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Gefangenen Info #355

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Liebe Leserinnen und Leser,

wir haben diese Ausgabe mit einigen Informationen und Eindrücken zum Pro-zess gegen das Gefangenen Info eingeleitet. An dieser Stelle sei nur gesagt,dass wir gegen das Urteil in Berufung gegangen sind und uns diesen Sommerdann der Berufungsprozess vor dem Landgericht in Berlin erwartet. Nähereshierzu könnt ihr auf Seite 3 nachlesen.

Unsere aktuelle Nummer steht ganz klar im Zeichen der Diffamierungskam-

pagnen und -angriffe gegen ehemalige Mitglieder der RAF. Nach der Ankla-geerhebung gegen Verena Becker soll nun der Prozess in Stuttgart-Stamm-heim folgen. Es sei übrigens der 5. Senat - jener, der sich momentan um dieVerurteilung in dem §129b-Prozess gegen Ahmet D. Yüksel und Devrim Gülerbemüht. Der Prozess gegen Verena Becker werde demnach nach Beendigungdes §129b-Prozesses (wohl noch im Juli diesen Jahres) beginnen.Aus diesem Anlass haben wir zwei aktuelle und wichtige Beiträge im Schwer-punkt platziert, die sich mit eben diesen Angriffen auseinandersetzen.Ebenfalls im Schwerpunktteil enthalten ist ein redaktioneller Beitrag über dieGefangenenkollektive der RAF. Dieser Beitrag, der als historische Ergänzungdes Themenfeldes „Gefangenenkollektive“ angedacht war und in dieser Aus-gabe neben weiteren Beiträgen rund um dieses Thema veröffentlicht werdensollte, kann als thematische Ergänzung der beiden Texte zu den Angriffengegen ehemalige Mitglieder der RAF betrachtet werden. Die übrigen Texte

zum Tema „Gefangenenkollektive“ haben wir aus Aktualitätsgründen aufge-schoben und werden in der komenden Ausgabe veröffentlicht werden.

Fast zeitgleich zu den oben geschilderten Entwicklungen erhielten wir die Mit-teilung von der Knut Folkerts Solidaritätsgruppe ([email protected]), dass KnutFolkerts nochmal 20 Jahre Haft in den Niederlanden drohen. Knut war in densiebziger Jahren in der RAF organisiert und 18 Jahre in der BRD eingesperrtgewesen. Jetzt hat das höchste holländische Gericht, der „Hoge Raad“, am4. Juni 2010 beschlossen, dass die 20 jährige „Strafe“ nicht verjährt sei. Dasheißt für Knut, dass die Niederlande die BRD auffordern, dass er nochmalfür 20 Jahre eingekerkert werden soll. Wir werden versuchen, die aktuellenInformationen hierzu so gut es geht weiterzuvermitteln.

Darüber hinaus haben wir in dieser Ausgabe zwei Aufrufen PLatz zur Verfü-

gung gestellt, die sich beide auf den 19. Juni beziehen. Es handelt sich hierbeium einen Anti-Knast-Aktionstag und einen Aktionstag für die Freiheit der§129b-Gefangenen, welcher in einem Kontext zu dem Tag der revolutionärenGefangenen steht.

Im internationalen Teil sind Beiträge zu Mumia Abu-Jamal, dem PC-pm-Pro-zess in Mailand und zum spanischen revolutionären Gefangenen Manuel Pé-rez Martinez enthalten. Mit einem kurzen Beitrag sind wir außerdem aufden Tod von Güler Zere eingegangen, die am 7. Mai 2010 von uns gegangen ist.

Abschließend haben wir verschiedene Gefangenenbriefe und Solidaritätsbo-tschaften, die anlässlich des Prozesses an das Gefangenen Info gesendetworden waren, abgedruckt.

In diesem Sinne:Repression kann uns nicht einschüchtern!Freiheit für alle politischen und sozialen Gefangenen!

Die Redaktion

Das Gefangenen Info ist aus dem Angehörigen Info hervorgegangen, welches im Hungerstreik der politischen Gefangenen 1989 als Hungerstreik Info entstand.HerausgeberInnen: Netzwerk Freiheit für alle politischen Gefangenen und FreundInnen.V.i.S.d.P.: Wolfgang Lettow c/o Gefangenen Info, Stadtteilladen Lunte e.V., Weisestraße 53, 12049 BerlinNichtredaktionelle Texte spiegeln nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wider. Beiträge der Redaktion sind entsprechend gekennzeichnet.Bestellungen (Inland): Einzelpreis: 2€. Ein Jahresabonnement kostet 25,20€ (Förderabo 28,00€), Buchläden, Infoläden und sonstige Weiterverkäufer erhalten bei Bestel-lungen ab 3 Stück 30% Rabatt. Bei Bestellungen erhalten Sie eine Rechnung, die anschließend auf das Konto des Gefangenen Info zu überweisen ist.

Bestellungen (Ausland): Einzelpreis: 2,70€. Ein Jahresabonnement kostet 28,40€ (Förderabo 31,20€), Buchläden, Infoläden und sonstige Weiterverkäufer erhalten beiBestellungen ab 3 Stück 30% Rabatt. Bei Bestellungen erhalten Sie eine Rechnung, die anschließend auf das Konto des Gefangenen Info zu überweisen ist.Anschrift: Gefangenen Info, c/o Stadtteilladen, Lunte e.V., Weisestraße 53, 12049 Berlin, Redaktion: [email protected], Vertrieb: [email protected]: Gefangenen Info, Konto-Nr.10382200, Bankleitzahl: 20010020, Postbank HamburgEigentumsvorbehalt: Nach diesem Eigentumsvorbehalt ist die Zeitung solange Eigentum der/des AbsenderIn, bis es den Gefangenen ausgehändigt worden ist. „Zur-Habe-Nahme“ ist keine Aushändigung im Sinne des Vorbehalts. Wird das Info den Gefangenen nicht persönlich ausgehändigt, ist es der/dem AbsenderIn mit dem Grundder Nichtaushändigung zurückzuschicken.

e-mail: [email protected] homepage: www.gefangenen.info

2 ► gefangenen info ► mai/juni 2010

►  vorwort ► inhalt dieser ausgabe

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Seite 3

Offene Gesinnungsjustiz

Schwerpunkt

Reaktionäre Geschichtspolitik

Der Kampf der Gefangenen aus der

RAF für kollektive Selbstbestimmung

Etwas zur aktuellen Situation

Inland

Die Lebenslügen des K.R. Röhl

Anti-Knast-Aktionstag am 19. Juni

Aktionstag 19.6.Freiheit für die §129b-Gefangenen

International

Die Solidaritätsbewegung für MumiaAbu-Jamal ist weiterhin aktiv

Internationale Prozessdelegation zum27. Mai in Mailand

¡Libertad Camarada Arenas!

Sie leben in unseren Erinnerungen undunseren Herzen fort

Gefangene

Brief von Thomas Meyer-Falk

Briefe von Nurhan Erdem

Brief von Günther Finneisen

Brief von Devrim Güler

Brief von Ahmet D. Yüksel

Solidaritätserklärungen andas Gefangenen Info

Gefangene

Buch und CD-Vorstellungen

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mai/juni 2010 ◄ gefangenen info ◄ 3

► seite 3  ► schwerpunkt ► inland ► international ► dossier ► gefangene ► feuilleton ► kurzmeldungen

Am 21. April 2010 fand vor dem AmtsgerichtTiergarten der Prozess wegen der Verleum-dungsklage gegen das Gefangenen Info statt.Der presserechtliche Verantwortliche des Ge-fangenen Infos, Wolfgang Lettow, wurde zueiner Strafe von 80 Tagessätzen á 10 € bzw.einer Geldstrafe in Höhe von 800 € verurteilt.Wir sind in Berufung gegangen, wodurch der Prozess auf der nächsthöheren Instanz - demLandgericht - fortgesetzt werden wird.Wir bedanken uns an dieser Stelle herzlichst

bei allen solidarischen Leserinnen und Le-sern, Genossinnen und Genossen, für diezahlreichen Spenden, die bei uns bisher ein-gegangen sind.Vor dem Prozess hat es Stimmen und Ein-schätzung gegeben, welche den Ausgangunseres Prozesses mit dem Ausgang desProzesses gegen das Onlineportal „Scharf-Links“ verglichen. Es handelte sich um das-selbe Konstrukt, nur die Höhe des Strafbe-fehls varierte, da es sich bei „Scharf-Links“um 12.000€ handelte und bei uns um 2.800€.

Ihre Mär von Rechtsstaatlichkeit

Da es sich bei diesem Prozess - wie alle an-deren vorangegangenen Prozesse gegen dasGefangenen Info auch - um einen politischenProzess handelte, bei dem uns der politischeSachverhalt in einer juristsichen Verpackungserviert wurde, spielten auch die „rechtlichen“Aspekte eine eher nebensächliche Rolle. Wir mussten dem politischen Angriff politisch be-gegnen, anstatt uns auf ihrem Terrain - denGerichten der Klassenjustiz - in juristischenFragen zu verfangen und uns an ihnen abar-beiten zu wollen. Der Verlauf des Prozesses,die eindeutigen Bemerkungen der Staatsan-wältin hinsichtlich unserer politischen Prozes-serklärung und das vorläuge Resultat haben

schließlich bewiesen, das von uns eine unter-würge Entschuldigung erwartet wurde. Aber wofür sollen wir um Gnade winseln? Dafür,dass wir uns für jene einsetzen, die durch ihre„Terrorlisten und -Gesetze“ entrechtet wer-den? Oder dafür, dass wir Isolationshaft und

Folter anprangern? Dafür, dass wir uns dieFrechheit herausnehmen, nicht alles so hin-zunehmen, sondern auch kritisch zu hinter-fragen? Nun, den vorsitzenden Richter beimAmtsgericht Tiergarten habe der Rote Hilfe-Beitrag „Blind in Beugehaft“ (GI, Nr. 348) zu-mindest beim Lesen der Richter-Zitate „vomStuhl gehauen“. Ehrlich!Uns stellt sich die Frage, ob den Richter auchweitere Fakten über das staatliche Vorgehenin Stuttgart-Stammheim und Düsseldorf vom

Stuhl zu hauen vermögen. Wenn sich einRichter so sehr darüber erbosen kann, dassseine KollegInnen evtl. im Wortlaut nicht rich-tig wiedergegeben werden, wieso erbosenden selben Richter dann nicht die willkürlichenMaßnahmen bei den Staatsschutzprozessen,die Isolationshaft, die Anhörungen von Folter-ern aus der Türkei, etc.? Wir sprechen hierbeivon elementarsten Grund- und Menschen-rechten, die rechtlich ausgehebelt werden.All das sind nämlich Fakten. Denn im Umkehr-schluss bedeutet es eindeutig, dass alle an-deren im Gefangenen Info enthaltenen Infor-mationen der Wahrheit entsprechen. Hier wirdmit faschistischen Staatsapparaten zusam-

mengearbeitet, Folter praktiziert, Menschen-leben vernichtet, während sich ein Richter inseiner Ehre gekränkt fühlt, weil er falsch zitiertworden sei. Auch wenn wir unsere Quellenfür vertrauenswürdig halten, stellt sich unsim Kern der Angelegenheit ebenso wenig dieFrage, mit welchen Worten die Beugehaft ge-gen Nuri Eryüksel ausgesprochen wurde. Wir hinterfragen diese Prozesse und die oben ge-schilderten Umstände nämlich von Grund auf.Das Ausklammern des zugrunde liegenden,politischen Sachverhalts bedeutet lediglich,sich nicht mit dem ganzen Umfang der Ange-legenheit auseinandersetzen zu wollen, wasein Erfassen der Lage unmöglich macht. Es

wirkt wie ein Witz, sich über Zitate von Rich-tern streiten zu wollen, wenn uns doch klar ist,dass das staatliche Vorgehen gegen Revolu-tionärInnen und Linke Ausmaße annimmt, dienicht mehr hinnehmbar sind, sondern existen-ziellen Widerstand erfordern!

Wir waren auf unsere Haltung bedacht,

nicht auf den Ausgang des Prozesses

Auch wenn uns vor Prozessbeginn klar war,dass dieser Prozess in erster Linie einen -nanziellen Schaden anrichten und unsere Mit-arbeiterInnen einschüchtern und abschreckensollte, ging es uns nicht darum, unsere „Un-schuld“ zu beweisen oder ohne eine Strafedavonzukommen. Viel wichtiger war für uns,vor dem Staatsschutzapparat nicht einzukni-cken und unsere Erfahrungswerte zu erwei-tern. Deshalb haben wir eine politische Erklä-rung verfasst, die Sinn und Zweck der Klageund des damit verbundenen Prozesses er-läuterte. In unserer Prozesserklärung hieß esdeshalb: „(...) Die Gründe für die Anklageerhe-bung sind, wie bei dem Verfahren gegen dasInternetportal „Scharf-Links“, die Verbreitungdes Prozessberichts „Blind in Beugehaft“ inunserer Ausgabe Nr.348 vom Juli letzten Jah-res. In dem inkriminierten Text wurde ein Ver-handlungstag im §129b-Prozess gegen denGefangenen Faruk Ereren, dem inzwischen

die Auslieferung in die Türkei droht, beschrie-ben. Nuri Eryüksel hatte es abgelehnt, über die Strukturen der türkischen Exilorganisati-on Aussagen zu machen, weil er sich dabeiselber belasten könnte. Das Gericht bestandaber auf seiner Zeugenaussage und erließdann die Beugehaft, die noch im Gerichtssaalvollstreckt wurde. (...) Die Türkei ist ein wich-tiger Partner für das expansive Nato-Bündnis.Die meisten Waffen werden übrigens von der BRD nach dort exportiert, was auch zeigtdass die BRD deswegen auch ein eigenesvitales Interesse hat, ihrer Bündnispartnerindort und hier den Rücken frei zu halten. Von2000-2007 wehrten sich tausende türkische

und kurdische Gefangene im Hungerstreiksgegen die Folter „made in Stammheim“.Über 120 tote Gefangene in diversen ana-tolischen Knästen kamen dabei ums Leben.Schon während des Hungerstreiks verlangtedie Türkei von ihren Verbündeten das Verbotder Öffentlichkeitsarbeit in Europa. (...) Nebender redaktionellen Arbeit musste die Existenzund damit das Fortbestehen des Infos auchimmer vor dem Gericht verteidigt werden, umdamit das Leben vor allem der Gefangenenaus der RAF vor staatlichen Übergriffen hinter Gittern zu schützen. Heute sind es vor allemEingesperrten aus türkischen und anderenmigrantischen Zusammenhängen, die die-

sen Sonderhaftbedingungen und -gesetzenausgesetzt sind. Es bedeutet immer Kampf auf allen diesen Ebenen, den Weggesperrteneinen unzensierten Raum zu geben für ihrepolitischen Vorstellungen bis hin zur ihrer Freiheit! (...)“

Das Gefangenen Info braucht eure

Unterstützung und Solidarität

Im Sommer steht uns vor dem Landgerichtder Berufungsprozess bevor. Wir werden un-sere Publikation, die ein Sprachrohr für unse-re eingesperrten Genossinnen und Genossendarstellt, weiterhin verteidigen und uns dafür 

einsetzen, dass sie bestehen bleibt. Und da-für benötigen wir eure Unterstützung.

Interview zum Prozessausgang als

Podcast beim Webradio Radio Flora:

www.radioora.de

Offene Gesinnungsjustiz Das Gefangenen Info wurde zu 800 € Strafe verurteilt. Nicht Verbote, Strafen und Zen-

sur bestimmen unsere Politik, sondern die Notwendigkeiten revolutionärer Praxis.

