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VIERTELVOR das heft fürs nauwieser viertel #2 12/03 kostenlos

Viertelvor Ausgabe 2

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Viertelvor – das Magazin für's Nauwieser Viertel – Ausgabe 2 vom Dezember 2003

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VIERTEL VORdas heft fürs nauwieser viertel

#212/03kostenlos♠ ♣ ♦ ♥

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Weiter geht’s! Mit der zweiten Ausgabe von VIERTEL VOR zum Jahreswechsel.Nach dem unerwartet großen und positiven Echo der ersten Ausgabe fühl-ten wir uns durchaus gebauchpinselt und vor allem motiviert, das Ganze

weiter zu verfolgen. Das komplette Feedback in Form von konstruktiver Kritik,Lob, beleidigten Kommentaren, Wunsch nach Mitarbeit zeigt, dass ein Magazinfür Saarbrücken und insbesondere fürs Nauwieser Viertel in dieser Form durch-aus seine Existenzberechtigung hat.

An dieser Stelle sollte nun aber auch nochmal auf die Arbeiten der beteiligtenAutoren, Fotografen und Illustratoren hingewiesen werden, die dem Heft seinenindividuellen Charakter verleihen. Danke.

In diesem Sinne und in der Hoffnung, dass der Dialog anhält

viel Spassss!schillingundfreunde

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seite 6 seite 14

seite 18

seite 34 seite 36

seite 38 seite 46

seite 50

seite 62

seite 64 seite 66

seite 60

seite 58

seite 30

voneinerkatzelernen,heißtsiegenlernen.wobeisiegen

„lockerdurchkommen“meint,alsopraktisch:

liegenlernen.–sovielzumneuenjahr!

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inhalt

kunst am bau von > Ralf Leis seite 6

„noch jemandein espresso?“ interview mit andrea valente seite 14

das grosse nauwieserviertel-weihnachtskrippen-casting von > André Mailänder seite 18

was für einviertler bist du? von > Germaine Paulus seite 30

veranstaltungsadventskalender seite 34

von wunschfilmenund filmwünschen vorbericht max-ophüls-festival seite 36

wunschlos glücklich? von > Ralf Leis und Frank Schi l l ing seite 38

lost in thesupermarket von > Matthias Kreutzer/Christoph Brach seite 46

ich, grete bickelmann... von > Véronique Verdet seite 50

rätsel von > Undine Löhfelm seite 58

was für einviertler bist du? die auflösung seite 60

impressum seite 62

götzen & accessoires von > Ralf Leis seite 64

nachschlag seite 66

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kunst amvon > Ralf Leis

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Kunst? Design? Realsatire? Kitsch?Im romantischen Künstlerviertel „Viertel“wird hart gearbeitet und Stadtverschönerung heißt dasgroße Zauberwort. Hier ein paar ausgesuchte Beispiele für ...hm... Groß- und Kleinkunst im öffent-lichen Raum.♠ Links: Schön, aber irgendwie fürchtet man sich ein bisschen, oder?

bau

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♠ Hier 3 Protestplastiken.(Gegen was protestiert wird, is klar: Kürbisse mit lustigen Hütchen, schiefe Flamingos und gegendas Neue allgemein.)

kunst am

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bau9

„Kunst im öffentlichen Raum“ das ist ein gutesStück mehr als „Kunst am Bau“. Gemeint ist, denöffentlichen Raum selbst als Gestaltungsraum zubegreifen: Kunst nicht als Applikation, sondernals eigenständiger Bestandteil der gebautenUmwelt.

(Definition für die Richtlinien zur „Kunst im öf-fentlichen Raum“ vom 24. März 1995, die von dersaarländischen Landesregierung gemeinsam mitVertreterinnen und Vertretern saarländischerKünstlergruppen und -vereinigungen erarbeitetwurden.)

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kunst am

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♠ ...und hier progressives Kommunikationsdesign.

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bau

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ReklameSB. Johannisstraße 19 / Tel. 33 5 77

Schallplatten / CDs / Videos / DVDs/TicketsAnkauf, Verkauf, Tausch, Import, Bestellservice

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Fotos > Undine Löhfelm

Zum Thema Institutionen gibt’s im Nauwieser Viertel einiges zu sagen. Eine besondere möchtenwir dem geneigten Leser an dieser Stelle präsentieren: Andrea Valente, der seinen gleichnami-gen Friseursalon 30 Jahre in der Nauwieserstraße führte. Der Salon mit seinem besonderen

Ambiente existiert immer noch und wird mittlerweile vom langjährigenMitarbeiter Guiseppe „Pino“Pascale im Sinne des Meisters weitergeführt.

Andrea Valente ist ein sehr sympathischer Mann. Mit einem sehr charmanten italienischen Akzent.Er hatte die Möglichkeit, 3 Jahrzehnte an exponierter Stelle im Viertel Entwicklungen zu beobach-ten, Geschichten aufzusaugen, und sich mit Bürgern unterschiedlichster Herkunft und Stand in derkommunikativen Begegnungsstätte „Friseursalon“ auszutauschen. Es liegt also nah, diesen inter-essanten Herrn, der 1962 mit nichts, als einem kleinen Rucksack und ohne ein Wort Deutsch in sei-nem Vokabular hier ankam, mal näher zum Thema „Viertel“ und seinen persönlichen Erfahrungenzu befragen.

Gerade mal 19 Jahre alt war Valente, als er seinen Geburtsort Marina di Ascena verließ, da er dieEinladung der italienischen Regierung zu einer Militärausbildung dankend ablehnte. Im Saarlandangekommen, durchlief er verschiedene Anstellungen in teils renommierten Friseursalons, bis er1970 den Laden in der Nauwieserstraße eröffnete...

„noch jemand ein

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15VALENTE: Ich war der erste Friseurim Nauwieserviertel mit einemgewissen Niveau. Ich kam voneinem Salon in der Bahnhof-straße, da waren Bänker, Politiker,Bürgermeister als Kunden, alles mög-liche und die kamen mit hierher. Die Leutehier wussten ja nicht, wo dieser Valenteherkommt. Der Name kann vieles sagen.Damals war die Bäckerei Schauss schonbekannt, die Familie Schmidt mit ihrem Obst-laden, ansonsten war hier „buena notte“... einpaar Kneipen, kleine Geschäfte und viele ältereLeute.Wir hatten dann sogar einen iranischen Wirt-schaftsminister unter Khomeini hier! Den hatder damalige Ministerpräsident Röder eingela-den. Dieser Minister hatte hier einen Schwager,der vorne neben der Sparkasse ein Teppichge-schäft hatte – ist mittlerweile verstorben, Herz-infarkt. Dieser war hier Kunde und hat gesagt:,Valente, mein Schwager kommt hierher, weilder vom Ministerpräsident empfangen wird undvorher einen Haarschnitt braucht.’Ich habe gelacht, kann mir jeder erzählen, aber

o.k., istkein Prob-lem. Ja,und plötz-

lich hattenwir Polizei-

schutz vorne auf der Straße und ich habe im-mer noch nicht geglaubt. Erst am nächsten Tag,da war ein Bild in der SZ und es war tatsächlichder iranische Wirtschaftsminister. Ja, das sindStories...

VIERTEL VOR: Das war ja hier schon eine interes-sante Begegnung von Leuten. Wie war das inden 80er Jahren, als die ersten Punker hier auf-getaucht sind? Ich habe mal gehört, denen hät-ten Sie am Anfang noch die Haare gefärbt?

VALENTE: Nein, gefärbt haben wir nicht, aberBlondierung verteilt, die haben sich dann drau-ßen selbst die Haare gefärbt. Nur irgendwannwar der ganze Bereich vor der Tür verpinkelt,auf Deutsch gesagt. Das war für uns etwas un-angenehm. Du musst dir vorstellen, hast fürmorgens Kunden eingetragen – und nicht weni-

espresso?“

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ge – und dann ist hier alles, naja...sauber mar-kiert. Dann haben wir das nicht mehr mitge-macht. Aber trotzdem haben die Kunden dasnicht als schlimm empfunden.

VIERTEL VOR: Das Viertel war ja ein bisschen ver-rufen früher...

VALENTE: Das hat die Leute aber nicht gestört.Wie hat man gesagt? China. Trotzdem sind dieLeute gerne gekommen. Die haben gesagt: dasist angenehm hier, nett, Kaffee, schöner Haar-schnitt noch dazu! Wir haben empfohlen, beiSchauss Brot zu kaufen, die haben wiederumuns empfohlen, das war praktisch, wie einDoppelpack und alle waren zu-frieden.Ich habe immer versucht, of-fensiv zu sein. Offensive be-deutet, mit den Leuten zureden. Warum soll man sich ver-stecken? Ich habe kein Larifari ge-macht und wenn einer kam wie Gott mitChauffeur, da bin ich raus: ,He amigo bello! wiegeht’s?’ haha. Mir gefällt das, bürgernah zusein. Ich bin Italiener und die Italiener habeneine grande Herz für Kinder. Ich habe immerfür jede Schicht einen Preis gemacht, vomDirektor bis zum Kind – und der hat immer ge-stimmt!

