24
„Männer und Frauen sind gleichberechtigt. So steht es in Artikel 8 der Sächsischen Verfassung. Eine tatsächliche Gleichberechtigung ist jedoch noch nicht erreicht. Der Staat hat deshalb Bedingungen zu schaffen, die geeignet sind, die tatsächliche Gleichberechti- gung von Frauen und Männern in allen Bereichen der Gesell- schaft herbeizuführen. Gleich- stellung bedeutet die chancen- gleiche Teilhabe von Frauen und Männern in allen Bereichen und auf allen Ebenen gesellschaftli- chen Lebens“. So findet man es auf den Seiten des sächsischen Sozialministeriums. Natürlich nur nach längerem Suchen, denn die Verantwortlichkeit für die Gleichstellung ist in der Staatsregierung von einem eige- nen Ministerium immer mehr in die „Hinterstübchen“ gerückt. Seit 2011 werden Themen wie Gleichstellung und Familie im Sozialministerium in der Abtei- lung 4 unter „soziale Integrati- on“ gefasst, was man im Um- kehrschluss so interpretieren kann, dass der (weiblichen) Mehrheit der Bevölkerung in Sachsen der soziale Ausschluss droht oder dass er bereits be- steht. Es gibt also viel zu tun, denn in Fragen der Gleichstel- lung ist Sachsen bestenfalls Mittelmaß. In Sonntagsreden werden die hohe Berufstätigkeit der Säch- sinnen, der Frauenanteil in Füh- rungspositionen und der große Teil an Männern, die Elternzeit in Anspruch nehmen, gelobt. Nicht gesagt wird aber, dass trotz eines fast 70-prozenti- gen Frauenanteils unter den Beschäftigten im öffentlichen Dienst der Frauenanteil in den Führungspositionen mit deren Höhe abnimmt – je höher die Führungsebene, desto geringer der Frauenanteil. Nur drei von zehn Ministerien werden von Frauen geführt. In obersten Lei- tungspositionen der Staatskanz- lei finden wir keine einzige Frau, in denen des Innenministeriums nur 10,4 Prozent und in denen des Umweltministeriums ledig- lich 5,4 Prozent Frauen. Auch werden in Sachsen im- mer weniger finanzielle Mittel für Gleichstellungarbeit, be- sonders für Frauenarbeit, be- reitgestellt: 2,5 Millionen wa- ren es 2004. 2012 waren es nur noch 550.000 Euro. So muss- ten sich viele Frauenprojek- te extrem einschränken, oder sie wurden ganz eingestellt. Der Sächsische Landesfrauen- rat schrammte hart an der Auf- lösung vorbei und konnte nur dank der Unterstützung der gro- ßen Mitgliedsverbände und der ehrenamtlichen Arbeit der Vor- standsfrauen am Leben gehal- ten werden. Der im Zuge der Umstrukturie- rung im Sozialministerium ge- schaffene Gleichstellungsbeirat ist ein zahnloser Papiertiger, ein willkürlich zusammengesetz- tes Alibigremium. Fragen wie Beschäftigungsförderungen für Frauen, vorrangig Alleinerzie- hender und Frauen nach der Fa- milienpause, die Gewinnung von Mädchen und junge Frauen für technische Berufe, Aktivitäten zur Gleichstellung von Frauen in der Privatwirtschaft, wie die Beseitigung der noch immer be- stehenden Lohnlücke zwischen Frauen und Männern, die in Sachsen ca. neun Prozent aus- macht, werden kaum angespro- chen, Aktivitäten nicht initiiert. Auch Fragen der drohenden Al- tersarmut, der niedrigen Renten kommender Rentnerinnenge- nerationen, werden von Sach- sens Sozialministerium nicht diskutiert. Die Mütterrente wird keine grundsätzliche Änderung bringen. Es ist natürlich für vie- le Frauen schön, dass sie ab Juli – oder wie angekündigt als „Weihnachtgeschenk“ – für ih- re Kinder, die vor 1992 gebo- ren wurden, einen Rentenpunkt mehr bekommen, auch wenn es natürlich keine vollständige Gleichstellung, weder zwischen Ost und West noch zwischen jüngeren und älteren Frau- en, darstellt. Und selbst beim Schutz von Frauen und Kindern vor häuslicher Gewalt, einem Feld, das für die Staatsregie- rung immer ein Aushängeschild war, besteht Handlungsbedarf. Die Frauen- und Kinderschutz- häuser der Kommunen und in freier Trägerschaft, die Inter- ventionsstellen und engagier- te Vereine schlagen schon lan- ge Alarm. Initiativen für einen Rechtsanspruch auf Gewalt- schutz auf Bundesebene, aus- reichende und bedarfsgerechte Finanzierung der Frauenschutz- häuser, psychologische Bera- tung und Betreuung der Frauen und ihrer Kinder, die häusliche Gewalt miterlebt haben, sind wichtige Forderungen an die Sächsische Staatsregierung. Noch ist Gleichstellung in Sach- sen nicht wirklich „Herzenssa- che“ der Regierung – nutzen wir den 8. März als Kampftag, da- mit sie es wird! Politik und Kultur für Sachsen, Europa und die Welt März 2014 „Herzenssache“ der Staatsregierung?

Links! Ausgabe 03/2014

Embed Size (px)

DESCRIPTION

Ausgabe März 2014 der Zeitung LINKS! inklusive Beilagen.

Citation preview

Page 1: Links! Ausgabe 03/2014

„Männer und Frauen sind gleichberechtigt. So steht es in Artikel 8 der Sächsischen Verfassung. Eine tatsächliche Gleichberechtigung ist jedoch noch nicht erreicht. Der Staat hat deshalb Bedingungen zu schaffen, die geeignet sind, die tatsächliche Gleichberechti-gung von Frauen und Männern in allen Bereichen der Gesell-schaft herbeizuführen. Gleich-stellung bedeutet die chancen-gleiche Teilhabe von Frauen und Männern in allen Bereichen und auf allen Ebenen gesellschaftli-chen Lebens“. So findet man es auf den Seiten des sächsischen Sozialministeriums. Natürlich nur nach längerem Suchen, denn die Verantwortlichkeit für die Gleichstellung ist in der Staatsregierung von einem eige-nen Ministerium immer mehr in die „Hinterstübchen“ gerückt. Seit 2011 werden Themen wie Gleichstellung und Familie im Sozialministerium in der Abtei-lung 4 unter „soziale Integrati-on“ gefasst, was man im Um-kehrschluss so interpretieren kann, dass der (weiblichen) Mehrheit der Bevölkerung in Sachsen der soziale Ausschluss droht oder dass er bereits be-steht. Es gibt also viel zu tun, denn in Fragen der Gleichstel-lung ist Sachsen bestenfalls Mittelmaß.In Sonntagsreden werden die hohe Berufstätigkeit der Säch-sinnen, der Frauenanteil in Füh-rungspositionen und der große Teil an Männern, die Elternzeit in Anspruch nehmen, gelobt. Nicht gesagt wird aber, dass trotz eines fast 70-prozenti-gen Frauenanteils unter den Beschäftigten im öffentlichen Dienst der Frauenanteil in den Führungspositionen mit deren Höhe abnimmt – je höher die Führungsebene, desto geringer der Frauenanteil. Nur drei von zehn Ministerien werden von Frauen geführt. In obersten Lei-tungspositionen der Staatskanz-lei finden wir keine einzige Frau, in denen des Innenministeriums nur 10,4 Prozent und in denen des Umweltministeriums ledig-lich 5,4 Prozent Frauen. Auch werden in Sachsen im-mer weniger finanzielle Mittel für Gleichstellungarbeit, be-sonders für Frauenarbeit, be-reitgestellt: 2,5 Millionen wa-ren es 2004. 2012 waren es nur

