8
defacto DerBusinesslettervonSwisspower «DenMarktinGangbringen» BisherwirddieDiskussionumdieEnergieversorgung der Schweiz hauptsächlich auf einer «technischen» Ebene diskutiert: Kernkraft ja oder nein oder moder- ner,Gas-Kombiodernicht,neueerneuerbareEnergien inwelchemAusmass,Energieeffizienz… DasseiderfalscheFokus,findetderEnergieexperte desThinkTanksAvenirSuisse,UrsMeister.Ersagtim Interviewmit«defacto»:WelchetechnischenLösungen sichindennächstenJahrzehntendurchsetzenkönnen, kannniemandvorhersagen–auchnichtderBundesrat. «DieRollederPolitiksollteessein,effizienteVorausset- zungenfürdenMarktzuschaffen.»Willheissen:Sub- ventionenimgrossenStileinstellen,dieKundenvonden Preisschwankungen–esmüssennichtzwingendErhö- hungensein–profitierenlassenundesdenMarktplay- ernüberlassen,fürwelcheLösungensiesichentschei- denwollen. MeisterverlangteinmarktwirtschaftlichesUmfeld, «damitderMarkteffektivinGangkommt».Ausserdem, argumentierter,macheeskeinenSinn,immer«schwei- zerischeInsellösungen»zusuchen.DerEnergiemarkt seiwennnichtinternational,sodochmindestenseuro- päischorganisiert,unddasmüssederHorizontfürdie aktuelleDiskussionsein.MeistersagtimInterviewauch, welcheRolleerfürdieStädteundSwisspowersieht. SEITEN 4 BIS 6 1|2011

de facto 01/2011

Embed Size (px)

DESCRIPTION

Der Businessletter für Entscheider

Citation preview

Page 1: de facto 01/2011

� 1�|�2011

de�factoDer�Businessletter�von�Swisspower

«Den�Markt�in�Gang�bringen»Bisher�wird�die�Diskussion�um�die�Energieversorgung�der� Schweiz� hauptsächlich� auf� einer� «technischen»�Ebene� diskutiert:� Kernkraft� ja� oder� nein� oder�moder-ner,�Gas-Kombi�oder�nicht,�neue�erneuerbare�Energien�in�welchem�Ausmass,�Energieeffizienz�…

Das�sei�der�falsche�Fokus,�findet�der�Energieexperte�des�Think�Tanks�Avenir�Suisse,�Urs�Meister.�Er�sagt�im�Interview�mit�«de�facto»:�Welche�technischen�Lösungen�sich�in�den�nächsten�Jahrzehnten�durchsetzen�können,��kann�niemand�vorhersagen�–�auch�nicht�der�Bundesrat.�«Die�Rolle�der�Politik�sollte�es�sein,�effiziente�Vorausset-zungen�für�den�Markt�zu�schaffen.»�Will�heissen:�Sub-ventionen�im�grossen�Stil�einstellen,�die�Kunden�von�den�

Preisschwankungen�–�es�müssen�nicht�zwingend�Erhö-hungen�sein�–�profitieren�lassen�und�es�den�Marktplay-ern�überlassen,�für�welche�Lösungen�sie�sich�entschei-den�wollen.

Meister�verlangt�ein�marktwirtschaftliches�Umfeld,�«damit�der�Markt�effektiv�in�Gang�kommt».�Ausserdem,�argumentiert�er,�mache�es�keinen�Sinn,�immer�«schwei-zerische� Insellösungen»�zu�suchen.�Der�Energiemarkt�sei�wenn�nicht�international,�so�doch�mindestens�euro-�päisch�organisiert,�und�das�müsse�der�Horizont�für�die�aktuelle�Diskussion�sein.�Meister�sagt�im�Interview�auch,�welche�Rolle�er� für�die�Städte�und�Swisspower�sieht.� Seiten 4 biS 6

� 1�|�2011

Page 2: de facto 01/2011

Alle�Dimensionen�vereinen

Editorial

Viel wird derzeit diskutiert�darü-ber,�ob�und�wie�die�drohende�«Strom-lücke»,�verschärft�durch�den�Rich-tungswechsel�bei�der�Kernenergie,�geschlossen�werden�kann.�Swiss-�power�als�Kooperation�von�24�führen-den�Schweizer�Stadtwerken�mit�insge-samt�rund�1,2�Mio.�Energiekunden�ist�bereits�seit�längerer�Zeit�davon�über-zeugt,�dass�eine�nachhaltige�Energie-versorgung�bis�2050�realisierbar�ist.�Wir�können�zwar�nicht�behaupten,�wir�seien�bereits�so�weit.�Aber�es�ist�das�erklärte�Ziel�von�Swisspower�und�ih-ren�Partnerwerken,�die�Energiever-sorgung�der�Schweiz�bis�in�knapp�40�Jahren�mit�erneuerbaren�Energien�zu�gestalten.�Das�ist�nicht�gerade�mor-gen,�aber�wir�erarbeiten�bereits�den�«Masterplan�Energie�2050»�und�ha-ben�ein�offenes�Ohr�für�konstruktive�Vorschläge,�sowohl�in�technischer�wie�auch�gesellschaftlicher�Hinsicht.