VIERTEL VOR: Haben Sie das Gefühl, dass sich dasNauwieserviertel verändert hat mit den Jahren?

VALENTE: Das Nauwieserviertel hat sich verän-dert. Die Investitionen sind teilweise zu...pom-pös gewesen. Wenn man bedenkt, wieviel hierleer steht! Lebe und Lebe lassen, das ist wich-tig. Die Mieten sind mittlerweile zu hoch, diekleinen Läden können sich nicht halten, das isttraurig. Der Sparmarkt steht auch leer! DieHausbesitzer, da muss die Wand vom Herzweg! Die müssen mit den Preisen runtergehen.Hier gegenüber, der hat dieses schöne Haus ge-erbt und macht gar nix daran! Das sind tolleHäuser, hier nebenan, auch leer, seit 30 Jahren!Das ist eine Schande.Im Moment seh ich hier viele müde Leute, nurMüdigkeit, keine Freudigkeit. Aber es lässt sich

hier gut leben, es ist ein wunder-bares Viertel. Die Leute müssenzusammenhalten und die Be-sitzer müssen vernünftige Miet-

preise machen.– Noch jemand ein Espresso? –

Was hier fehlt, sind diese Kleidergeschäfte oderein schönes Schuhgeschäft...

VIERTEL VOR: ...oder ein hochpreisiges Kinderbe-kleidungsgeschäft?...

...von mir aus auch Schickimicki, und wenn derBesitzer vernünftige Preise verlangt, dann kom-men die auch!Was verbessert ist, ist die ganze Ecke hier vorneam Nauwieserplatz. Da ist der Tosteki, der Pepe,dieser wunderschöne Friseursalon und da ist

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Canapé, der Blumenladen, Spielplatz, das istok. Der König vom KurzeEck hat das auch sehrschön gemacht, neu verputzt. Aber vorne dieBar Mignon, auch schon seit 30 Jahren ver-nagelt!

VIERTEL VOR: Was war das für ein Laden?

VALENTE: Hm, das war ne Bar. Früher war das an-genehm, die Leute haben gesagt, 10 Uhr, dagehe ich ein Bier trinken und mich unterhalten,nicht negativ. Tür zu – klopf – rein!

VIERTEL VOR: Aha.

VALENTE: Hier ist es ganz gut (zeigt Richtungmono), aber etwas zu laute Musik. Musik musssein, aber nicht zu laut – weil, man will sich jaunterhalten, ein bisschen diskutieren...Wir haben hier früher die „Rumpelkammer“gehabt, wo jetzt das Flamingo ist. Das war frü-

her eines der größten Tanzlokale im Saarland,war ein sehr erfolgreicher Laden, war bekanntbis Berlin, bis Afrika!

VIERTEL VOR: Was war denn Ihr kuriosestesErlebnis hier im Laden in diesen 30 Jahren?

VALENTE: Eine ganze Menge! Nur, wo fängt manan? haha. Schlägereien...

VIERTEL VOR: HIER IM LADEN????

VALENTE: ...hat’s noch nie gegeben. (Gelächter).Wir hatten Leute, die haben beim Rasieren nenKreislaufkollaps bekommen, manchmal habendie ein Glas Wein getrunken vorher, ich habeden Rasierpinsel genommen mit warmemWasser und plötzlich: ,Valente, mir is schlecht,aber brutal schlecht...’ und dann lagen sie mirim Arm. Ja, das sind so Sachen, die passiertsind...

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Zum BleistiftNauwieserstraße 48

Billard / Dart

Öffnungszeiten:Mo-Fr 16.00 - 1.00 UhrSa- So 18.00 - 1.00 Uhr

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(Bitte nicht mehr melden.)

von > André Mailänder

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Josef.

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Maria.

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Das Jesuskind.

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König Volker.

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König Kaspar.

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Ein Schaf.

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Hirte.

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Kein Ochs.Kein Esel.

König Melchior. „König oder so”.

Noch eins.Jesuskind.Josef.

Auch König oder so.

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Stern von Bethlehem.

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28Reklame

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24 Stunden – die Säulen des Viertels

Reifen- und Reparaturservice rund ums Kfz vom Meisterbetrieb Holger Galgenmüller Tel. 3 98 444

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Der garantiert psychologiefreie Psychotest für Bewohner desNauwieser Viertels und alle anderen, die es vielleicht einmalwerden, waren oder einfach nur werden wollen.

Foto > Ralf Leis

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1 In welchem Gebäude machten dieBewohner des Nauwieser Viertels bei derBundestagswahl 2002 ihr Kreuzchen?A: in der Sporthalle des Otto-Hahn-

GymnasiumsB: in der Aula der MusikschuleC: 2002? Oh, Mist!D: Wahl?E: bin immer noch nicht umgemeldet

2 Welche Straße im Nauwieser Viertel hatdie meisten Hausnummern?A: SchmollerstraßeB: Nauwieser StraßeC: Himmel, wo fängt das Viertel nochmal an?

Und wo hört es auf?D: Kurze StraßeE: Schlossallee

3 An den Grenzlinien des NauwieserViertels befinden sich derzeit mehrere Kebab-Grills. Wennman diese auf einem Stadtplanper Strich verbinden würde, welche geometri-sche Figur erhielte man? Diese Frage bitteGENAU lesen!A: ein DreieckB: einen HalbmondC: ein Pentagramm, ups!D: irgendwas leicht RundesE: ein windschiefes Viereck

4 Du biegst mit Deinem Auto unerlaubtvon der Großherzog-Friedrich-Straße in dieNauwieser Straße ab. Dabei rammst Du einePolizeistreife, die gerade mit Blaulicht vonder Nauwieser in die Bleichstraße unterwegsist. Zwei sehr erzürnte und sehr große Beamtespringen aus dem Wagen. Was tust Du?A: Ich recke den Finger in den Himmel und

schreie: „Oh mein Gott, da fliegt OskarLafontaine!“und nutze das Überraschungs-moment, um im Puff Asyl zu beantragen

B: Ich bretter’ über den M.Ö.-Platz, machekurzerhand aus dem stattfindenden Boule-Turnier ein Kegel-Turnier, verkehrtrum indie Einbahnstraße, dann links, dann rechts,dann links, dann wieder links, wobei ichallen vor dem Café sitzenden Bekanntenfreundlich zuwinke, dann rechts, dannlinks, dann rechts und dann reihe ich michganz unauffällig in die Schlange ein, diesich zwischenzeitlich an der Ampel gebil-det hat und hupe entrüstet, weil da vorneschon wieder irgendein Depp den Verkehraufhält

C: Ich brülle: „Wie, das ist kein Anwohner-parkplatz? Wer sagt das? Sehen Sie nichtdie grünen Streifen?“

D: Ich weine, wimmere, schluchze, heule,bettele, flehe – Hauptsache, die merkennicht, dass mein TÜV abgelaufen ist

E: Ich mache auf dumm und stammele:„Huch! Das hab’ ich gar nicht gewusst,dass ich hier nicht abbiegen, ts, nein, also,das ist mir jetzt aber wirklich peinlich, seitwann gilt das denn?“

was für einviertlerbist du?

von > Germaine Paulus

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5 Es ist Donnerstag morgens, halb fünf. Wogehst du hin?A: auf’s KloB: nach HauseC: zur ArbeitD: zur TankstelleE: vor die Hunde

6 Wieviele Kaugummi-Automaten gibt es imNauwieser Viertel?A: Ich unterstütze den Kapitalismus und seine

Errungenschaften nicht!B: 5C: 13, und nur drei sind nicht in großer-

Hund-könnte-Bein-heben-HöheD: 39E: keine Ahnung, aber es gibt 3 Kondom-

Automaten

7 Seit Ende des Sommers ist die Johannis-kirche wieder mit einem hübsch umrandetenPark ausgestattet. Was geht dir durch denKopf, wenn du daran denkst?A: du-hurch sieben Tore musst du gehn, zwei

