssungsapéro neh-men sich die EMK-ler Zeit für Worship und gemütliches Beisammen sein bei einem Raclette. Dazwischen eingefügt: ein erfrischender Input zum Thema «Netzwerk» von André Da Silva Elias (EMK Bülach). Im Input zeigte er auf, dass für ein Netzwerk drei Faktoren erforderlich sind: Personen, Ideen und Verbindungen dazwischen.

Ein Netz entstehtDas beschreibt auch die Idee hinter dem Projekt netV-nordost.ch: Jugendli-che und junge Erwachsene innerhalb des Distriktes zu vernetzen. Dazu ge-hört, einzelne Anlässe zu initiieren und auch eine News-Plattform zu bie-ten, auf der Anlässe und Events der verschiedenen EMK’s den anderen mit-geteilt werden können.

netV-nordost.ch bedeutet «Netzwerk der Takanostufe V im Distrikt Nordost-schweiz». Angestossen wird dieses Projekt von drei Jugendarbeitern der EMK: Anika Frei (EMK Klingenberg), Michael Breiter (EMK Uzwil-Flawil) und Cedric Zangger (EMK Winter-thur). Dieses Team kann und soll ver-grössert werden. Weiter ist das Projekt auf die Unterstützung der Takanoper-sonen in den EMK-Gemeinden als Bin-deglied zu den jungen Menschen an-gewiesen.

Kontakt aufnehmenDas Team ist über Facebook, netV-nordost.ch oder Mail [email protected] erreichbar und freut sich über Rückmeldungen, Anregun-gen oder interessierte Mitteamler.

Nehmt einander an, wie auch Christus euch angenommen

hat, zur Ehre Gottes. (Römer 15,7)

NÄCHSTER TERMIN:

Der Schlitteltag ist der nächste Anlass des Projektes. Dieser fin-det am 8. Februar statt. Bereits am Vorabend kann angereist wer-den, um gemeinsam zu essen und den Abend zu verbringen.

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UMSCHAU

Einen persönlichen Einblick in den Prozess der EMK Lenk

Missional im Obersimmen talVon Michael Wampfler

Als meine Frau und ich an einem Ge-meindeanlass das erste Mal etwas über die Missionale Theologie hör-ten, fühlten wir uns in unserem Le-bensprozess, in dem wir steckten, bestärkt.

Wir leben an der Lenk, in einem Ort, in dem beinahe jeder von jedem weiss, wer er ist. Viele wissen von uns dass wir «Stündeler» sind. So werden wir hier oft genannt. Wenn ich diese Aus-sage etwas extrem deute, werden wir als Separatisten betrachtet, die am Sonntag ihre Stunde absitzen und dann wider ihren eigenen, etwas ver-schlossenen Weg gehen. Vielleicht hat diese Aussage auch etwas Wahrheit an sich. Jedenfalls bezüglich meines vergangenen Lebens.

Schmerzlicher VerlustIch hatte eine sehr schöne Schulzeit und sehr gute Schulkollegen. Wir hat-ten ein sehr gutes Verhältnis unterei-nander. Doch schon in der neunten Klasse und dann zu Beginn meiner Be-rufslehre begann ich viel Zeit in der Jugendgruppe der EMK zu verbringen. Schnell hatte ich dort viele gut Kolle-

gen und wurde bezüglich meines Glaubenslebens gut genährt. Nur mit meinen Kollegen aus der Schulzeit traf ich mich je länger je weniger. Ich ver-mittelte ihnen wohl ein Signal, dass sie mir nicht so wichtig sind, obwohl ich dies ja eigentlich gar nicht wollte. Also ist der Kontakt immer mehr ab-gebrochen. Später tat es mir dann sehr weh um die guten Beziehungen, die ich bei diesen Kollegen verloren habe. Ich versuchte wieder den Kontakt zu suchen. Dies war jedoch nicht so ein-fach, weil da eine gewisse Basis fehlte.

Wertvolle KontakteAls unsere Kinder in das Schulalter kamen, bot sich eine neue Gelegen-heit. Kontakte ausserhalb der EMK zu knüpfen. Durch die offene, kontakt-freudige Art meiner Frau ergab sich der eine oder anderen wertvolle Kon-takt. Dabei sind echte Freundschaften entstanden, bei denen man wirklich offen über viele aktuelle Lebensthe-men sprechen konnte. Doch wir mach-ten uns oft den Druck, dass wir viel mehr von unserem Glauben erzählen sollten. Dabei bestand die Gefahr von verkrampften «Verkaufsgesprächen». Als wir das Thema des Missionalen Lebensstils in der Gemeinde behan-