Der Masterplan beschreibt vier�Handlungsfelder:�Produktion,�Netze�und�Infrastruktur,�Energieeffizienz�so-wie�den�Zugang�zum�europäischen�Energiemarkt.�In�diesem�«de�facto»�finden�Sie�einige�Beispiele�dafür,�wie�

Swisspower�und�ihre�Partner�zusam-men�mit�den�Kunden�auf�das�Ziel�hinarbeiten�und�welche�Rahmenbe-dingungen�wir�beachten�oder�aber�verändern�sollen.�Gemeinsam�mit�den�Stadtwerken�wollen�wir�sowohl�die�Privat-�als�auch�die�Grosskunden�mit�genügend�Energie�aus�«sauberen»�Quellen�zu�attraktiven�Bedingungen�beliefern.

Auf nationaler Ebene�wird�sich�Swisspower�mit�gebündelten�Kräf-ten�für�die�gemeinsamen�Interessen�der�Städte�und�ihrer�Bürger�einset-zen,�und�das�nicht�zuletzt�auf�der�po-litischen�Bühne.�Als�schlagkräftige�Or-ganisation,�die�wir�gerade�auch�durch�die�Anfang�Jahr�vollzogene�Neuorgani-sation�geworden�sind,�sehen�wir�den�Herausforderungen�mit�Optimismus�entgegen.

Alfred�Bürkler,��Geschäftsleiter�Swisspower��Netzwerk�AG

02���Checkpoint

Konkret

Was ist Regulierungsmanage-ment?�Der�Schweizer�Strommarkt�wurde�per�1.1.�2009�mit�dem�Strom-versorgungsgesetz�im�Bereich�der�Netznutzung�und�der�Grundversor-gung�mit�Energie�gesetzlich�regu-liert.�Diese�vielschichtigen�regulato-rischen�Vorgaben�umzusetzen�und�einzuhalten,�ist�keine�einfache�Auf-gabe.�Deshalb�gibt�es�in�einem�Ener-gieversorgungsunternehmen�(EVU)�ein�Regulierungsmanagement.�Dies�ist�eine�interdisziplinäre�Manage-mentfunktion,�die�bei�kleinen�Betrie-ben�vom�Betriebsleiter�oder�vom�kaufmännischen�Leiter,�bei�grösse-ren�EVU�von�Spezialisten�wahrgenom-men�wird.�Das�EVU�bezweckt�damit,�auf�juristischer,�technischer,�organi-satorischer�und�energiewirtschaft-licher�Ebene�systematisch,�korrekt�und�konsistent�mit�den�Regulierungs-behörden�und�weiteren�Marktakteu-ren�zusammenzuarbeiten.�Beispiels-weise�fordert�das�Gesetz,�dass�das�EVU�der�Regulierungsbehörde�umfas-sende�technische�und�finanzielle�In-formationen�zur�Verfügung�stellt�(sog.�Reporting).�Das�Regulierungsmanage-ment�stellt�deshalb�sicher,�dass�diese�Informationen�rechtzeitig�bereitste-hen,�korrekt�sind�und�nicht�im�Wider-spruch�zu�anderen�Informationen�aus�dem�Unternehmen�stehen.

Eine weitere Aufgabe�des�Regu-lierungsmanagements�ist,�die�Fol-gen�gesetzlicher�Änderungen�für�das�EVU�abzuschätzen�und�es�darauf�vor-zubereiten.�Die�geltenden�Regulie-rungsvorschriften�sind�nämlich�nicht�in�Stein�gemeisselt.�Im�Schweizer�Strommarkt�etwa�ist�die�Weiterent-wicklung�der�aktuell�geltenden�Kos-tenregulierung�zu�einer�Anreizregulie-rung�geplant.�Wie�deren�Einführung�in�Deutschland�auf�Anfang�2009�gezeigt�hat,�dürfte�dies�die�Schweizer�EVU�vor�neue�Herausforderungen�stellen.