Securitykräfte überstehn...B: die Mauer muss weg!C: und ich bleibe dabei: die Bänke stehen

falsch rum!D: wo kleb’ ich jetzt bloß die Plakate hin?E: wurde auch Zeit

8 Wann wurdest du geboren?A: vor 1950B: zwischen 1951 und 1960C: zwischen 1961 und 1971D: 1972E: zwischen 1973 und jetzt

9 Wo geht im Viertel die Sonne auf?A: im OstenB: im WestenC: im NordenD: im SüdenC: viel zu früh

10 Welche Ämter befinden sich im NauwieserViertel?A: das KatasteramtB: das EichamtC: das ForstamtD: das BafögamtE: das Verdamt

11 Was ist einzigartig in Saarbrücken undbefindet sich im Nauwieser Viertel?A: der JapanerB: ichC: kostenpflichtiges Parken für alleD: die BaptistenE: dieses wunderschöne, unvergleichliche,

inspirierende Flair

12 Welches ist dein Lieblingsgraffiti imNauwieser Viertel?A: „Tötet Rudi Völler“, zu sehen in der

Nassauer StraßeB: „SZ lügt“, zu sehen in der JohannisstraßeC: die blauen Sterne, zu sehen überallD: „Faschos fisten“ (bis vor kurzem) zu sehen

in der RotenbergstraßeE: meins

13 Welche Haarfarbe hat der nette Straßen-reinigungsmann, der immer irgendwann zwi-schen 6:00 und 12:00 Uhr in der Cecilienstraßeanzutreffen ist?A: grauB: blondC: keineD: grünE: zwischen 6:00 und 12:00Uhr MORGENS???

Woher soll ich das wissen?

14 Nach welchem Regisseur ist der kleinerePlatz im Südwesten des Viertels benannt?A: OphülsB: MeyerC: OrlowskiD: LandwehrE: Trier

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15 Wieviele Etablissements veranstaltenim Nauwieser Viertel gelegentlich bis re-gelmäßig legale Live-Konzerte?A: 2B: 3C: 4D: zu wenigeE: mir egal. Hauptsache um elf is’ Ruh!

-------------------------------------------------Wertung (Auflösung Seite 60):

Frage 1: A B C D E0 1 4 4 4

Frage 2: A B C D E0 0 2 4 4

Frage 3: A B C D E3 0 2 1 4

Frage 4: A B C D E3 2 0 4 1

Frage 5: A B C D E0 4 1 4 4

Frage 6: A B C D E4 2 0 1 4

Frage 7: A B C D E4 2 2 1 0

Frage 8: A B C D E1 1 1 1 1

Frage 9: A B C D E0 1 2 3 4

Frage 10: A B C D E2 1 0 3 4

Frage 11: A B C D E3 4 0 1 57

Frage 12: A B C D E4 2 0 1 110

Frage 13: A B C D E4 3 0 1 2

Frage 14: A B C D E0 3 4 2 1

Frage 15: A B C D E0 2 3 4 -105

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20/12/03Ubu Roi:

Los Perdidosmit Héctor Zamora

live ab 12 Uhr

13 -17/12/03kinoachteinhalb:

Reihe„Jenseits vonBollywood“

VIERTEL VOR empfiehlt

VeranstaltungsAdventskalender

26/12 hellmut:

Loony(Sb-Powerpop live)

ab 20.30 Uhr

25/12/03 hellmut:

Bossa Christmas!mit bossa '68 (live)Fred Scholl (decks)

ab 20.30 Uhr

KinderstressfreiEinkaufen

Ein Angebot desSOS-MütterzentrumsInfo: 0681/936 52 81

21/12/03Fleur de Biere:Lesung mit

Joachim „Puma“Schmidtab 18 Uhr

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30/12/03Karateklub Meier:

Dirty Schatzmann(für Johnny Cash-

Fans!) live ab 21 Uhr

31/12/03im Viertel:

Euro feat. AsiaSilvesterfete

31/12/03Kunstwerk:

Silvesterfeteab 20.30 Uhr

26/01-01/02/04

Max-Ophüls-Festival

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13/01/04Bar Central:

Lesungab 23 Uhr

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Wunsch: „Ein inneres Verlangen, das Her-beisehnen eines Erlebenszustandes“.Soweit zur Erklärung des Wörterbuchs.

Aber was verbindet der Durchschnitts-Saar-brücker mit diesem Begriff? Vielleicht: Herzli-chen Glückwunsch! Wünsch dir was! Sie habendrei Wünsche frei! ...und die erfüllt jedes dritteEi... alle auf einmal! Eins scheint festzustehen:Das Leben ist (k)ein Wunschkonzert!Bei den Gästen des Filmfestival Max OphülsPreis ist das anders. Da umgibt den eigentlichdoch so profanen Wunsch gute Filme zu sehen,eine poetische Aura. Da wird gewünscht, inandere Welten einzutauchen, den Zugang inein filmisches Universum zu finden, am Geniusder Genies teilzuhaben, sich dem Künstler insich selbst zu nähern. Intellektueller Schnick-

Schnack? Sicher nicht! Denn dem Wunsch folgtsogleich der Vorsatz. Den formuliert der interes-sierte Cineast jedes Jahr aufs neue, nicht nur zuSilvester, auch im Januar, wenn das Festival nä-herrückt. Und dieser ist meist ganz alltäglich: ...diesmal schau ich mir mehr Filme an ... und gehin Lolas Bistro, ... hör mir mal an, was der Regis-seur so zu sagen hat, ... will ein paar Stars undSternchen sehen, ... gute Musik, ... außerdemnoch ein Eis und ne Mega-Coke, ne nette Be-gleitung und ne anregende Unterhaltung nachdem Film.Wünsche erfüllen können wir hier nicht, aberVorsätze in ihrer Umsetzung unterstützen. Wirhaben schließlich nicht Silvester! Die cineasti-schen Eckdaten auf demWeg zum Abtauchen inneue Welten, womit wir dann doch wieder bei

von wunsch

Foto >Ralf Leis

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der Wunscherfüllung angekommen wären, fol-gen hier:Das Rüstzeug für diese fantastische Reise gibt’sauf der „Blauen Stunde“ am 16.01.04 im Cine-star. Das Logbuch (den Katalog) erhält man hierebenso wie Festivalpässe, einzelne Eintrittskar-ten, Kontakt zu Seelenverwandten und Gleich-gesinnten.Der Beginn der Reise ins filmische Universumwird auf der Eröffnungsfeier am 26.01.04 durchden Eröffnungsfilm, Reiseproviant und Erfri-schungsgetränken unterstützt. Etappenziele derLustfahrt sind der Cinestar, das Filmhaus unddas Kino 8 1/2. In Lolas Bistro in der Garage wer-den Gruppenleiter und (Reise-)Experten jedenAbend ab 22 Uhr die Tagesetappen noch einmalRevue passieren lassen. Und, wurden die gutenVorsätze nicht gebrochen und der Wunsch zur

gelebten Wahrheit, dann sollte das auf der gro-ßen Abschlussfeier am 31.01.04 wiederum in derGarage gefeiert werden.Die Orden für besondere Verdienste funkelndann auf der Preisverleihung am 01.02.04 imStaatstheater ab 13.30 Uhr. Erst dann heißt eswieder zurück in den Alltag und in Tagträumenauf das nächste Filmfestival Max Ophüls Preis zuwarten.Haben sie ihre guten Vorsätze für 2004 schongefasst? Nein? Dann sollte neben „das Rauchenaufhören“, „mehr Sport“ und „abnehmen“ eineausgedehnte, fantastische Reise in die Welt desKinos vom 26.01.- 01.02.04 beim FilmfestivalMax Ophüls Preis auf der Liste stehen!

Robert Herfurtner

Weitere Infos gibt’s unter >>www.max-ophuels-preis.de

Das Pub l i kum s ch i e s s t z u r ü ck

Immer nur fremde Bilder sehen? Beim Festival im

Januar setzen die Cineasten der Flut der Bilder zum

ersten Mal Eigenes entgegen. Interessierte können

sich während des Festivals Lomo-Kameras ausleihen.

Sie erhalten dazu noch einen Film und eine Themen-

liste, die sie von A-Z lomographieren sollten.

Ein großer Bilderteppich aus über 1000 Lomographien

präsentiert die Ergebnisse bei der Abschlussparty am

Samstag.

Eine Jury kürt die Urheber der besten Serien zum

„LomoMax 2004". Es winken feine Preise.

Kamera, Film und die gefährliche A-Z-Liste werden

ab dem 26.01.2004 im CineStar gegen Pfand und eine

Startgebühr verliehen.

Infos und Reservierung von Leihkameras (Achtung:

beschränkte Anzahl von LeihLomos!) bei:

Joachim Trapp, Lomographische Botschaft Berlin,

030/44 30 88 74, [email protected]

Foto >Lomographische Botschaft Berlin

filmenund filmwünschen

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von > Frank Schi l l ing und Ralf Leis

wunschlosglücklich?