Fotos: Björn Kietzmann

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4 ► gefangenen info ► mai/juni 2010

► seite 3 ► schwerpunkt  ► inland ► international ► dossier ► gefangene ► feuilleton ► kurzmeldungen

Reaktionäre GeschichtspolitikMonika Ertl • Zur aktuellen Kampagne gegen ehemalige RAF-Mitglieder 

Es können keine Illusionen darüber aufkom-men, so politisch instruiert die justiziellen Ver-fahren gegen die RAF in den 70er-Jahren undder Folgezeit durchgeführt worden sind, so sindauch die gegenwärtigen zu lesen. Das rechts-förmige Verfahren zur Verwirklichung von poli-tischen Zielen – ein Klassiker.Die Kampagne unter der Flagge von „Aufklä-rung“ wurde 2007 gestartet als sich abzeich-nete, der Staat muss die letzten verbliebenenGefangenen aus der RAF aus der Haft ent-lassen. Es war kurz vor der Haftentlassungvon Brigitte Mohnhaupt und als sich parallelschon abzeichnete, Christian Klar könnte fastzeitgleich, wenn aber nicht über eine Begna-

digung, dann wahrscheinlich anderthalb Jahrespäter entlassen werden.Damit zeichnete sich ab, dass ein für die Herr-schenden seit dreieinhalb Jahrzehnten zumAlltag, zur Gewohnheit gewordener Zustandsich auösen würde: immer ein paar Geiseln

zu haben, die zumindest auf der ideologischenEbene der Auseinandersetzung in den Manö-vern der Herrschenden durchgehend einenwichtigen Platz hatten. Plötzlich wären keineNamen mehr zur Verfügung für „Zellensteu-erung“, für Hetze aller Art oder für das wich-tige ideologische Muster, dass nur wegen der Gefangenen gekämpft würde, es wären keineGefangenen mehr da, aus deren Reihen hin

und wieder Zusammengebrochene präsentiertwerden könnten, es wären keine Objekte für „Kinkelinitiativen“* oder sonstige ideologischeProlierungen von Parteigängern der herr -schenden Ordnung mehr vorhanden. Was für ein Phantomschmerz damit in Aussicht!Und das sollte passieren, ohne dass es zuvor gelungen war, und zwar auch nicht nach der sog. Wende 1989, auch nicht nach der Selbst-auösung der RAF 1998, die Ausstrahlung, die

Geschichtsmächtigkeit der RAF-Zeit aus der Welt zu schaffen?Und das sollte zweitens passieren, als am Ho-rizont längst die neue Krisenhaftigkeit und diefundamentale Fragwürdigkeit der Protordnung

sich ankündigte und sich zeigte? In einer Pha-se als die europäische Linke noch ihre Wundenleckte und ihre Augen durch die Depressionenenttäuschter Hoffnungen blind und eher nachInnen blickten, titelte die FAZ bereits: „Eisvö-gel der Revolution … Die Zeichen stehen auf Sturm: Über die neue Lust am Aufstand …Hören wir die Signale?“ (Mai 2005!) Die ana-lytischen Höhen des Kapitals in Deutschlandsprachen schon davon, dass zum ersten malnach dem 2. Weltkrieg ein massenhafter –im Gegensatz zum minoritären während der 60er/70er/80er-Jahre – Entzug von Loyalitätenin der Bevölkerung droht? Während die Oberä-che der politischen Diskussionen noch von den

Argumenten der Sachzwänge für brutale öko-nomische Massnahmen gegen gesellschaftlichSchwache bestimmt war, ging es in tieferenStrömen schon weiter mit geschichtlichen Pro-zessen, die Alternativen bieten könnten.Wer hat die oben angesprochene Kampagne in

vorderster Front präsentiert oder initiiert? Manerinnere sich an die ARD-Sendung Ende April2007 mit einer gespenstischen Versammlungvon vier Personen auf einer Bühne, darunter Stefan Aust und Boock. Wenn diese Personenauftauchen, weiss man, dass genau eine Tür weiter VS und andere Agenturen der ideolo-gischen Herrschaftsicherung sitzen. Aust kannman in seinem reaktionären Ehrgeiz gar nichtüberschätzen. Am meisten bekannt dafür, dasser den „Spiegel“ in die nationalliberale und öko-nomisch neoliberale Epoche geführt hat (derenGründungsakt übrigens der CIA-Putsch gegendie Allende-Regierung in Chile 1973 war), ist er schon lange bei den Herrschenden geschätztes

Trüffelschwein für schmutzige ideologische Ma-növer in der RAF-Rezeption. Seine Biograe

sieht er als sein Schicksal, man sieht ihn beidiesem Thema manisch beschäftigt. Bis hinauf die Ebene internationaler Antiterrorismus-Konferenzen wie Ende Juni letzten Jahres amDeutschen Historischen Institut in Washington- Stefan Aust als „Fachmann“ für die RAF. UndBoock, die auf Lebzeiten eingekaufte Sprech-puppe, der seinen Gesichtsausdruck, den ein-zigen ihm verfügbaren, in die Kamera zu hän-gen und das jeweils Zweckmässige von sich zugeben hat. Während in den Medien gerade diemoralische Verdammung gegen die ehemaligenRAF-Aktiven, die schweigen, verhängt wurde,

hat genau diese neue Kampagne ein skrupel-loses Spiel mit der Psyche eines hinterbliebe-nen Sohnes angefangen. Es schien ihnen nichtschwer, Michael Buback auf die Rolle zu set-zen, dass es etwas Neues zu ermitteln gebenkönnte, und das ist ja auch aufgegangen.Bisher springt das Publikum auf diesen Zug mitdrauf. Dabei werden alle, die darauf ansprin-gen, es ginge überhaupt um Enthüllungen, umAufklärung – der Geschichte um keinen Schrittnäher kommen. Die kriminalistische Show istüberhaupt nur im Anschlag, weil es ein Publikumdafür gibt, das einen Rückfall in Obrigkeitshörig-keit vollbracht hat. Die Frage nach den Motivender Auslösung der Kampagne, die jetzt schon

mehr als zwei Jahre anhält, wird überhauptnicht gestellt, es wird nicht danach gefragt, eher noch wird „Irrationalität“ angenommen. Schonein Kommentar aus der Süddeutschen Zeitungvom April 2007 könnte aber ein Stück weiterhel-fen. Sie spricht von einem „Fall angewandter Geschichtspolitik: von rückwirkender Verwand-lung des Politischen ins Persönliche“. Und der Freitag kann es in seiner Ausgabe 15/2010 gar nicht mehr erwarten: „Und wenn einst im Unter-grund agierende militante Politaktivisten sich …(heute) … auf kleinkriminellem Niveau gegen-seitig anschwärzen, schwindet, so das Kalkül,womöglich auch die Aura der RAF.“Das Thema der heutigen Zeit auf der poli-

tischen Ebene ist die persönliche Integrität. Inden Zeiten der Vor-Katastrophe, in den Zeitender Suche nach Auswegen und Alternativen,in den Zeiten des politischen und moralischenBankrotts des herrschenden politischen Per-sonals erleben wir lediglich den aktuellen An-

lauf, ein Szenario gegen das Moment in der zeitgenössischen Geschichte zu schaffen, dassich in der Erinnerung der Bevölkerung mitpolitischer Überzeugung und Integrität verbin-det. Eben alles das, was den Vertretern der für die meisten Menschen bedrückenden undhoffnungslosen alten Ordnung fehlt. Eine Le-serzuschrift zu dem Beitrag im Freitag drücktes ganz hellsichtig aus: „Es geht nicht nur da-rum die ‚Verwirrung‘ der Täter aus damaliger Zeit offenzulegen - es geht mehr darum dieVerwirrung der Bevölkerung in Gegenwart undZukunft sicherzustellen. Auf keinen Fall darf esspäter mal eine Erinnerung an die RAF geben,welche diese als Vorbild für Notstand-Abwehr 

/ Widerstand gegen orwell‘schen Überwa-chungsstaat erscheinen läßt. Anders kann ichmir die Energie zur Aufrechterhaltung der RAF-Justizerei nicht erklären.“Die RAF ist aber nicht geschichtsmächtig ge-worden durch Interpretationen von Medien oder durch „Aura“ und „Mythen“, sondern durch ihreaktive Zeit, und das lässt sich im Nachhineinnicht wirklich weghistorisieren und relativiertsich nicht einmal durch persönliche Schwächeneinzelner ehemaliger Aktiver, an denen schwe-re Zeiten und manches persönliche Scheiterngenagt haben. Durch reaktionäre Kampagnensenkt sich nur das Niveau einer geschichtlichenAnalyse früherer Geschehnisse. Und leider 

lässt sich auch schon jetzt vorauszusagen, dassdas propagandistische Vorhaben neuer Straf-verfahren und die Flut von Vorladungen ehe-maliger RAF-Mitglieder und Freundeskreisen,verbunden mit Androhungen und Vollstreckungvon Ordnungsstrafen und Beugehaft wegen der Aussageverweigerung, zwar im Sinne der Initi-atoren keinen Erfolg bringen wird, „nur“ den ei-nen oder anderen, der viele Jahre Knast hinter sich gebracht und danach einen Boden unter den Füssen gesucht hat, in diesem Rummel umseine Wohnung, um sein Geld und eventuell umseine Arbeitsstelle gebracht werden wird.

P.S. In seiner Nummer 16/2009 veröffentlichte

der „Spiegel“ den Fund der „Grundsätze der Desinformation“, wie sie in BKA und den ande-ren Diensten schon zu Beginn der 70er-Jahreentwickelt worden sind. Es bleibt eine krasseKluft, dass nach dem Lesen dieses Artikels nie-mand zumindest in den linken Medien die Linienzu den aktuellen Geschehnisse gezogen hat.Die Schläfrigkeit ist beachtlich.

Monika Ertl, April 2010

*Eine im Januar 1992 vom damaligen Bundes- justizminister vorgestellte Initiative, die mit der Absicht konzipiert war, das Gefangenenkollek-tiv zu spalten.

Red. Anmerkung zur P.S.Das Gefangenen Info thematisierte mit demBeitrag „Desinformationskampagnen damalsund heute“ den besagten Spiegel-Artikel.

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mai/juni 2010 ◄ gefangenen info ◄ 5

► seite 3 ► schwerpunkt ► inland ► international ► dossier ► gefangene ► feuilleton ► kurzmeldungen

Nach den Angriffen gegen die Justiz, Polizei undden Springerkonzern und den Aktionen der RAFim Mai 1972 u.a. gegen die US-Hauptquartierein Frankfurt und Heidelberg, die angegriffenwurden, weil dort die Computer standen, die dieAngriffe gegen Vietnam koordinierten, wurde eingroßer Teil der Illegalen verhaftet. Von Anfang anwurde gegen die Gefangenen aus der RAF einbesonders Haftprogramm exekutiert – alle Ge-fangenen aus der Guerilla wurden streng isoliert:Einzelzelle und Einzelhofgang, d. h. kein Kontaktzu anderen Weggesperrten. Ihre Kommunikationnach draußen – Post und Besuche – wurde auf 

die engsten Familienangehörigen beschränkt.Der Bundesgerichtshof begründete diese dra-konischen Maßnahmen damit, dass sie „Mit-glieder einer kriminellen Vereinigung militanter Extremisten (seien), die sich die gewaltsameBeseitigung der in der BRD bestehenden Ge-sellschaftsordnung zum Ziel gesetzt hätten.“

Was heute von der herrschenden Meinung per-manent unterschlagen wird, ist, dass das Zielder RAF Kampf für eine kommunistische herr-schaftsfreie Gesellschaft war, die nur zusammenmit den Befreiungsbewegungen der 3. Welt undden Klassenkämpfen hier möglich war.„Insofern die herkunft aus der vom imperia-

lismus prostituierten bürgerlichen klasse undder von ihm kolonisierten proletarischen klas-

se nichts hergibt, was in diesem kampf zu

gebrauchen wäre… es stellt sich auch jetzt

erst heraus, was einer für ein mensch ist. es

stellt sich das metropolenindividuum heraus,

das aus den fäulnisprozessen, den tödlichen,

falschen, entfremdeten lebenszusammenhän-

gen des systems kommt – fabrik, schreibtisch,

schule, universität, revisionistische gruppen,

lehre und gelegenheitsjobs. es zeigen sich die

auswirkungen der trennung von berufs- und

privatleben, der arbeitsteilung in geistige und

körperliche arbeit, der entmündigung in hie-

rarchisch organisierten arbeitsprozessen, die

psychischen deformationen durch die waren-gesellschaft, der in fäulnis und stagnation über-

gegangenen metropolengesellschaft.“ (Prozes-

serklärung vom Septemer 1974 zum Verfahren

zur Befreiung von Andreas Baader, die sich am

14. Mai zum vierzigsten Mal jährt!

Kollektive Strukturen waren daher eine Möglich-keit, dem Imperialismus die Stirn zu bieten.„Sie (die Kollektivität) ist nicht bloße Negationall dessen, was Staat und Kapital sind, sonderndie gesellschaftliche Organisierung freier Men-schen, wie sie hier und jetzt – überall wo ge-kämpft wird – schon möglich ist.“ (Hungerstrei-kerklärung aus dem Jahre 1984).

Die Gefangenen aus der Guerilla kamen ausden weltweiten Kämpfen der 67/68 Bewegungund für sie waren deshalb Kollektive der prak-tizierte Gegenentwurf zu der herrschenden Ge-sellschaftsordnung.Es war klar für diese Gefangenen, dass solche

Strukturen nur durch Kampf zu er-ringen waren:„der hungerstreik ist in der isolati-on unsere einzige möglichkeit zukollektivem widerstand gegen diecounterstrategie des imperialis-mus, gefangene revolutionäre undgefangene, die im gefängnis ange-fangen haben, sich organisiert zuwehren, psychisch und physisch,das heißt politisch zu vernichten.entwaffnet, gefangen, isoliert ist er unsere einzige möglichkeit, unse-

re physischen und geistigen kräf-te, unsere identität als menscheneinzusetzen, um den stein, dender staat der herrschenden klassegegen uns aufgehoben hat, ihmauf seine eigenen füße fallen zulassen.KAMPF IST AUS SCHWÄCHE STÄRKE MA-CHEN.“ (Hungerstreikerklärung von 1974)

Die Gefangenen führten 10 kollektive Hunger-streiks, um die rigide Isolation zu überwinden. DieIsolationsfolter wird auch „weiße Folter“ genannt,weil sie keine sichtbaren physischen Spuren amKörper hinterlässt. Sie dient der sensorischen

Deprivation und sozialen Isolation, die auf dasAushungern der Seh-, Hör-, Riech-, Geschmacks-und Tastorgane zielt und dadurch zu lebensge-fährlichen Zuständen führen kann. Selbst dieUNO hat die Isolationshaft als Folter geächtet.„isolation ist die waffe des vollzugs gegen alle ge-fangenen, die entschlossen sind, sich im gefäng-nis nicht vernichten zu lassen, das menschenex-periment, die gehirnwäsche, das programm desimperialistischen vollzugs zu bekämpfen. siewerden isoliert, um politisierung, widerstand imgefängnis überhaupt zu liquidieren;…“ (Hunger-streikerklärung von 1974)Diese Haftbedingungen zielten auf die Vernich-tung der Gefangenen. Insgesamt 9 politische

Gefangene überlebten den Knast nicht, Holger Meins und Sigurd Debus starben im Hunger-streik.„wir können nur unterdrückt werden, wenn wir aufhören zu denken und aufhören zu kämpfen.menschen, die sich weigern, den kampf zu be-enden, könnne nicht unterdrückt werden – siegewinnen entweder oder sie sterben, anstatt zuverlieren und zu sterben.“ (Hungerstreikerklä-rung von 1974)

Es war natürlich für die Eingesperrten klar, dasses ohne Druck von draußen nicht möglich war,ihre Forderungen durchzusetzen:„WIR WENDEN UNS ALSO MIT UNSEREN

FORDERUNGEN AN EUCH, GENOSSEN.Wir verlangen von Euch, das Ihr unsere Forde-rungen unterstützt, durchsetzt – jetzt – wo Ihr esnoch könnt, bevor Ihr selbst Gefangene seid.Und nur von Folter reden, Genossen, statt sie zubekämpfen, kann schon nicht mehr unser/Euer 

Interesse sein  – hieße:der Abschreckungsfunk-tion der Schweinereinoch auf die Beine hel-fen.“(Hungerstreikerklärungvon Mai 1973)Nur große Gruppen vonGefangenen waren eingewisser Schutz vor Übergriffen der Justiz.Zeitweise gab es Kleinst-gruppen von 5 Einge-

sperrten, aber selbstGutachter des Gerichtsbefürworten „interakti-onsfähige Gruppen von15 Gefangenen“.Der Kampf gegen die

Isolationsfolter und für Zusammenlegung wur-de von vielen unterschiedlichen Menschen undGruppen getragen. Das Engagement reichtevon humanistischem Einsatz, Demonstrationenmit bis zu 10.000 Menschen, Besetzungen bishin zu bewaffneten Aktionen der Guerilla.

Fazit und Ausblick

Die Zusammenlegung in 1 oder 2 Gruppen, biszur Aufhebung der Isolation und ihrer Freiheitkonnte trotz der über 20 Jahre andauernden Aus-einandersetzung nicht erreicht werden. Es gablediglich minimale Verbesserungen, die Isolationder Gefangenen blieb aber weiter bestehen.Trotz der Isolationshaft waren die Gefangenenaus der RAF über zwei Jahrzehnte ein wichtiger politischer Faktor, die durch ihre Kämpfe bewie-sen, dass Kämpfen unter den erschwerten Be-dingungen möglich war. Bedingt u.a. durch dieweltweiten Umbrüche Ende der achtziger undAnfang der neunziger Jahre, die die gesamteLinke in eine Krise stürzten, spaltete sich dasGefangenenkolllektiv und löste sich schlußen-

dlich auf.Eine Transformation in eine neue politische Kraftgelang nicht, obwohl sich die Bedingungen inGroßdeutschland auf allen Ebenen verschärftenund eine starke linke internationalistische undantagonistische Bewegung wichtig gewesenwäre bzw. ist.Heute sind in BRD-Knästen migrantische undalle anderen kämpfenden Eingesperrten ähn-lichen und teilweise noch drakonischeren Isola-tionshaftbedingungen unterworfen wie damalsdie Gefangenen aus der RAF.Wir müssen auch heute bedenken, dass der Kampf um Befreiung ein langwieriger Prozessist, der sich nicht auf 1 oder 10 Jahre erstreckt,

sondern ein Leben lang andauert.„Kollektivität bestimmt sich übers Ziel. Zum An-griff kommen, nicht zu einem einzigen, sondernals dauernder, gemeinsamer Prozess der poli-tischen Bestimmung und Aktion.“ (Hungerstrei-kerklärung aus dem Jahre 1984) (red.)