Urbanen�Bedürfnissen��Gehör�verschaffen

Alfred BürklerEditorial

ImpressumHerausgeber:�Swisspower�AG,�8024�Zürich,�www.swisspower.ch�Konzept,�Redaktion�und�Layout:�Infel�AG,�8021�ZürichTitelbild:�GettyImages/Alex�WilliamsonBilder:�Rolf�Siegenthaler,�Jolanda�Flubacher�Derungs,�ewl,�SwisspowerDruck:�Birkhäuser+GBC�AG,�4153�ReinachAuflage:�500�Exemplare.�Der�Businessletter�«de�facto»�erscheint�zweimal�jährlich.

Page 3: de facto 01/2011

Die Schweizerische Post� gehört� mit� ihren� gut�45�000�Vollzeitstellen�zu�den�Top�Ten�der�Schweizer�Arbeitgeber�–�und�hat�auch�als�öffentlich-rechtliche�Anstalt�eine�Vorbildfunktion.�Die�nimmt�sie�nicht�zu-letzt�beim�Engagement�für�den�schonenden�Energie-einsatz�wahr.�Die�Führung�der�Post�hat�sich�für�eine�Nachhaltigkeitsstrategie�entschieden.

Karin Schulte�ist�die�Frau�hinter�dieser�Strategie.�Sie� sorgt�mit� ihrem�kleinen�Team� im�Kommunika-�tionsbereich� «Politik� und� gesellschaftliche� Verant-wortung»�dafür,�dass�die�strategische�Vorgabe�in�al-len�Geschäftsbereichen�über�konkrete�Projekte�und�Zielvorgaben�koordiniert�und�umgesetzt�wird.�Auch�viele�Mitarbeitende�der�Post�bringen�von�sich�aus�im-mer�wieder�neue�Ideen�ein,�die�vom�Team�Nachhal-tigkeit�auf�ihre�Umsetzbarkeit�geprüft�werden.

Zu den wichtigsten Massnahmen�gehört�die�An-schaffung� moderner� Fahrzeuge.� Die� Post� ist� mit��einem�Flottenbestand�von�fast�20�000�Fahrzeugen�der�grösste�Transporteur� im�Land.�Mit� ihren�über�1500�Elektrofahrzeugen�–�vor�allem�bei�der�Briefzu-stellung�mit�E-Rollern�–�besitzt�sie�sogar�die�grösste�derartige� Elektroflotte� Europas.� Mit� dem� Projekt��«e-Share»�hat�die�Post�das�erste�Carsharing-Ange-bot�für�Elektroautos�in�der�Schweiz�geschaffen.

In der Tat�bietet�sich�der�Post�ein�grosser�Hebel�für�den�effizienten�Ressourceneinsatz;�so�soll�der�jährli-che�CO2-Ausstoss�bis�Ende�2013�um�15�000�Tonnen�reduziert�werden.�Die�Post�bezieht�ihren�gesamten�Strom�aus�erneuerbaren�Quellen,�konkret�aus�Wind-�und�Wasserkraft.�Lieferantin�der�Wasserkraft�ist�seit�2008�Swisspower.�Strom�braucht�die�Post�vor�allem�für�die�Rechen-�und�Sortierzentren�und�zunehmend�für�die�E-Mobilität.�Swisspower�wertet�die�Stromver-bräuche�standortgenau�aus.

Mittels «pro clima»-Zuschlägen�auf�den�Versand�von�Briefen,�Paketen�und�von�Stückgut,�die�zu�100�Prozent� in� Klimaschutzprojekte� fliessen,� können�sich�die�Kunden� für� einen� klimaneutralen�Versand�einsetzen.�Bisher�konnten�dadurch�fast�40�000�Ton-nen�CO2�kompensiert�werden.� eckhard baSchek

Die Post setzt auf Nachhaltigkeit – nicht nur beim Strombezug.

Die�elektrischen�Vor-Reiter

Best�Practice���03

Woher wissen Sie, dass die Anstren- gungen der Post geschätzt werden?Wir�haben�Umfragen�bei�unseren�Mitarbeiten-den�und�Kunden�durch-geführt.�Das�Echo�war�eindeutig:�Es�ist�ih-nen�wichtig,�dass�sich�die�Post�beim�Klima-schutz�engagiert.�Und�

unsere�Geschäftskun-den�fragen�klimaneutrale�Dienstleistungen�rege�nach�–�das�Volumen�steigt�stetig.�Das�ist�eine�klare�Bestätigung.

Beispiel Elektroroller: Wie kommen sie bei den Zustellern an?Sie�sind�begeistert.�Be-sonders�die�neuen�drei-

rädrigen�Fahrzeuge��sind�auch�in�der�Hand-�habung�sehr�praktisch.��Unser�Flottenbetrieb��Mobility�Solutions�AG�hat�mit�dem�Hersteller�zu-sammengearbeitet�und�einen�Akku�mit�grösse-rer�Reichweite�einbauen�lassen.�Unsere�Erfah-rung�zeigt:�Die�Rollerbewären�sich�im�Alltag.