Impressum Zeitschrift der Evangelisch-metho distischen Kirche in der Schweiz:Erscheint monatlich

Redaktor:Sigmar Friedrich

Redaktionsgruppe: Martina Läubli, Michael Schwaller

Redaktionsadresse:Kirche und Welt, Postfach 1344, 8026 ZürichTelefon 044 299 30 [email protected]

Abonnement:Schweiz: CHF 54.– (für Mitglieder und Freunde der EMK freiwillig) Ausland: CHF 75.–Postcheckkonto: EMK Schweiz, Zeitschrift Kirche und Welt, 8004 Zürich, 80-23018-5

Adressänderung/Abbestellung:Zentralverwaltung EMKPostfach 1344, 8026 ZürichTel. 044 299 30 80, Fax 044 299 30 89Mail: [email protected]

Anzeigenverwaltung:Jordi AG – das MedienhausChristian AeschlimannAemmenmattstrasse 22, 3123 BelpTelefon 031 818 01 25Telefax 031 819 38 54E-Mail: [email protected]

Insertionsschluss für 02/2015:15.01.15

Grafik + Gestaltung:P+S Werbung AG, 8184 Bachenbülachwww.pswerbung.ch

Druck / Vertrieb:Jordi AG – das Medienhaus, 3123 Belpwww.jordibelp.ch

Kirche und Welt wird klimaneutral hergestellt: www.preservecreation.ch

Bildnachweise:S.1,11 D.Schnell, emk.schweiz.chS.2 Plaßmann, gemeindebrief.deS.3,7 KuWS.3 S.Oleksandr, photoXpress.comS.4-5 M.SchwarzS.6,10,12-17,24 zVgS.8-9 D.Civello, flickr.comS.18 NASA, ESA, and M. Livio and the Hubble 20th Anniversary Team (STScI) via wikimedia.orgS.21 fotografin, fotolia.comS.22 Bin im Garten via wikimedia.orgS.23 manwalk, pixelio.de

14 Kirche und Welt Nr. 01/2015

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UMSCHAU

delt haben, wurden wir in unseren Freundschaftsbeziehungen bestärkt, vor allem darin, diesen Leuten echte Freunde zu sein und sie nicht als «Be-kehrungsopfer» zu betrachten. Gele-genheiten, vom Glauben zu sprechen, gibt es oft. Wir müssen einfach die Be-reitschaft haben, diese zu nutzen. Meine Frau hat hier eine Gabe, diesen Leuten vom Evangelium zu erzählen.

Eine gute ZeitEin Beispiel: Meine Frau hat seit län-gerer Zeit mit drei Frauen eine gute und freundschaftliche Beziehung. Wenn sie es zeitlich einrichten kön-nen, treffen sie sich einmal wöchent-lich zu Kaffee oder Sport. Dabei wird vieles gesprochen. Bei einem solchen Gespräch erwähnte meine Frau gegen-über einer der Freundinnen, die aus einer Skilehrerfamilie stammt, dass ich mir einen Winter als Skilehrer gut vorstellen könnte. Bereits in der dar-auffolgenden Altjahrswoche bekam ich von dieser Privatskischule ein Te-lefon, weil sie Personalmangel hatten. Sie fragten mich, ob ich einem Skileh-rer, der sehr viele kleine Skischüler hatte, assistieren könne. Da ich jahre-lange Jungscharleitererfahrung hatte, sah ich mich dieser Aufgabe gewach-

sen. Ich durfte mit Kindern eine knappe Woche Zeit verbringen, sie an-leiten, mit ihnen lachen, sie bestärken und motivieren, ihnen sagen, wie gut und wertvoll sie sind, auch wenn es bei einigen mit Skifahren halt nicht so richtig «klick» machen wollte. Klar konnte ich ihnen nicht biblische Ge-schichten erzählen, wie wir das in der Jungschar getan haben. Es war ein-fach eine gute Zeit mit ihnen. Die Ski-schule ist an einer weiteren Zusam-menarbeit interessiert und motivierte mich, den Kinderskilehrer Kurs zu be-suchen.