Der Kampf der Gefangenenaus der RAF für kollektiveSelbstbestimmung

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6 ► gefangenen info ► mai/juni 2010

► seite 3 ► schwerpunkt  ► inland ► international ► dossier ► gefangene ► feuilleton ► kurzmeldungen

Seit nunmehr drei Jahren spekulieren Staats-schützer und Medien darüber, wer im Einzel-nen vor mehr als dreißig Jahren die Schüs-se auf Siegfried Buback und Hanns MartinSchleyer abgegeben hat. Ermittlungsbehör-den bemühen sich, weitere RAF-Aktionen

nach Indizien zur Täterschaft abzuklopfen.Kaum haben die letzten Gefangenen ausder RAF den Knast hinter sich gelassen, se-hen sich die einen mit neuen Verfahren kon-

frontiert, während die anderen mit Zeugenla-dungen und Beugehaftandrohungen belegtwerden. Nach der ersten Welle im Sommer 2007, im Ermittlungsverfahren gegen StefanWisniewski, läuft seit Ende 2009 der zweiteVersuch, Aussagen von uns zu bekommen,formell im Verfahren gegen Verena Becker.Verena Becker war 1977 in der RAF, 1983 ha-ben wir uns von ihr getrennt. Demnächst wirdihr ein neuer Prozess gemacht, offensichtlichnur als Auftakt zu weiteren Prozessen. GegenStefan Wisniewski und Rolf Heißler wird wei-terhin ermittelt.Vordergründig geht es darum, individuelle„Schuldzuweisungen“ zu bekommen, also Be-

teiligte unter Druck zu setzen und zum Redendarüber zu bringen, wer genau was gemachthat. Über 30 Jahre war es allen ziemlichegal, wer wofür verurteilt wurde. Hauptsache,sie verschwanden hinter Schloss und Rie-gel. Seit dem Medienspektakel zum „Deut-

schen Herbst“ 2007 ist das „Ringen um Klä-rung“ plötzlich zur Gretchenfrage geworden.Es reicht nicht, dass wir uns kollektiv für dieAktionen der RAF verantwortlich erklärt ha-ben. Wir sollen „endlich“ einmal auspacken,um, wie es heisst, „aus der Logik der Konspi-ration auszusteigen”.Worum es hier wirklich geht, ist, die Ausei-nandersetzung mit der Geschichte bewaff-neter Politik auf die Ebene von Mord und

Gewalt runterzuziehen. Eine Ebene, auf der Zusammenhänge auseinandergerissen undnur noch kriminalistisch abgewickelt werden,damit erst gar kein Raum entsteht, in dem an-dere als die vorgegebenen Überlegungen an-gestellt werden.Für manche sollen wir uns einer „Diskussi-

on“ „stellen”, deren Bedingungen schon von

vornherein festgelegt sind und den Zweck ha-

ben, die Aktionen der RAF durch Personali-

sierung zu entpolitisieren. Oder wie die Süd-

deutsche Zeitung in einem Kommentar dazu

meinte : „Von möglichen politischen Motiven

in diesem Krieg aber wird bald nichts mehr zu

erkennen sein. (…) Die Individualisierung und

Privatisierung des deutschen Terrorismus istdessen letztes Stadium. Was gegenwärtig

mit ihm geschieht, ist ein Fall angewandter 

Geschichtspolitik: von rückwirkender Ver-

wandlung des Politischen ins Persönliche.“

(SZ 24.4.2007)

Etwas zur

aktuellen SituationVon einigen, die zu unterschiedlichen Zeiten in der RAF waren – Mai 2010

Von uns wird eine „geschichtliche Bewälti-gung“ verlangt, die keine ist. Ein „Schluß-strich”, an den sich sonst niemand hält unddessen Voraussetzungen nicht einmal zur Debatte stehen. Es ist nochmal ein großan-gelegter Versuch, reale Erfahrungen zu ver-

schütten, Lernprozesse zu verhindern, dieunterschiedlichen Kämpfe voneinander zuisolieren.Das wäre er dann, der Punkt. Eine Story, vonder nichts bleibt als Selbstbezichtigung undDenunziation.Auslöser dieser ganzen Sache war die Vorbe-reitung einer Kampagne, die dazu angesetztwar, Öffentlichkeit für das geplante Spektakelim Herbst 2007 und die darauf folgenden Film-produktionen herzustellen. Zwischen Ende

2005 und Ende 2006 haben Spiegel-Mitarbei-ter nichts unversucht gelassen, uns für einevon Stefan Aust redigierte Fernsehserie zugewinnen. Es musste etwas Neues her, um

die Kampagne zu füttern. Anekdoten, Tratsch,Interna, die den kaputten „Zeitzeugen“ viel-leicht noch etwas Glaubwürdigkeit verschaf-fen könnten.Bekanntlich ist daraus nur eine Wiederauf-

bereitung alter „Enthüllungen“ geworden,

aber in der Zwischenzeit wurde Austs Pro-

tegé Peter-Jürgen Boock vorgeschoben,

um sich der „Opfer der RAF“ anzunehmen.

Nachdem aus den „Experten“ und „Kron-

zeugen“ nichts Neues mehr rauszuquet-

schen war, wurde von einigen Politikern die

Forderung aufgestellt, Gefangene aus der 

RAF nur noch freizulassen, wenn sie „Ross

und Reiter“ nennen. Diese Gelegenheit wur-

de von Boock genutzt, um ab Ende März2007 den Sohn des Generalbundesanwalts

für seine soundsovielte Täterversion zu in-

strumentalisieren. Diesmal mit den Namen

genau derjenigen, die für die jeweilige Akti-

on noch nicht verurteilt worden waren.

8/6/2019 Gefangenen Info #355

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mai/juni 2010 ◄ gefangenen info ◄ 7

► seite 3 ► schwerpunkt  ► inland ► international ► dossier ► gefangene ► feuilleton ► kurzmeldungen

Berlin: Der in Berlin ansäs-sige Internet-Provider so36.net, sowie eine Privatwoh-nung wurden am 26. Aprildurchsucht. Es wurden inder Privatwohnung zweiRechner und mehrere Fest-

platten beschlagnahmt. Für kurze Zeit war auch der Ser-

ver von so36.net beschlagnahmt worden, der aber kurz darauf zurück gegeben wurde. Zielder Aktion war es, Verantwortliche für die an-timilitaristische Webseite bamm.de zu ermit-teln. Auf der Seite war ein Flugblatt mit demMotto „Feste feiern, wie sie fallen“ zu sehen,dass dazu aufrief zu feiern, wenn Bundes-wehrsoldaten im Kriegseinsatz fallen. (red.)

Berlin: Bei einer Hausdurch-suchung in einem besetztenHaus in der Rigaer Str. 17verfrachteten Einsatzkräfte

der Polizei eine noch glü-hende Brandmasse auseinem Kachelofen in eineHolzkiste und lösten damiteinen Feuerwehreinsatz

aus, der das schmorende Holz zu löschenhatte. Das schmorende Holz entwickelteeine große Rauchentwicklung, sowie kleinereBrandschäden innerhalb des Hauses. Bei der Durchsuchung wurden zwei Personen wegenfehlender Papiere festgenommen, die in demHaus einen Schlafplatz fanden. (red.)

Bochum: 150 Personendemonstrierten am Sams-

tag, den 10. April in Bochumgegen Polizeigewalt. Anlasshierzu war ein brutaler Po-lizeiangriff Ende März auf AntifaschistInnen, die eineMahnwache der NaziparteiPro NRW blockierten. Die

Demonstration wurde von einem Großauf-gebot der Polizei begleitet, das die Teilneh-merInnen der Demonstration provozierte. Beider Demonstration kam es zu mehreren bur-talen Übergriffen der Polizei, bei denen meh-rere AntifaschistInnen und laut Angaben der Polizei auch zwei Beamte verletzt wurden.(red.)

Stuttgart: Im Rahmen der 1. Mai Demonstrationen inStuttgart wurden 4 Personenfestgenommen. Gegen ei-nen der Festgenommenenwurde ein Schnellgerichts-verfahren angestrengt, dasam darauffolgenden Freitagstattfand. Bis dahin musste

die Person in U-Haft bleiben. Er wurde we-gen einem angeblichem Tritt gegen einenPolizisten zu 4 Monaten und 2 Wochen auf 2 Jahre Bewährung verurteilt. Der Tritt soll

passiert sein, als BFE-Einheiten die Revolu-tionäre 1. Mai Demo mit massivem Schlag-stock- und Pfeffersprayeinsatz angriffen, umein zu langes (!) Transparent zu beschlag-nahmen. (red.)

Kurzmeldungen bundesweit Für die Medien war es das gefundene Fres-sen, um das ene-mene-muh Spiel anzufangen.Mit einem alten Polizeitrick, der den Spieß ein-fach umdreht: Bei genügend Unschuldsbeteue-rungen würden am Ende diewahren Täter schon übrig-bleiben. Einen Tag nach der Talkshow mit Boock EndeApril 2007 meldete sichKarl-Heinz Dellwo in einer 

Panorama-Sendung: „Ichkenne denitiv Fälle, wo

Leute vollständig unschul-dig waren und über langeZeit für andere im Gefäng-nis gesessen haben.“ Auf die Frage, ob wir Namennennen sollten, antworteteer, „das müssen die Leu-te für sich selber entschei-den”. Zwei Wochen spä-ter ging Knut Folkerts in dieFalle und erklärte in einemInterview mit dem Spie-gel seine Unschuld in Sa-

chen Buback. Der Bundes-anwaltschaft genügte der Medienrummel, um die ent-sprechenden Ermittlungs-verfahren zu formalisieren.Die RAF hat sich 1998 auf-gelöst, begründet aus ihrer Einschätzung der veränderten politischen Gesamtsituation. DieTatsache, dass es ihre eigene Entscheidungwar und sie nicht vom Staat besiegt wurde, istoffenbar noch immer ein Stachel. Daher dasewige Gerede vom „Mythos”, den es zu kna-cken gilt. Daher die politische und moralischeKapitulation, die da eingefordert wird. Daher die Versuche, die Kriminalisierung unserer Ge-schichte zum Punkt zu bringen, bis hin zu demverlogenen Vorschlag einer „Wahrheitskom-mission”. Während die Fahndung nach den Il-legalen, die Hetze in den Medien und die Ver-fahren gegen ehemalige Gefangene andauern,wird von uns der öffentliche Kotau verlangt. Woes nach all den Jahren nicht durch „Abschwö-ren“ gelaufen ist, sollen wir uns jetzt gegensei-tig verpfeifen. Rette sich, wer kann.Wenn von uns niemand Aussagen gemachthat, dann nicht, weil es darüber eine beson-dere „Absprache“ in der RAF gegeben hätte,sondern weil das für jeden Menschen mit po-litischem Bewusstsein selbstverständlich ist.

Eine Sache der Würde, der Identität - der Seite,auf die wir uns gestellt haben.Keine Aussagen zu machen, ist keine Erfn-

dung der RAF. Es hat die Erfahrung der Be-

freiungsbewegungen und Guerillagruppen

gegeben, dass es lebenswichtig ist, in der 

Gefangenschaft nichts zu sagen, um die, dieweiterkämpfen, zu schützen. Es hat die Bei-spiele des Widerstands gegen den Faschismusgegeben. Wer immer hier ernsthaft politisch et-was wollte, hat sich damit auseinandergesetztund daraus gelernt. In der Studentenbewegungwar Aussageverweigerung eine breit begriffeneNotwendigkeit, als die Kriminalisierung losging.Seitdem sind Militante in vielen Bereichen da-

mit konfontriert worden. Genauso ist es für unsin der RAF eine notwendige Bedingung gewe-sen, dass niemand Aussagen macht. Einen an-deren Schutz gibt es nicht - für die Einzelnen imKnast, für die Gruppe draußen und für den ille-galen Raum insgesamt, die Bewegung in ihm,

die Strukturen und die Beziehungen.Aber auch so. Wir machen keine Aussagen,weil wir keine Staatszeugen sind, damals nicht,heute nicht.

Trotz Rasterfahndung habenes die hochgerüsteten Staats-schutzapparate in all den Jah-ren nicht geschafft, ein auchnur annäherndes Bild un-serer Bewegungen zu bekom-

men. Auch die, die unter demDruck der Isolation, der Hetzeund der Erpressung zusam-mengebrochen und als „Kron-zeugen“ benutzt worden sind,haben nicht dazu beitragen

können, das Bild zu vervoll-

ständigen. Die Bruchstücke,

die sich der Staatsschutz zur 

allgemeinen Aufstandsbe-

kämpfung zurechtgebastelt

hat, nützen ihm wenig. Von

der Vorgehensweise, der Or-

ganisation, der Spur, der Di-

alektik einer Metropolengue-

rilla hat er keine Ahnung. Esgibt keinen Grund, ihm dabeiauf die Sprünge zu helfen. DieAktionen der RAF sind kollek-tiv diskutiert und beschlossenworden, wenn wir uns einig

waren. Alle, die zu einer bestimmten Zeit der Gruppe angehört und diese Entscheidungenmitgetragen haben, haben natürlich auch dieVerantwortung dafür. Wir haben das oft erklärt,und unser Verhältnis dazu ändert sich nicht da-durch, dass die RAF Geschichte ist.Die kollektive Struktur der RAF ist von Anfangan angegriffen worden. Es durfte sie nicht ge-ben, es musste das Alte sein, autoritäre Bezie-hungen, „Ofziere und Soldaten”, Rädelsführer 

und Mitläufer. So war die polizeiliche Zielset-zung, so war die Propaganda, so ist sie bisheute. Die Justiz allerdings, die sich selbst „anvorderster Front“ gegen den „Staatsfeind Nr. 1“sah, war in den Prozessen in Beweisnot, weilsie ohne unsere Mitwirkung nichts in der Handhatte. Ihre Lösung war der „kollektive“ Para-graph 129/129a, mit dem alle für alles verant-wortlich gemacht werden konnten. Darauf ba-sierten zum Teil die Urteile, und kriminalistischeEinzelheiten wurden nur benutzt, um die poli-tischen Zusammenhänge wegzudrücken.Dagegen waren die Zeugenaussagen, die

wir während der Knastjahre einige Male inden Prozessen gemacht haben, kollektiv be-stimmt, als Möglichkeit, öffentlich etwas ge-gen die fetteste Scheisshauspropaganda zusagen. Für uns hat es kaum eine Bedeutunggehabt, wie die Zuordnungen und Konstruk-tionen der Staatsschutzsenate im Einzelnenaussahen. Wir waren im Knast, weil wir hier den bewaffneten Kampf angefangen haben,und in den Prozessen ging es uns höchstensdarum, Inhalt und Ziele unserer Politik zu ver-mitteln. Einer Politik des Angriffs in der Me-tropole, die ihre Praxis im Zusammenhangweltweiter Kämpfe um Befreiung vom Kapita-lismus begriffen und bestimmt hat.

Wenn es noch etwas zu sagen gibt, dann dazu.Red. Anmerkung zum ersten Absatz: Eine Gefangeneaus der RAF, Birgit Hogefeld, ist als Freigängerin wei-terhin im Knast. Kürzlich hat Bundespräsident Köhler ihre Begnadigung abgelehnt, weil Birgit sich weiterhinweigert, mit Polizei und Justiz zu kooperieren.

8/6/2019 Gefangenen Info #355

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8 ► gefangenen info ► mai/juni 2010

► seite 3 ► schwerpunkt ► inland ► international ► dossier ► gefangene ► feuilleton ► kurzmeldungen

Letzten Monat erschien im Stern ein Artikel

von der Psychotherapeutin und JournalistinAnja Röhl. Sie selbst ist bekannter als Stief-tochter von Ulrike Meinhof und Tochter desehemaligen Herausgebers der ZeitschriftKonkret. Anja Röhl schreibt in ihrem Artikelüber ihren Vater, Klaus Rainer Röhl. Sie be-schreibt darin die pädophilen Neigungen undverschiedenste Arten des Missbrauchs an ihr,als Kind. „Einen der wichtigsten Männer, dieoffen Pädophilie propagiert haben, habe ichin der eigenen Familie gehabt, er heißt KlausRainer Röhl und war mein Vater.“Dass K.R. Röhl in den 70er Jahren schon ei-nen Hang zur Rechtfertigung pädophilen Ver-haltens hatte ist keine Neuigkeit. Unter seiner 

Ägide wurde die Konkret, die Mitte der 50er als politisches Magazin mit Nähe zur illega-len KPD gestartet war und mit der exzellentenJournalistin Ulrike Meinhof als Flaggschiff bekannt wurde, zur Wichsvorlage mit intellek-tuellem Anspruch. Mit dem mittlerweile zummedialen RAF-Inquisitor aufgestiegenen Ste-fan Aust und dem mittlerweile verstorbenenSchriftsteller Peter Rühmkorf an der Seite bil-deten sie den Kopf einer Männerriege, die imFahrtwind der sogenannten „Sexuellen Re-volution“ ihre Männerphantasien auslebten.In einem Artikel von Ende September letztenJahres heißt es zur KONKRET-Historie undzu ihren Protagonisten Röhl, Rühmkorf und

Aust:„KONKRET? Gibt‘s das noch? Früher hab ichdas auch gelesen.“ Das Früher der älterenHerren sind die Jahre, in denen KONKRETmit allerlei Onanierhilfen und Titelzeilen wie„Mögen Frauen Vergewaltigung?“, „Was Mäd-

chen weich macht - Rezepte für Männer“ oder 

„Machen Miniröcke dumm?“ für Absatz ge-sorgt hatte. Der Lyriker Peter Rühmkorf war noch in seinen letzten Lebenstagen stolzer Theoretiker dieses vom ihm erfundenen Ver-kaufsrezepts, dessen Praktiker, sein FreundKlaus Rainer Röhl, bei der Auswahl der Titel-bilder stets darauf bestand, daß der nackteHintern der Abgebildeten am rechten Bildranderschien, denn: „Man schlägt von rechts.“Geschäftsführender KONKRET-Redakteur 

  jener Jahre war unter anderen ein gewisser Stefan Aust. Wenn Not am Mann war, gingder investigative Journalist auch gern selbstmit der Kamera auf Motivsuche für „heiße Re-ports“ („Liebe unter freiem Himmel - Wie frei

sind Deutschlands Mädchen?“; 10/67) oder reiste an den „Sonnenstrand von Bulgarien“(7/67).... (LITERATUR KONKRET 2009/2010)K.R. Röhl führte genau diesen Kurs nachdemer die Konkret fast vollständig ruiniert hattein seinen Magazinen „Das da“ und „Spon-tan“ weiter. Stefan Aust schrieb unter ande-rem für die St.Pauli-Nachrichten. Ein wei-teres Softpornoblatt mit „linkem“ Anspruch.Für Aust und Konsorten war das damals vor allem „’ne coole Zeit“. Während andere dasGeschriebene und Gesprochene beim Wortnahmen und versuchten, eine revolutionärePerspektive zu entwickeln, ging es vielen nur um das eigene Standing und die Coolness

„in der Szene“ als Ausgangspunkt für ihrebürgerlichen Karrieren. Anfangs waren sienoch kritische Journalisten, modern wirkendeKünstler oder einfache Selbstdarsteller. Diemeisten endeten als Karikatur ihrer selbst,ausgestattet mit meist hochdotierten Jobs.