noch 550.000 Euro. So muss-ten sich viele Frauenprojek-te extrem einschränken, oder sie wurden ganz eingestellt. Der Sächsische Landesfrauen-rat schrammte hart an der Auf-lösung vorbei und konnte nur dank der Unterstützung der gro-ßen Mitgliedsverbände und der ehrenamtlichen Arbeit der Vor-standsfrauen am Leben gehal-ten werden. Der im Zuge der Umstrukturie-rung im Sozialministerium ge-schaffene Gleichstellungsbeirat ist ein zahnloser Papiertiger, ein willkürlich zusammengesetz-tes Alibigremium. Fragen wie Beschäftigungsförderungen für Frauen, vorrangig Alleinerzie-hender und Frauen nach der Fa-milienpause, die Gewinnung von Mädchen und junge Frauen für technische Berufe, Aktivitäten zur Gleichstellung von Frauen in der Privatwirtschaft, wie die Beseitigung der noch immer be-stehenden Lohnlücke zwischen Frauen und Männern, die in Sachsen ca. neun Prozent aus-macht, werden kaum angespro-chen, Aktivitäten nicht initiiert.Auch Fragen der drohenden Al-tersarmut, der niedrigen Renten kommender Rentnerinnenge-nerationen, werden von Sach-sens Sozialministerium nicht diskutiert. Die Mütterrente wird keine grundsätzliche Änderung bringen. Es ist natürlich für vie-le Frauen schön, dass sie ab Juli – oder wie angekündigt als „Weihnachtgeschenk“ – für ih-re Kinder, die vor 1992 gebo-ren wurden, einen Rentenpunkt mehr bekommen, auch wenn es natürlich keine vollständige Gleichstellung, weder zwischen Ost und West noch zwischen jüngeren und älteren Frau-en, darstellt. Und selbst beim Schutz von Frauen und Kindern vor häuslicher Gewalt, einem Feld, das für die Staatsregie-rung immer ein Aushängeschild war, besteht Handlungsbedarf. Die Frauen- und Kinderschutz-häuser der Kommunen und in freier Trägerschaft, die Inter-ventionsstellen und engagier-te Vereine schlagen schon lan-ge Alarm. Initiativen für einen Rechtsanspruch auf Gewalt-schutz auf Bundesebene, aus-reichende und bedarfsgerechte Finanzierung der Frauenschutz-häuser, psychologische Bera-tung und Betreuung der Frauen und ihrer Kinder, die häusliche Gewalt miterlebt haben, sind wichtige Forderungen an die Sächsische Staatsregierung. Noch ist Gleichstellung in Sach-sen nicht wirklich „Herzenssa-che“ der Regierung – nutzen wir den 8. März als Kampftag, da-mit sie es wird!

Politik und Kultur für Sachsen, Europa und die Welt März 2014

„Herzenssache“ der Staatsregierung?

Page 2: Links! Ausgabe 03/2014

Seite 2Links! 03/2014 Links! im Gespräch

Für eine »ständige Publikumskonferenz«

Die Aufregung war groß, als ZDF-Talkmaster Markus Lanz seinen Studiogast Sahra Wa-genknecht bei einer Sendung im Januar schroff abkanzelte und sie kaum zu Wort zu kom-men ließ. Die Online-Petition „Raus mit Markus Lanz aus meinem Rundfunkbeitrag“ sorgte wochenlang für Wirbel und fand etwa 230.000 Unter-stützerinnen und Unterstüt-zer. „Links!“ sprach mit der In-itiatorin Maren Müller, die bei der Wahl zum Leipziger Stadt-rat für die Piratenpartei antritt.

Frau Müller, Hand aufs Herz: Hätten Sie sich zum Jahreswechsel vorstellen können, dass Sie kurze Zeit später mit einem einfachen Eintrag ins Internet in al-le großen Medien kommen würden?

Nein, niemals, ich hätte das nie für möglich gehalten.

Sie gehören in etwa zur Ge-neration der Kanzlerin, glau-be ich …

… ich bin ein paar Jahre jünger.

Stimmt, aber im Gegensatz zu Frau Merkel ist das Inter-net für Sie kein „Neuland“. Wann haben Sie begonnen, es für sich zu entdecken?

Ungefähr im Jahr 2000 habe ich damit angefangen, also auch ziemlich spät, aber dafür gründlich.

Meist ist man zunächst pas-siver Nutzer, liest und surft, aber Sie haben mittlerweile auch einen Twitter-Account.

Ich habe den Computer zu-nächst für praktische Dinge genutzt, Bewerbungen ge-schrieben, Schriftverkehr er-ledigt. Das Internet an sich habe ich als Informationsquel-le gebraucht. Mein Sohn, da-mals Teenager, hat mich dann auf eine Seite gebracht, das „Schwarze Leipzig“. Sie ken-nen ja sicher das Wave- und Gothic-Treffen in Leipzig, die-ser Szene dient die Seite als Plattform. Dort habe ich mich angemeldet, das war mein ers-tes Internetforum. Dort bin ich so tief eingetaucht, dass ich das Forum irgendwann auch moderiert habe und Mitglied im Verein Schwarzes Leipzig e. V. wurde. Das war das erste große Aha-Erlebnis dazu, was das Internet bewirken kann, welchen Gewinn für das „rea-le Leben“ man daraus ziehen kann.

Als ich bei der Leipziger LINKEN nach Ihnen fragte, schwang dort ein gewisser Stolz darüber mit, dass Sie einmal Mitglied waren. Wie hat sich Ihr Verhältnis zur LINKEN entwickelt?

Ich bin aus dem Stadtverband Leipzig ausgetreten aus struk-turellen Gründen. Ich hatte nicht den Eindruck, dass ich mich verwirklichen konnte. Ir-gendwann hatte ich die Nase voll, aber ich werde immer links sein und werde zumindest im Bund immer links wählen. Ich habe auch sehr viele gute Leute in der LINKEN kennengelernt, aber letztendlich hatte ich kei-ne Lust, meine Freizeit in Struk-turen zu verbringen, die mich an Aktivitäten und an meiner Entfaltung hindern.