Fruchtbare KontakteSeit wir am Leben unserer Mitmen-schen mehr teilnehmen, haben sich viele Türen geöffnet. Für die Men-schen, mit denen wir Kontakt haben, ist es einfacher geworden, an unseren Gemeindeanlässen teilzunehmen. Das «Lenkermärit Kaffee», der Basar, Mit-tagstisch oder Ländlergottesdienst sind Anlässe, bei denen wir wach-sende Besucherzahlen feststellen kön-nen. Darunter sind viele Leute, die Be-ziehungen oder Kontakte zu Gemeindeleuten haben. Als wir unseren Sohn, der in verschie-denen Sportvereinen aktiv ist, moti-

vierten, seine Kollegen auch mal in den Teenagerclub einzuladen, gab dies auf einmal einen richtigen Boom. Bis heute besuchen viele Jungendliche aus dem Dorf den Teeniclub. Dass unser Sohn noch bis heute so aktiv in den Sportclubs teilnimmt, ist für uns nicht immer so einfach. Für ihn als Bewe-gungstyp und kontaktoffenen Men-schen sind diese Vereine wertvoll. Für uns Eltern wäre es manchmal beruhi-gender, ihn bloss in den Jugendarbeits-gefässen der EMK zu sehen. Wir be-ten, dass er den Glauben und die Liebe zu unserem Herrn Jesus finden darf. Und unser Wunsch und Gebet ist, dass die uns liebgewordenen Menschen auch die Erlösung von Jesus Christus erleben dürfen.

Einen persönlichen Einblick in den Prozess der EMK Lenk

Missional im Obersimmen tal

MISSIONAL

Mit dem «Missionalen Gemeinde-bau» hat sich die EMK Lenk auf ei-nen längeren Lernprozess einge-lassen. Kirche und Welt hat davon in den Ausgaben 4.2013, 11.2013 und 4.2014 berichtet.

www.issuu.vom/emk_schweiz

Stimmig: Michael Wampfler und seine Frau aus der EMK Lenk wurden durch die «Missionale Theologie» in ihrem Lebensprozess bestärkt.

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CONNEXIO

Zu Gast: Pedro Palacios und Gloria Mendoza waren zu Besuch in der Schweiz und berichteten aus ihrer Arbeit in Chile.

Im Gespräch mit Pedro Palacios und Gloria Mendoza über die Arbeit in Chile

«Es ist uns wichtig, ein gutes Zeugnis abzulegen»Von Arabella da Silva Elias

Pedro Palacios und seine Frau Glo-ria Mendoza setzen sich zusammen mit der Methodistenkirche in Chile seit langem dafür ein, dass sich die Situation der Benachteiligten in ih-rem Land verbessert. Vom 28.10. bis 17.11.2014 waren die beiden in der Schweiz und in Frankreich, um in verschiedenen Gemeinden von den Freuden und Herausforderungen ih-rer Arbeit zu berichten.

Welches sind die grössten Herausforde-rungen, denen ihr in eurer Arbeit be- gegnet?Gloria Mendoza (GM): Für das Ge-sundheitszentrum besteht die grösste Herausforderung momentan darin, vom Staat akkreditiert zu wer-den. Dafür brauchen wir unter ande-rem ein neues, moderneres Gebäude, da der Staat neue Anforderungen und Standards für interne Prozesse, Verwaltung und Infrastruktur hat. Es ist uns aber auch ein Anliegen, die hohe Qualität beizubehalten, mit der wir unsere Patienten behandeln, und unseren Patienten auch in Zukunft mit Würde zu begegnen. Dies unter-scheidet uns von vielen anderen öf-

fentlichen Gesundheitsdiensten in Chile.

Pedro Palacios (PP): Unsere Kirche ist in allen 15 Regionen Chiles prä-sent. Da sich unser Land über mehr als 4000 km vom Norden bis hin zur Ma-gellanstrasse im Süden erstreckt, ist es eine Herausforderung, als Gesamt-kirche zusammenzuarbeiten. Wir streben es an, als Kirche zu wachsen. Dabei möchten wir aber auch unser «Merkmal» als Methodisten beibehal-ten. Unser Hauptanliegen ist es, ande-ren zu dienen, sei dies in der Gesund-heit, Bildung oder in der Verkündigung des Evangeliums. Wir versuchen ein ganzheitliches Evangelium zu leben.

In was für einem Umfeld arbeitet ihr als Kirche?GM: Unser Gesundheitsdienst richtet sich in erster Linie an Menschen, die keine Gesundheitsvorsorge haben und deren einzige Option der öffentliche Gesundheitsdienst ist. Diese Men-schen sind besonders gefährdet und schutzbedürftig. Wir helfen ihnen, in-dem wir ihnen eine Gesundheitsvor-sorge bieten, mit der die medizinische Grundversorgung abgedeckt ist. Wo eine Grundversorgung nicht aus-

reicht, können wir die Patienten an Spezialisten überweisen.

PP: Die Gemeinden der Methodisten-kirche sind sehr unterschiedlich. Ei-nige Gemeinden bestehen bereits seit mehr als 100 Jahren und sind etab-liert. Andere sind kleiner und haben weniger Mitglieder. Aber alle arbeiten gemeinsam am Ziel, unsere Kirche zu stärken.