Die Lebenslügen des K.R. RöhlAuseinandersetzung um die Röhlche Geschichtsschreibung, Missbrauch und dem

Verhältnis zu Ulrike Meinhof 

Vielleicht wird das Interesse von Aust undKonsorten, die politischen Bewegungen die-ser Tage (besonders die RAF) in den Dreckzu ziehen, dadurch klarer.Ulrike Meinhof hatte sich zu diesem Zeitpunktschon längst aus dem Staub gemacht. DieGefangenenbefreiung von Andreas Baader am 14. Mai 1970 führte sie in den Untergrund.An vielen Littfasssäulen hingen Fahndungs-fotos. Aus der Illegalität heraus versuchtesie, laut den Recherchen von Jutta Ditfurthfür deren Meinhof-Biograe, ihre Kinder vor ihrem Ex-Mann zu schützen. Sie versuchtealles, damit ihre Töchter Regine und Bettinabei ihrer Schwester unterkommen konnten.Um nicht vorher schon mit unveränderbarenTatsachen konfrontiert zu werden, entschlos-sen Ulrike und Genoss_innen, die Kinder jed-wedem weiteren Zugriff zu entziehen und ersteinmal nach Sizilien zu Freunden zu bringen.Dass Aust die Kinder zu ihrem Vater zurück-brachte, sie sozusagen „rückentführte“, ge-hört mit zu dem Heldenmythos, den Aust umsich selbst und seine Rolle in den Siebzigern

gebaut hat. Doch wie heldenhaft ist es eigent-lich, Kinder zu solch einem Vater zurückzu-führen?Allein das momentane Schweigen eines Ste-fan Aust zu den geäußerten Vorwürfen gegenseinen früheren Chef verrät einiges. Einer der sonst sofort in sämtlichen Medien präsentist, wenn Ulrike Meinhof oder die RAF in denMedien besprochen werden, hält freiwillig dieKlappe. Allein schon das stinkt zum Himmel.Gerade in diese Phase fällt nämlich auchseine ständige Präsenz in den Softpornoheft-chen mit sog. inhaltlichem Anspruch.K.R. Röhl ist in dieser Richtung wesentlichehrlicher. Er mutierte vom Salonkommunisten

zum Rechtspopulisten und Geschichtsverdre-her. Schließlich promovierte er 1993 bei demHistoriker Ernst Nolte. Röhl trat 1995 der FDPbei. Er gehörte zum nationalliberalen Flügelder Partei um Alexander von Stahl, Heiner Kappel und Rainer Zitelmann („Liberale Of-fensive“), die die FDP in den 1990er Jahren inRichtung von Haiders FPÖ verändern wollten.Zuletzt tauchte sein Name als Referent desverhinderten rechtsradikalen Anti-Islamisie-rungsgipfels in Köln auf. Zudem schrieb er viele revisionistische Artikel und Bücher undbeteiligte sich intensiv am 68er Bashing.Nun ist selbst seine Tochter Bettina Röhl, dieihn in seinen Äußerungen zu Ulrike Meinhof 

und der RAF stets bestärkte, von ihm abge-rückt und beschreibt den Missbrauch, denK.R. Röhl an ihr begangen hat: „Zwischen1970 und 1973 habe ihr Vater manche Abende„mit einem Zungenkuss als Gute-Nacht-Ab-schied“ beendet. Als sie elf Jahre alt gewe-sen sei, habe Klaus Rainer Röhl seine Hände„nicht mehr zuverlässig in seiner Sphäre“ be-halten. Er habe sich seiner Tochter gegenüber als „pädophil“ bezeichnet und über Inzest ge-sprochen. (spiegel-online, 30.05.2010)Das er dies weiterhin bestreitet ist nur nochpeinlich. Aber in seinem nationalkonserva-tiven Umfeld scheint dies nicht weiter zu stö-ren. Für die Mitarbeit in diesen Zirkeln scheint

eine gewisse Demenz gegenüber der eigenenVergangenheit und der Weltgeschichte Auf-nahmevoraussetzung zu sein.

(überarbeitete Version aus anderslautern.de06/2010, red.)

8/6/2019 Gefangenen Info #355

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mai/juni 2010 ◄ gefangenen info ◄ 9

► seite 3 ► schwerpunkt ► inland  ► international ► dossier ► gefangene ► feuilleton ► kurzmeldungen

Königs Wusterhausen: Inder Nacht vom 4. auf den 5.Mai wurden im Ortsteil Nie-derlehme drei GenossInnenfür 20 Stunden festgenom-men. Eine Polizeistreifehabe das Auto eher zufällig

angehalten, woraufhin der Streife ein Brandsatz, der 

neben dem Auto stand, aufgefallen sei. DiePolizei bringt diesen Fund in Verbindung miteinem möglichen geplanten Anschlag auf Ge-rätschaften, die zum Abriss der Ernst-Thäl-mann Gedenkstätte, die sich in dem OrtsteilNiederlehme-Ziegenhals bendet und seitlängerem vom Abriss bedroht ist, eingesetztwerden. (red.)

Berlin: In der Nacht zum 10.April wurde in der Meutereieine Soliparty der Gruppe„Freiheit für Tobias!“ ange-

griffen. Knapp 20 Beamtedrangen gegen 4:45 in dieRäumlichkeiten ein und er-klärten die Veranstaltungenfür beendet. Die Teilneh-

merInnen wurden nach draußen gedrängtund von mit gezückten Schlagstöcken undPfefferspray BeamtInnen erwartet. EinePerson wurde die Kellertreppen hinunter ge-stoßen. Sie erlitt eine blutende Platzwunde.Zwei Personen wurden festgenommen. EineBegründung für diese Aktion liegt noch nichtvor. (red.)

Berlin: Alexandra R. steht

wieder vor Gericht. Nach-dem Alexandra im Juli 2009wegen einer angeblichenBrandstiftung an einemPKW festgenommen wur-de, für 156 Tage in U-Haftgesteckt wurde und im No-vember 2009 vom Vorwurf 

der versuchten Brandstiftung freigesprochenwurde, steht Alexandra nun in zweiter Instanzim Berufungsverfahren vor dem LandgerichtBerlin. Das Verfahren ndet unter erhöhtenSicherheitsstandards statt. Nächster Termin:15.und 29. Juni Landgericht Berlin - Saal 700um 9 Uhr, Landgericht (Turmstr. 91), Saal700. (red.) http://engarde.blogsport.de

Berlin: Ende April kam es inBerlin zu Durchsuchungenmehrerer Info- und Buch-läden. Betroffen waren der Infoladen M99, Red Stuff,der Buchladen 021, sowieder Buchladen SchwarzeRisse im Mehringhof. DieBeamten waren auf der Su-

che nach der aktuellsten Ausgabe der Inte-rim, in der eine Anleitung zur Herstellung vonWurfgeschossen enthalten ist. Die Beamten

waren auch auf der Suche nach der Publi-kation Prisma, die eine Sammlung diverser Anleitungen ist. Der M99 wurde in seiner Ge-schichte bereits 49 mal durchsucht. (red.)

Kurzmeldungen bundesweit 

Anti-Knast-Aktionstag am 19. Juni 2010 

Für den 19. Juni 2010 hat ein Bündnis vonverschiedenen Gruppen in der BRD zu einemAktionstag gegen Knäste aufgerufen.In dem Papier mit der Überschrift „Warum An-ti-Knast-Aktionstag“ wird u.a. auf die Funktionder Knäste, die Bedeutung für verschiedenegesellschaftliche Schichten wie das Präkari-at, die MigrantInnen oder auch die als „Irre“ inPsychiatrien eingesperrten Menschen einge-gangen. In dem Aufruf heißt es bezüglich desVerhältnisses zwischen Knast und Gewalt:„Knast bedeutet Unterdrückung, Kontrolle,

Ausbeutung und Ausgeliefertsein. Struktu-relle Gewalt ist Teil unserer Gesellschaft. Auf ihr beruht unser Rechtssystem. Kein Wunder also, dass sie auch vor den Toren der Knästekeinen Halt macht und sich in Form von in-dividueller Gewalt, wie Misshandlungen undsexuellem Missbrauch, entlädt.“Das Bündnis hebt hervor, dass „der Knast alsTeil eines System des Disziplinierens mittelsStrafe zu verstehen“ und „Ausdruck der Herr-schaftsverhältnisse“ sei. Demnach bringe sieeine „Spirale in Gang, die die Kluft zwischenarm und reich, priviligiert und unpriviligiertweiter“ vergrößere.Weiter wird in dem Papier auf Strategien der 

Kontrolle und Überwachung eingegangen undmit dem vorbeugenden Charakter dieser fort-gesetzt: „Auch durch die Gemengelage Ter-rorismusbekämpfung und Klimawandel wirdbei vielen Menschen der Hang zur Selbstkon-trolle und die Forderungen nach mehr Über-wachung, Normen und Gesetzen deutlich.Im Windschatten dieser Entwicklungen isteine präventive Strategie zur Aufstandsbe-kämpfung nicht nur geduldet sondern aucherwünscht. Konzepte wie „Managing Crowds“sollen helfen, künftig zu erwartende Unruhenmög- lichst im Keim zu ersticken. Selbst dieNATO hält die innere Sicherheit und Befrie-dung für den Schlüssel zu einer „erfolgreichen

Intervention“ außerhalb der Mitgliedsstaaten.Die Zustände „Drinnen“ sind nur die Zuspit-zung der Tendenzen „Draußen“. Die Reali-täten der „zwei Welten“ innerhalb und außer-halb der Mauern ähneln sich zunehmend. EinAnstieg der Überwachung, der Armut, desLeistungs- und Anpassungsdrucks ist deutlichspürbar und allgegenwärtig. Die bürgerlicheStrafgesellschaft richtet sich, gerade in Zeitender weltweiten „Mehrfachkrisen“ gegen Unter-schichten, illegalisierte Menschen und sozialeBewegungen. Die Zahl der sog. „SozialenHäftlinge“ steigt von Tag zu Tag. Die europä-ische Sicherheitsarchitektur wird immer weiter ausgebaut. Und fern ab von der Öffentlichkeit

schmoren Menschen in Abschiebeknästen.Die Gefängnisgesellschaft ist Realität.Nieder mit allen Knästen weltweit! Für freieKommunikation, Bewegungsfreiheit und einkoniktfähiges Miteinander! Für die Überwin-dung der Knastgesellschaft!“

Hinsichtlich dieses Aktionstages, das von ver-schiedenen Aktionen auf bundesweiter Ebe-ne begleitet wird, hat auch der anarchistischeGefangene Thomas Meyer-Falk einen Beitragverfasst, den wir an dieser Stelle dokumen-tieren. (red.)

Für den bundesweiten Anti-Knast-Akti-

onstag am 19. Juni 2010

In den letzten Wochen trieben die Boulevard-medien das Thema Knast wie die Sau durchsDorf. Perverse Sexgangster, die angeblich dieBevölkerung bedrohen, sollte man sie frei las-

sen, Räuber und Totschläger, die nur darauf warten wieder zuzuschlagen.All das vor dem Hintergrund sinkender Krimi-nalitätsraten und eines Urteils vom Europä-ischen Gerichtshof für Menschenrechte, der nämlich im Dezember die BRD daran erin-nerte, dass es nicht angehe, in bestandskräf-tige Strafurteile einzugreifen und aus einer auf 10 Jahre befristeten Sicherungsverwahrungper Gesetzesbeschluss eine lebenslänglicheSicherungsverwahrung zu machen.Letzteres nehmen BILD, RTL und Politiker vom Schlage des Jörg Uwe Hahn (Hessen,FDP) zum Anlass, darüber zu schwadro-nieren, dass Deutschland eine Demokratie

sei und sich gefälligst Strasbourg hier nichteinzumischen habe.In Niedersachsen möchte ein GRÜNEN-Ab-geordneter von der Landesregierung ganzgenau wissen, wie es hinter Gittern zugeht,denn er wundert sich, dass trotz sinkender Gefangenenzahlen die Regierung einenKnastneubau nach dem anderen plant. Für seine Anfrage an die Regierung sieht er sichder Hetze der Presse und Knastverwaltungenausgesetzt. Letztere behaupten frech, ihnenfehle auf Grund detaillierten Anfrage nun dieZeit für die Resozialisierung der Gefangenen,schließlich müssten sie die Anfrage beantwor-ten.

Knast und Gefangene sind Projektionsächefür eine zunehmend sicherheitsxierte Ge-sellschaft; wahrgenommen wird nicht mehr der einzelne Gefangene und sein familiäresUmfeld, sondern er wird als wandelndes Ri-siko und/oder Monster auf zwei Beinen dar-gestellt. Diese Entmenschlichung hilft dabei,sich den unzähligen Schicksalen nicht (mehr)zu stellen und auch deren Leid nicht (mehr)anerkennen zu müssen.Umso wichtiger sind Aktionen wie heute! Sieverleihen den Gefangenen eine Stimme undverdeutlichen, dass es auch Menschen gibt,die für eine Gesellschaft kämpfen, die Knästenicht nötig hat.

Herzschlagende Grüße aus BruchsalThomas Meyer-Falkwww.freedom-for-thomas.de

8/6/2019 Gefangenen Info #355

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10 ► gefangenen info ► mai/juni 2010

► seite 3 ► schwerpunkt ► inland  ► international ► dossier ► gefangene ► feuilleton ► kurzmeldungen

Anlässlich des 19. Juni, der insbesondere inden Ländern Südamerikas und -Europas denTag der revolutionären Gefangenen darstellt,

ruft das Netzwerk Freiheit für alle politischenGefangenen zu einem bundesweiten Aktions-tag für die Freiheit der Gefangenen aus den§129b-Prozessen auf.Wir dokumentieren:

Solidarität muss praktisch werden!

Freiheit für die §129b- und alle politischen

Gefangenen weltweit!

Aktuell laufen in Stuttgart-Stammheim und inDüsseldorf drei Prozesse gegen 6 türkischeLinke mit dem Vorwurf nach §129b, der Rä-delsführerschaft, Mitgliedschaft und Unter-stützung der DHKP-C.

Ahmet und Devrim sind seit mehr als drei ½Jahren in Stuttgart-Stammheim, Faruk seitdrei Jahren in Düsseldorf und Nurhan, Cengizund Ahmet Istanbullu seit 1 ½ Jahren in Köln,Düsseldorf und Wuppertal weggesperrt.Alle 6 benden sich in Isolationshaft, d.h. 23Stunden am Tag auf der Zelle. Besuchser-laubnisse werden stark reglementiert und n-den nur hinter einer zentimeterdicken Trenn-scheibe statt, der Briefverkehr wird überwachtund ungewünschte Inhalte konsziert.Als Zeugen bedient sich die deutsche Justizunter anderem an bekannten Folterern der Istanbuler Anti-Terror Einheit und verwendetGeständnisse als Beweise von denen anzu-

nehmen ist, dass sie unter Folter erwirkt wur-den.Besucher der Prozesse werden schikaniertoder wie in Düsseldorf geschehen, von der Polizei in so genannten Störerzellen unterhalbder Gerichtsräume zusammengeschlagen.

Spendensammlungen, und die zur VerfügungStellung nanzieller Mittel für fortschrittlichelinke Gruppen die auf der Terrorliste stehen,

oder Personen die des Terrors verdächtigtwerden, werden mit dem Aussenwirtschaftge-setz erstmals kriminalisiert und können Haft-strafen von 6 Monaten bis zu 15 Jahren nachsich ziehen.In den letzten drei Jahren sind das nun bereitsdrei Prozesse die auf der Basis des §129bgegen linke Strukturen angewendet werdenund die sich (noch) explizit gegen die Mitar-beiterInnen der Anatolischen Föderation undderen Vereinsmitglieder sowie Personen ausdem Umfeld richtet.

Die Funktion des §129b zeigt sich hier im Klei-nen schon in aller Deutlichkeit:

-Schwächung und Isolierung der politischenStrukturen (infrastrukturell und organisato-risch)-Abschreckung nach innen (Angst vor Krimi-nalisierung) und Diffamierungen nach außen(Stimmungsmache der Medien innerhalb der Bevölkerung gegen den so genannten „links-extremistischen Terror“)-Lähmung der politischen wie auch der So-lidaritätsarbeit durch das Damoklesschwert„Unterstützung einer terroristischen Vereini-gung“

Die Auswirkungen und Funktionen von Repres-sion allgemein und dem §129b im besonderen

(Abschreckung, Lähmung,Zerschlagung) ha-ben hier bereits ganz konkrete Auswirkungen.Umso wichtiger ist jetzt die Solidarität mit denGenossInnen, die momentan im Fadenkreuzdes Staates stehen! Ein Angriff gegen eine/nvon uns, ist ein Angriff gegen uns alle!

Der Charakter des Paragraphen 129b

Die Paragraphen sind Teil der Gesetzge-

bungen die unter dem Schlagwort der prä-ventiven Konterrevolution zusammengefasstwerden können.Die Möglichkeiten zur Verfolgung und Infor-mationsgewinnung die den Strafbehördendamit auf internationaler Ebene gegebenwird, stehen in keinem realen Verhältnis zumaktuellen Stand der Klassenkämpfe und der politischen Kräfte die auf eine Umwälzung der Verhältnisse innerhalb der BRD hin arbeitenund haben auch im Hinblick auf die sich zu-sehend verschärfende kapitalistische Kriseeinen eindeutig vorbeugenden Charakter.Die aktuelle Anwendung des §129b dientvielmehr der Komplizenschaft mit den Herr-

schenden in anderen Ländern, hier der Türkei, in der Verfolgung von Exilstrukturenin der BRD denen die Mitgliedschaft einer Or-ganisation nachgesagt wird, die in der Türkeiüber die politischen Kräfte verfügen um dortden Klassenkampf von unten entwickeln zukönnen.Sie dient zur Bekämpfung vor allem der mi-grantischen Linken, steht aber auch in demZusammenhang mit der Erklärung der Kanz-lerin Merkel, die das Führen von Kriegen zur deutschen Staatsräson erklärt hat.

Der internationalen Verfolgung die inter-

nationale Solidarität entgegensetzen!