Inzwischen sind Sie beim MDR beschäftigt. Hat die-se Tatsache beim Schreiben Ihrer Petition eine Rolle ge-spielt, vielleicht dergestalt, dass Ihr Herz an den Öffent-lich-Rechtlichen hängt? Überhaupt nicht. Ich habe in dem Moment, als ich diese Pe-tition losgetreten habe, mit keiner Silbe an meinen Arbeit-geber gedacht. Das klingt viel-leicht blöd, aber das ist so. Ich war so erbost über diese stän-dige, blödsinnige Moderation. Dann ging die Welle los und ich hatte wegen der ganzen Pres-seanrufe und Interviewanfra-gen drei Tage lang keine Ruhe mehr. Während ich mit einem Redakteur telefonierte, lande-ten acht Nachrichten auf mei-nem Anrufbeantworter, ich kam nicht hinterher mit dem Antworten.

Haben Sie selbst verfolgt, wie sich die Welle aufgebaut und entwickelt hat?

Der Blogger Stefan Niggemeier und die WELT waren so ziem-lich die ersten. Die WELT hat alles geschrieben, aber nicht das, was ich gesagt habe. Zum

Beispiel, dass ich behauptet hätte, Sahra Wagenknecht sei meine Ikone. So etwas würde ich in hundert Jahren nicht sa-gen! Je mehr Medien dann be-richteten, umso mehr wurde alles aufgebauscht. Den bes-ten Beitrag hatte die Satire-zeitschrift „Postillon“, der ist einfach köstlich. Ich habe aber bei weitem noch nicht jeden Bericht gelesen und schon gar nicht die Diskussionen, die sich daraus ergeben haben. Ich will das alles in Ruhe sammeln, das soll auch im Rahmen der Publi-kumsrats-Gründung passieren.

Wann sind Sie auf openPeti-tion aufmerksam geworden, hatten Sie vorher schon Er-fahrung damit?

Ich zeichne Petitionen, die mich ansprechen, in der Re-gel mit, vor allem solche aus dem Bereich Soziales, etwa die zur Sanktionsfreiheit bei Hartz IV von Inge Hannemann. Ich zeichne immer viel mit, auch bei der Bundestags-Petitions-seite. Ich mag solche Beteili-gungsplattformen sehr gern.

Es war also das erste Mal, dass Sie selbst eine Petiti-on initiiert haben, und dann auch noch so erfolgreich.

Ja, das lag aber auch am Titel, machen wir uns nichts vor. Hät-te ich geschrieben: „Für mehr Niveau in den Öffentlich-Recht-lichen“, hätten wohl weniger Menschen unterschrieben.

Sie haben die Petition dann abgebrochen. Warum eigent-lich?

Die Luft war raus, das Interes-se ließ nach. Dann kippte auch in den Medien die Stimmung

sehr bedrohlich, die Petition wurde sogar mit der Juden-verfolgung verglichen. So ein Schmarrn! Es haben auch viele ihre Mitzeichnung widerrufen, um die 2 % von den 230.000. Ich wollte die Aufmerksam-keit, die noch da war, nutzen, um das Ganze ein bisschen weiterzuspinnen und es in ei-ne positive Richtung zu len-ken, damit es nicht aussieht wie Bashing gegen eine Per-son, denn das war es schon von Anfang an wirklich nicht. Es ging insgesamt um Niveau und Qualität in den Öffentlich-Rechtlichen. Was Markus Lanz abliefert, passt in einen priva-ten Sender, aber nicht ins Öf-fentlich-Rechtliche.

Wie geht es nun weiter? Es gibt bekanntlich zwei Initi-ativen, eine zur Gründung eines Publikumsrates, die auch von zwei Medienwis-senschaftlerinnen unter-stützt wird; Sie würden aber einen Verein favorisieren.

Genau. Eine beteiligungsori-entierte Internetplattform soll Gegenstand des Vereines sein, damit eine Möglichkeit ge-schaffen wird, Programme im Öffentlich-Rechtlichen zu be-werten. Ich stelle mir das so vor, dass dort verschiedene Sparten angeboten werden, in denen die Leute angeben kön-nen, wie ihnen eine Sendung gefallen hat, wo man auch Be-schwerden bündeln kann. Es soll eine Art „ständige Publi-kumskonferenz“ sein, die sich aktiv einmischt und versucht, die Qualität zu beeinflussen.

Das wäre aber etwas ande-res als ein Publikumsrat.

Ja, ganz sicher. Die beiden

Wissenschaftlerinnen, die Sie erwähnten, verfolgen die Idee eines Publikumsrates schon seit längerer Zeit und beziehen sich auf das Beispiel Öster-reich, wo es einen solchen Rat gibt. Der ist dort aber nichts anderes als bei uns der Rund-funkrat, der mit honorigen al-ten Männern besetzt ist und aus den Rundfunkbeiträgen fi-nanziert wird. Ich sehe da kei-nen Unterschied, mir scheint es, als bekäme das Kind nur ei-nen anderen Namen. Die Stim-me der „kleinen Leute“ hätte dort kein Gewicht. Wenn unser Verein – wir sind ja noch in der Gründung – allerdings groß werden sollte, könnte es sein, dass man uns auffordert, Ver-treter zu entsenden. Das steht in den Sternen.

Wie ist der aktuelle Stand?

Wir sammeln momentan Inte-ressierte und Menschen, die bereit wären, die Vorstands-posten zu besetzen.

Wie sähe für Sie eine ideale Fernseh- und Rundfunkland-schaft aus?

Der Mix muss stimmen. Ich will unterhalten werden, mei-nen guten alten „Tatort“ gu-cken, auch mal eine Musiksen-dung sehen, will Nachrichten haben, die nicht im Sinne der Systemkonformität kommen-tiert werden. Ich möchte keine tendenziösen Dinge, wo Leu-te in Ecken gedrückt werden. Und ich will Kultursendungen mit Niveau, arte zum Beispiel hat sich richtig gut entwickelt. Ich will Serien sehen, wie sie in Skandinavien produziert werden, die die Menschen in ihrer Zusammensetzung wi-derspiegeln, die nicht nur die Reichen, Jungen und Schönen zeigen. Der Bildungsauftrag muss stimmen. Ich will auch nicht verblödet werden durch das Weglassen von Nachrich-ten. Die Nachrichtensendun-gen von ARD und ZDF haben zum Beispiel auch Massenpro-teste in Europa weggelassen, haben einfach nicht berichtet, wenn in Barcelona hundert-tausend Leute auf der Straße waren. Das wird einfach tot-geschwiegen, obwohl man im Internet sieht, was los ist in der Welt.

Können Sie sich vorstellen, wieder in die LINKE einzu-treten, wenn die Chancen besser wären, dort etwas zu verändern?