Wünsche und Vorsätze für’s neue Jahr.Von 18 ausgesuchten saarländischen Politikern.Hätten wir gern gewusst.

Wir haben ihnen Notizzettel geschickt.Da sollten sie draufschreiben.Die Wünsche.Und vor allem die Vorsätze.Und Briefumschläge haben sie bekommen.Frankierte Briefumschläge.Damit sie die Blätter bequem zurückschicken können.

Danke.

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Michael Burkert (SPD),Stadtverbandspräsident:

Dr. Hanspeter Georgi (CDU),Minister für Wirtschaft:

vorhang auf, hier die ergebnisse:

Peter Altmaier (CDU), MdB:Kajo Breuer (Die Grünen),Bürgermeister:

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Dr. Regina Görner (CDU),Ministerin für Frauen, Arbeit, Gesundheitund Soziales:

Hans Kurt Hill (PDS),Landesvorsitzender:

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Christoph Hartmann (FDP),Landesvorsitzender, MdB:

Hajo Hoffmann (SPD),Oberbürgermeister:

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Dr. Reinhard Klimmt (SPD),Ex-Ministerpräsident:

Oskar Lafontaine (SPD),...hm..:

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Heiko Maas (SPD),Landesvorsitzender:

Peter Müller (CDU),Landesvater:

Jürgen Schreier (CDU),Minister für Bildung, Kultur und Wissenschaft:

Eugen Roth (SPD), DGB Saar,stellvertretender Landesvorsitzender:

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43Da hat jemand den Absender vergessen, wir ver-muten aber: Frank Oran (CDU), Finanzdezernent:

(sehr schöner Weihnachtsstern!)

Ottmar Schreiner (SPD),Mitglied des Parteivorstands, MdB:

Dr. Rainer Tabellion (SPD),Generalsekretär:

Hubert Ulrich (Die Grünen),Landesvorsitzender, MdB:

Page 44: Viertelvor Ausgabe 2

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Page 45: Viertelvor Ausgabe 2

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Saarbrücken • Blumenstraße 17Tel: 0681 / 93 85 941

Di - Fr: 11.30 - 14.00 und 18.00 - 2.00 UhrSa und So: 18.00-2.00 Uhr

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neu im Nauwieserviertel!essen • trinken • geniessen

Page 46: Viertelvor Ausgabe 2

Ecke Mainzer- / Paul-Marien-Straße. KeineZeit zu verlieren! Schnell noch Zigarettenund eine Flasche Wasser kaufen! Die Stufe

hoch und vorbei an der Oma mit dem lustigenbraunen Wagen, hihi. Die taumelt leicht, grinstnett, wegen der Vorfreude auf: Suppengrün,

Fertigpizza, Chantré und Plastiksalami. Weitergeht´s. Nudeln, Möhrchen, dann Oliven undschon wieder Alkohol. Dann an der Kasse einwenig Schlange und viele Pfandmarken auf demFußboden die unter Fluchen eilig wieder aufge-lesen werden. Zahlen, raus.Vor der Tür immer dieselben Gesichter. Sie sit-zen auf der Erde vor´m Schaufenster, auf derTreppe gegenüber, fast alle trinken. Schloss Pils

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„Da geh ich nicht mehr hin.was soll ich denn da?“

bernd

lost in the supe

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aus der Dose, Sekt, Wein. Viele, die vorbeikom-men, stört das. Sie sagen, dass sie froh sind,wenn der Markt endlich schließt und „die Pen-ner“ verschwinden. Verallgemeinerungen, wieimmer. Da wird gerne über einen Kamm ge-schert und in der 150 m2-Altbauwohnung abendsbeim Rotwein geschimpft. Unterdessen liegt„das Pack“ unter der Brücke und kann vor Kältekaum die Flasche halten. Für diese Menschen istdiese Ecke ein Treffpunkt, eine Möglichkeit

am Leben teilzuhaben. Hier ist immer was los,den ganzen Tag Betrieb. Es wird viel geredet,manchmal auch geschrien. Das macht den einenAngst, anderen geht´s einfach nur auf den Sack.Sie wissen nicht genau warum, denken auchnicht drüber nach, die wissen eigentlich gar nix.Nur halt eben, dass es nervt. Vielleicht ist es derEkel vor den eigenen Fehlern, das stille Glück,selbst nicht so zu leben und die Ahnung, dassdas bloß ein Zufall ist...Sei´s drum, den Markt gibt es nicht mehr, istumgezogen. In ein großes langes Gebäude miteinem Parkplatz vornedran. PLUS ist jetzt näm-lich ein Discounter und die müssen so aussehen.Kundenfreundlich, komfortabel, kalt. Der alteLaden ist jetzt leer, die Kreuzung ein Stück tri-ster.Und einige wenige haben einen für sie wichti-gen Ort verloren. Auch wenn das unwichtig er-scheinen mag, es war Grund genug, einen Filmzu machen. Im August, bei 40 Grad, alle hattenDurst.Demnächst kann man sich den auch anschauen.Im leeren PLUS vielleicht. Mal sehen...

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„Sorg mal fürden Lokalkolorit“

fr.marx

„Haben die auchPampelmusen?“

rmarketvon > Matthias Kreutzer

und Christoph Brach

erik

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„Naja, die machen Saarbrücken eben tot.Guck mal da rüber, da ist leer. Da ist auchnicht so richtig voll, ne. Doch, es würd’ mirgefallen, wenn da mehr Betrieb wäre.“

„Ich hab noch´n Bier, ist gut. Solang ichnoch ein Bier hab, ist die ganze Welt nochin Ordnung.“

„Der Plus hat es noch wie Tante Emma dasgehabt hat. Das ist wie ´ne zweite Heimatund die verlier ich. Ich hab schon gesagt,wenn ihr da hinten hinzieht...da geh ichnicht mehr hin, was soll ich denn da.“

„Und die wissen genau, 5 vor 7, oder 3 vor7, eine nach 7, kriegt man hier sogarnoch´n Bier. Für 27 Cent! Das ist ja derKick!“

„Wenn ich mich hier 15 Uhr hinsetze, weißich genau 15 Uhr 30 kommt der von derArbeit hier vorbei und holt sich zwei DosenBier. Der nächste kommt um 15 Uhr undholt sich ´ne Dose Suppe. Der Übernächsteholt sich Hähnchenschenkel. Kann ichgenau einplanen.“

„Der kommt jeden Tag her. Der gibt immervor, er wär Krankenpfleger, dabei hat erdrei Entziehungskuren hinter sich.“

„Und als ich in Berlin Berufsschullehrerwar, hab´ ich meinen Leuten immer gesagt:bleibt an der Wurzel.“

„Ach so, mit der Bierdose darfst du michruhig filmen. Ich geb´ zu, dass ichAlkoholiker bin. Also ich bin Biertrinker,ich war noch nie in der Entzugsanstalt.“

„Zwei Stunden 10 Euro, das ist schonHärte. Gut, es gab auch schon Situationen,da hab ich in 3 Stunden 1 Euro 50 gehabt.Aber an besonderen Tagen, wenn Stadtfestist wie heute, hock ich mich ´ne Stunde, dahab ich fast 20. Weil die dann denken,dann kauf dir auch mal ein Eis.Und alles Geld was ich in der Stadt kriege,bring ich immer wieder her und da habenwir wieder den Punkt zum PLUS. Gehe ichda her und gebe es da aus. Kannst ja hin-gehn und kannst fragen, ich kauf mir allesmögliche. Manchmal sogar frischeSocken.“

bernd

Wir: „Sie sind froh wenn der Plus-Marktverschwindet?“

Er: „Da hinten sind, da sind die Penner da.Die die Stadt verunschönern.“

Wir: „Ja, das sieht nicht schön aus, abermeinen sie nicht, wenn der Plusmarkt aufeinmal verschwindet, dass da auch eingutes Stück Leben verschwindet hier ander Kreuzung? Ich stelle mir die Kreuzungohne den Markt sehr leer vor.“

Er: „Da kommen nicht viele Menschen hin.Was wir hier haben, kommt alles vonAmerika. Die Penner, die Kriminalität.“

Wir: „Ich glaub, das gab es auch schonalles vorher hier.“

Er: (Kopfschütteln) „Sie können sich nichterinnern, aber ich kann mich erinnern!Das dritte Reich. Will ja keiner mehr hören.Aber da war so was nicht...“

herr h.