«Rege�Nachfrage» Karin Schulte, Leiterin Nachhaltigkeit, Die Schweizerische Post

Karin Schulte, Leiterin

Nachhaltigkeit, in einem der

neuen «e-Share»-Elektro-

autos vor dem Hauptsitz.

Page 4: de facto 01/2011

04���Exclusive

Sie haben den Bundesrat wegen seines Grund-satzentscheids für einen Ausstieg aus der Kernkraft kritisiert – er widerspreche «dem Gebot der Vernunft und des Wissens um die Beschränkt-heit allen Wissens». Wissen Sie denn mehr?Problematisch�ist�vor�allem�die�Tatsache,�dass�mit�dem�Entscheid�auch�Annahmen�über�die�technische�Entwick-lung� gemacht� werden.� So� ist� es� möglich,� dass� künf-tig� neue,� sicherere� Kraftwerkstypen� gebaut� werden.�Ausserdem�will�der�Bundesrat�die�Förderung�erneuer-barer�Energien�ausbauen.�Das�aber�verlangt�eine�po-litische�Auswahl�von�Technologien,�die�vom�Staat�über�die�kostendeckende�Einspeisevergütung�subventioniert�werden.�Wir�sind�jedoch�nicht�in�der�Lage,�vorherzusa-gen,�welche�Technologie�im�Jahre�2050�die�richtige�ist.�Zwar�wurden�viele�Studien�erstellt,�aber�die�Unsicher-heit�bleibt�enorm.�Die�Auswahl�sollte�daher�nicht�von�der�Politik�getroffen�werden,�sondern�dezentral� im�Markt,�also�von�den�Stromproduzenten�auf�Basis�wirtschaftli-cher�Kriterien.

Und jede Studie «riecht» nach ihrem Auftraggeber.Jeder�Akteur�versucht�natürlich,�seine�Analysen�auf�die�eigenen� Interessen�auszurichten.�Dennoch�gibt� es� In-stitutionen,�die� versuchen,�möglichst� unabhängige� In-formationen�in�den�Markt�zu�bringen�–�wie�etwa�auch��Avenir�Suisse.�Auf�jeden�Fall�sind�Anzahl�und�Vielfalt�der�Studien�im�Bereich�der�Energie�ausserordentlich�gross.�

Urs Meister, Energiespezialist des wirtschaftsnahen Think Tanks Avenir Suisse, fordert, dass sich die Energiediskussion stärker auf die ökonomischen Realitäten und die Marktöffnung konzentriert.

«�Die�Marktmechanismen�werden�stark�vern�achlässigt»

Ich�halte�die�Bürger�für�fähig,�die�Informationen�richtig�auszuwählen.�

Welche Fragen stehen denn im Zentrum, und welche werden überbewertet?Gerade�beim�Strom�neigen�wir�dazu,�die�Schweiz�als�eine�Art�Insel�zu�betrachten.�Man�überschätzt�die�Rele-vanz�vermeintlicher�Unabhängigkeit�vom�Ausland.�Die�Bedeutung�des� internationalen�Marktes�sowie�der�Zu-sammenhänge�zwischen�den�Energieträgern�wird�dage-gen�vernachlässigt.�In�politischen�Diskussionen�dominie-ren�oft�technische�Fragen�–�welche�Technik�funktioniert,�welche�nicht?�–,�Marktmechanismen�werden�ausgeblen-det.�Die�Rolle�der�Politik� sollte�es� vielmehr�sein,�effi-�ziente�Rahmenbedingungen�zu�schaffen.�

Geht es nicht auch um rein menschliche Verhal-tensmuster? Es ist schwierig, den Rahmen zu verlassen und sich etwas anderes vorzustellen …Ich� denke,� dass� es� sich� weniger� um� ein� psychologi-sches� Phänomen� handelt,� sondern� um� ökonomische�Sachzwänge.�Im�Moment�ist�es�zumindest�für�kotierte�Unternehmen� schwierig,� auf� Technologien� zu� setzen,�die�möglicherweise�in�Zukunft�rentabel�sein�werden.�Sie�müssen�die�Versorgung�sicherstellen,�finanzielle�Anfor-derungen�erfüllen�und�die�Konkurrenz�im�Auge�behalten.�Und�die�Marktdaten�werden�in�Europa�heute�von�Kraft-werken� mit� fossilen� Energieträgern� bestimmt.� Wenn�Sie� als�Grossunternehmen� vor� allem� auf� neue� erneu-erbare�Energien�setzen,�sind�Sie�kaum�wettbewerbsfä-hig,� jedenfalls�nicht� im�freien�Markt.�Das�mag�in�zehn�oder� zwanzig� Jahren� anders� sein.� Vielleicht� ist� dann��Fotovoltaik�die�wirtschaftlichste�Technologie,�möglich�ist�aber�auch,�dass�noch�effizientere�Gaskraftwerke�am�Markt�dominieren.�

Stichwort Trägheit: Wo sehen Sie Anreize für die Konsumenten zum effizienten Stromverbrauch?Diese�sind�bis�heute�in�der�Schweiz�nur�begrenzt�vor-handen.�Weil�die�Strompreise� in�der�Grundversorgung�an�die�Gestehungskosten�gebunden�sind,�liegen�sie�in�vielen�Regionen�unter�dem�Niveau�an�den�Strombörsen.�Damit�besteht�faktisch�eine�Subventionierung,�die�Ineffi-zienz�und�Mehrverbrauch�sogar�fördert.�Die�vom�Markt�

Zur PersonDr. Urs Meister�ist�seit�April�2007�Projektlei-ter�und�Mitglied�des�Ka-ders�bei�Avenir�Suisse.�Dort�ist�er�vor�allem�für�Energie,�Infrastruktu-ren�und�Gesundheit�ver-antwortlich.�An�der�Uni-versität�Zürich�ist�der�Volkswirt�ausserdem�Lehrbeauftragter�am�Lehrstuhl�für�Unterneh-mensführung�und�-poli-tik.�Zuvor�arbeitete�er�bei�verschiedenen�Be-ratungsunternehmen.> www.avenir-suisse.ch

Page 5: de facto 01/2011

��05

«�Die�Marktmechanismen�werden�stark�vern�achlässigt»

weitgehend� losgelösten� Preise� schaffen� bei� den� Ver-brauchern�kaum�Anreize�für�den�Einsatz�neuer�Techno-logien�wie�z.B.�Smart�Meter�bzw.�Smart�Grid.�So�wird�darüber�diskutiert,�ob�und�wie�deren�Kosten�über�den�regulierten�Netztarif�abgerechnet�werden�können.�Das�ist�meines�Erachtens�der�falsche�Ansatz.�Die�Konsumen-ten�müssen�vielmehr�einen�direkten�Nutzen�haben,�etwa��indem� ihnen� intelligente� Netze� und� Geräte� helfen,��situativ,� je� nach� Marktlage,� von� günstigen� Tarifen� zu��profitieren.

Also ein Umdenken nicht nur in technischer Hinsicht, sondern beim Verhalten.Wir� diskutieren� sehr� schnell� über� Technologien:� Wel-ches�Kraftwerk�ist�am�besten,�welche�Technologie�will�man�politisch�zulassen?�Dabei�vernachlässigen�wir�den�grösseren�Kontext.�Dazu�gehören�die�Einführung�von�Marktmechanismen�und�die�damit�verbundenen�Anreiz-systeme.�Heute�wehren�sich�breite�Kreise�gegen�eine�konsequentere�Liberalisierung�des�Strommarkts.

Was fordern Sie konkret?Es� braucht� einen� funktionierenden� Markt.� Die� Preise��sollen�sowohl�Produzenten�als�auch�Konsumenten�die�richtigen�Signale�für�Effizienz�und�Investitionen�geben.�Das� illustriert� gerade� das� Thema� Smart� Grid.� Orien-tieren� sich� die� Endkundenpreise� stärker� am� volatilen�Spotmarkt,� dann� könnten� Konsumenten� profitieren,�wenn�das�Angebot�hoch�und�der�Preis� tief� ist.�Umge-kehrt�würden�sie�ihren�Verbrauch�bei�geringem�Angebot��reduzieren.�Damit�verbunden�sind�nicht�nur�Vorteile�für�den�Konsumenten,�sondern�auch�für�die�gesamte�Sys-temstabilität.�In�Skandinavien�haben�schon�heute�viele�Kunden�flexible�Tarife,�die�an�den�Spotmarkt�gebunden�sind.�Erst�in�einer�solchen�Umgebung�bestehen�Anreize�für�den�Einsatz�intelligenter�Netze�und�Zähler.

Was wäre als Erstes zu tun?Wir�sollten�den�zweiten�Schritt�der�vollständigen�Strom-marktliberalisierung�rasch�umsetzen.�Gleichzeitig�wäre�

Urs Meister von Avenir

Suisse möchte die

Konsumenten näher

an den Markt führen.