Welches sind bisher die grössten Erfolge in eurer Arbeit?GM: Einer der grössten Erfolge für das Gesundheitszentrum ist, dass wir staatlich anerkannt und unterstützt werden und sowohl bei den Begüns-tigten als auch bei den Behörden ein hohes Ansehen geniessen. Die Bevöl-kerung setzt sich dafür ein, dass uns der Staat bei der Finanzierung des er-forderlichen Neubaus unterstützt. Auch viele Behörden sind bereit, sich für uns einzusetzen, da sie die Arbeit der Methodistenkirche anerkennen und schätzen.

PP: Mir ist es wichtig, bescheiden zu bleiben. Als Kirche haben wir viele Er-folge erzielt, aber auch einige Rück-schläge erlitten. Unsere Arbeit hört

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Im Gespräch mit Pedro Palacios und Gloria Mendoza über die Arbeit in Chile

«Es ist uns wichtig, ein gutes Zeugnis abzulegen»

EMK-UNTERNEHMEN

niemals auf und wir streben immer nach mehr. Deshalb möchten wir als Kirche auch wachsen. Es ist uns vor allem aber wichtig, ein gutes Zeugnis abzulegen und die Aufgaben, mit de-nen uns Jesus beauftragt hat, trotz al-ler Herausforderungen wahrzuneh-men.

Welches sind die grössten Freuden eurer Arbeit? PP: Für mich ist es eine grosse Freude, die Gemeinden in der Schweiz kennen gelernt zu haben und zu wissen, dass der Methodismus in vielen Teilen der Welt eine Realität ist. Wir als Kirche haben uns der Herausforderung ge-stellt, auf der Insel Chiloé eine Ge-meinde zu gründen. Nun sind wir kurz davor, ein Grundstück für die Kirche zu kaufen, was uns besonders freut.

GM: Für mich ist es eine grosse Freude, wenn andere von unserer Ar-beit hören und sagen: «Ihr leistet tolle Arbeit! Macht weiter so!» Das tut gut und schenkt uns Hoffnung. In unserer Arbeit gibt es viele Anforderungen und wir sind nie sicher, ob wir die Ziele, die wir uns setzen, auch wirk-lich erreichen können. Es ist jedes Mal

ZUR PERSON

HELFEN SIE MIT!

Gloria Mendoza leitet seit über 20 Jahren das Gesund-heitszentrum der Methodistenkirche in Temuco, das rund 12500 Patienten pro Jahr betreut. Sie ist Präsi-dentin der Gesundheitsorganisationen der Methodis-tenkirche in Chile. Pablo Palacios ist Disktriktsvorsteher für den Süd-distrikt in Chile und Präsident der sozialen Institutio-nen der Methodistenkirche in Chile.

Connexio unterstützt die Gesamtarbeit der Methodis-tenkirche in Chile mit einem Betrag von CHF 59000.– für das Jahr 2015. Spenden an PC 87-537056-9,EMK in der Schweiz, Connexio, Zürich,IBAN CH52 0900 0000 8753 7056 9Weitere Informationen unter: www.connexio.ch

ein gutes Gefühl, wenn wir diese Ziele Ende Jahr erreicht haben. Es freut uns auch, wenn wir ältere Leute, die alleine sind, integrieren können. Diese kommen oft täglich im Ge-sundheitszentrum vorbei, auch wenn sie gar nicht krank sind. Wenn die Dame am Empfang eine Patientin dann mit «Hola Señora Maria» begrüssen kann, freuen wir uns, dass wir die Person beim Namen kennen. Dadurch wird die Ar-beit gewissermassen menschlicher.

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Norbert Pailer sprach in Klingenberg über die «Faszination Weltraum»

Forschungsgegenstand und HeimatVon Brigitte Moser & Daniel Schär

Gespannt machten wir uns am 19. No-vember auf den Weg, um Dr. Norbert Pailer, einem Astrophysiker, zuzuhö-ren. Er sprach in der EMK Klingen-berg vom Weltraum und über die Grenzen von Raum und Zeit.

Mit klassischer Musik und wunder-schönen «Hubble»-Aufnahmen von Sternenformationen, Galaxien, Nebel und Staubgebilden wurden wir be-grüsst. Was für eine Schönheit – die nur mit vielen technischen Hilfsmit-teln überhaupt erkennbar ist.

Verborgene TeileSeit je her sind die Menschen vom Sternenhimmel fasziniert. Wenn wir aber erfahren, was unserem blossen Auge verschlossen ist, dann ist das wirklich atemberaubend: Bis heute wurden einige kosmische Geheim-nisse entschlüsselt. Dennoch, so Nor-bert Pailer, stecken wir mit unseren Erkenntnissen eigentlich noch in den Kinderschuhen. Man geht davon aus, dass sich unsere aktuellen Beobach-tungen auf maximal 4% der existie-renden Materie beschränken. Die restlichen 96% sind uns als «dunkle Komponente» verborgen und offenba-ren die Dimension des menschlichen Unwissens.