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„Wenn wir etwas von jemandem wollen...ich mein, es gibt Ausnahmen, die die Leutewirklich anpöbeln oder so. Aber ich fürmeinen Teil und die Leute mit denen ichzusammenhänge wie er zum Beispiel, wirgucken dass wir möglichst höflich sind...“

„Vorurteile sind ein Teil unserer Gesell-schaft, irgendwo. Du brauchst immerjemand, auf den du runterblicken kannstum dich selber zu erheben. Es ist einfacher´ne ganze Gruppe zu verurteilen als einenEinzelnen. Weil bei ‘nem Einzelnen musstdu das genau definieren was der jetzt ge-macht hat, ansonsten kannst du sagen ,ei ,die sind ja sowieso Mist!’“

„Wo bliebe der Kontrast, wenn jeder nurreich wäre oder jeder nur das machenwürde, was man von ihm verlangt, konformist und sonst irgendwas, und zweitens:Warum können wir nicht unser Lebenleben? Ich lass den Menschen doch auchleben so wie er möchte...“

„Es gibt wie gesagt auch diese Stamm-kunden, die kommen vorbei, da brauchstdu erst gar nicht was zu sagen oder so. DieLeute kommen einfach vorbei, grinsendich an und drücken dir was in die Hand.“

„Ich hab ein gutes Verhältnis, überall.Denn so wie man sich gibt, so wird manempfangen. Ich war noch immer zu jedemfreundlich, auch zu Armen, zu Bettlern,immer freundlich!“

„Am Ersten bekomme ich immer 100 Markund wenn ich dann rausgehe und sehe‘nen Gammler oder Bettler, dann gebe ichimmer ein Stück Geld, 2-3 Mark. Die sindimmer überglücklich...“

Ich bin in Frankreich geboren, ging inFrankreich in die Schule und hab meinenMann in Frankreich geheiratet. Da drüben

sagen sie immer ,Madame Marx commenaissance francaise’ also ,Frau Marx gebo-ren in Frankreich’“

„Wenn keiner mit mir geht, es muss ja je-mand mit mir gehen, denn alleine darfich ja nicht raus...“

„Da sind die Leut aber selber schuld!Wenn die auf´s Sozialamt gingen, bekämensie Wohnung und bekämen Geld. Abermanche sind zu faul hinzugehn und danngibt es auch welche, die sich schämen hin-zugehn. Aber wenn ich arm bin, dafürbrauch ich mich nicht zu schämen. “

erik

fr.marx

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ich, grete bickelmann...von > Véronique Verdet

I l lustrat ionen >Marc „Mieps“ Misman

Auf der stark vergilbten ersten Seite desHeftes steht in altmodischer Schrift ge-schrieben Aufgabe Nummer eins: Einhun-

dertfünfzig Mal: „Ich werde Manfred lieben ler-nen“. Es folgen einhundertfünfzig nummerierteZeilen. Die Schrift zeigt ab Zeile zwanzig gewis-se Ermüdungserscheinungen, die Buchstabenverlieren ihre Konturen, hier und da durchgestri-chene „Manfred“ und Tintenflecken, als ob dieHand sich immer wieder verkrampft hätte, unfä-hig oder unwillig die Aufgabe zu Ende zu führen.Der Umschlag ist dunkelgrau. In seiner Mitte,auf einem einst weißen, quadratischen Feld stehtin der gleichen, obsoleten Handschrift: „Auf-gaben“.Marie ist ratlos. Ihr nasses Haar tropft auf dasdünne Papier. Eine Wasserperle verwandelt diebeiden letzten „Ich werde Manfred lieben ler-nen“ in einen zartblauen Fluss, der sich raschverbreitert und schnell das Ende des Blattes er-reicht.Marie klappt das Heft wieder zu. Sie steht auf,zündet sich eine Zigarette an, nimmt einen tiefenZug. Vor einer knappen halben Stunde saß sie imErker ihres Schlafzimmers, beobachtete die, bisauf ein paar Sonntagsmenschen mit Sonntags-kleidern und Sonntagsgesichtern, menschenlee-re Berliner Straße. Sie zeichnete, in Gedankenverloren, Zielscheiben auf das durch ihren Atembeinahe vollkommen beschlagene Fenster, alseine Krähe, scheinbar aus dem Nichts erschie-nen, ihre Aufmerksamkeit erregte.Gierig pickte die Krähe eine überfahrene Rattevom Asphalt. Sie stand auf dem Kadaver, denKopf leicht zur Seite geneigt, die Krallen fest imzartrosa Fleisch verankert. Ihr Schnabel, ihr Ge-fieder waren voller Blut. Gefräßig riss sie große

Stücke aus dem Tier ab. Weitere Krähen flogenheran, landeten sicher neben der immer nochblutenden Ratte und stritten laut um denSonntagsbraten.Marie konnte ihren Blick von dem unverhofften,wenn auch etwas makaberen Sonntagsspektakelnicht abwenden. Der Straßenbelag schien zumLeben zu erwachen. Die streitenden Krähen bil-deten eine dunkelschwarze, sich rhythmischbewegende Masse, eine dichte, lebendige As-phaltbeule. Ein Auto raste vorbei, schlug dieVögel in die Flucht. Sie warteten aufmerksamam Straßenrand bis die Gefahr vorbei war, umsich dann auf die Überreste zu stürzen.Erst dann bemerkte Marie die alte Frau, dieebenfalls, von der Bushaltestelle aus, das wildeFressen beobachtete. Sie sah aus wie eine ver-kümmerte Stadttaube: grau und abgemagert.Grau ihr Kleid, ihre unförmige Stofftasche, ihrRegenschirm. Abgemagert das faltige Gesicht.Inzwischen hatte sich der Himmel verdunkelt,schwere Regenwolken zogen tief über die leereStraße heran. Es begann zu regnen.Marie mochte diese starken Sommerregen.Große Tropfen rutschten auf der Scheibe herun-ter, trübten ihren Blick. Nicht einmal die Krähenwaren noch zu sehen. Blaulicht. Sirene. EinFeuerwehrauto eilte vorbei. Hinter ihm rolltengelbe Plastiksäcke her. Die alte Dame hatte of-fensichtlich Schwierigkeiten, dem Wind Wider-stand zu leisten. Sie ließ ihre Stofftasche fallenund umarmte die Ampel. Die nächste, heftige Böschnappte sich den Schirm, warf ihn hoch in dengrauen Himmel. Wie ein Blatt flog er dahin. DieFrau schaute ihm nach. Ein Linienbus fuhr heran.Mit unsicheren, kleinen Schritten stieg sie ein.Als Marie die graue Stofftasche auf dem Boden

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liegen sah, wusste sie, dass sie den Beutel an sichnehmen würde.Marie hasste diese nicht zu Ende gehendenTage, an denen nichts geschah. Dieser könnteeine Ausnahme werden.Sie sprang auf, rannte durch das Zimmer, warfihren Pyjama auf den Boden, zog hastig irgend-welche Kleider an, die sie längst hätte waschensollen. Auch das gehörte nun mal zu einemvollkommen nichtsnutzigen Sonntag: Sie ver-schwendete ihre Zeit damit, eine Zigarette nachder anderen zu rauchen, akribisch mit einerNagelschere ihr Haar vom Spliss zu befreien,oder Briefe aus vergangenen Zeiten zu lesen, diesie unweigerlich in eine nostalgische Stimmungversetzten.Marie rannte barfuß die Treppe herunter. Als siedie Straße überquerte, konnte sie nicht widerste-hen, einen Blick auf den mickrigen Haufen zuwerfen, den die Krähen von der Ratte übrig ge-lassen hatten: Fell, rosa und weiße speckartigeFetzen. Sie schaute verstohlen um sich. Viel-leicht hatte die Alte den Verlust bereits an dernächsten Bushaltestelle bemerkt und den Bus-fahrer gebeten anzuhalten.Marie stand alleine im Sommerregen.Sie bückte sich, griff die Tasche und lief in ihreWohnung zurück.Der durchnässte Beutel aus filzartigem, grauemStoff wies Ähnlichkeiten mit der toten Ratte auf.Aus seinem Inneren tropfte es. Eine dunklePfütze bildete sich auf dem Teppich. Ungeduldigzog Marie an der Wollschnur, die, zusammen-gezogen, die Tasche wie eine Grauwurst ausse-hen ließ und schüttelte den Inhalt aus: eineTube Handcreme, ein feinsäuberlich gefaltetesTaschentuch mit gesticktem Monogramm, drei