Eigentlich habe ich mir vorge-nommen, nie wieder in eine Partei zu gehen, zumindest nicht als Mitglied. Diese Struk-turen machen mich persönlich krank, behindern mich in mei-ner Entfaltung. Die Fragen stellte Ralf Richter.

Bild: Kevin Reißig

Bild: Ralf Richter

Page 3: Links! Ausgabe 03/2014

Seite 3 03/2014 Links! Die dritte Seite

Der Friedrich war‘s! Zum Glück nicht der Friedrich Schil-ler, sondern der Friedrich mit Nachnamen; der frühere In-nenminister und kurzzeiti-ge Agrarminister von der tief-schwarzen CSU. Weil es der war, kann ich mir politisch kor-rekt den „Mohr“ vom Schil-ler ersparen und für „Links“ weiterschreiben. Bei Schil-ler heißt es übrigens, „Der Mohr hat seine Arbeit getan ...“ Aber lassen wir sprach-liche Spitzfindigkeiten. Das und der „Schwarze“ haben es mir angetan. Bei Schiller wird Fiesko von einem gut infor-mierten Mohren sozusagen „schwarz“ darüber informiert, dass es ein Mordkomplott ge-

gen ihn gibt. Zum Beweis wird ein Brief überbracht, aus dem die Verschwörung ersicht-lich ist. Jetzt nur keine platten Analogien, aber Edathy, Fried-rich, Staatsanwaltschaft, Ga-briel, Oppermann usw., das sind die Akteure in der wirk-lichen Verwicklung und Ver-schwörung. Der Schiller hat es jedoch geahnt und auf die Bühne gebracht, wie es zugeht bei den Staatsgeschäften - da-mals in Genua und heute in der „Schwarzen Republik“. Damals mit Fiesko, heute als Fiasko.Der Edathy hat sich schwarz Fotos von nackten kleinen Jungs besorgt – wurde behaup-tet. Diese Schweinereien sol-len uns nicht weiter interes-sieren. Dafür gibt es Polizei, Staatsanwälte und Gerichte. Das ist aber das eigentliche Problem. Ermittler (und sicher auch Ermittlerinnen) hatten bei Edathy möglicherweise ins einschlägig Schwarze getrof-fen. Ihm drohten nun schwarze Tage, weshalb wiederum Herr Friedrich – damals noch Innen-minister – Herrn Gabriel – da-

mals nur Parteivorsitzender der SPD – unter der Hand, also ei-gentlich illegal, man kann auch sagen: schwarz, informierte. Es liefen gerade die Verhand-lungen für die Große Koalition und Herr Friedrich sah schwarz für deren Erfolg, wenn Misse-

taten des Edathy ans Licht kä-men. Edathy war schließlich nicht irgendwer, sondern Hoff-nungsträger der SPD und vor-mals Vorsitzender des Innen-ausschusses des Deutschen Bundestages und aktuell Vor-sitzender des Untersuchungs-ausschusses zur Terrorgruppe Nationalsozialistischer Unter-grund. Sicher ärgerten sich die rosa Genossen schwarz ob der drohenden Gefahr. Die War-

nung gelangte auf zumindest dunklen, wenn schon nicht schwarzen Wegen zum eigentli-chen Delinquenten. Sorgte der für Schwärzung und Vernich-tung allen belastenden Materi-als? Jetzt war es an der Staats-anwaltschaft, sich schwarz zu ärgern. Der Schwarze, der Friedrich aber hatte – wie ge-sagt – seine Arbeit getan, die Post zur Verschwörung über-bracht und konnte gehen. Die „Schwarze Republik“ in den Farben Schwarz-Rot war geret-tet. Fontane weiß bereits wie im Schluss seines Gedichts „Die Alten und die Jungen“: „Der Mohr kann gehn, neu Spiel hebt an. Sie beherrschen die Szene, sie sind dran!“ Genug des „Schwarzen“, könn-te man denken. Diese Repu-blik hat jedoch noch mehr zu bieten. Zum Beispiel Alice Schwarzer. Das ist kein wohl-feiler Kalauer eines übermü-tigen Glossenschmiedes. Ge-gen diesen Verdacht bringe ich vor, dass sie immerhin Schwarzgeld schwarz über die Grenze in die Schwarz, Verzei-

hung, Schweiz gebracht hat. Dem deutschen Fiskus wollte sie nicht das Schwarze unter den Nägeln gönnen. Ein Feh-ler, wie sie jetzt einräumt, um aus Schwarz vielleicht noch Weiß machen zu können. Wenn auch das Sprachspiel nur auf Schwarzer passt, der Schwar-zen Schafe haben wir viel mehr. Der Hoeneß wurde ins Licht gezerrt, ein paar andere auch, darunter ein Staatssekretär in Berlin und Liebling seiner Par-tei. Doch die im Dunklen sieht man nicht (weiß schon Brecht). Es sind viel mehr, sehr viel mehr! Ich will nicht schwarzma-len, aber irgendwie kommt mir vor, dass ein Großteil unserer so genannten Eliten ziemlich verkommen ist. Wie „Schwar-ze Löcher“ saugen sie gierig al-les in sich hinein. Licht geben sie keines ab. Man kann auch sagen, sie sind keine Leuchten und helfen nicht in schwarzer Nacht. Sei‘s drum: Selbst die schwärzeste Nacht endet mit der Morgenröte. So viel nur zu den anstehenden Wahlen. Die Schwarzen können gehn!

„Der Schwar-ze hat seine Schuldigkeit getan ...“

Die Bilder aus einer Villa un-weit von Kiew erinnern an Bag-dad nach dem Ende von Sad-dam Hussein. Wilde Gesellen posieren mitten in der pom-pösen Villa des gestürzten uk-rainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch vor Kameraleu-ten. Seht her, wollen sie sa-gen, in welchem Luxus der Mann lebte, nun gehört das al-les uns.Wenn sich die Männer da bloß nicht täuschen. Auch wenn Ja-nukowitsch vertrieben wor-den ist, der vor vier Jahren durch eine Wahl in sein Amt kam, die damals auch zahlrei-che westliche Beobachter als freieste und demokratischste seit Jahrzehnten in der Ukrai-ne deklarierten, so erscheint die Macht der Oligarchen im Lande ungebrochen. Unge-achtet dessen steht jedoch nach den Protesten auf dem Maidan und anderswo und den gewalttätigen Auseinan-dersetzungen der letzten Wo-chen die Ukraine an einem Scheideweg. Der Druck von innen und außen ist immens, die Interessen der einzelnen Akteure sind unterschiedlich bis nahezu unvereinbar.Es ist uneingeschränkt nach-vollziehbar, dass die Protes-tierer ihren Politikerinnen und Politikern in Regierung und Opposition nicht mehr ver-trauen. Die Korruption blüht, die Oligarchen füllen sich die Taschen, während viele Men-schen im Land Heizung und Lebensmittel nicht mehr be-zahlen können. Da ist es gut,