Fein abgestimmtEindrücklich war die Feststellung, dass unsere Erde in einem äusserst le-bensfeindlichen Weltraum kreist. Die Distanz unseres Planeten zur Sonne entscheidet über unsere Lebensbedin-gungen als Erdkrustenbewohner. Nur gerade drei Kilometer weiter weg von der Sonne würden wir erfrieren; drei Kilometer näher würden wir dahin-schmelzen. Wohl gemerkt bei einer Gesamtdistanz von rund 150 Mio. Ki-lometern! Das ist eine der zahlreichen Feinabstimmungen, die uns staunen lassen. Nach diesem anregenden Einstieg wurden wir dann mit verschiedenen Zitaten konfrontiert, von denen zwei in uns nachgeklungen sind:• Nicht Gott ist relativ, und nicht das

Sein, sondern unser Denken. (Ein-stein)

• Himmel ist nicht nur Forschungs-gegenstand, sondern auch Heimat. (unbekannt)

Wir stellen immer wieder fest, dass unser Denken und Verstehen an Gren-zen stösst und relativ ist. Je nach dem, wen wir fragen und wie wir an eine Fragestellung herangehen, erhalten wir unterschiedliche Resultate für den gleichen Forschungsgegenstand. Das ist kein Widerspruch, sondern eine wertvolle Ergänzung.

Grenzen der WissenschaftMit diesen Vorbemerkungen stiegen wir dann ein in komplexere Gedan-kengefüge. Wir setzten uns mit der naturwissenschaftlichen Konzeption des Anfangs auseinander. Norbert Pailer erläuterte uns das Selbstver-ständnis der Naturwissenschaft: Al-lein unter Anwendung von Naturge-setzen sollen die Vorgänge unserer Welt beschrieben werden. Auf diese Weise ist wissenschaftliche For-schung recht weit gekommen. Bahn-brechende Erkenntnisse wurden ge-wonnen. Es ist gelungen, Menschen zum Mond und wieder gesund zur Erde zurück zu bringen. Von weiteren spannende Möglichkeiten erzählen beispielsweise die Ereignisse rund um die Rosetta-Mission. Aber die naturwissenschaftlichen Feststellungen zeigen nicht das Ganze. Norbert Pailer verglich die Me-thoden der Naturwissenschaft mit Schnitten durch ein Haus, mit denen Mauerstärken ermittelt werden kön-nen, die Anzahl der Fensternischen und anderes. Aber das Haus als Gan-zes rückt nie ins Bild – noch weniger die Tatsache, dass das Haus von einem Architekten geschaffen wurde.

Gottes GedankeDr. Norbert Pailers engagierte Aus-führungen waren dem Thema ent-

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Norbert Pailer sprach in Klingenberg über die «Faszination Weltraum»

Forschungsgegenstand und Heimat

Schönheit: Weit entwickelte technische Hilfsmittel ermög-lichen faszinierende Einblicke in die Tiefen des Alls.

UMSCHAU

sprechend sehr komplex. Dennoch ist es ihm gelungen, die Zuhörer mitzu-nehmen und die Freude an Gottes Schöpfung zu vermitteln. Kosmolo-gisch gesehen sind wir unbedeutende Lebewesen auf einem kleinen Plane-

ten. Durch Jesus Christus ist uns je-doch dieser Schöpfergott nahe gekom-men. Das sehen wir neu als grosses Wunder und Geschenk. Ein Gedanke hat sich an diesem Abend besonders herauskristallisiert:

Das Universum ist ein Gedanke Got-tes. So viel Feinabstimmung und ein so komplexes Zusammenspiel kann unserer Meinung nach nicht nur durch Anomalien oder Zufälle erklärt werden.

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INSERATE

20 Kirche und Welt Nr. 01/2015

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Vorkenntnisse erforderlich.Einführungskurs: 9. bis 14. März 2015

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mit Marie-Claire Egger-BetschartFortsetzungskurs: 16. bis 21. März 2015

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Preis für Vollpension im Einzelzimmer CHF 535.–; Doppelzimmer CHF 940.–; Kurskosten 280.– pro Person

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Reservieren Sie sich schon heute einen Platz am Notenpult, wenn Sie mit uns durch die Jahrhunderte der Musik streifen möchten. Alle Streicher, Holzblä

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ser, Querflötisten, Pianisten und Gitarristen sind willkommen. Die Freude am durch die Jahrhunderte der Musik streifen möchten. Alle Streicher, Holzblä

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gemeinsamen Musizieren wird gross geschrieben.12. bis 18. April 2015 mit Esther Hebeisen

Preis für Vollpension im Einzelzimmer CHF 720.–; Doppelzimmer CHF 1224.–; Kurskosten CHF 160.– pro Person

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Wegweiser: Die eigenen Bedürfnisse klar und wertschätzend formulieren.