Haarklammern, wie sie Maries Großmutter ihrLeben lang benutzt hatte, um aus ihren langen,weißen Haaren den unabdingbaren Knoten zuformen, ein längst stumm gewordener Spiegel,eine Puderdose, ein Geldbeutel, ein Schlüssel-bund, ein Personalausweis, ein Umschlag, eineHaarsträhne, zwei Eukalyptusbonbons, einKamm, an dessen Zinken graue Haare hingen,und drei Hefte, ein graues, ein grünes und einrotes fielen auf den Boden.Zunächst schobMarie, über ihre Indiskretion einwenig beschämt, die drei altmodischen Schul-hefte und den Brief beiseite. Sie drehte die TubeHandcreme auf, roch daran, nahm ein Eukalyp-tusbonbon, entfernte ein Haar, das daran fest-klebte, faltete die Zellophanhülle zusammen,hielt das Bonbon zwischen Daumen und Zeige-finger, um es dann, ein wenig angewidert, in denüberquellenden Aschenbecher zu werfen.Ein lautes Geräusch aus Bremsen, Gas gebenund Vogelgekreische unterbrach die Autopsieder Beute. Sie ging ans Fenster. Auf demAsphaltlag eine Krähe. Rücklichter waren im dichtenRegen noch schwach zu erkennen. Unterhalbdes Kopfes, bis zum Bauch, klaffte eine tiefe,dunkelrote Wunde. Marie fragte sich, ob Ratten-stückchen zu sehen sein würden. Fünf weitereschwarze Vögel saßen auf dem Dach eines grü-nen Autos. Sie lachten.Lachten sie etwa über die nasse Diebin hinterder beschlagenen Scheibe, die sich nicht traute,ihr Diebesgut weiter zu untersuchen?Ich bin keine Diebin, dachte Marie. Noch niehabe ich irgendetwas gestohlen. Außer einerKosmonauten-Schlumpffigur an der Kasse deskleinen Dorfladens, in den ihre Mutter sieschickte, wenn sie unbedingt ein Gewürz für

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eins ihrer erfundenen, extravaganten Gerichtebrauchte. Oder wenn sie in Ruhe telefonierenwollte.„Und was ist mit dem Schlumpf, Kleines?“ hattedie dicke, weißblond gefärbte Kassiererin ge-fragt. Im Dorf wusste jeder, dass sie mit demMetzger ins Bett ging. Angeblich verführte siesogar seit Jahren Bruder und Vater auf dem, mitSägemehl übersäten Boden der Metzgerei unterden, nach Kräutern duftenden, Würsten. Einerichtige Schlampe.Eine größere Schande konnte sich Marie nichtvorstellen, als ausgerechnet von dieser Fraubeim Klauen erwischt zu werden. Das war ei-gentlich nur geschehen, weil ihreMutter sich ge-weigert hatte, ohne fünf Safranblüten, eine mit-telgroße Mango und eine Handvoll Korianderweiter zu kochen, und Marie wie üblich mit einpaar Münzen und einem Kuss auf den Kopf inden engen, muffigen Laden geschickt hatte.Aber heute war es anders. Die nasse Taschehatte sie nicht gestohlen, die Tasche war einFundstück.Eigentlich war es ganz einfach: Sie würde aufdem Personalausweis nach Name und Adresseder alten Dame schauen, um ihr dann umgehenddie Sachen zukommen zu lassen, oder selber vor-bei zu bringen. Vorher würde sie aber einenBlick zumindest in eins der drei Hefte werfen.Marie griff nach dem grauen Heft und fing an zulesen.Was hatte diese Aufgabe „Ich werde Manfredlieben lernen” zu bedeuten?Marie drückt die Zigarette aus, klappt das Heftwieder auf, liest weiter.Aufgabe Nummer zwei lautet: EinhundertfünfzigMal: „Ich werde Manfred nie wieder auf der

Fensterbank abstellen” Es folgen wie bei Auf-gabe Nummer eins einhundertfünfzig mit blauerTinte nummerierten Zeilen.Bilder von feuchten, wimmernden Bündeln imAltpapiercontainer, verschlossenen Plastiktütenmit Kätzchen und in Äther getränkten Watte-bällchen, vor sich hin vegetierenden, unterer-nährten Gestalten mit tiefen, dunklen Augen inrostigen, mit Exkrementen besudelten Gitter-bettchen schiessen Marie durch den Kopf.Aufgabe Nummer zwei begleitet allerdings einGefühl der Entschlossenheit durch die gleichmä-ßig geformten Buchstaben. „Ich werde Manfrednie wieder auf der Fensterbank abstellen“. Werist Manfred? Wer ist die alte, graue Taubenfrau,die ein solches Heft, Tag für Tag über Jahre hin-weg, zwanghaft bis zur allerletzten Seite gefüllthat? Manfred. Ein ungeliebtes Etwas auf einerFensterbank, während eine Frau – seine Mutteretwa? – vermutlich am Küchentisch sitzend, kon-zentriert, die Zunge in kurzen Abstände über dieOberlippe streifend, den Füllfederhalter fest mitder rechten Hand umklammert, die selbst aufer-legten Aufgaben erfüllt.Aufgabe Nummer drei: Einhundertfünfzig Mal:„Ich werde Manfred nicht mehr schlagen“Aufgabe Nummer vier: Einhundertfünfzig Mal:„Ich werde Manfred ab und zu umarmen“Ich sollte die Polizei benachrichtigen, denktMarie.Dem vergilbten Papier nach zu urteilen, istManfred jedoch ein längst verjährter Fall, ausdem sich wohl keine heiße Akte entwickeln wird.Marie steht auf, geht im Zimmer auf und ab,trinkt einen Schluck kalten Kaffee, sucht imSchrank nach Jacke und Socken, denn jetzt erstfällt ihr auf, dass ihr fröstelt, setzt sich wieder hin

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und greift nach dem grünen Heft, das denAusweis halb verdeckt.Nun hat die Frau einen Namen.Grete BickelmannGeboren am 22.05.19...In B...Fünfundachtzig Jahre alt. Auf dem Foto siehtGrete jung, schön und traurig aus.Wohnhaft in ...Beruf: Hausfrau.Hausfrau! Eine Hausfrau schreibt nicht einhun-dertfünfzig Mal hintereinander „Ich werde Man-fred nicht mehr schlagen“. Eine Hausfrau küm-mert sich um ihren Manfred, führt ihn aus, zeigtihn stolz den Nachbarn, baut mit ihm Sand-burgen, geht mit ihm belgisches Eis und heißeWaffeln auf der Strandpromenade essen und fallssie überhaupt etwas auf der Fensterbank abstel-len muss, dann ist es der Lieblingspudding vonManfred, damit er ihn, sobald er aus der Schulekommt, sofort essen kann.Eine Mutter tut so was.DennManfred ist Gretes Sohn. Eine altmodischeWiegekarte, die aus dem Ausweis gefallen ist,verrät es:Manfred BickelmannGeboren am 12.04.19...Fünfundsechzig Jahre alt. Normalerweise.Marie erschaudert. Gleichzeitig kribbelt Auf-regung in ihrem Bauch. Frau Bickelmann könn-te eine Kindsmörderin sein.Marie wünscht, sie wäre ihrer krankhaften Neu-gierde nicht gefolgt. Am liebsten würde sie denBeutel, der inzwischen stark nach nassem Hundriecht, samt Inhalt aus dem Fenster werfen, denFernseher einschalten und den restlichen Sonn-tag Reiseberichte und Tierfilme anschauen.

Irgendwann eine Pizza von nebenan holen, dieHälfte davon im Karton liegen lassen und sich,wie jeden Sonntag, schwören, dass sie nie wie-der dort bestellen wird, auf der Couch einschla-fen, später mit steifen Nacken und Beinen wachwerden und in ihr Bett taumeln.Doch dafür ist es zu spät.Sie wird Wasser für einen Tee aufsetzen, einePackung Zigaretten aus ihrer Vorratsschubladenehmen, endlich den Aschenbecher leeren, dasLicht anmachen, denn inzwischen ist es fast dun-kel geworden, ihre derzeitige Lieblingsplatteauflegen und jede verdammte Zeile lesen, bis sieauf so was wie eine Erklärung stößt, wenn nichtin dem grauen Aufgabenheft, dann eventuell ineinem der beiden anderen.Das Rote ist noch nicht benutzt worden, auf demGrünen steht Ausgaben.Frau Bickelmann hat, mit Lineal und Bleistift, dieAnzahl der Zeilen verdoppelt, die Blätter derLänge nach zweimal halbiert. Die enge Schriftist schwer zu entziffern. Eine Spalte ist für Man-fred reserviert.Apotheke, Haferflocken, Apotheke, Haferflok-ken, zwei Bananen, Apotheke, Haferflocken,Apotheke.Manfred ist vom ersten Tag seines Lebens ankrank gewesen. Ihrer Spalte nach zu urteilen, hatGrete Bickelmann, sowohl für sich, als auch fürihren Jungen sämtliche Kleider selbst angefer-tigt. Alle paar Jahre hat er Schuhe bekommen.Öfter als sie.Marie steht auf, streckt sich, erinnert sich, dasssie Tee machen wollte, geht in die Küche.Grete Bickelmann. Manfred Bickelmann. War danicht ein Kuvert in dem Beutel? Marie stellt denWassertopf auf dem Herd ab und kehrt, ohne die