dass es nun die Chance auf einen Neuanfang gibt, auch wenn die Risiken erheblich sind.Das Wichtigste ist zunächst, dass die Ukraine nicht zer-rissen, eine Teilung des gro-ßen Landes mit seinen Korn-kammern im Westen und der Schwerindustrie im Osten ver-hindert wird. Russland und die Europäische Union sollten sich daher auf einen gemeinsam fi-nanzierten Nothilfefonds ver-ständigen, der dem Land die Chance ermöglicht, reguläre und demokratische Neuwah-len vorzubereiten. Sodann sollten die Organisation für Si-cherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) oder der Eu-roparat, beides Institutionen, in denen die Ukraine, Russland

und die EU-Mitgliedsstaaten gleichberechtigt mitarbeiten, für eine Auszahlung der Gelder sorgen. So könnte nicht nur verhindert werden, dass die-ses Geld umstandslos in die Taschen von Oligarchen fließt, sondern für die anstehenden Aufgaben zum Erhalt der Le-bensfähigkeit des Landes und die Vorbereitung von freien, fairen und international beglei-teten Wahlen zur Verfügung steht. Über den künftigen Weg des Landes müssen dann jene entscheiden, die von den Bür-gerinnen und Bürgern der Uk-raine gewählt werden. Diese Wahl wird angesichts der sich bereits präsentierenden po-tenziellen Kandidatinnen und Kandidaten gewiss nicht ein-fach. Ob der rechte Demagoge

und Antisemit Tjagnibok mit seiner Partei „Swoboda“, die „Gasprinzessin“ Timoschen-ko und ihre Partei „Vaterland“ oder der Boxer Klitschko mit seiner Vereinigung „Udar“ – sie alle stießen auf dem Mai-dan auf überwiegende Ableh-nung. Man will nicht mehr die alten Schmiergeldabzocker und Parteifunktionäre in der Regierung sehen, sondern jun-ge unbelastete Hochschulab-solventen und Fachleute. Ei-ne linke Stimme ist in diesem ganzen Gewirr jedoch kaum zu vernehmen. Die Kommunis-ten sind seit vielen Jahren eine sogenannte technische Partei im Parlament, die mit den von Oligarchen gelenkten Partei-en kollaboriert. Die Herausfor-derung für neue Linke besteht

nun darin, den Begriff „links“ zunächst auch mit neuen In-halten auszufüllen. Das wird nicht einfach.Die LINKE in der Bundesrepu-blik Deutschland wünscht sich für die Zukunft mit der Ukrai-ne einen europäischen Nach-barn, der sich nicht mehr per-manent zwischen Russland und der europäischen Union entscheiden muss, der nicht als Bollwerk die Fronten des Kalten Krieges markiert, son-dern als Brücke zum gegen-seitigen Vorteil fungiert. Rei-se- und Handelsfreiheit, eine Steuergesetzgebung, die die Macht der Oligarchen bricht, eine demokratische Parteien-landschaft, bei der Rechtsex-treme keine Chance haben, der Verzicht auf eine Mitglied-schaft in der NATO wären wichtige Stationen auf dem beschwerlichen Weg in die Zu-kunft. Mit in Aussicht gestell-ten Krediten des Internatio-nalen Währungsfonds wären jedoch antisoziale Bedingun-gen verbunden, die das Leben der Menschen in der Ukraine noch mehr belasten werden. Die Menschen auf dem Mai-dan, die „Besucher“ in der Villa von Janukowitsch , sie alle ma-chen nicht den Eindruck, als ob das das gewünschte Ergeb-nis ihres Kampfes sein wür-de. Die Ukraine braucht jetzt Nachbarn, die nicht zuerst auf Einflusssphären und Absatz-märkte schauen, sondern an einer wirklichen Partnerschaft arbeiten.Stefan Liebich

Brücke statt Bollwerk

Page 4: Links! Ausgabe 03/2014

Seite 4Links! 03/2014 Hintergrund

DIE LINKE ist ein Exportschla-ger. Weniger im Hinblick auf programmatische Eckpunkte oder inhaltliche Debatten um Wahlprogramme; wohl aber im Hinblick auf die 2007 vollzoge-ne Fusion zwischen Linkspartei.PDS und WASG. Kürzlich weilte ich in Ankara, um bei der Taufe einer neuen linkssozialistischen Partei (HDP) als Gastredner da-bei zu sein, oder am vergange-nen Wochenende in Slowenien, wo sich gleich drei Linkspartei-en zusammengefunden haben und fortan gemeinsam für einen Politikwechsel kämpfen wollen. Mitglieder der LINKEN sind ak-tuell gefragt, wenn es darum geht, die verschiedensten Kräf-te auf der politischen Linken eu-ropaweit zusammenzubringen. Überhaupt gibt es seit knapp zehn Jahren den Trend inner-halb des linken Lagers in Euro-pa, die Kräfte zu bündeln und gemeinsame Wahllisten oder Parteien zu formen. Dies ge-schieht nicht nur aus einer Si-tuation der Schwäche heraus, nein, zumeist folgen diese Fusi-onsprozesse dem Wunsch, die jahrzehntelange Spaltung unter Linken zu überwinden. In Frank-reich haben Kommunisten und Linkssozialisten die „Front de Gauche“ gebildet, in Griechen-land fusionierten gar ein dut-zend Linksparteien und Orga-nisationen zu SYRIZA unter der Führung von Alexis Tsipras. Mit Blick auf die vereinte spanische Linke, Izquierda Unida (IU), wir-ken diese Fusionsprozesse wie zu spät kommende Schüler, die das Läuten zur ersten Stunde einfach überhört haben. Die Iz-quierda Unida war das erste Fu-sionsprojekt der neuen Linken in Europa und brachte so Kom-

munisten, Grüne, Bürger- und Friedensbewegte und Linksso-zialisten zusammen. Ihren Anfang nahm die IU da-bei zunächst nicht als Partei, sondern als loses Wahlbündnis 1986, gruppiert um die Frage der NATO-Mitgliedschaft Spani-ens nach dem Ende der Franco-Diktatur. Aus der „Plataforma Civica por la salida de Espana de la OTAN“ entwickelte sich zu den Parlamentswahlen 1986 das linke Wahlbündnis der Ver-einigten Linken „Plataforma

de la Izquierda Unida“, das 4,6 Prozent gewann. Bei den Kom-munalwahlen 1987 steigerte sich das Wahlbündnis auf 7,18 Prozent der Stimmen und fuhr 1989 schließlich bei den lan-desweiten Wahlen 9,07 Prozent der Wählerstimmen ein. 1992 erfolgte die offizielle Registrie-rung der IU als spanische Partei. Die acht Gründungsmitglieder der IU waren die Kommunis-

tische Partei Spaniens (PCE), die Kommunistische Partei der Völker Spaniens (PCPE), die Sozialistische Aktionspar-tei (PASOC), die Republikani-sche Linke (IR), die Progressive Förderation (FP), die Carlisten Partei, die Humanistische Par-tei und die Partei der Kollekti-ven Einheit der Arbeiter Anda-lusiens (Colectivo de Unidad de los Trabajadores – Bloque Anda-luz de Izquierdas).Die Tatsache, dass sich die PCE bereits 1986 dafür entschied,