UMSCHAU

Pfarrfrauentagung im März im Hotel Alpina in Adelboden

«Entdecke Deine Bedürfnisse!»Von Nicole Humm

An der Pfarrfrauentagung, zu der auch die «Pfarrmänner» eingeladen sind, finden die Partner/innen von Pfarrpersonen Gelegenheit, mitein-ander über Erfahrungen und Heraus-forderungen ihres Alltags auszutau-schen und einander zu ermutigen. Die Tagung im März lädt ein, die eige-nen Bedürfnisse zu entdecken.

Es ist erstaunlich, wie oft Jesus Men-schen nach ihren Bedürfnissen und Wünschen gefragt hat. Es scheint ihm ein grosses Anliegen zu sein, auf Au-genhöhe mit uns zu kommunizieren, uns ernst zu nehmen. Trotzdem fällt es uns oft schwer, Anliegen und Bitten di-rekt zu formulieren, auch – aber nicht nur – in der Beziehung zu Jesus. Was

hindert uns daran? Was hoffen wir da-durch zu vermeiden und was verpas-sen wir möglicherweise? Gemeinsam wollen wir diese Fragen aufgreifen und Möglichkeiten kennen lernen, die uns auf dem Weg zu einer klaren und wertschätzenden Kommu-nikation unterstützen. Denn wo es ge-lingt, eigene und fremde Bedürfnisse in ein fruchtbares Gespräch zu brin-gen, entstehen neue Handlungsspiel-räume. Wir werden das Thema, besinn-lich, informativ, spielerisch, kreativ und hoffentlich lustvoll bearbeiten.

Die ReferentinMadeleine Bähler ist Mitarbeiterin bei ComPax, dem Institut für Konflikt-transformation am Bienenberg bei Liestal, und selbstständige Organisa-tionsberaterin und Coach bso.

Die EingeladenenAlle aktiven, pensionierten, verwitwe-ten Pfarrfrauen und -männer sind ganz herzlich eingeladen, mit uns die Tage vom 2.–5. März in der Alpina in Adelboden zu verbringen! Die Pfarr-frauentagung ist ein Dankeschön an die Pfarrfrauen/-männer und wird deshalb von der EMK Schweiz finan-ziell unterstützt.

Hoffentlich bis bald! Das Organisationsteam: Regula da Rugna, Barbara Kleiner, Christa Wichers und Nicole Humm.

KONTAKT

Bei Fragen zur Pfarrfrauentagung melden Sie sich bitte unter der Telefonnummer: 033 733 15 13

NICOLE HUMM ÜBER IHRE EIGENE ERFAHRUNG

Mit gemischten Gefühlen ging ich 2009 zum ersten Mal an die Pfarr-frauentagung. Was wird mich wohl erwarten? Ich kannte fast niemand. So war ich froh, dass eine Pfarr-frauen-Freundin mir angeboten hatte, mit mir das Zimmer zu teilen. Schon beim ersten Abendessen er-

gaben sich interessante Gespräche mit Jüngeren, jung gebliebenen, rei-fen und erfahrenen Frauen und Män-nern. Der Austausch über unsere Er-fahrungen als Pfarrfrau/-mann war und ist immer wieder sehr wohltu-end. Wir sind häufig in gleichen Situ-ationen oder haben Ähnliches erlebt.

Es tut einfach nur gut, verstanden zu werden. Die Erfahrungen und Schätze der Frauen und Männer er-zählt zu bekommen sind Geschenke.2013 wurde ein neues Team gesucht. Da ich die Tagung als eine grosse Be-reicherung empfinde, war ich gerne bereit, diese mit zu gestalten.

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Wie Zahlungsmittel sich entwickelt haben

Von der Kauri-Muschel zur KreditkarteVon Daniela Deck

Weshalb Tauschhandel unpraktisch ist. Und weshalb die Chinesen das Ei-sen lieber zuhause liessen. Eine kleine Geschichte der Zahlungsmittel.