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Flamme anzuzünden, in ihr Zimmer zurück.Auf dem feuchten Umschlag ist die Adressenicht mehr zu entziffern, doch scheint der Brieftrocken zu sein. Marie faltet ungeduldig dieBlätter auseinander. Einige Geldscheine fallenauf den Teppich. Kein Zweifel, der Brief ist vonGrete, die inzwischen vertraute Bickelmann-Schrift erkennt sie sofort.H..., den 21. Juli 2...Der Brief ist von heute.Sehr geehrter Herr Pfarrer,ich, Grete Bickelmann, wohnhaft in ..., möchtehiermit zwei Todsünden melden. Ich möchte Sieaber vorab bitten, sich um den Leichnam meinesSohnes Manfred zu kümmern.Ich hab’s gewusst! denkt Marie.Sie werden ihn in unserer Wohnung vorfinden.Die Tür ist nur angelehnt, so daß Sie keineSchwierigkeiten haben werden, herein zu kom-men.Meinen Bemühungen zum Trotz, habe ich nie-manden gefunden, der sich nach mir um meinenManfred kümmern könnte. In der Früh habe ichihn getötet. Ich bin, wie jeden Tag, kurz vorSieben aufgestanden, um sein Frühstück vorzu-bereiten. Heute habe ich allerdings Gift unterseinen Brei gemischt. Es war schwierig ihn zu füt-tern denn er war sehr hungrig und unser beiderHände zitterten stark. Es war heiß heute morgen.Manfred sagte, es würde bestimmt ein Gewittergeben. Er mag diese Sommerregen.So wie ich, denkt Marie.Das Geräusch auf der Dachrinne erinnert sie andie hüpfenden, grünen Grillen, die sie als Kindso gerne auf dem ausgedörrten Rasen imStadtpark sammelte. Fünf durfte sie in einemMarmeladenglas mit nach Hause nehmen. Bevor

sie wach wurde, ging ihre Mutter mit einerTaschenlampe in den Park, Ersatz für die totenInsekten suchen.Ob Frau Bickelmann auch für Grillen-Ersatz ge-sorgt hätte?Nach dem Waschen habe ich Manfred einen fri-schen Schlafanzug angezogen. „Warum nimmstdu den Guten, Mama?“ hat er gefragt. „WeilBesuch kommt“, habe ich gelogen. MeinemSohn Manfred entgeht nichts, wissen Sie.Ob das Gift ihm auch nicht entgangen war, fragtsich Marie, ob seine Hand deswegen so arg zit-terte? Ahnte er etwa, was die eigene Mutter vor-hatte? Sie liest weiter.Sechs Mal musste ich ihm unser Lieblingsliedvorsingen, bis er endlich friedlich einschlief. Mitder Nagelschere habe ich eine seiner Locken ab-geschnitten. Dann habe ich ein Kopfkissen ge-nommen und es so lange und so fest ich konnte,auf sein Gesicht gedrückt.Ich habe keine Kraft mehr. Was ich nun tunwerde, weil ich es tun muss, ist eine weitereTodsünde. Ich weiß es, doch für uns beide gibt eskeine andere Lösung.Mit dem beiliegendem Geld möchte ich Sie bit-ten, eine Messe für Manfred zu lesen.HochachtungsvollIhre Frau Grete BickelmannMarie sammelt die auf dem Teppich verstreutenSachen, wirft sie in die Tasche, zieht die nasseWollschnur eng zusammen, steht auf, geht ansFenster und lässt den Rollladen herunter. Siezieht Schuhe und Jacke an, setzt sich aufs Bett,zündet eine Zigarette an, zieht die Jacke wiederaus, steht auf, geht auf und ab und vermeidet, dieTasche anzusehen. Was mache ich jetzt? fragt siesich. Es ist zu spät, um Frau Grete Bickelmann

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einzuholen. Angenommen, sie will sich von einerBrücke aus das Leben nehmen, wer weiß welcheder unzähligen Brücken in der Stadt sie sich aus-gesucht hat. Warum sollte es überhaupt eineBrücke sein, denkt Marie. Es gibt so viele ande-reMöglichkeiten. Sie zieht ihre Jacke wieder an,geht zu der Tasche, bückt sich. Ihre Hand zögertund greift zur Zigarettenschachtel. Sie setzt sichauf den Teppich, schaut auf dem feuchten Schat-ten, den der Beutel hinterlassen hat, legt ihreHand darauf.

Warum sollte irgendjemand versuchen, FrauBickelmann von ihrem Vorhaben abzuhalten?Eigentlich geht es mich gar nichts an, denktMarie. Sie steht auf, nimmt die Tasche, machtdas Licht aus, sperrt ihre Wohnungstür ab undgeht die Treppe herunter. Der Sturm ist vorbei.Die Straße riecht nach nassem Sommer in derGroßstadt. Langsam geht sie zur anderen Seite,legt die graue Tasche neben der Ampel an derBushaltestelle ab.Von der Ratte ist nichts mehr zu sehen.

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56Reklame

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Die Typen:

♣ der fensterhänger (-105 bis 1 punkt)Diese Gattung ist wind- und wetterfest. Männliche Exemplare präsentieren auch bei

Minusgraden ihren Feinripp, weibliche wildgeblümte Schürzen. Der Fensterhänger ist Viertel-Urgestein. In der Regel ist er seit mindestens zehn Jahren ortsansässig. Tagsüber verteidigt er seinenParkplatz vor dem Haus mit brachialer Härte und nachts scheut er sich nicht, den Nachtviertlermittels Herbeirufen von Ordnungskräften zu unterstützen, wenn dieser Probleme mit dem Findendes Heimwegs hat. Zu behaupten, der Fensterhänger wäre griesgrämig oder gar spießig, wird ihmnicht gerecht. Denn tief im Innern ist er ein netter Zeitgenosse, nur eben ein wenig häuslicher als dieanderen. Die Legende besagt, dass das Idol aller Fensterhänger dereinst 52 Stunden am Stück dieStellung hielt.

♣ der steckengebliebene (2 bis 15 Punkte)Diese häufig anzutreffende Spezies zeichnet sich vor allem durch eines aus: ein Studium,

das eine beachtliche Anzahl von Semestern aufweist und NICHT abgebrochen wurde. Eigentlichhatte der Steckengebliebene das ganz anders geplant, aber, wie’s halt so ist, man steckt eben nichtdrin. Dafür steckt man nun im Viertel und fühlt sich äußerst wohl dabei. Der Steckengebliebene istlässig bis zur Provokation und meistens mit der FAZ unterm Arm anzutreffen. Des Klischees derNickelbrille hat er sich entledigt, dafür arbeitet er hart daran, das Jobben in Cafés/Kneipen als neuesMarkenzeichen zu kultivieren. Unbestätigten Quellen zufolge soll der Steckengebliebene nachVollendung des Studiums übergangslos zum Fensterhänger mutieren.

♣ der apfp (16 bis 29 punkte)Der Aus-Prinzip-Falsch-Parker ist nicht zu verwechseln mit dem Anarcho-Viertler.

Politische Gesinnung ist ihmwichtig, aber nur bis zu einem gewissen Grad. Er beharrt auf dem Rechtder freien Entfaltung des Individuums, was zuweilen groteske Züge annehmen kann. Trinken alleBier, trinkt der APFP Grappa. Wählen alle SPD, wählt der APFP PDS. Wählen alle PDS, wählt erCDU. Der APFP ist nicht berechenbar, und ist, Statistiken zufolge, mit an Sicherheit grenzenderWahrscheinlichkeit im sozialpädagogischen Bereich beschäftigt. Der APFP ist ein rhetorischesNaturtalent und wäre durchaus ein guter Verkäufer, wenn er nicht diese latente Abneigung gegenalles Kommerzielle/Beliebte/Angesagte hätte. Der APFP trägt entweder (APFP introvertiertus) Jeansoder alles, was er als individuelle Art der Kleidung ansieht (APFP extrovertiertus) und genießt es,sich in die Reihen der Tag- und Nachtviertler zu mischen.

was für einviertlerbist du? – die auflösung

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♣ der tagviertler (30 bis 43 punkte)Der Tagviertler besitzt eine ausgeprägte soziale Ader. Bereits zur Mittagszeit findet er sich

an ausgesuchten Plätzen ein und wartet auf seine Artgenossen. Überhaupt verbringt der Tagviertlereinen Großteil seines Lebens mit Warten. Er liebt es, sich präsent und zugänglich in Cafés zu posi-tionieren und hat den Smalltalk zur Kunst perfektioniert. Im Gegensatz zum Nachtviertler ist derTagviertler weniger rauschorientiert. Wenn überhaupt, so lässt er sich gelegentlich zu einem Gläs-chen Bier oder einem Viertelchen Wein nach 18:00 Uhr hinreißen. Der Tagviertler ist eine festeInstanz im Erscheinungsbild des Nauwieser Viertels. Inwieweit es Schnittmengen zwischen Tag-und Nachtviertlern gibt, ist nicht ausreichend erforscht.