aktiv an der Herausbildung des Wahlbündnisses IU mitzuar-beiten und schließlich die IU in eine Partei zu transformie-ren, federte die Auswirkungen des Scheiterns des »real exis-tierenden Sozialismus« für die PCE in Spanien ab. So konnte das sehr gute Abschneiden des Wahlbündnisses bei den Par-lamentswahlen 1989 mit 9,55 Prozent der Stimmen 1993 so-

gar noch übertroffen werden. In den Abgeordnetenhauswahlen 1996 erhielt die IU 10,54 Pro-zent der Stimmen. Die IU ist noch heute vor allem ein Parteienbündnis, denn trotz des Umstandes, dass die IU als eigenständige politische Partei registriert und öffentlich aktiv ist, behielten die konstitutiven Mitgliedsorganisationen und Parteien ihre formale, rechtli-che, organisatorische und poli-tische Eigenständigkeit. Bis auf die PCE und das Colectivo de

Unidad verließen die anderen Gründungsparteien die IU aller-dings in den Jahren zwischen 1987 und 2001 wieder. Es folg-te ab Mitte der 90er Jahre eine erste Erneuerungswelle. Heute gehören der IU auch viele klei-nere regionale und lokale Grup-pen an, z. B. die katalanische Es-querra Unida i Alternativa, der linksalternativ-trotzkistische Espacio Alternativo und das

Colectivo de Unidad. Die IU versucht so seit ihrer Gründung, ihr pluralistisches Profil zu stärken und sich den neuen, globalisierungskriti-schen und sozialen Bewegungen zu öffnen bzw. als Teil der globa-lisierungskritischen Bewegung Spaniens in den verschiedenen Sozialforen auf regionaler, natio-nalstaatlicher, europäischer und globaler Ebene aktiv zu sein. In einer zweiten Erneuerungswelle ab 2007 gewann die Partei über die Partizipation an den Anti-Austeritätsprotesten im Land, vor allem in Madrid, viele neue Mitglieder hinzu. Die IU gehörte 2004 zu den In-itiatoren für die Gründung der Europäischen Linkspartei (EL) und ist nach wie vor eine der tra-genden Säulen der Linken in Eu-ropa. Nach massiven innerpar-teilichen Auseinandersetzung und herben Wahlniederlagen ab 2006 infolge der Tolerierung der ersten Zapatero-Regierung hat sich die Partei nunmehr konso-lidiert. So werden ihr derzeit bis zu 17 Prozent der Stimmen für die Europawahlen 2014 zuge-schrieben. Möglich sind damit bis zu sechs Europamandate, die sie in die linke Fraktion GUE/NGL einbringen werden. Inhaltlich steht die Partei posi-tiv zur europäischen Integration und hat vor diesem Hintergrund gegen den Lissabonvertrag mo-bilisiert. Die IU kämpft noch im-mer für einen Austritt Spaniens aus der NATO, engagiert sich für eine Ausweitung der Rechte des Europäischen Parlaments, mobilisiert gegen die Politik der Troika in Spanien und Europa und vereint so weite Teile der sozialen Bewegungen in Spani-en. Dominic Heilig

Kommunalfinanzen – Der Koalitionsvertrag auf dem PrüfstandLiest man sich den Koalitions-vertrag genauer durch, so ge-winnt man den Eindruck, die Große Koalition gründe ihre Ar-beit auf dem Prinzip Hoffnung. Hoffnung auf Konjunkturglück. Hoffnung darauf, dass die in Europa schwelende Staatsfi-nanzierungskrise keine massi-ve Auswirkung auf den Haus-halt Deutschlands haben wird. Doch das finanzielle Fundament ist äußerst wacklig, und schon ein kleiner wirtschaftlicher Ab-schwung kann das schwarz-rote Kartenhaus zusammenbrechen lassen. Gegengesteuert wird im Koalitionsvertrag in der Steuer- und Finanzpolitik nicht, auf eine umfassende Steuerreform wird verzichtet.Nicht mehr auf der Agenda steht leider auch ein umfassen-des Konzept zur Stärkung der

Kommunalfinanzen. Die stei-gende Kommunalverschuldung und der Investitionsstau blei-ben absolut unterbelichtet. Im Koalitionsvertrag wird immer-hin erklärt, dass die Gewerbe-steuer beibehalten werden soll. Doch eine Beibehaltung wird sehr viele Kommunen nicht aus ihrer finanziellen Misere füh-ren. DIE LINKE fordert deshalb die Weiterentwicklung der Ge-werbesteuer zur Gemeindewirt-schaftsteuer mit dem Ziel der Einbeziehung aller unternehme-risch Tätigen und die Verbreite-rung der Bemessungsgrundla-ge, um Ungleichbehandlungen zu beseitigen. Gleichzeitig sol-len jedoch die Freibeträge an-gehoben werden, so dass kleine Gewerbebetriebe und Freiberuf-ler steuerlich entlastet werden können. An dieser Stelle wird

deutlich, dass DIE LINKE auch die Partei des Mittelstands und der Selbstständigen ist. Sonsti-ge konkrete Entschuldungshil-fen für Kommunen finden sich im Koalitionsvertrag nicht. Laut Koalitionsvertrag sollen die Kommunen nun im Bereich der Eingliederungshilfe um fünf Mil-liarden Euro jährlich entlastet werden. An anderer Stelle wird allerdings vereinbart, dass die Kommunen stärker in die Struk-turen der Pflege verantwortlich eingebunden werden sollen. Der finanziellen Entlastung ste-hen also erweiterte Aufgaben gegenüber. Hier wird eher von der linken Tasche in die rechte Tasche gewirtschaftet, und in den Kommunen soll wohl auch wieder nur das Prinzip Hoff-nung helfen.Seit Jahren bedarf es einer um-

fassenden Gemeindefinanzre-form, die den Kommunen wie-der Luft zum Atmen und mehr Selbstständigkeit verschafft. Ein weiterer Baustein dafür wäre Abschaffung der Gewer-besteuerumlage an Bund und Länder. Der kommunale Anteil am Gesamtsteueraufkommen muss zugleich höher ausfal-len als die bisherigen 13 Pro-zent. Kommunen müssen zum Beispiel gleichfalls ein ver-bindliches und einklagbares Mitwirkungsrecht im Gesetz-gebungsverfahren des Bun-des erhalten. Und bei weiteren Übertragungen kommunaler Aufgaben durch den Bund muss dieser die finanzielle Verant-wortung tragen. Entsprechend dem Grundsatz: Wer bestellt, zahlt auch.Die Bundesregierung macht die