«�Wir�sollten�den�zweiten�Schritt��der�vollständigen�Strommarktliberalisierung��rasch�umsetzen.»�

Page 6: de facto 01/2011

02���Checkpoint06���Exclusive

ein�wettbewerbliches�Umfeld�zu�schaffen,�damit�der�Markt�effektiv�in�Gang�kommt.�Hier�müssen�aber�noch�einige�Hürden�abgebaut�werden.

Die Schweiz ist nach aller Erfahrung Markt- öffnungen nur wenig zugetan.So�ist�es.�Wir�erheben�den�Anspruch�auf�einen�sehr��dynamischen�Markt,�wollen�aber�gleichzeitig�keinen�echten� Wettbewerb�…� Meist� spielen� politische� In-teressen�hinein,�schliesslich� ist�der�Staat�als�Regu-lator�und�Gesetzgeber�gleichzeitig�auch�Eigner�der�Produzenten.�

Welche Gedanken müssen wir uns machen?Man� denkt� heute� über� Lenkungsabgaben� auf� den�künstlich�tief�gehaltenen�Tarifen�nach,�um�Anreize�für�das�Stromsparen�zu�schaffen.�Gleichzeitig�will�die�Poli-tik�neue�Technologien�subventionieren.�Das�alles�passt�nicht�zusammen.�Auch�reden�wir�über�die�vermeintli-chen�Vorteile�einer�Unabhängigkeit�vom�Ausland.�Dabei�sollten�wir�uns�vielmehr�darüber�Gedanken�machen,�wie�wir�einen�funktionierenden�Markt�schaffen.�Dazu�gehört�eine� konsequente� Integration� in� den� internationalen�Kontext.�Heute�bestehen�institutionelle�Mängel,�die�den��internationalen�Handel�ineffizient�machen.�

Inwiefern ineffizient?Beispielsweise�werden�die�Grenzkapazitäten�im�Netz�separat�vom�Strom�gehandelt.�Das�macht�es�für�kleine�Akteure� schwierig,� direkt� am� Handel� teilzunehmen.�Kommt�hinzu,�dass�ein�bedeutender�Anteil�der�grenz-überschreitenden�Netzkapazitäten�durch� langfristige�Verträge�faktisch�besetzt�ist,�wodurch�der�grenzüber-schreitende�Wettbewerb�behindert�wird.�

Welche Rolle sehen Sie für die Stadtwerke und Swisspower?Sie� sollten� im� Grunde� ihrer� Aufgabe� als� Versorger�nachgehen.�Dazu�gehören�der�Netzbetrieb�sowie�die�Produktion�und�Beschaffung�von�Energie� im� In-�und�Ausland.� Sie� müssen� also� das� tun,� was� Unterneh-men�am�Markt�tun�würden.�Oft�aber�gehen�die�poli-tischen�Ansprüche�weit�darüber�hinaus.�Das�hat�da-mit�zu�tun,�dass�sie�im�Besitz�der�öffentlichen�Hand�sind.�So�werden�ihnen�Ziele�hinsichtlich�Art�und�Weise�der�Stromproduktion,�aber�auch�Energieeffizienz�bei�Endkunden�auferlegt.�Damit�einher�gehen�vielfältige�Marktverzerrungen.�Dabei� könnte�ein� funktionieren-der�Markt�sehr�viel�mehr�zur�Versorgungssicherheit�und�zur�Effizienz�beitragen.

interview: deniSe Guyer und eckhard baSchek

Urs Meister macht sich

Gedanken über die Zukunft

des Energiemarkts.

Page 7: de facto 01/2011

Best�Practice���03

Seit Ende 2007 ist Rolf Samer Leiter�des�Bereichs�Verkauf�und�Beschaffung.�Zuvor�war�er�Leiter�der�Abtei-lung�Energiewirtschaft�bei�ewl.�Statt�zwei�Personen�führt�er�nun�60.�Wie�geht�er�mit�so�einem�Wechsel�um,�was�hat�sich�für� ihn�geändert?�«Mit�der�Übernahme�dieser�Position�trage�ich�eine�grosse�unternehmerische�Verant-wortung�und�bin�für�die�Weiterentwicklung�des�Gesamt-unternehmens� mit� in� der� Pflicht.� Das� bedeutet� span-nende�Aufgaben�in�einem�breiten�Bereich.»�Dazu�gehört�für�ihn�auch�die�Rekrutierung�neuer�Angestellter.�Dabei�ist�es� ihm�wichtig,�dass�sich�die�bestehenden�Teams�durch�neue�Ansichten�und�Wissen�weiterentwickeln�kön-nen.�Bei�der�Auswahl�neuer�Mitarbeitender�solle�man�auch� auf� das� eigene�Gespür� vertrauen,� empfiehlt� er:�«Mein�Bauchgefühl�hat�mich�noch�nie�getäuscht.»