Seit es Menschen gibt, gibt es Handel. Man tauschte Güter mit dem Ziel, Überfluss und Mangel auszugleichen. Dabei wuchsen der Tauschhandel und die Mobilität parallel zueinander, da innerhalb einer lokalen Gesellschaft nicht jeder Mangel an lebenswichti-gen Gütern ausgeglichen werden kann. Mit der Ausdehnung der Han-delsreisen wuchs das Risiko, das fal-sche Tauschgut mitzuführen. Viel-

leicht brauchte der Handelspartner gerade kein Vieh, hatte sich anderwei-tig mit Fellen oder Käse eingedeckt und wollte seine Werkzeuge nur ge-gen Salz tauschen.

Das Warengeld musste rar sein

Dieses Problem sorgte dafür, dass schon im sechsten Jahrtausend vor Christus der Tauschhandel über stell-vertretende Güter abgewickelt wurde, über so genanntes Waren- oder Natu-ralgeld. Das Warengeld musste rar und haltbar sein und sich einfach zäh-len lassen. So stieg in Südamerika

etwa die Kakaobohne zum Natural-geld auf und im Pazifikraum die Kauri-Muschel.

Abrahams SilberstückeDoch das Warengeld befriedigte die Menschheit nicht auf Dauer. Deshalb wandten sich die meisten Gesellschaf-ten den Metallen als Zahlungsmittel zu. In China war es das Eisen, das aber so unhandlich ist, dass es schon früh mit Kreditbriefen ergänzt wurde, um die Eisenvorräte möglichst wenig bewegen zu müssen. Rund um das Mittelmeer setzten die meisten Völ-ker auf Silber. Kam ein Tauschge-schäft zustande, wurden Silberbarren zerhackt und die Stücke vom Käufer

ZAHLSTELLE

Zahlungsmittel: Von der Kauri-Muschel (l.) über das Bargeld bis zu Kredikarten – und weiter – geht die Entwicklung.

DIE TEMPELREINIGUNG UND DER BANKROTT

Eine Firma deponiert ihre Bilanz oder über eine natürliche Person wird nach der Prüfung der Finanzverhält-nisse der Privatkonkurs ausgespro-chen. In beiden Fällen spricht man von einem «Bankrott». Gesellschaft-lich wird das klar gewertet als: die Firma (oder die Person) ist geschei-tert. Aber woher kommt der Begriff?Im Spätmittelalter etablierten sich

die Berufsstände der Geldwechsler und Geldverleiher auf den europäi-schen Marktplätzen. Wenn ein Ver-treter dieser Berufsstände in Un-gnade fiel, wurde sein Tisch umge-stossen und darüber die Worte «banca rotta» ausgerufen. Was heute das italienische Wort für «Konkurs» ist, wurde damals wörtlich als «ka-putte Holzbank» verstanden. Das

Umwerfen des Tisches mitten im Markt bewirkte, dass das Vertrauen in den Geldverleiher am betreffenden Ort zerstört war und er dort nicht mehr tätig sein konnte. Er zog weiter an einen anderen Ort.

Jesus wirft die Tische umIn der Bibel wird erzählt, wie Jesus im Tempel die Tische der Verkäufer

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Page 23: Kirche und Welt 1/2015

Von der Kauri-Muschel zur Kreditkarte

ZAHLSTELLE

und Verkäufer auf unterschiedlichen Waagen gewogen, wobei unparteii-sche Zeugen als zusätzliche Sicher-heit gegen Betrug fungierten. Ein Pro-zedere, das sich bei Abraham beobachten lässt, als er das Grabmal für seine Frau Sara kaufte (1. Mose 23, 4 –18).

Die Silberstücke sind noch kein Geld, wie wir es heute kennen. Die Hauptrolle spielten der Materialwert des Silbers, die Waage und die Zeu-gen. Geprägtes und damit von der Ob-rigkeit autorisiertes Geld war, soweit bekannt, zuerst beim Volk der Lyder im Umlauf, im 7. Jahrhundert vor Christus. Wappen und Götterbilder, die ersten Embleme auf den Münzen,

wurden seit dem römischen Kaiser Augustus zunehmend durch den Kopf des Herrschers ersetzt, was Jesus er-möglicht, die irdische Bedeutung der Steuern klarzustellen (Mt. 22,17–21).

Kreditbriefe schützten bei Diebstahl

Der Weg zur digitalen ZahlungMit dem Aufkommen des Bankenwe-sens im Mittelalter traten bei Reisen Kreditbriefe an die Stelle der Münzen, was nicht nur das Gewicht des Ge-päcks senkte, sondern die Händler auch vor Räubern schützte. Gegen Vorweisen des Kreditbriefs wurde das

Geld, das bei der Bankfliale zu Be-ginn der Reise eingezahlt worden war, am Reiseziel von der Bank wieder aus-gezahlt.