Rechnung mal wieder ohne den Wirt. Denn wenn man alle Pos-ten addiert, wird die massive strukturelle Unterfinanzierung der öffentlichen Haushalte au-genscheinlich. Entscheidende Zukunftsinvestitionen in den Bereichen Bildung, Forschung, Infrastruktur und sozial-ökolo-gischer Umbau werden weiter-hin vernachlässigt. Im Umkehrschluss verdeutlicht dies erneut: Wir brauchen ein sozial gerechtes Steuersystem, das für eine umsichtige Umver-teilung von oben nach unten sorgt, eine strikte Regulierung der Finanzmärkte, eine Eurokri-senpolitik zum Wohle der Men-schen, besseren Verbraucher- bzw. Versichertenschutz und ganz sicher eine deutliche Stär-kung der Kommunalfinanzen.Susanna Karawanskij

Europäische Linksparteien

Spaniens moderne Linke

Bild: Luis García / Wikimedia Commons /CC BY-SA 3.0

Page 5: Links! Ausgabe 03/2014

03/2014 Sachsens Linke! Seite 1

Vom Europaparteitag berichtet Stefan Hart-mann. Volker Külow gibt einen Überblick zur aktuellen Diskus-sion um ein „Freiheits- und Einheitsdenkmal“ in Leipzig, während Jens Thöricht auf den 13. Februar zurück-blickt.

Ralf Becker erklärt, warum ein Erfolg des BMW-Betriebsrates ei-gentlich aus der Zeit fällt. Die Linksjugend stellt ihre jungen Kan-

didierenden vor, und Si-mone Hock wartet mit einer sinnvollen Emp-fehlung auf.

Dialog für SachsenDiskutieren und Vorschläge einbringen - auf

www.dialog-für-sachsen.de

Sachsens Linke

März 2014

Gute Grundlage für die Europawahlen

Klar pro-europäisch

Mit großer Mehrheit hat der Europaparteitag unserer Par-tei in Hamburg das Programm zur Europawahl verabschiedet. Gerade weil Europäische Po-litik nicht im luftleeren Raum stattfindet, sondern auch den Handlungsrahmen für unse-re Politik im Land und in den Kommunen definiert, ist der Beschluss für mich ein klares Zeichen für notwendige Klar-stellungen: Wir stellen nicht das Konstrukt der Europäi-schen Union in Frage, wir kri-tisieren die herrschende eu-ropäische Politik. Wir wollen nicht das Nationalstaatliche betonen, sondern kämpfen für ein soziales, friedliches und demokratisches Europa. Wir wollen auch keinen Ausstieg aus dem Euro, sondern die Konstruktionsfehler der Euro-zone beseitigen. Ein solidari-sches Europa braucht deshalb auch eine andere Schuldenpo-litik. Wenn wir es mit der Eu-ropäischen Idee ernst meinen – einer Idee von Frieden und gelebter Solidarität –, dann muss auch endlich Schluss sein mit Spardiktaten. Wir brauchen ein Wiederaufbau-programm in den Krisenstaa-ten, damit sie aus der Krise herauswachsen können. Das Ende der Krise wird nur ge-meinsam erreichbar sein. Da-mit hat der Parteitag inhaltlich klargestellt, wofür DIE LINKE in Europa steht. Wir sind und blei-ben eine proeuropäische Par-tei! Ich bin der Überzeugung, dass wir mit diesen Aussagen nun gestärkt in den kommen-den Wahlkampf gehen können. Ab sofort kämpfen wir wieder für starke Ergebnisse am 25. Mai und für eine starke LINKE – hier und in Europa.

Das dritte Februarwochenen-de stand für DIE LINKE ganz im Zeichen der Vorbereitung der Europawahlen im Mai dieses Jahres. Genossen und Genos-sinnen aus allen Bundeslän-dern trafen sich zur Diskussi-on des Europawahlprogramms und zur Wahl unserer Liste für die Europawahlen. Wie inzwi-schen uns allen wohl vertraut, orakelten im Vorfeld des Par-teitages eine ganze Reihe von Zeitungen über „tiefe Risse“ oder gar Spaltungen in der LIN-KEN. Und wie so oft traten ge-nau diese Vorhersagen NICHT ein. Im Gesamtergebnis muss festgehalten werden, dass DIE LINKE sehr erfolgreich ih-re innerparteiliche Vielfalt in ein gutes Programm und eine kompetente KandidatInnenlis-te übertragen hat. Auf dieser Grundlage ist ein engagierter und erfolgreicher Europawahl-kampf im Mai möglich!Dieser insgesamt große Erfolg des Parteitagswochenendes beruhte auf intensiver Vorar-beit. Beispielsweise lagen für den Entwurf des Europawahl-programms nahezu 400 Än-derungsanträge vor. Der Par-teivorstand bearbeitete durch Übernahme zahlreicher guter Ideen so viele davon, dass nur

noch ca. 80 Änderungsanträge für den Parteitag zu beschlie-ßen blieben. Für die Öffentlich-keit interessanter war jedoch die Debatte über die Präam-bel, also das Vorwort, des Bun-deswahlprogramms. Hier gab sehr viele und sehr umfang-reiche Änderungsanträge zum Vorschlag des Parteivorstan-des, unter anderem einen von ca. 150 GenossInnen aus vie-len Landesverbänden und ei-nen vom Landesvorstand Hes-sen. Im Kern ging es in dieser Auseinandersetzung darum, in welcher Form und Intensi-tät die Europäische Union kriti-siert wird. Der schließlich vom Parteivorstand vorgeschlage-ne Kompromiss entschied sich für eine dialektische Kritik. Oh-ne die Errungenschaften der EU zu ignorieren, werden poli-tische Fehlentwicklungen kon-sequent kritisiert. Zugleich aber macht DIE LINKE prakti-sche Vorschläge, wie Europa besser geht: sozialer, friedli-cher und demokratischer. Am Ende stimmte eine übergroße Mehrheit der Delegierten dem Programm zu, nur sehr wenige Gegenstimmen und Enthaltun-gen blieben nach gründlicher Debatte übrig. Es zeigt sich, dass der Weg der LINKEN zu

guten Programmen auch in Zu-kunft von intensiven Diskussio-nen gekennzeichnet sein wird. Das steht uns sehr gut zu Ge-sicht! Auch die Wahl zur Europaliste stand im Zeichen interessanter inhaltlicher Vorschläge, Ideen und Konzepte. Die neue Spit-zenkandidatin, Gabi Zimmer aus Thüringen, ist vielen von uns als langjährige Landes-vorsitzende in Thüringen und als Parteivorsitzende der PDS bekannt. Auf Platz zwei wurde der Mitbegründer der WASG und Gewerkschafter Thomas Händel aus Bayern gewählt. Dass sich insbesondere Ri-co Gebhardt aus Sachsen und Dietmar Bartsch aus Mecklen-burg-Vorpommern für Thomas Händel einsetzten, zeigt, dass die Geschichten von einer Ost-West-Spaltung längst der Ver-gangenheit angehören. Jedoch ist es in der LINKEN inzwischen üblich, den SpitzenkandidatIn-nen nicht ganz so gute Ergeb-nisse mitzugeben. Nur 75 % für Gabi Zimmer sind zwar ei-ne sehr klare Mehrheit, offen-sichtlich jedoch war es einem Viertel der Delegierten wich-tig, an dieser Stelle nicht Ge-schlossenheit, sondern eine politische Symbolhandlung zu