Mehr weibliche Stärken. Neben�einem�guten�Bauch-gefühl� lässt� sich� sein� Führungsstil� mit� den� Attributen��«demokratisch»,�«kooperativ»�und�«motivierend»�zusam-menfassen.�Doch�kaum�ein�Manager,�der�das�nicht�gerne�für�sich�beansprucht.�Wie�reagiert�er�in�grenzwertigen�Situationen?�Hier�kommt�ihm�seine�sehr�kommunikative,�ungezwungene�Art�entgegen�–�Samer�kann�sich�auch�selber�einmal� in�Frage�stellen.�Für� ihn�habe�eine�gute�Portion�Humor�im�Arbeitsleben�«immer�Platz».�Und�auch�schwierigen�Situationen�stellt�er�sich�ohne�Hemmungen:�Diskussionen�offen�angehen�und�die�Gesprächspartner�ernst�nehmen,�wenn�es�unangenehm�wird.

Wo�er�das�gelernt�hat?�Klar,�Lebenserfahrung�spielt�eine�wesentliche�Rolle.�Und�auch�wenn�ihm�seine�ETH-Ausbildung�einiges�Rüstzeug�mitgegeben�hat,�so�ist�für�Rolf�Samer�klar:�«Kaderschmieden�bringen�an�sich�keine�Führungspersönlichkeiten�hervor.»�Ebenfalls�wichtig�ist�für�Rolf�Samer�ein�ausgeglichenes�Verhältnis�von�Män-nern�und�Frauen.�Während�in�der�Geschäftsleitung�keine�Frau�vertreten�ist�–�was�er�bedauert�–,�beträgt�der�Frau-enanteil�in�seinem�Bereich�immerhin�36�Prozent.�Und�er�sieht�darin�viele�Vorteile,�zumal�die�Mehrheit�seiner�Kun-den�eben�Kundinnen�sind�und�es�das�Ziel�ist,�sich�mög-lichst�in�diese�Kundinnen�hineindenken�zu�können.�Män-nern�falle�das�oft�etwas�schwer.�«Wir�könnten�uns�noch�mehr�weiblichen�Einfluss�vorstellen.»�Dafür�wurde�bei�ewl�das�Projekt�«Chancengleichheit»�gestartet,�das�ewl�für�Frauen�noch�attraktiver�machen�soll.

Wie sehen seine nächsten Ziele aus?� Er� ist� kein�Karrierist.�Wichtig� ist� ihm�ein�Arbeitsplatz,�an�dem�er�sich�entfalten�kann�und�der�ihm�selbstständiges�Arbei-ten�erlaubt.� «Das�Umfeld�geht�vor�Karriere»,�sagt�er.�Dazu�gehöre�für�ihn,�dass�er�zwar�–�für�dringende�und�wichtige� Anliegen� –� immer� erreichbar� ist,� aber� dass�er�durchaus�auch�einmal�das�Privatleben�an�die�erste�Stelle�setzt;�sei�es�ein�frühabendliches�Klavierkonzert�einer�seiner�Töchter�oder�der�rechtzeitige�Aufbruch�in�die�Sommerferien�im�Tessin.�Ob�privat�oder�beruflich:�Samer�liebt�die�Herausforderung.� eckhard baSchek

VitaRolf Samer�(45)�ist�diplomierter�Betriebs-�und�Produktionsinge-�nieur�der�ETH�Zürich.�Er�lebt�zusammen�mit�sei-ner�Frau�und�den�gemein-samen�Töchtern�(11�und�14)�in�Arth,�am�südlichen�Ende�des�Zugersees.

Führungsprinzipien•��Wichtige�Werte�sind�An-

stand,�Fleiss�und�Loyalität�zum�Unternehmen.

•��Den�Mitarbeitenden�den�Rücken�stärken,�Aufgaben�und�Verantwortung�dele-gieren.

•��Entscheide�unter�unsiche-ren�Bedingungen�auch�mal�mit�der�80:20-Regel�fällen.

•��Strategische�Zeitreserven�in�der�Agenda�reservieren.

•��Fehler�zugeben;�der�Ge-sichtsverlust�ist�viel�klei-ner�als�das�riskierte�Unge-mach.

Rolf Samer, Leiter des Bereichs

Verkauf und Beschaffung,

ewl energie wasser luzern

Umfeld�geht�vor�Karriere

Best�Practice���07

Bei ewl energie wasser luzern führt Geschäftsleitungsmitglied Rolf Samer ein 60-köpfiges Team – und das mit Humor.