Kreditkarten waren in den USA seit dem Ende des 19. Jahrhunderts im Umlauf, wo Hoteliers sie zuerst ihren Stammgästen zur Verfügung stellten. Internationale Anerkennung fand die Kreditkarte 1950 und ebnete damit den Weg zum bargeldlosen Zahlungs-verkehr, von dem auch die Kundschaft der Zahlstelle proftiert.

und Geldwechsler umgeworfen hat. und Geldwechsler umgeworfen hat. Das Matthäusevangelium schildert Das Matthäusevangelium schildert das dramatische Geschehen so: das dramatische Geschehen so: Dann ging Jesus in den Tempel, jagte Dann ging Jesus in den Tempel, jagte alle Händler und Käufer hinaus, alle Händler und Käufer hinaus, stiess die Tische der Geldwechsler stiess die Tische der Geldwechsler und die Stände der Taubenhändler und die Stände der Taubenhändler um und rief: «Gott sagt: ‹Mein Haus um und rief: «Gott sagt: ‹Mein Haus soll ein Ort des Gebets sein›, ihr aber soll ein Ort des Gebets sein›, ihr aber habt eine Räuberhöhle daraus gehabt eine Räuberhöhle daraus ge-

macht!» (Mt. 21,12–13)Sollte damit der «geistliche Bank-

rott» der Zeitgenossen Jesu ausge-drückt werden? Kaum. Für die ersten Christen war es ein Hinweis darauf, dass Jesus zeichenhaft das Ende des Tempels ankündigte – um das eigent-liche Anliegen des Tempels, in Be-rührung mit Gott zu kommen, in ei-ner anderen Form neu zu ermögli-

chen. Dieser «Bankrott» ist also gar kein Scheitern, sondern ein Ende, das einem neuen Anfang Raum schafft. Das gilt analog von manchem «Ban-krott» heute: ein Prozess geht zu-ende. Platz für Neues entsteht.

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Von Anita Streit

Extrovertierter müsse ich sein, haben sie mir gesagt, als ich vor ein paar Wochen im Büro der Direktorin des Colegio Metodista de Santiago sass. Seither kreisen und kreisen die Ge-danken in meinem Kopf, und mir wird fast schlecht. Ich kann nicht von heute auf mor-gen extrovertiert sein, denke ich, während ich im Innenhof der Schule auf einer angenehm kühlen Stein-stufe sitze und die gefühlte 30 Grad wärmere Luft ertrage. Es ist relativ ruhig um mich herum, denn es ist ge-rade Mittagszeit. Ich geniesse die Mi-nuten ohne Kindergeschrei, Rumge-renne und «Bittibätti» der Kinder, dass ich ihnen doch eine neue Verste-ckisform beibringen möge. Latinos sind bekanntlich sehr «de piel»* und tun sich etwas schwer mit meiner zentraleuropäischen, eher zurückhal-tenden Art. Aber sie können doch kei-nen Komplettpersönlichkeitswandel erwarten. Das geht Schritt für Schritt, wie eine Blume, die langsam ihre Blüte öffnet. Während ich da sitze und nach-denke, setzen sich vier Mädchen aus der Fünften auf der anderen Seite des Hofes hin. Ganz rote Augen haben sie, und eine nach der anderen kann die

Tränen nicht mehr zurückhalten. Ich gehe zu ihnen hinüber und frage, was passiert ist. Man wolle sie von der Schule ausschliessen, weil es einmal mehr Krach im Unterricht gegeben hat. Sie erzählen mir, wie ungerecht die Lehrer seien, wie enttäuscht die Eltern wären und von ihrer Angst. Um uns herum kehrt wieder Leben ein und der Lärmpegel steigt. Ich nehme die Mädchen bei den Händen, und in unserem kleinen, geschützten Kreis bete ich für sie, drücke sie nacheinander fest an mich und herze sie sogar mit einem Kuss. Die Welt be-wegen wird das nicht, doch Hoffnung geben allemal. Beim Gehen schaue ich in lächelnde Gesichter zurück, als müssten sie ihre Last nicht mehr sel-ber tragen. Ich muss nicht extrovertiert sein. Es geht vielmehr darum, im richtigen Moment die Liebe zu geben, die ge-braucht wird, auch wenn es mich Überwindung kostet. Ein Herzensakt sollte selbstverständlich werden. Vielleicht ist das eines der Dinge, die mir Gott hier in Chile beibringen will und ich glaube, es lohnt sich, dranzu-bleiben.

* offenherzig, den Körperkontakt suchen

Dranzubleiben lohnt sich

Die Liebe geben, die es braucht

Anita Streitist zur Zeit mit Connexio in ei-nem Kurzeinsatz in Chile. Un-ter anderem unterrichtete sie dort in einer Schule.

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