Die Qualität der Repression hat sich mit der Einführung des §129b sowohl gegen die mi-grantischen als aber auch für die internatio-nalistischen und antiimperialistischen Kräftegesteigert:

Aktionstag 19.6.Freiheit für die §129b-Gefangenen

Fotos von Graftis in Baden-Württemberg

8/6/2019 Gefangenen Info #355

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BRD: Auf allen (Revolutio-nären 1. Mai) Demonstra-tionen kam es zu Provoka-tionen und gewalttätigenÜbergriffe der Polizei auf die insgesamt über 20.000TeilnehmerInnen. Darüber 

hinaus kam es auch zu zahl-reichen Festnahmen: Berlin:

487 Festnahmen, gegen 22 wurden Haftbe-fehle ausgesprochen, 11 sind im Knast ein-gesperrt; Stuttgart: siehe oben; Wuppertal: 34Festnahmen. Wieviele Personen in anderenStädten festgenommen wurden ist bislangunklar. (red.)

Oldenburg: BesucherInnendes Festes, das im An-schluss an die autonome1. Mai Demonstration in Ol-denburg stattfand, wurdenvon der Polizei massiv an-

gegriffen. Bereits währendder Demonstration wurdedie Demonstration ständig

von der Polizei provoziert. Das Fest fandvor einem räumungsbedrohten besetztenHaus statt, vor dem extra-mitgebracht Pavil-lons aufgestellt wurden. Knapp 20-30 Leutewurden mit Knüppeln, Tritten, Schlägen undmassivem Einsatz von Pfefferspray angegrif-fen. Über 20 Personen mussten danach vonden Demo-Sanis versorgt werden. (red.)

Bremen: Am 6. Mai be-suchten einige AktivistInnendas Honoralkonsulat der 

Verinigten MexikanischenStaaten in Bremen, um ihrenProtest gegen den gewalttä-tigen Angriff von Paramilitärsauf die Internationale Soli-daritätskarawane im Bun-

desstaat Oaxaca Ausdruck zu verleihen. Beidiesem Angriff waren zwei Menschenrechts-beobachter umgekommen. Es wird weiterhindazu aufgerufen dem Honorarkonsul bzw.verschiedenen Stellen der mexikanischenRegierung Protestfaxe zu schicken. (red.)

Düsseldorf: Anzeigen ge-gen ProzessbesucherInnen.Am 27. Mai 2009 kam eswährend der Verhandlungin dem Prozess gegen Fa-ruk Ereren in Düsseldorf zu gewalttätigen Übergrif-fen durch die Polizei gegenProzessbesucherInnen. Sie

wurden in sogenannten Störerzellen unter-halb des Gerichts bei ausgeschaltenem Lichtzusammengeschlagen und verletzt. (sieheauch GI Nr. 348) Während dem GI aufgrundder Berichterstattung der Prozess gemachtwird, wurde mittlerweile gegen drei der ver-letzten Personen Strafanzeige gestellt. Ge-

genteilig wird ihnen jetzt vorgeworfen diePolizisten tätlich angegriffen zu haben. DieProzesstage sind noch nicht bekannt. (red.)

Kurzmeldungen bundesweit Auf europäischer Ebene entspricht der §129bden Anti Terror Gesetzen die in allen europä-ischen Mitgliedsstaaten eingeführt wurden.Diese Gesetze ermöglichen den EU Mitglied-staaten ein koordiniertes, gleichzeitiges undgezieltes Vorgehen gegen oppositionelle undrevolutionäre Kräfte auf internationaler Ebe-ne.Das heißt, der §129b ist daher nicht nur einqualitativer Sprung der Möglichkeiten der Verfolgung und Niederschlagung internatio-nalistischer oder antiimperialistischer Kräftedie in der BRD aktiv sind, sondern vor allenDingen ein qualitativer Sprung in der Zusam-menarbeit Deutschlands mit anderen EUStaaten/ NATO Partnern in der Verfolgungund Niederschlagung des über alle Grenzenhinweg gemeinsamen Feindes der Herr-schenden - der antikapitalistischen und revo-lutionären linken Kräfte.Genau dieser qualitative Sprung wird geradein den §129b Prozessen in Stuttgart und Düs-seldorf in Blei gegossen.Wenn in dem §129b Prozess in Düsseldorf einem revolutionären Gefangenen wie Fa-ruk Ereren mit der Abschiebung in die Türkeigedroht wird in der ihm Folterungen und Er-mordung droht, wenn in dem §129b Prozessin Stuttgart-Stammheim gegen Devrim Güler und Ahmet D. Yüksel bekannte Folterer der türkischen Polizei wie Bayraktutan als Zeu-gen vernommen werden oder wenn im §129bProzess gegen Nurhan Erdem, Cengiz Obanund Ahmet Istanbullu Spendensammlungenzur Unterstützung von linken Kräften undProjekten innerhalb der BRD und an die tür-kischen Genossinnen kriminalisiert werden,dann macht sich die BRD in all diesen Fällennicht nur zum Handlanger der Türkei, son-

dern wird auch hier zum aktiven Komplizenin der Bekämpfung türkischer und kurdischer revolutionärer Kräfte.Wir als Linke und Revolutionäre stehen einer Einheit der Herrschenden und einer Form der Repression gegenüber die international orga-nisiert ist.Unsere Antwort darauf kann nur ein inter-national geführter politischer Kampf und dieSolidarität mit denKämpfenden weltweit sein.Daher rufen wir dazu auf am 19.Juni, demTag der revolutionären Gefangenen der euro-paweit begannen wird, auf die Straße zu ge-hen - gegen die Kriminalisierung von Revolu-tionären und AntifaschistInnen aus der Türkei

und Kurdistan - für die Freiheit der §129b undallen politischen Gefangenen weltweit!

Lasst eure Solidarität praktisch werden undbeteiligt euch am Aktionstag!Gegen die Kriminalisierung von Revolutio-nären und AntifaschistInnen aus der Türkeiund Kurdistan!Gegen die Verurteilungen, Verfolgungen, Or-ganisationsverbote und Abschiebungen!Europa – Komplize des Folterstaates Türkei!Internationale Klassensolidarität aufbauen!Kapitalismus zerschlagen!

Netzwerk Freiheit

für alle politischen Gefangenen

Aktuelle Informationen zu den §129b-Prozes-sen ndet ihr unter:www.no129.infowww.gefangenen.info

Der 19. JuniTag der revolutionären Gefangenen

Was hier in der BRD der 18.3. ist, wird inanderen europäischen Ländern am 19.6.als Tag der revolutionären Gefangenen be-gangen.Sein historischer Bezugspunkt ndet sich inLateinamerika.1985 kam es in Peru zu starken Gefange-nenrevolten, die sich gegen die betriebeneIsolierung von politischen Gefangenendurch ihre Aufteilung in kilometerweit von-einander entfernte Gefängnisse, sowie diegeplante Einführung von Hochsicherheits-gefängnissen richteten.Die Kämpfe dauerten bis zum 19. Juni 1986an, als das sozialdemokratische APRA-Re-gime, unter der Billigung der SozialistischenInternationale angeführt von Willi Brandt,mehr als 300 Gefangene des maoistischenPCP-Sendero Luminoso (KommunistischePartei Perus - Leuchtender Pfad) tötete und

die Gefangenenkämpfe blutig niederschlug.Die Angehörigenorganisation APAPC (Ver-ein von Familien und FreundInnen der kom-munistischen Gefangenen) der Gefangenenaus der CCC (Kämpfende kommunistsicheZellen) in Belgien griff diesen Tag erstmals1997 mit einer Konferenz in Brüssel auf.In den Folgejahren gab es unter internatio-naler Beteiligung weitere Treffen, die einengegenseitigen Austausch und eine Koordi-nation von Aktivitäten hinsichtlich einer ef-fektiveren Solidaritätsarbeit für die revoluti-onären Gefangenen weltweit förderten.Die CCC-Gefangenen haben mit einer vonihnen formulierten Plattform 1999 sowohl

für die Solidaritäts- und Angehörigenstruk-turen draußen als auch für ein koordiniertesAgieren der Gefangenen in den KnästenEckpunkte gesetzt, die zur Unterstützungder Gefangenenkämpfe weltweit wesentlichwaren.

Eckpunkte zur Unterstützung der Gefange-nen:- Schluss mit Folter und Isolation- Freilassung haftunfähiger Gefangener - Information über die Gefangenen und ih-ren Kampf - Materielle Unterstützung der Gefangenen- Internationale Solidarität in den Gefange-

nenkämpfen (bspw. in Hungerstreiks)

Eckpunkte für den Aufbau einer gemein-samen Plattform der Gefangenen:- Solidarität ist eine Waffe!- Man hat ein Recht zur Revolte!- Ohne Gerechtigkeit kein Friede!- Weder Reue noch Kapitulation!- Ein Angriff gegen eine/n von uns ist ein An-griff gegen alle!

Sie richteten sich damit an alle revolutio-nären, kommunistischen, anarchistischen,antifaschistischen und antiimperialistischenGefangenen weltweit.

In der Plattofrm 19. Juni waren über 100Gefangene aus Spanien, der Türkei undBelgien organisiert.

8/6/2019 Gefangenen Info #355

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12 ► gefangenen info ► mai/juni 2010

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Um Mumias sechsundfünfzigsten Geburtstagam 24. April gab es in den USA, Frankreich,Mexico und Kanada viele Veranstaltungenund Proteste. In Hildesheim, Stuttgart, Düs-seldorf und anderen Städten kamen vieleMenschen zu Kundgebungen zusammen. InBerlin allein 300 Kundgebungsteilnehmer_in-nen, die seinen Geburtstag feierten und auf seine Situation, sowie den weltweiten Kampf gegen die Todesstrafe aufmerksam machten.Unter anderem wurde eine Grußbotschaft desNew Yorker Mumiabündnisses verlesen. Dieamerikanischen Genos_innen brachten ihreFreude über die internationale Solidarität zum

Ausdruck und bekundeten, dass es ihnensehr viel Kraft gibt, wenn sie Nachrichten vonAktionen auf der anderen Seite des Atlantiksmitbekommen. Sein Grußwort zum 1.Mai wur-de per Tonband eingespielt. Neben vielen in-haltlichen Beiträgen gab es auch Musik vonYok mit seinen Liedern sowie Pyro One mitpolitisch ambitioniertem Hip Hop.

„Lasst uns niemals vergessen, dass sie nichtnur Mumia zum Schweigen wollen, sondernuns alle entmutigen wollen, Widerstand zu lei-sten. Das DÜRFEN WIR NICHT ZULASSEN!Wir müssen Mumia befreien und Widerstand,Widerstand, Widerstand leisten.“

(Free Mumia Abu Jamal Coalition, NYC)

Das internationale Interesse an Mumia unddie Solidarität, die ihm aus dem Ausland (undbesonders aus Deutschland) entgegen ge-bracht wird, beschäftigt mittlerweile Teile der US-Medien, was ein von Aktivist_innen auf YouTube gestellter Fernsehbericht von „RTAmerica“ zeigt.Am 29. April hatten zwei Unterstützer aus Ber-lin und Heidelberg die Gelegenheit, Mumia für knapp sechs Stunden im Todestrakt vom SCIGreene in Waynesburg zu besuchen. Sie wer-den in den kommenden Wochen Berichte undArtikel veröffentlichen.

Erste Eindrücke von einem Besuch

deutscher Aktivist_innen bei Mumia

Mumia setzt im momentanen juristischen Ab-schnitt alles daran, vor eine Jury zu kommen.

Natürlich ist ihm bewusst, dass das ledig-lich in einem begrenzten Verfahren um dasStrafmass (Lebenslänglich oder Todesstrafe)möglich wäre. Trotzdem will er die Manipulati-onen und rassistischen Methoden aufdecken,mit denen er und Hunderttausende anderer Gefangener unschuldig zum Leben in Isola-tion oder Tod verurteilt wurden und werden.Mumia macht einen äußerst gesunden undstarken Eindruck. Er zeigt großes Interessean globalen politischen Themen. Er bedanktesich mehrfach für die massiv spürbare Unter-stützung aus Deutschland, besonders für dievielen Briefe und Postkarten. An seinem Ge-

burtstag erhielt er über 50 allein aus der BRD,an jedem anderen Tag auch zwischen 5 - 10.Neuerdings erreichen ihn Postkarten auchfast ohne Zeitverzögerung. Er sagte, dassdie Poststempel in der Regel nicht älter alsfünf Tage seien. Starkes Interesse zeigt er anInformationen vom Übergang von Realsozia-lismus zum Kapitalismus in der ehemaligenDDR und am seitdem erstarkten Neo-Nazis-mus in der gesamten Bundesrepublik.Auch über den Stand der Solidaritätsbe-wegung und die Frage, wie es von hier ausweitergeht, wurde bei dem Besuch geredet.Mumia hält sich mit Ratschlägen verständli-cherweise zurück, hatte aber doch mehrere

Anliegen. Er bittet alle, nach ihren Möglich-keiten die unterdrückten Fakten in seinemVerfahren zu verbreiten und den Charakter der rassistischen und politischen Justiz spezi-ell in Philadelphia bekannt zu machen. Er rietUnterstützerInnen, sich nicht zu sehr mit juri-stischen Details und Widersprüchen der US-Verfassung und ihrer Rechtsauslegung durchHohe Gerichte zu belasten. Schließlich zeigesein Fall sowie der von Tausenden anderen,was diese Gesetze wert sind, wenn Beschul-digte arm sind und nicht der europäisch-stäm-migen Bevölkerungsmehrheit entstammen- nichts.Er betonte wiederholt während des Ge-

spräches, dass niemand die Kraft des organ-sierten gemeinsamen Handelns unterschät-zen sollte. Dass er noch am Leben sei, zeige,zu was organsierte Menschen fähig sind.Auch wenn zahlenmäßig kleine Gruppen demmomentan größten Imperium der Welt des-

Die Solidaritätsbewegung fürMumia Abu Jamal ist weiterhin aktiv ...die Hände reichen, um eine neue und bessere Welt zu errichten, in der Leben und

Freiheit kostbarer sind als der Proft. (Mumia Abu Jamal)

Schreibt Mumia Abu-Jamal!

AM 8335SCI Greene Prison175 Progress DriveWaynesburg, PA 15370USA

sen innere Widersprüche vorhalten, könnensie etwas bewirken. Er sagte ausdrücklich,dass die Bewegung immer ihren eigenen Wegnden muss. Angesprochen auf die beidenderzeit parallel existierenden Petitionen anObama und Justizminister Holder antworteteMumia, dass es sehr vernünftig sei, beide zuunterstützen.

(aus dem Mai-Rundbrief des Berliner Mumia

Bündnisses)

Grussbotschaft von Mumia:

Der 1. Mai inmitten globaler Verwüstung

Während sich der 1. Mai nähert - einem Tag,der seit über einem Jahrhundert als Sympolvon Arbeiter Macht gefeiert wird - scheint er sich zum Symbol des Zerfalls zu wandeln.Während das ökonomische System ist durchBeben, Nachbeben und Erschütterungengegangen ist, sind sozialer und kommu-naler Wohlstand an Bank und Konzerne

verschoben worden. Finanzhilfen für Millio-näre, während ArbeiterInnen bestenfalls dieQual von Lohnkürzungen ertragen mussten,im schlimmsten Fall Massenentlassungen.Gleichzeitig erneuert sich die Wirtschaft nochArbeiterInnen-feindlicher.Marx und Engels haben richtiger weise fest-gestellt, dass der Staat nicht mehr als als dasausführende Komitee der Bourgeoisie (1) ist.Warum auch sonst giessen die Wirtschafts-mächte der Welt ohne irgend eine NachfrageMilliarden in Konzernkassen, während sie Al-mosen an ArbeiterInnen und deren Familienverteilen, fast wie Münzen in eine Betteldose.Der 1. Mai begann in Amerika während der schicksalhaften Vorgänge des HaymarketAufstandes im 19. Jahrhundert, als Arbeite-rInnen für die 40-Stundenwoche und eine Ab-schaffung der Kinderarbeit kämpften.Noch immer steht der 1. Mai für den Kampf der Arbeitenden in Amerika, Europa, Afrikaund Asien gegen die staatliche und kapitali-stische Unterdrückung und Gier.Im wesentlichen ist der Kapitalismus in einer schweren Krise. Die wahnsinnigen Kriege alsauch der sehr reale Anstieg der Vetternwirt-schaft spiegeln diese Krise wider. Wenn dieMilliarden Arbeitenden die Welt verändernwollen, müssen sie sich über die falschen

Barrieren hinweg die Hände reichen, um eineneue und bessere Welt zu errichten, in der Le-ben und Freiheit kostbarer sind als der Prot.Dass ist nicht nur möglich, das ist notwendig!Danke. Ona Move!

Genosse Mumia

von Mumia Abu-Jamal, 31.03.2010

Transpiaktion in Berlin am Alexanderplatz

8/6/2019 Gefangenen Info #355

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Kolumbien: Laut Regie-rungsberichten wurden An-fang Mai sechs Guerillerosder FARC getötet, sowie 18andere Guerilleros festge-nommen. Im Laufe der Ope-rationen der Armee wurde

ein Soldat der Regierungs-armee getötet. Einer der 

getöteten Guerilleros könnte ‚Rigo‘, eine Füh-rungskraft der Guerilla, der mehrere Angriffegeleitet hatte, gewesen sein. Eine weitereFührungskraft wurde in einer anderen Regi-on festgenommen. Bereits im April wurden imLaufe von Angriffen der Armee 5 Guerillerosgetötet, und drei weitere festgenommen wor-den. (red.)

Indien: Mitte April verübtedie Konterguerilla an dreiaufeinander folgenden Ta-gen in verschiedenen Re-

gionen Westbangelenszahlreiche Schläge gegendie maoistische Guerilla.Bei eine dieser Operationenwurde ein großes Waffenar-

senal der Guerilla aufgedeckt. Momentanwird seitens der Konterguerilla überprüft,ob ein Teil der Waffen aus Polizeibeständenstammt. Im Rahmen der Operationen wurdenzehn Personen mit dem Vorwurf der Mitglied-schaft in der Guerilla festgenommen und einGuerillero getötet. (red.)