Page 8: de facto 01/2011

08���Scene

Rund� 30� Prozent� des� schweizerischen� Stromver-brauchs�gehen�auf�das�Konto�des�Dienstleistungssek-tors.�Die�Studie�«Energieverbrauch�von�Bürogebäuden�und�Grossverteilern»�des�Bundesamts�für�Energie�(BFE)�stellt�allerdings�fest,�dass�sich�in�den�vergangenen�zehn�Jahren�im�Bereich�Bürobau�und�Verkaufsflächen�bereits�einiges�verändert�hat:�Zunehmend�werden�Bürobauten�im� Minergie-Standard� erstellt,� und� die� IT-Infrastruktur�wurde�modernisiert.�Insgesamt�zeigt�die�Studie,�dass�die�Unterschiede�zwi-schen�den�Gebäuden�im�Verbrauch�auch�bei�ähnlicher�Technik�und�Ausstattung�noch�sehr�gross�sein�können�und�es�kein�Standardvorgehen�zur�Verbrauchssenkung�gibt.�Systematische�Betriebsoptimierungen�sind�vor�al-lem� bei� belüfteten� oder� klimatisierten� Bürogebäuden��beziehungsweise�bei�hohem�Verbrauch�ausserhalb�der�eigentlichen�Bürobetriebszeiten�lohnend.�Dies�erfordert�allerdings�etwas�Initialaufwand.

Diesen Initialaufwand� hat� Swisspower� kürzlich� auf�sich�genommen:�Der�Energie-Dienstleister�bezog�Ende�Juni� 2011� seine� rund� 1100� Quadratmeter� in� einem�modernen�Glasbau� in�Zürich-Altstetten.�Die�neuen�Ge-schäftsräumlichkeiten�zeichnen�sich�durch�ein�zukunfts-weisendes� Energiekonzept� und� ein� transparentes� Er-scheinungsbild�aus.�Das�Beleuchtungskonzept�basiert�konsequent� auf� LED-Systemen,� wobei� neben� raum-�leitenden� Linearleuchten� und� grossflächigen� Leucht-�deckenfeldern�verschiedene�szenische�Lichtinstallatio-

Die�2000-Watt-Gesell-schaft�verlangt�eine�lang-fristige,�auf�eine�nach-haltige�Entwicklung�ausgerichtete�Reduktion�des�Primärenergiever-brauchs�und�der�damit�verbundenen�Treibhaus-�gasemissionen.�Ge-mäss�diesem�Modell�soll�der�Energiebedarf�pro�Person�bis�2050�einer�durchschnittlichen�Leis-tung�von�2000�Watt�und�

einer�Tonne�CO2�entspre-chen.�Um�dieses�Ziel�zu�erreichen,�gilt�es�auch,�innovative�Konzepte�für�eine�nachhaltige�Arbeits-welt�zu�schaffen.�Die�Stadt�Zürich�hat�sich�be-reits�2008�per�Volks-abstimmung�dazu�ver-pflichtet.�Daher�setzt�sie�aktuell�mehrere�Projekte�um,�die�diese�Ziele�un-terstützen.�Dazu�zählen�auch�konkrete�Baupro-

jekte�und�Arealentwick-lungen,�wie�beispiels-weise�das�Areal�Green�City�auf�dem�ehemali-gen�Industriegelände�Sihl�Manegg�in�Zürich.�Hier�entsteht�zwischen�Sihl�und�Autobahn�ein�neues�Quartier�samt�Büros,��deren�Energiebedarf�für�Wärme,�Kälte�und�Strom�zu�100�Prozent�mit��erneuerbaren�Energien�gedeckt�wird.

Zukünftig werden Unternehmen auch an ihrer CO2-Bilanz und ihrem Carbon- Footprint gemessen. Das Büro der Zukunft ist energieeffizient.

Effiziente�Büros�

Ziel�2050

nen�auffallen.�Neben�einer�optimierten�Lichtsteuerung�reduziert�sich�der�Standby-Verbrauch�des�Betriebs�auf�ein�Minimum.�Jeder�Mitarbeitende�kann�seinen�Arbeits-platz�über�einen�eigenen�Funkschalter�mit�einem�Klick�komplett�ausschalten.�Abends�fährt�sich�das�gesamte�Büro�über�eine�zentrale�Steuerung�selbst�herunter.�Auch�ein�Smart�Meter�ist�bereits�installiert�und�wird�zukünftig�Daten�zum�Verbrauch�liefern.�Ein�kombiniertes�Wasser-Kühldeckensystem�garantiert�eine�konstante�Raumtem-peratur,� womit� die� Klimasteuerung� ebenfalls� energie-�effizient�funktioniert.� Janine radlinGmayr

Swisspower in den

neuen Büros in

Zürich-Altstetten.