♣ der nachtviertler (44 bis 57 punkte)Diese Art sticht durch eine besondere Eigenschaft heraus: das Mysterium ihrer Arbeits-

zeiten. Es ist nie ganz klar, wie der Nachtviertler es schafft, bis zum Eintreffen der Putzfrau demnächtlichen Kulturangebot des Viertels zu frönen, ohne seinen Job zu verlieren. Es ist desweiterennicht klar, ob er überhaupt einen Job hat. Dieses Phänomen erklärt sich daraus, dass der Nachtviert-ler ausschließlich nachts im Viertel anzutreffen ist.Der Nachtviertler taucht in Rotten oder als Einzelgänger auf. Das einzigartige Gruppenverhaltendiesen putzigen Gesellen zeichnet sich durch spontanes musikalisches Mitteilungsbedürfnis aus,was ihm nicht selten zum körperlichen Nachteil reicht. Dass der Nachtviertler bei Sonnenaufgang zuStaub zerfällt, halten wir persönlich für ein Gerücht.

♣ der kulturviertler (58 bis 110 punkte)Der Kulturviertler selbst wohnt nicht im Viertel. Aber er besucht es, so oft es ihm möglich

ist. Dabei zieht er denWesten des Viertels demOsten vor, was allerdings keinesfalls politisch zu wer-ten ist. Der Kulturviertler hat sich zur Lebensaufgabe gemacht, sein Hochdeutsch dialektfrei zu spre-chen. In seltenen Fällen gelingt ihm dies auch. Der Kulturviertler ist angetan vom Ambiente desNauwieser Viertels, das in seinen Augen auf unverwechselbare Weise Frankophilie und studenti-sche Hochkultur in sich vereint. Desweiteren ist er ständig darum bemüht, diese Meinung dem Vier-teleinwohner mitzuteilen – was nicht selten zu Spannungen führt. Böse Zungen sagen dem Kultur-viertler eine erhebliche Mitschuld an der Erhöhung der Durchschnittsmietpreise im Viertel nach.

♣ der unverstandene anarcho-viertler(111 bis 216 punkte)Er wollte die Rebellion. Er wollte sie wirklich. Aber sie wollte ihn nicht.

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impressum

♦ Idee, Konzept, Gestaltung, Redaktion, Herausgeber:schillingundfreundeNauwieser Straße 3866111 SaarbrückenRalf Leis, Frank Schilling, Wen Ling Tan> [email protected]> [email protected]> [email protected]

♦ Auflage:10.000 Stck

♦ Litho, Druck:repa druck, Ensheim

♦ VIERTEL VOR erscheint in unregelmäßigen Abständen.Für Anzeigenschaltung fordern Sie bitte unsere Mediadaten an: > [email protected]

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63♠ Mitwirkende (danke, sie warn bezaubernd!):

♠ Christoph Brach lebt und studiert zur Zeit Kommunikations-Design im Land der Tulpen> [email protected] ♠ Matthias Kreutzer lebt und studiert zur Zeit Kommunikations-Design im Land der Lyoner > [email protected] ♠ Germaine Paulus lebt und arbeitetim NauwieserViertel und ist sich für nichts zu schade > [email protected] ♠ Ralf Leis istDipl.-Kommunikations-Designer und Samstags 18.10 Uhr telefonisch nicht zu erreichen> r.leis@schillingundfreunde ♠ Undine Löhfelm ist Dipl.-Kommunikations-Designerin, an-sonsten Lösungen und Antworten > [email protected] ♠ André Mailänder macht primaBilder und weiß, welcher der schwarze König war > [email protected] ♠ MiepsMisman heißt manchmal Marc Mondial und macht neben Illustrationen und Animationen auchgern Punkrock > www.homebrainbox.com ♠ Frank Schilling ist Dipl.-Designer und kann mitt-lerweile ganz gut Windeln wechseln > f.schilling@schillingundfreunde ♠ Véronique Verdetstudiert freie Kunst, schreibt, macht Sound und hat immer noch den feinen Kaugummiautomaten.> [email protected]

♥ Danke für Feedback, Inspiration, Korrekturlesen, Geldeintreiben, Mutmachen, Aushalten,Stressglätten, Transkripieren, Mittrinken:Andrea, Anna, Britta, Daniel (> www.urbanculture.de), Fredl, Henriette und Robert vom Max-Ophüls-Festival, Johnny Cash, Mutti, Oona, Ralf, Sophie, Veronique, Vincent und besonders:Mazze Gaspers.

♣ Ebenso bedanken wir uns bei unseren Anzeigenkunden, die dieses Projekt ermöglicht haben.

♣ Alle Rechte vorbehalten. Abdruck nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Autoren oderHerausgebern.

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götzen & accessiores B l i c k i n d i e K u l i s s e n

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von > Ralf Leis

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nachschlag

Wie soll es anders sein – zur Weihnachtszeit gehört Gebäck, feines Gebäck.

„nauwieser butterstollen”Das Rezept wurde diesmal unter schwierigsten Umständen aus der Bäckerei Stein entwendet.Deshalb ist bei den Mengenangaben darauf zu achten, dass sie für ca. 7 Stollen reichen, alsogeteilt durch PISA – und schon hat man die handliche Familienrezeptur.

Zutaten:2 kg Mehl Type 550200 g Hefe400 g Milch200 g Zucker20 g Salz1400 g Butter1600 g Rosinen200 g Zitronat200 g Orangeat200 g Mandeln100 g Haselnüsse200 g Läuterzucker(100 g Zucker und 100 g Wasser)ca. 20 g Gewürze (Muskat, Zimt, Ingwer,Nelken und Cardamon zu je gleichen Teilenoder fertiges Stollengewürz)1 kg Butter und Puderzucker

Läuterzucker:Wasser und Zucker zu je gleichen Teilen zusam-men auf 105 ° C aufkochen.Läuterzucker eignet sich auch als Teigzutat zumTränken von Böden, zum Verdünnen von Glasu-ren, zum Süssen von Sahne u.s.w. und in unsermFall zum Einlegen der Trockenfrüchte.

Zubereitung:Die Rosinen heiß waschen, abtrocknen und mitdem kleingewürfelten Orangeat, den Mandelnund Haselnüssen und der halbenMenge der Ge-würze mischen. Den Läuterzucker dazugeben.Am besten in einem dichtverschlossenen Behält-nis (z. B. Einmachglas) mehrere Tage durchzie-hen lassen, dabei täglich einmal durchmengen.

Vorteig / Zutaten:800 g Mehl100 g Hefe300 g Milch40 g Zucker

Alle Zutaten sollten Zimmertemperatur haben.Gut gemischt und durchgeknetet mit einemTuch abgedeckt 1-2 Stunden gehen lassen.

Hauptteig:Die restlichen Mengen von Mehl, Hefe, Milch,Gewürzen, Salz, Butter und Zucker zum Vorteigdazugeben und wieder mischen, anschliessendgut durchkneten.Zum Schluss die eingeweichten Früchte mit denNüssen und den Gewürzen vorsichtig unter-heben.Nun wird der Teig abgewogen und in je 900 gschwere Teile zerteilt. Den Teig etwa 5 cm dickausrollen, in die Mitte eine Muhle drücken unddie Teighälften längs übereinanderklappen.Auf ein gefettetes Backblech legen oder inspezielle Stollenformen. Die Stollen auf der un-teren Schiene etwa 15 min im auf 200°C vor-geheizten Backofen backen. Die Hitze dannauf 180°C reduzieren und eine Stunde weiter-backen. Die noch heißen Stollen mit flüssigerButter auf allen Seiten mehrmals gut einpinseln.Nach einem Tag Lagerung (in einem möglichstkühlen Raum) die Stollen mit Puderzucker be-stäuben und in Folie einpacken.Nach circa 2 Wochen Lagerung entwickelt einsolcher Stollen erst den richtigen Geschmackund ist auch längere Zeit haltbar.

Gutes Gelingen!

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Nauwieserviertel Saarbrücken

WE IHNACH T SGRUSSE VOM

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