Nepal: Nachdem die reak-tionäre nepalesische Armee

die letzten Monate bereitsaus Indien Waffen geliefertbekam und Todesschwa-drone aufstellte, um maois-tische Guerilleros zu ermor-den, versucht sie momentanverstärkt ihre Reihen wieder 

aufzufüllen, indem sie zahlreiche Menschenrekrutiert. Dies passiert alles vor dem Hin-tergrund eines getroffenen Friedensabkom-mens zwischen den reaktionären Kräften Ne-pals und der maoistischen kommunistischenPartei Nepals und dem militärischen Arm -den maoistischen Guerilleros. (red.)

Frankreich: Aktuelles vonden Gefangenen aus Ac-tion Directe. Georges Cipri-ani hat endlich den offenenVollzug gewährt bekommen.Am 1. April wurde ihm nachlängerem Kampf (wir berich-teten) der offene Vollzug ge-währt. In einer Woche wird

er per Videokonferenz die genaueren Be-dingungen erfahren, unter denen er diesen„offenen Vollzug“ antreten wird. Jean-MarcRouillan wurde in die Gegend von Toulou-se zurückverlegt. Ende Januar 2010 wurde

Jean-Marc Rouillan im Rahmen eines ge-planten Antrages auf offenen Vollzug zu ei-ner psychologischen Begutachtung ins CNOnach Fresnes bei Paris verlegt. Dort wurdeJean-Marc nach über einem Jahr auf seineChester-Erdheim Krankheit untersucht. (red.)

mai/juni 2010 ◄ gefangenen info ◄ 13

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Kurzmeldungen international

Am 27. Mai 2010 gab es auf den Aufruf der 

RHI hin eine internationale Prozessdelega-tion zu einem der letzten Prozesstage desseit April andauernden Revisionsprozessesgegen die GenossInnen, die während der inder Schweiz und in Italien angesetzten Ver-haftungswelle im Februar 2007 wegen der Konstituierung der PC-pm (KommunistischePartei politisch-militärisch) verhaftet und in er-ster Instanz zu hohen Freiheitsstrafen verur-teilt worden waren. Damals wurden 15 aktiveBasisgewerkschafterInnen, StudentInnen, Mi-litante aus der Antikriegsbewegung und ausdem politischen Widerstand sowie ein in der Illegalität lebender Genosse verhaftet.Politisch führen die Wurzeln der PC-pm zu-

rück zur zweiten Position der Brigate Rosse,die aus der Debatte innerhalb der BR 1984entstand.Die Angeklagten Davide Bortolato, AlfredoDavanzo, Claudio Latino und Vincenzo Sisierklärten sich von Beginn an zugehörig zur Konstituierung der PC-pm und führten einenoffensiven Prozess.Einige ihrer Erklärungen sind im März 2009 indeutscher Sprache in der Zeitschrift „Interna-tionale Debatte“ mit dem Titel „Die Revolutionist notwendig – die Revolution ist möglich!“erschienen.Am 27. Mai versammelten sich vor dem Mai-länder Gerichtsgebäude ca. 40 GenossInnen

aus der Schweiz, Deutschland, Italien, Spa-nien und Belgien. Es wurde ein Infostandaufgebaut, an dem unter anderem Solida-ritätsbekundungen unterschrieben werdenkonnten, sowie verschiedene Transparenteaufgehängt wurden. Als man das erste Malin das Gerichtsgebäude gelangen wollte, ver-suchten die Polizisten bei der Sicherheitskon-trolle einem deutschen Genossen und einer Genossin aus der Schweiz den Zutritt zu ver-wehren mit der Begründung, es dürften nur Angehörige in das Gebäude und man sollesich ausweisen. Unter dem lautstarken undvehementen Protest der italienischen Genos-sInnen lenkten die Polizisten schließlich ein.

Im Gerichtsgebäude erfuhr man dann, dassder Prozess aufgrund technischer Problemenoch nicht beginnen könne. Nach einiger Ver-zögerung konnte man nach Vorlage und Re-gistrierung des Ausweises dann den Gerichts-saal betreten. Wie in Italien üblich, waren die

Angeklagten in sehr engmaschigen Kägen

untergebracht, so dass man sie nur schlechtsehen konnte. Sie nahmen die angereistenGenossInnen aber dennoch wahr, winktenund erhoben die Faust zum Gruß.Als es in die erste Pause ging wurden mit denAngeklagten Parolen gerufen.Vor dem Gebäude fand anschließend einesehr kämpferische Kundgebung statt, beider man sich mit Transparenten auf die Stra-ße stellte und diese blockierte. Nach einer sehr eindrücklichen Rede eines Genossenaus Padua setzten sich die TeilnehmerInnenlangsam in Bewegung, was die anwesendenCarabinieri dazu veranlasste, ihre Schilder auszupacken und massiv Verstärkung herbei-

zurufen. Daraufhin wurde die Straße wieder freigegeben, um einer Eskalation aus demWeg zu gehen.Nachdem sich vor einem Jahr bei der letztenProzessdelegation eine äußerst kämpferischeDemo nach Ende des Prozesstages in Bewe-gung gesetzt hatte, machte sie das sichtlichnervös.Als der Prozess weiterging, verlasen die An-geklagten eine neue Erklärung unter dem lau-ten Beifall der angereisten ZuschauerInnen,was die vorsitzende Richterin zur Mahnungveranlasste. (Die Erklärung wird in den näch-sten Wochen auch ins Deutsche übersetztwerden und wird unter www.rhi-sri.org abzu-

rufen sein). Als die Erklärung endete, wurdelaut applaudiert, es wurde die Fahne der RHI,sowie ein Transparent in die Höhe gehalten.Dazu stimmten die Angeklagten Parolen an,wie beispielsweise: „Il Proletariato non ha Na-zione, Internazionalismo Rivoluzione!“ (DasProletariat hat keine Nation, InternationaleRevolution). Zum Abschluss wurde die Inter-nationale gesungen.Die Richterin mahnte wieder mehrfach, woransich aber niemand störte, selbst als herbeige-rufene Polizisten den Saal betraten, die sichletztlich nicht durchsetzen konnten. Wieder vor dem Gebäude erfuhr man, dass von nunan - auch für die Folgetage und die Urteilsver-

kündung - die Öffentlichkeit vom Prozess aus-geschlossen sei. Auf Grund des immer nochmassiven Polizeiaufgebots kam es dieses Malzum Ende des Tages nicht mehr zu einer De-monstration.Das Urteil wird am 24. Juni verkündet. (red.)

Internationale Prozessdelegation zum27. Mai in Mailand

8/6/2019 Gefangenen Info #355

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14 ► gefangenen info ► mai/juni 2010

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In den letzten Ausgaben des GefangenenInfos wurde der repressive Charakter der 

spanischen Justiz, die politische Gegne-rInnen unter dem Deckmantel der Antiterror-bekämpfung verfolgt, kriminalisiert, foltert, für viele Jahre einsperrt und isoliert, am Beispielder baskischen Unabhängigkeitsbewegungaufgezeigt. Auch wenn die baskischen Akti-vistInnen von einer spezischen, historischgewachsenen Repression betroffen sind,so kommen die genannten staatlichen Maß-nahmen auch gegen andere Personen undOrganisationen zur Anwendung, und zwar im-mer dann, wenn die herrschende Ordnung inFrage gestellt wird. Beispielhaft dafür ist der im Folgenden behandelte Fall Manuel Pé-rez Martínez‘ (auch bekannt als ‚Camarada

Arenas‘), der seit der Gründung im Jahr 1975Generalsekretär der PCE(r) ist.Arenas, der schon unter Franco kommuni-stischer politischer Gefangener (1970) war und danach in der Illegalität lebte, musstenach Ende der Diktatur erneut hinter Git-ter: 1977 wurde er festgenommen und zweiJahre später wegen ‚Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung und illegaler Propa-ganda‘ zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt.Er selbst sah sich, wie er in einem Brief von2009 schreibt, „wegen Mitgliedschaft in der PCE(r) und der Verbreitung sozialistischer und kommunistischer Ideen unter den Arbei-tern“ verurteilt, und das zu einem Zeitpunkt,

„als vom Parlament schon die sogenannte‚demokratische Verfassung‘ verabschiedetworden war“.Im Jahr 2000 geriet Arenas ein weiteres Malin die Fänge der Justiz: Auf Druck der spa-nischen Regierung hin wurde der General-

sekretär in Frankreich festgenommen undabermals wegen ‚Mitgliedschaft in einer kri-

minellen Vereinigung‘ verurteilt – diesmal zuacht Jahren Haft. Dieses Strafmaß schien denspanischen Behörden jedoch nicht zu genü-gen und so drängten sie, nachdem Arenasbereits sechs Jahre hinter französischenMauern zugebracht hatte, auf seine Auslie-ferung. Durch die Kollaboration zwischenBaltasar Garzón, dem Untersuchungsrichter der spanischen Audiencia Nacional und Jean-Louis Bruguière, dem obersten französischenErmittlungsrichter sowie Vizepräsidenten desTribunals für schwere Staatsverbrechen wur-de Arenas 2006 tatsächlich nach Spanienüberführt. Dort nahm man ihn augenblicklichund auf Grundlage desselben Tatverdachts,

für dessen richterliche Bestätigung er in Fran-kreich acht Jahre Gefängnis verbüßt hatte, inUntersuchungshaft. In seinem Brief äußertArenas, dass es sich bei diesem Prozedereum das handelt, „was man in Frankreich ‚dasSystem der doppelten Bestrafung‘ nennt“. Auf Basis des spanischen Parteiengesetzes von2002, in dessen Rahmen die PCE(r) 2003aufgrund der Annahme verboten worden war,sie würde gemeinsam mit den G.R.A.P.O(Gruppen des antifaschistischen Widerstandsdes 1. Oktober) eine terroristische Vereini-gung bilden, wurden gegen Arenas in denfolgenden Jahren zahlreiche Prozesse wegenangeblichen terroristischen Aktivitäten eröff-

net, die allesamt mit einem Freispruch oder einer Einstellung endeten. „Offensichtlichhandelt es sich nicht um einen Prozess gegeneine Person, sondern gegen eine Partei: diePCE(r) mit allem was dazu gehört: ihre Ideen,ihr Programm, die Geschichte ihres Kampfes,

¡Libertad Camarada Arenas!Zur Geschichte und aktuellen Situation des politischen Gefangenen

Manuel Pérez Martínez, Generalsekretär der PCE(r) [Kommunistische ParteiSpaniens (rekonstituiert)]

ihre konsequent demokratische und revolutio-näre Praxis“, beschreibt Arenas die politischeMotivation hinter den Gerichtsverfahren. Ob-wohl sich keine der Anschuldigungen gegenArenas als bewiesen herausgestellt hatte,wurde er die gesamte Zeit in Präventionshaftgehalten. Wohl, um den Justizbehörden Zeitfür die Konstruktion einer neuen Anklage zugeben, die den Gefangenen endlich für vieleweitere Jahre hinter Mauern verbannt. Tat-sächlich war es am 14. April 2009 soweit: Ineinem Prozess, der nach einem Freispruchin der Audiencia Nacional an den OberstenGerichtshof weitergeleitet worden war, wurdeArenas zu weiteren sieben Jahren Haft verur-teilt. Der Vorwurf lautet ‚Anordnung einer ille-galen Entführung in Verbindung mit Lösegeld-forderung‘ und bezieht sich auf die 1995 vonden G.R.A.P.O. organisierte Entführung desspanischen Unternehmers D. Publio CordónMunilla. Das Urteil beruht nicht etwa auf kon-kreten Beweisen, sondern auf der Konstrukti-on einer angeblich terroristischen Vereinigungaus der PCE(r) und den G.R.A.P.O. Selbst

auf justizieller Ebene ist die Verurteilung um-stritten: Zum Einen hatte sogar die AudienciaNacional, das spanische Sondergericht für Terror- und Drogendelikte, Arenas von der Anschuldigung freigesprochen, zum Anderenliegt ein zweiseitiges besonderes Votum vor,das im Rahmen der Urteilsndung von Per -fecto Andrés Ibáñez, Richter am OberstenGerichtshof, verfasst wurde und deutlich dieNichthaltbarkeit der Anklage begründet. DieEntscheidung des Obersten Gerichtshofes hatinternational Wellen der Solidarität ausgelöst.Transparente in Madrid, Brüssel und Bilbao,Infoveranstaltungen in Rom, Diyarbakir undCórdoba und Wandbilder in Belfast, Valladolid

und Burgos machen die Forderung nach der sofortigen Freilassung Arenas laut und sicht-bar und informieren über seine prekäre Haft-situation. Der mittlerweile 66-Jährige, der bisheute insgesamt 18 Jahre seines Lebens inGefangenschaft verbringen musste und mo-mentan im Gefängnis von Alcalá-Meco sitzt,leidet an schweren gesundheitlichen Proble-men. Seit der Festnahme in Frankreich, wäh-rend der ihm bei eisigen Temperaturen dieKleidung verwehrt wurde, plagen ihn schlim-me Gelenkschmerzen. Zudem diagnostizierteman bei ihm Grauen Star und Hiatushernie.Er kann weder eine spezielle Diät einhalten,da ihm die Nahrungsmittel verweigert werden,

noch SpezialistInnen empfangen, die ihn an-gemessen medizinisch betreuen. Isolation,spezielle Überwachung, Einschränkung desHofgangs und sensorische Deprivation tragenzusätzlich zur Verschlechterung seines Zu-standes bei. Doch Arenas verfügt über einenlangen Atem: „Solange Kräfte verbleiben undes mir die Umstände, in denen ich mich ben-de, erlauben, werde ich den Kampf gegen dieschrecklichste Feinde meiner Klasse und der gesamten Menschheit weiterführen“.Es bleibt zu hoffen, dass Arenas – und unsallen – noch lange Zeit Kräfte verbleiben, umden Kampf weiterzuführen! (red)

Schreibt Manuel Pérez Martinez

Prisón de Madrid II (Meco)28805 Alcala de Henares (Madrid)

8/6/2019 Gefangenen Info #355

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mai/juni 2010 ◄ gefangenen info ◄ 15

Türkei: Die türkische Armeehat verlautbaren lassen,dass sie am 7. Mai bei einer bewaffneten Auseinander-setzung sieben Mitglieder der PKK getötet hätte. DieAuseinandersetzung fand

im Südosten des Landes, ander irakischen Grenze statt.

Bei den Auseinandersetzungen wurde lautAussagen des Gouverneur der Provinz einSoldat verletzt. Dabei handelte es sich umdie größte Konfrontation zwischen der Armeeund der PKK seit dem 30. April, bei dem einMilitärstützpunkt angegriffen wurde. Im Laufedieses Angriffes starben vier Tote und es gabsieben Verletzte. (red.)

Nordirland: Die PolizeiNordirlands hat laut einer Mitteilung fünf Mitglieder der IRA (Irish Republican

Army) festgenommen. Denfünf Festgenommenen wirdvorgeworfen an einer Reihevon Sprengstoffanschlägegegen irische und britische

Sicherheitskräfte, die in Nordirland stationiertsind beteiligt gewesen zu sein. Die Polizei der Republik Irland hat im Rahmen der Untersu-chung dieser Anschläge zweit weitere Per-sonen festgenommen. Weitere drei Männer wurden am 5. Mai festgenommen. (red.)

Belgien: Der Prozess inBelgien gegen vermeint-liche Mitglieder der revolu-

tionären Bewegung DHKP-C ist nun abgeschlossen.Nach dem letzten Antragdes türkischen Staates wur-de Mitte Mai der Prozessgegen die vermeintlichen

Mitglieder der DHKP-C fortgesetzt. Das Ge-richt hat dabei untersuchen, ob dem Beru-fungsgericht bei seinem letzten Urteil ein Ver-fahrensfehler unterlaufen sei oder nicht. DasGericht hat allerdings die Entscheidung desBerufungsgerichts nicht angefochten. Zuletzthatte das Berufungsgericht am 23. Dezember 2009 eine Verurteilung der Revolutionäre ausder Türkei nach dem Anti-Terrorgesetz abge-lehnt. (red.)

Griechenland: Am 10. Aprilwurden in Griechenland 6Personen mit dem Vorwurf verhaftet Mitglieder der Stadtguerilla Revolutionärer Kampf zu sein. Bei einemder Verhafteten wurde eineSchusswaffe, sowie größereMengen Bargeld in seinem

Auto gefunden. Einige Tage darauf wurdenweitere 3 Personen mit dem selben Vorwurf festgenommen. Die Festgenommenen be-

nden sich nun unter „besonderen Bedin-gungen“ in Haft - was einen beschränkten Zu-gang zur Toilette und Wasser bedeutet, sowieEinschränkungen in der Kommunikation mitder Familie und den Anwälten. (red)

Kurzmeldungen international

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Am 7. Mai 2010, um 16.50 Uhr, haben wir Güler Zere verloren. Wir hatten mit mehre-ren Berichten auf ihre Situation und die breiteKampagne für ihre Freilassung hingewiesen.

Güler Zere hat gekämpft!

Güler Zere schloss sich 1992 den DevrimciSol-Guerillas in der kurdischen Provinz Der-sim an. Im Oktober 1995 wurde sie aus ge-sundheitlichen Gründen in die Stadt gebracht.Im Dezember 1995 wurde sie verhaftet. Güler Zere hat daraufhin 14 Jahre im Gefängnis ver-bracht. Im Laufe ihrer Haftzeit erkrankte siean Krebs. Im August 2008 wurde sie das ersteMal einem Arzt vorgeführt, doch wurde trotzder eindeutigen Symptome keine Diagnosegestellt. Es dauerte bis zum Februar 2009,dass eine Diagnose auf Mundhöhlenkrebsgestellt wurde. Während ihre Krankheit kon-tinuierlich voranschritt, wurde die notwendige

Behandlung systematisch verschleppt. Ob-wohl fünf ärztliche Befunde belegten, dasseine Behandlung unter Haftbedingungen nichtmöglich ist, weigerte sich die türkische Regie-rung lange Zeit, Güler Zere freizulassen.Im Juni 2009 begann die Angehörigenorga-nisation TAYAD mit ihren ersten Aktionen mitder Forderung nach „Freiheit für Güler Zere“.Dem folgten am 10 Juli 2009 Sitzstreiks vor dem Balcali-Krankenhaus in Adana und abdem 10. August 2009 Mahnwachen vor der Gerichtsmedizin in Ankara. Diese wurden be-gleitet von landesweiten Initiativen, die sichzu Aktionen für die Freilassung der krankenGefangenen im allgemeinen ausweiteten. Auf 

dem Taksimplatz in Istanbul folgten dann diewöchentlichen Demonstrationen für die kran-ken Gefangenen, an denen sich jeweils tau-sende Menschen beteiligten. Die landesweiteKampagne weitete sich auf internationaler Ebene aus.

Anfang November breitete sich ihr Krebsauf ihre Lungen aus. Am 5. November 2009wurde Güler Zere auf Einlenken der Regie-rung hin freigelassen. Ihre Freilassung, diedie Herrschenden wie einen Gnadenakt der Öffentlichkeit gegenüber erscheinen lassen

wollten, war in Wirklichkeit ein organisierter Kampf gegen die Vernichtungspolitik gegendie revolutionären Gefangenen. Und Güler hat während dieses Kampfes weder kapitu-liert noch Reue gezeigt. Monatelang hattedie Gerichtsmedizin in ihren Berichten ihreHaftunfähigkeit bestritten und einer Fortset-zung der Behandlung in der Haft geraten. Der Premierminister hatte vor ihrer Freilassung er-klärt, dass ein Antrag der Familie Güler Zeresoder von Güler selbst nötig sei. Dieser Antrag,der einem Gnadengesuch geglichen hätte,wurde nie gestellt. Trotz dessen wurde Güler mit dem Druck der Kampagne freigekämpft.

Güler Zere ist kein Einzelfall

Doch gibt es weiterhin viele Haftunfähige Ge-fangene in der Türkei, für die der Kampf wei-tergehen muss. Güler selber erklärte: „In denGefängnissen gibt es dutzende Güler Zeres,vegesst das nicht! Nehmt euch ihrer an!“Ihr Tod zeigt uns gleichzeitig mehrere Paral-lelen zur Situation politischer Gefangener inder EU auf. So verstarb z.B. Katharina Ham-merschmidt am 29. Juni 1975 ab Krebs, weilsie bis Januar 1974 im Gefängnis nicht be-handelt wurde. Ein weiteres Beispiel ist JoëlleAubron. Sie verstarb am 1. März 2006 an Lun-genkrebs, nachdem sie nach einer Hirntumor-

Operation 2004 vorzeitig entlassen wordenwar. Beide Beispiele zeigen Parallelen zumTod von Güler Zere auf. Dabei geht es denStaatsapparaten darum, Reue als Bedingungfür die Freilassung zu fordern. (red.)

Sie leben in unseren Erinnerungenund in unseren Herzen fort Trotz ihres Krebsleidens wurde die medizinische Behandlung Güler Zeres durch

staatliche Instanzen systematisch verschleppt. Auch in der Geschichte westeuropä-

ischer Staaten wurden schwerkranke Gefangene erst kurz vor dem Tod entlassen.

Joëlle Aubron (links) undKatharina Hammerschmidt,Gefangene aus den Stadtgueril-

laorganisationen Action Directeund RAF.

8/6/2019 Gefangenen Info #355

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16 ► gefangenen info ► mai/juni 2010

► seite 3 ► schwerpunkt ► inland ► international ► dossier  ► gefangene ► feuilleton ► kurzmeldungen

  Thomas Meyer-Falk:

Zum Aktionstag für alle§129b-Gefangenen

Solidarische und herzschlagende Grüßean alle, die sich dem Kampf um und für dieFreiheit der §129b-Gefangenen verbundenfühlen. Im §129b hat die politische Gesin-nungsjustiz, die sich schon in dem wesentlichälteren §129a Strafgesetzbuch manifestierthatte, ihre Fortsetzung gefunden.So wichtig der Einsatz für die Freiheit der po-litischen Gefangenen ist, und dieser Kampf steht heute im Mittelpunkt, so sollten wir dochauch an jene denken, die entweder gestorbensind, ob vorsätzlich zu Tode gebracht oder inden Suizid getrieben durch brutale Sonder-haftbedingungen.Und wir sollten an jene erinnern, die den Knasterlebt haben, aber heute ein Leben unter To-talüberwachung fristen, so wie beispielsweise

Mohamed.Nach 8 Jahren Knast wurde er im Mai 2010entlassen, darf für die Dauer der fünfjährigenFührungsaufsicht, den ihm zugewiesenenKölner Stadtteil nicht ohne Erlaubnis verlas-sen, hat sich täglich bei der Polizei zu melden,wird mindestens zwei Mal pro Woche zusätz-lich zu Hause von der Polizei aufgesucht, woer sich dann eventuell anwesende Besucher einer Personenkontrolle zu unterwerfen ha-ben. Und wer ihm Geld oder sonstige materi-elle Hilfe zuwenden möchte, macht sich straf-bar in den Augen der Justiz, da Mohamed auf der UNO/EU-Sanktionsliste steht!

Freiheit für die politischen Gefangenen!

► Schreibt den Gefangenen!Thomas Meyer-Falk, JVA Bruchsal, Z. 3117,Schönbornstraße 32, 76646 Bruchsal

  Nurhan Erdem:

Richtigstellung falscher Angaben/Auszüge aus einem Brief 

Lieber...,ich habe das Gefangenen Info 354 erhaltenebenso auch die Postkarten und die Broschü-re „Solidarität muss praktisch werden!“

In dieser Zeitschrift wird über uns nicht kor-rekt berichtet: Mein Ehemann und mein Vater haben zwar Besuchsverbot, aber es bestehtkein Schreibverbot. Ich habe das weder be-hauptet noch geschrieben. Ich weiß nicht, wer dieses Gerücht in die Welt gesetzt hat....“Nurhan Erdem 14. Mai 2010

„(...) Wir sind keine „Übermenschen“, sondernganz normale Sterbliche. Was uns Kraft gibt,ist unsere politische Identität.....Deshalb bin ich an vielen Punkten gelassenund empnde Vieles nicht übertrieben. Jeder Mensch, der seine politischen Vorstellungenverteidigt, wird die Isohaft überstehen. Die

Beschwerden sind Ausdruck davon, dassdie Knastbedingungen nicht „normal“ sind.Wie z.B. Konzentrationsschwäche, Kopf-schmerzen, Raumenge bzw. Panikattacken.Wir müssen uns in einer Enge von siebenQuadratmetern 23 Stunden in einer Zelle

aufhalten. In dieser Enge benden sich Bett,Schrank, Tisch und Toilette. Ich weiß nicht,wie das bei den anderen Freunden aussieht,aber ich denke es gibt Parallelen.Ich habe gelesen, dass in vielen Zellen dieToiletten räumlich abgetrennt sind. Bei uns,die wegen § 129b eingesperrt sind, ist dasaber nicht so. Wir leben, „wohnen“ alle auf dem Klo. Das ist unmenschlich! Als ich nochpermanent beobachtet wurde, war das nochunangenehmer...Klar sind die Beschwerden normale Konse-quenz dieser Haftbedingungen. Es wäre anor-mal, wenn jemand das einfach hinnehmenund akzeptieren würde.. Was unmenschlichund falsch ist, sollte nicht einfach als „normal“und „richtig“ geschluckt werden. Verstand undKörper sollten sich wehren!Isolationshaft sollte nicht als Einzelhaft be-schrieben werden, da Isolation Isolation ist....Mensch sollte diese Begriffe nicht deformie-

ren.....“Auszug aus einem Brief von Nurhan Erdemvom 10. April 2010

► Schreibt den Gefangenen!Nurhan Erdem, JVA Köln, Rochusstr. 350,50827 Köln

Günther Finneisen:

Brief vom 27. April 2010

hola..,na wie ist es.. hoffe doch am besten sehr gut.

weiß ja noch nicht was da bei dieser berlin-reise raus und rübergekommen ist. (redakti-onelle Anmerkung: Finni bezieht auf das Ver-fahren gegen das Info. Von der Verurteilungwußte er noch nichts.) denke aber, das duauch auf gute leute bei den veranstaltungendrumrum getroffen bist. denn das bringt jawohl auch solch ein anklage mit sich, ebendas man solidarität zu spüren kriegt.

 jedenfalls wollt ich einfach mal so gesagt ha-ben, das ich die vorabinformation im info (der Ausgabe 354) echt gut rübergebracht fand.

 jedenfalls hab ich so sachen erfahren, die ichso noch nicht wußte.einzig, und das meine ich allgemein so, also

nicht jetzt nur hier, ist das ich persönllichimmer wieder vermisse, das meist bis fastimmer die gegner nicht bei namen genanntwerden. sie somit keine namen und gesichter kriegen, und dies immer „der staat und tralla-la“, das ist mir persönlich immer zu abstrakt.denn es sind doch in erster linie menschen,die sich macht ihrer position hervortun wollen,sei es aus persönlichen (minderwertigkeits-)gelüsten, um ihre karriere zu machen und soin dem stile... die sicher ersetzbar sind, undwenn es nicht die und so in dem stile... diesicher ersetzbar sind, und wenn es nicht diesind, wird, werden es sicher ein oder mehre-re ander/e versuchen,aber trotzdem, sie sich

auch gerade hinter dies abstakte von wegenstaatsmacht auch verstecken wollen, das ih-nen sicherheit gibt. meine, das merkt doch je-der doch immer wieder der/die sie irgendwiebekämpft. das diese die amtliche hilfe schnelleinfordern, und auch automatisch im kollegi-

Briefe aus den Knästen

8/6/2019 Gefangenen Info #355

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mai/juni 2010 ◄ gefangenen info ◄ 17

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alen/kameradschaftlichen stile auch kriegen..meist als standard vorweg.sicher, unmöglich ist es eh nicht als betrof-fener da mehr rauszukriegen, denn so großist die geheimhaltung eh meist nicht, und mir fällt immer wieder auf - gerade hier im knastist so - das wenige überhaupt interesse dazuhaben, überhaupt hinter die fassaden des ge-genübers zu gucken wollen.denk, du verstehst schon was ich meine.

► Schreibt den Gefangenen!Günther Finneisen, Trift 14, 29221 Celle

Devrim Güler:

Brief vom 31. März 2010

Liebe Rosa und lieber Cayan,vorab meine herzlichsten Grüße an euch undalle Freundinnen und Freunde. Es ist eineWeile her, daß ich euch geschrieben habe, sodaß ich mir gedacht habe auf ein Tässchen

Kaffeee vorbeizuschauen und mich ein we-nig auszusprechen. Ich wollte euch vor demHintergrund, eine Postkarte vom GenossenCayan erhalten zu haben, an den 38. Jah-restag des Manifestes von Kizildere erinnertund gedacht haben, das bekanntlich am 30.März ‚72 von Mahir Cayan und weiteren 9Genossen aus der THKP-C und THKO auf eine geradezu weitsichtige Weise den nach-folgenden revolutionären Generationen hin-terlassen wurde. Ein Manifest aus dem Blutunverzichtbarer Kader der Revolution. Zuge-gebenermaßen klingt diese Ausdrucksweiseein wenig befremdlich, tatsächlich spiegelt sieden heroischen Widerstand und die Kampf-

brüderschaft der Genossen aus den beidenrevolutionären Bewegungen, nämlich der Volksbefreiungspartei, -front und der Volks-befreiungsarmee der Türkei, nur verhaltenwieder. Der Umstand, durchaus verschiedeneideologische sowie militärische Anschau-ungen und Strategien verteten zu haben,war für Mahir und andere Genossen aus der THKP-C kein Grund, sich angesichts der be-vorstehenden Hinrichtung der Führungskader der THKO (Deniz, Yusuf und Hüseyin) zu-rückhaltend zu verhalten; den eigenen Todund die physische Eliminierung der THKP-Chinnehmend. So kam es zu der Aktion in der Provinz Ordu, die in Kizildere (Provinz Tokat)

mit der Manifestierung des kommunistischenKlassenbewußtseins und der revolutionärenSolidarität abgeschlossen wurde. Diese zehnGenossen haben die Hinrichtung der dreiGenossen zwar nicht verhindern können undhaben bei dieser Aktion ihr eigenes Leben ge-lassen, jedoch haben sie den nachfolgendenGenerationen ein unerschütterliches Erbehinterlassen, ein Erbe, daß sie ihrerseits vonCommandante Che übernommen hatten. EinErbe, das als Aufruf zur selbstlosen Solidaritätan alle revolutionären Kräfte verstanden wer-den sollte.

Wenn man sich heute die innerlinken Bezie-

hungen in der Türkei anschaut, könnte manleich in Melancholie und Nostalgie verfallen,zumal seit geraumer Zeit ein Verständnis inlinke Bewegungen Einzug erhalten hat, dasanscheinend auch vor Gehässigkeit und Ver-lumdungen gegen revolutionäre Bewegungen

nicht Halt macht. Verleumdungen, die gelin-de ausgedrückt, denen des Feindes in nichtsnachstehen. Mit der Zeit hat sich dieses Ver-ständnis des klein-bürgerlichen Konkurrenz-denkens innerhalb mancher linken Organi-sationen zu einer „unverzichtbaren Kultur“etabliert, die einige von ihnen, beispielsweise12 Jahre nach Kizildere dazu veranlaßt hat,den gemeinsamen Todesfastenwiderstand(1984) der revolutionären Gefangenen ausder „Devrimci Sol“ und der „TIKB“ gegen denAngriff des Faschismus auf ihre politischeIdentität und die Entmenschlichungspolitikin den Kerkern der Militärjunta als klein-bür-gerliches Abenteurertum und populistischesGehabe zu diffamieren, während man selber vor dem einfachsten Schließer die Hacken zu-sammengeschlagen und die Einheitskleidungdes Gefängnissystems angezogen hat. Durchden Sieg des Todesfastenwiderstands, beidem die Genossen Apo, Haydar und Hasanvon der Devrimci Sol und Genosse Fatih vonder TIKB gefallen sind, wurden auch unsereFreunde, die währenddessen eifrig an ihren

Keksen geknabbert haben, vom Hackenzu-sammenschlagen und der Einheitskleidungbefreit.

Rückblickend läßt sich ohne Bedenken sa-gen, daß sich letztendlich die revolutionäreKultur durchgesetzt und im Bewußtsein der fortschrittlichen Kräfte verankert hat, währendsich unsere immens proletarischen Freundenoch immer dazu verschrieben fühlen, über die revolutionäre Bewegung in Feindesma-nier herzuziehen. Die Bandbreite zieht sichvon der Diffamierung als klein-bürgerlicheAbenteurer bis hin zu Kemalismusbeschul-digungen, um sich so ein Schulterklopfen

seitens der Freiheitsbewegung erhoffen zudürfen. Hier kann allenfalls von Anbiederunggesprochen werden, denn Solidarität mit demkurdischen Volk bedarf etwas mehr, als an-dere als sozial-chauvinistisch zu bezeichnenund ein paar gutmütige FreundInnen zu PR-zwecken auf Veranstaltungen des kurdischenVolkes zu schicken, damit sie eifrig die mitge-brachten Fahnen schwenken mögen. Wie So-lidarität mit dem kurdischen Volk zu erfolgenhat wurde des öfteren von Revolutionärenunter anderem in der Provinz Dersim vorge-macht, auch dort wurde die rote Hammer- undSichel-Fahne geschwenkt, aber nicht nur ...Liebe Rosa, lieber Cayan; ich habe die Pro-

blematik der innerlinken Beziehungen aufge-griffen, da sie angesichts (oder trotz) des 38.Jahrestages von Kizildere als zu beseitigendeBarriere weiterhin besteht. Kräfte, die sich be-harrlich gegen den Aufruf von Cayan und den9 Genossen stellen, können ihren Plaz in denrevolutionären Reihen nicht auf ewig aufrechterhalten. Die Geschichte der internationalenrevolutionären Bewegungen ist voll mit sol-chen Beispielen, auch die in der Türkei...Eigentlich wollte ich mich auch zu anderenThemen auslassen, aber ich denke für heutereicht‘s erst einmal. Ich umarme euch ganzherzlich...Devrim

► Schreibt den Gefangenen!Devrim Güler, JVA Stuttgart Stammheim,Asperger Str. 60, 70439 Stuttgart

  Ahmet Düzgün Yüksel:

Brief vom 07. April 2010 und vom08. Juni 2010

Hallo Rosa und CayanHallo FreundInnen (Richard)

Eure Post anlässlich des 18. März hat micherreicht. Ich bedanke mich. Zudem war eureSolidaritätsaktion am 18. März vor dem Knastsehr sinnvoll.Es hat uns Kraft gegeben und unsere Moralgestärkt. Ich bedanke mich für eure Solidari-tät. Ich verstehe, dass ihr nicht zu den Ver-handlungen kommt. Ist nicht weiter schlimm.Der Prozess hat sich so sehr hinausgezogen,dass es nicht mehr normal ist.Ihr habt recht. Kümmert euch um eure Arbeit.Kein Problem.Ich würde mich allerdings freuen, wenn ihr euch an den Verhandlungstagen beteiligenwürdet, in denen wir unsere letzten Verteidi-gungsreden halten werden.

Wir haben gegen die Festnahmen Wider-spruch eingelegt. Es ist zur BGH gegangenund wird wohl in zwei Monaten feststehen.Und danach wird wohl auch der Prozess zuende gehen.Uns geht es gut. In Liebe und mit Grüßen

A. Düzgün

PS: Während eurer Aktion vor dem Knasthabe ich euch mit Parolen geantwortet, konn-tet ihr das hören?Meine Zelle hat einen Blick zum Hof. Ich binim 3. Stockwerk. Im Hof gibt es einen Baum.Dieser Baum staht mir genau gegenüber.

Devrims Zelle ist auf der Innenseite und er kann normalerweise nichts hören.

Lieber,(...) Es gibt hier was Neues:Am 15.Juni ist die Beweisaufnahme in un-serem Prozess abgeschlossen. Dann plädiertam 22.Juni die Bundesanwaltschaft.Unsere Verteidigung kommt danach und ha-ben wir das „letzte Wort“. Deshalb bin ich jetztmit meinem Antrag, Schlusswort arg beschäf-tigt und das das heißt, spätestens im Juli istder Prozess zu Ende.Also ich möchte gerne, dass alle solidarischeMenschen kommen, wenn ich meine letzten

Worte verkünde.Liebe Grüsse an alle Genossinnen und Ge-nossen aus Stammheim.Lebt wohlA.Düzgün Yüskel

Redaktionelle Anmerkungen:

Die aktuelle Adresse von Cengiz Oban lautet:Cengiz ObanJVA Düsseldorf, Ulmenstr. 9540476 Düsseldorf 

Werner Braeuner schrieb in einem Brief, dass

wir einige Symbole, wie das große „A“ in demWort „Bastille“ (GI Nr. 353, Seite 17), welchesdas rote „A“ im Logo der Arbeitsagenturensein müsse, durch gängige Buchstaben er-setzt hätten. Das ist richtig und geschieht beider Digitalisierung der Texte im Generellen.

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18 ► gefangenen info ► mai/juni 2010

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Ich fordere Freispruch für das „Gefangenen

Info“!

Weiterhin rufe ich zu Solidarität mit dem „Gefan-genen Info“ und dem verurteilten Redakteur Wolf-

gang Lettow auf!Ich wünsche Dir und Euch weiter Kraft für die So-lidaritätsarbeit.Lasst Euch RedakteurInnen durch drohende Ver-urteilungen nicht abschrecken und mundtot ma-chen, was sie ja bezwecken !Lebt wohl und liebe Grüsse aus Stammheim

A.Düzgün Yüskel, 6.5.2010

P.S.: Da A. Düzgün Yüskel der deutschen Sprachenicht vollkommen mächtig ist, wurden seine Zeilenredaktionell überarbeitet.

Faruk Ereren am 16.5. zum Urteil gegen das

Gefangenen Info

Lieber Wolfgang!Ich protestiere gegen die Verurteilung durch dasAmtsgericht Berlin gegen dich und die Redaktion.Gehört habe ich, dass es seit 1989 30 Ermittlungs-verfahren gegen das Info gab. Dieses Urteil be-trachte ich als Zensur eurer Arbeit.Ihr habt regelmäßig über die Verfahren gegentürkische RevolutionärInnen in Europa und Ana-tolienen berichtet. Wir müssen eure Verurteilungim Zusammenhang mit dieser EU-Kriminalisierungbegreifen.Anlaß eurer „Bestrafung“ war ja bekanntlich einProzeßbericht zu „meinem“ Verfahren. Ist das die

„europäische Demokratie“?Es gibt keine anderen Weg, als gegen diese re-aktionäre Entwicklung Widerstand leisten, Bruder!

Erklärung für den Aufbau der Roten Hilfe Itali-

ens zum Urteil gegen das Gefangenen Info

Wir erfahren mit Empörung die Verurteilung zu ei-ner Geldstrafe gegen das „Gefangenen Info“ (GI)die gegen den presserechtlich Verantwortlichen,Wolfgang Lettow, vor dem Berliner Amtsgerichtausgesprochen wurde.Nach unserem Verständnis ist diese Verurteilungein staatlicher Angriff, um dem Solidaritätsnetz undder von ihm entwickelten Arbeit zur Stütze der poli-

tischen revolutionären Gefangenen, des von ihnenin den imperialistischen Gefängnissen geführtenKampfes und die konsequente Verfolgung ihrespolitischen Weges mit dem Widerstand gegen dieschwereren Haftbedingungen (Folter durch Isolati-on, Sonderabteilungen, „Tote Trakte“, usw.) einenSchlag zu versetzen.In Italien passiert es ebenfalls, dass der Staat mitUnterdrückungsmaßregeln gegen die kommuni-stischen und anarchistischen GenossInnen vor-geht, welche solidarisch mit denjenigen sind, die inGefängnissen Widerstand gegen dieses Ausbeu-tungs- und Unterdrückungssystem leisten. DieseMenschen werden ebenfalls kriminalisiert.Wir sind der Meinung, dass sich das Solidaritäts-netz als eine Tätigkeit zum Austauch zwischen denpolitischen revolutionären Gefangenen und denGenossInnen draußen, sowie der punktuelle ge-genseitige Austausch von Meldungen über die Un-terdrückungstaten und Aktionen realisieren kann.Schließlich drücken wir unsere klassen- und inter-nationalistische Solidarität mit dem GI und Wolf-

gang Lettow aus und wir geben unsere ganzeUnterstützung mit jeder angemessenen Antwortgegen diese Unterdrückung.Seid gegrüßt von den GenossInnen für den Aufbauder Roten Hilfe in Italien

mit geballten Fäusten

H.Bix vom Autonomen Knastprojekt( AKP) KölnAbgedruckt im „Mauerfall“ Gefangenen No. Rund-brief 26 - März/April 2010:

Wortwörtlich, so ähnlich oder überhaupt nicht?

… jedenfalls einfach zynisch

Was hat er ganz genau gesagt, der Richter, als er die später sogar von der Justiz als rechtswidrig de-nierte Beugehaft anordnete? Wir wissen es nicht,

denn wir waren nicht bei dem damaligen Prozess.Doch immerhin gibt es neben den „üblichen Ver-dächtigen“ (Rote Hilfe u.ä.) auch solche, die von

ihrem Status her normalerweise als „ehrenwerteBürger“ bezeichnet werden, die alle bezeugen,eine „zynische“ Aussage gehört zu haben. Undwar nicht schon das alleinige Handeln des Rich-ters zynisch?Ein Prozess ist ja öffentlich. Was in den Knästengegenüber Gefangenen gesagt und mit ihnen ge-macht wird, ist es viel weniger. Gefangene könnensich demnach noch weniger gegen Entwürdigungund Menschenrecht verletzende Übergriffe wehrenals in Prozessen Angeklagte. Dass aber die „Krä-hen“ auf allen Ästen des Justiz-Baums sich mög-lichst nicht gegenseitig die Augen auskratzen, istnicht nur sprichwörtlich, sondern bittere Erfahrungall derjenigen, die sich gegen solche zu verteidigen

versuchen. Und es ist die Erfahrung derjenigen,die Öffentlichkeit gegen „Justiz“-Verfahrensweisenschaffen - (egal ob gegen Rechtsprechung oder „Vollzug“) -, dass „Justiz“ sie verfolgt.Strafrechtlich werden immer einzelne rausgegrif-fen, aber viele sind gemeint. Ich fände es ganz„lustig“, wenn drei oder vier von denjenigen, diedie „zynischen Sätze“ gehört haben, jetzt einfachsagen könnten: „Wenn die Justiz bei diesem em-pörenden Urteil bleibt, nehmen wir der Knast-Info-Redaktion die auferlegte Last ab und gehen für (jeweils 27, 26 oder 20) Tage in den Knast. Dannkann die Redaktion ohne Unterbrechung weiter dieZeitung produzieren. Und wir haben nachher nochmehr zu berichten.“ Wär doch schöner, als dieJustizmaschine auch noch zu nanzieren! Oder?

Naja, nur ein Gedankenspiel, denn man kann jaleider verurteilten Kumpeln keine Knasttage ab-nehmen. An so einer Solidarisierung teilzunehmen,könnte ich mir ansonsten auch für mich vorstellen,ohne an jenem Tag Prozessbeobachterin gewesenzu sein. Denn wir machen ebenfalls Öffentlichkeitgegen das, was sich „Justiz“ nennt.Selbstverständlich ist diese Verurteilung ein Skan-dal. Einer wie viele andere Skandale auch, bei de-nen übereinstimmende Aussagen gegen eine Fi-gur der Justiz nicht berücksichtigt werden und „dieJustiz“ immer Recht hat. „Recht“ ist ja deren Privat-besitz. Aber vielleicht könnten Richter bei der Be-rufungsverhandlung ja taktisch klüger sein, denneine Verurteilung von „Gefangenen Info“ ist haltsehr öffentlich. Und würde uns bestätigen hinsicht-lich unserer Meinung vom „Krähenlz“. Immerhin

steht Aussage gegen Aussage und nichts ist be-wiesen, außer dass - s.o.- die Vorgehensweise desRichters zu Empörung Anlass gab. Was ja sogar - oh Wunder - von einer juristischen Instanz an-erkannt ist hinsichtlich der verhängten Beugehaft.

Werner Braeuner zur Verurteilung des Infos

vom 23.4.2010

Lieber..,habe in der „Junge Welt“ von gestern vom Urteilgegen das „Gefangenen Info“ (GI) gelesen. Na  ja, 800 Euro, das ist Geld. Mal schauen, wie daszusammenkommt und von wem. Das GI tritt denHerrschenden auf die Füße, und so ist das wohlals Schmerzensgeld zu betrachten. „Scharf-links“

ist ja doch von derselben Anklage freigesprochenworden. Juristisch fragwürdig, solche Urteilsdiver-genzen, nde ich. Der Ruf der Justiz - ist er etwa

bereits derart ramponiert/ruiniert, dass sie sichganz ungeniert gebärden mag? Willkür als Ter-rorinstrument und „Rechtsstaat“, da paßt etwasnicht....

Solidarität mit dem „Gefangenen Info“ und

Wolfgang! vom 2010-04-26 Die Versuche des Staates das „Gefangenen Info“(bzw. vor der Umbenennung „Angehörigen Info“)mundtot zu machen, sind Legion; in dieser Reihegehört auch der jetzige Strafprozess.

Ein Regime, das andere Staaten über die Bedeu-tung und Einhaltung der Menschenrechte mit denMitteln des Krieges belehrt (aktuell die BesetzungAfghanistans), sollte sich zuvörderst um grundle-gende Angelegenheiten im „eigenen“ Lande küm-mern.Aber Aussagen aus Staaten, in denen erwiesener-maßen gefoltert wird (namentlich Türkei), werdenwie selbstverständlich in hiesigen Strafprozessenzur Belastung von Anklagten verwandt. Zeugen,die zuvor schwer (in der Türkei) gefoltert wurden,werden, so sie nicht im Sinne des Gerichts und der Bundesanwaltschaft die die ihnen zugedachte Rol-le erfüllen, kurzerhand in Beugehaft gesteckt; undwer darüber berichtet, so wie das „Gefangenen

Info“, muss damit rechnen, strafrechtlich belangtzu werden, wenn ein Artikel aus Sicht des Gerichtsüber welches berichtet wird , unzutreffende As-pekte enthält. Niemand hätte die sich nun schwer verleumdet fühlenden Richter gehindert, eine Ge-gendarstellung einzureichen, nein, hier wird dieKeule der Strafjustiz und potentiell wirtschaftlichenVernichtung von Redakteur bzw. „GefangenenInfo“ geschwungen.Die systematische Kriminalisierung unbequemer Journalisten ist immer wieder Thema in der Öffent-lichkeit; da werden Redaktionen durchsucht (wasim Fall „Cicero“ selbst dem Bundesverfassungsge-richt zuviel war), Journalisten für Übersetzungstä-tigkeiten vor Gericht gestellt oder eben - wie heute- für eine von Richtern als unwahr gehaltene Be-

merkung in einem Artikel.Gerade, weil das „Gefangenen Info“ den Margina-lisierten eine Stimme gibt, verdient es unserer aller Solidarität.

Freispruch für Wolfgang!

Günter Finneisen zum Urteil gegen das

„Gefangenen Info“ vom 5.5.2010

„(...) thanks für deine zeilenwozu mir nur ein paar zeilen spontan einelen.

wo kanzler blackouts zur RECHTEN zeit haben,bischöfe prügeln großzügig verzeihenund richter nicht mehr wissen, was sie sagen,ist es gut, selbst wenn sie es im namen desvolkes und zu ihrem wohl taten, dass eswelche gibt, die sie daran erinnern.also mach weiter so! es kann nicht verkehrt sein,auch wenn wenige es behauptengruß und power durch die mauer nni

Solidaritätserklärungen an das Gefangenen InfoAnlässlich des Prozesses gegen das Gefangenen Info möchten wir uns für die entgegen-

gebrachte Solidarität bedanken und drucken an dieser Stelle die Erklärungen ab:

8/6/2019 Gefangenen Info #355

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„Wieviel sind hintern Gittern, die wir draußen brauchen!“Politische Gefangene -

Sendung zu Repression und Widerstand

Freundeskreis Lokal-Radio e.V.

Zur Bettfederfabrik 3, 30451 Hannover 

Jeden ersten Dienstag im Monat von 18 bis19 Uhr.Zu empfangen per Livestream über:www.radioora.de

 jeden Freitagvon 19 bis 20 Uhr auf Radio - FSK -FM 93,0 MHz / 101,4 MHz (im Kabel)livestream: www.fsk-hh.org/livestream

mail: [email protected]: 040 - 432 500 46Postbox: Redaktion K&J c/o SchwarzmarktKleiner Schäferkamp 4620357 Hamburg

mai/juni 2010 ◄ gefangenen info ◄ 19

► seite 3 ► schwerpunkt ► inland ► international ► dossier ► gefangene  ► feuilleton  ► kurzmeldungen

Thomas Meye-Falk

Nachrichten aus dem Strafvollzug

ISBN: 978-3-941552-04-3Preis: 9,90 Euro

Blumige Worte gehören nicht zu seinem Repertoire. Tho-mas Meyer-Falk sitzt seit 1996 im Gefängnis, davon mehr als 10 Jahre in Isolationshaft. Die eingeschränkte Kommu-nikation, die in vielerlei Hinsicht fehlenden Sinneseindrückeund die ständigen Auseinandersetzungen für den Erhaltkleinster individueller Freiheiten haben seinen Blick auf das

Wesentliche geschärft. In seinen Essays und Gedichtenbeschreibt Thomas Meyer-Falk eine Welt, die erstaunlicheParallelen zu unserem eigenen Alltag aufzeigt.Abseits von Schuld, Reue und Sühne bezieht dieses Buchklar Stellung zu aktuellen Entwicklungen in den Justizvoll-zugsanstalten. Im Zuge der Diskussion um eine Ausweitungder Sicherungsverwahrung sollte auch der Standpunkt der Inhaftierten Berücksichtigung nden. Thomas Meyer-Falk

zeigt die Kehrseite der Medaille. Auch wenn es einigen Leuten nicht passt …

In The Spirit Of Total Resistance

Leonard Peltier Soli Sampler 

Im Jahre 1977 wurde Leonard Peltier, ein Mitglied des Ame-

rican Indian Movement und der Bürgerrechtsgruppe für amerikanische Ureinwohner, wegen der angeblichen Mordean zwei FBI-Agenten, verhaftet und eingesperrt. Seine Un-terstützer bestehen darauf, dass er ein politischer Gefan-gener ist und dass das FBI Beweise gefälscht hat, um ihn- einen politischen Aktivisten - aus dem Verkehr zu ziehen.Seither sitzt Leonard Peltier im Gefängnis. Erst im August2009 wurde sein Antrag auf Bewährung erneut abgelehnt

und der nächstmögliche Termin für eine Anhörung ist für 2024 vorgesehen. Der derzeitig vor-gesehene Haftentlassungstermin ist der 11. Oktober 2040 - dann wäre Leonard Peltier 96Jahre alt. Die Informations- und Unterstützungsassoziation für indianische Amerikaner ausFrankreich hat zu Leonard Peltiers Unterstützung 2009 einen Soli Sampler veröffentlicht. Der Sampler ist liebevoll gelayoutet und im Booklet nden sich Informationen über seine Person,wie auch über die Hintergründe seiner Verhaftung, sowohl auf Englisch als auch auf franzö-sisch. Auf dem Sampler nden sich zahlreiche Bands: Blackre, Fermin Muguruza, Oi Polloi,

Ethnopaire, Hydra, Les Ramoneurs de Menhirs, La Phaze, T.R.I.B.E., Urban Attack, Cellule X,Tagada Jones, Trouz an Noz, Rosa Park, Loadead, Aztlan Underground, Kilnaboy, MaurescaFracas DubDer Sampler ist momentan noch nicht in Deutschland erhältlich kann aber unter www.activedistributionshop.org für 8 Pfund und www.folkloredelazonemondiale.fr für 12 Euro bestellt werden.

Broschüre des Revolutionären Aufbaus Schweiz

zu Revolutionärer Kultur 

Der Revolutionäre Aufbau Schweiz hat anlässlich des 1. Mai2010 am 1. und 2. Mai in Zürich eine Ausstellung zu revolu-tionärer Kultur organisiert.Ergänzend zu der Ausstellung hat der Revolutionäre AufbauSchweiz jetzt eine 72-seitige Broschüre herausgegeben, inder Abbilder der Mosaike von Paolo Neri, die die im Knastgestorbenen Gefangene aus dem bewaffneten Widerstand

darstellen, sowie eine Auswahl an Bildern von Manuel PérezMartinez, „Arenas“, dem Generalsekretär der PCE(r) (Kom-munistische Partei Spaniens (Wiederaufbau)) und SanchezCasas, einem Gefangenen der GRAPO (Gruppen des anti-faschistischen Widerstandes des 1. Oktobers), abgedrucktsind. Paolo Neri war in den letzten beiden Jahren mit seinenMosaiken auch in Deutschland und hat seine Mosaike inStuttgart, Hamburg, Bremen und Berlin ausgestellt; Arenas

ist 2000 in Paris verhaftet worden und hat im Knast begonnen zu zeichnen, sowie Gedichtezu schreiben. Im Gefangenen Info wurden bereits mehrere Bilder von ihm und von anderenspanischen Gefangenen abgedruckt. Begleitet werden die Bilder von theoretischen Beiträgenzu revolutionärer Kultur, Gedichten von Arenas und zahlreichen Hintergrund-Texten zu denKünstlern, ihrer politischen Tätigkeit und ihren Bildern.

Die Broschüre ist für 15 Franken (10 Euro) unter [email protected] bestellbar.

Weitere Informationen unter: www.aufbau.orgSpanien: Aus den Zeichnungen

von Manuel Pérez Martinez (Arenas).Quelle: www.presos.org.es

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