bevorzugen. Das ist selbstver-ständlich legitim. Ob es klug, angemessen oder geschickt ist, steht auf einem anderen Blatt, und Delegiertenschelte ist auch nicht notwendig.Conny Ernst aus Sachsen, un-sere langjährige Landesvor-sitzende, bekam mit fast 84 % auf Platz drei das beste Ergeb-nis dieses Wochenendes. Eine gute Sache und auch eine An-erkennung der guten Arbeit, die Conny und unser Landes-verband geleistet haben. Auch Keith Barlow aus Sachsen wurde auf einen guten zwölf-ten Listenplatz gewählt. Con-ny und Keith gilt unser Glück-wunsch!Bei über zwanzig Kandidaturen für die ersten zehn Plätze ist es klar, dass einige GenossInnen nicht gewählt wurden und viel-leicht sogar Verletzungen ent-standen sind. Aber das lässt sich nicht verhindern. Da DIE LINKE jedoch eine Programm-partei ist, können wir sicher sein, dass alle wichtigen linken Themen programmatisch auf-genommen sind und dies eben nicht an einzelnen Personen hängt! Die Grundlagen für ei-nen erfolgreichen Europawahl-kampf sind gelegt. Stefan Hartmann

Page 6: Links! Ausgabe 03/2014

Sachsens Linke! 03/2014 Seite 2

Meinungen

Glosse

ImpressumSachsens Linke! Die Zeitung der Linken in Sachsen

Herausgeberin: DIE LINKE. SachsenVerleger: Verein Linke Kultur

und Bildung in Sachsen e.V., Kleiststraße 10a,01129 Dresden

Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wie-der. Die Redaktion behält sich das Recht auf sinnwahrende Kür-zungen vor. Termine der Redakti-

onssitzungen bitte erfragen.Die Papierausgabe wird in der Lausitzer Rundschau Druckerei GmbH in Cottbus in einer Auf-lage von 15.150 Exp. gedruckt.

Der Redaktion gehören an: Ute Gelfert, Jayne-Ann Igel, Rico Schubert, Antje Feiks (V.i.S.d.P.), Andreas Haupt,

Ralf Richter, Stathis Soudias.Bildnachweise, wenn nicht gesondert vermerkt:

Archiv, iStockphoto, pixelio.Kontakt:

[email protected]

Tel. 0351-8532725

Fax. 0351-8532720Redaktionsschluss 25.02.2014

Die nächste Ausgabe erscheint am 31.03.2014.

Die Diäten steigen wiederDie Bündnisgrünen und unse-re Partei haben gemeinsam die Erhöhung der Abgeordneten-bezüge abgelehnt. Ich denke, diese Entscheidung hat unsere Hochachtung verdient. Danke den Abgeordneten, die bei ih-rer Entscheidung auch an die vielen Probleme der arbeiten-den Menschen gedacht haben. Billiglöhner, Leiharbeiter, Zeit-arbeiter – egal, wie man heu-te die Arbeit dieser benachtei-ligten Menschen nennen will: Die aufgekommene Diskussi-on zeigte eine breite Empörung in der Bevölkerung. Meine Fra-ge: Kennen die Christdemo-kraten nicht das Leben der be-nachteiligten Menschen? Ich musste mich in meinem Leben für manche unschöne Haltung entschuldigen, weil ich mich schämte. Schamgefühl kennt man wohl in der heutigen Poli-tik nicht? Von christlicher Po-litik hatte ich eigentlich etwas mehr erwartet! Dass die SPD hier gleich für die Füllung der ei-genen Tasche mitgespielt hat, konnte man erwarten. In bin im Ruhrgebiet aufgewachsen, und aus meiner Jugend habe ich klar in Erinnerung behalten: Die SPD ist unsere Partei, die Par-tei der Arbeiter! Ob diese da-malige Aussage heute noch Be-stand hat? Ich glaube es nicht. Viele Menschen im Ruhrgebiet mussten „nachlernen“! Diese öffentlich gewordene „kleine Gehaltserhöhung“ sollte in Ost und West zum Nachdenken und dann auch zum Handeln zwin-gen. Wenn wir als kleine Bürger nicht immer Benachteiligte blei-ben wollen, dann muss endlich den Abzockern die starke Hand

der Arbeiter gezeigt werden.Gerhard Masuch, Leipzig

Zu „Opportunismus pur“ von Raimon Brete (SachsensLin-ke 01/02 2014, S. 2)Wäre man den Verbrechern des 3. Reiches vor Abschluss ihrer Aufrüstung militärisch recht-zeitig in den Arm gefallen, hät-te es den Zivilisationsbruch der Shoa und die millionenfache Tö-tung wehrloser Russen und Po-len nicht gegeben. An dieser Erkenntnis kommt man nicht vorbei. Es ist daher zumindest politische Unbeweglichkeit, die mutige Nachdenklichkeit von Gysi und Liebich als unver-fälschte Prinzipienlosigkeit zu deuten. Ein Parteiprogramm ist kein Dogma – und eine wie auch immer geartete reine Leh-re führt immer in Sackgassen und sektiererische Abseitspo-sitionen mit weitestgehender Aufgabe jeglicher gestalteri-scher Handlungsoptionen. Wie auch eine individuelle Ableh-nung der objektiven Realität zu identischen Resultaten führt. Ich glaube auch nicht, dass der verwendete unsympathische und zweifelsfrei negativ besetz-te Begriff des „sog. Lostretens“ in irgendeiner Weise unsere Partei voranbringt und der Auf-lösung dieses Diskurses im Sin-ne unserer Partei dienlich ist. Wolfgang Schumann, Chemnitz

Selbstanzeige als Reue?Ha, wer das glaubt, zieht sich wohl die Hose mit der Kneifzan-ge an. Jahrelang haben sie Steu-ern hinterzogen, das ist ein pro-fessionelles Steuerspar- und damit Einkommensmaximie-rungsmodell gewesen. Das hat

betriebswirtschaftliches Den-ken zur Grundlage: Alles, was der Staat nicht kriegt, bleibt bei mir, als Unternehmer oder An-leger. Das ist ein Habitus, eine soziale Rolle, ein gesellschaft-licher Status mit entsprechen-dem Statusdenken und -han-deln. Es ist wirtschaftsethisch genau so einzuordnen wie Be-stechung, die als Betriebsaus-gaben Steuern schmälert. Ja, gesellschaftlich wurde es erst unlängst anrüchig. Jahrzehnte-lang war es betriebswirtschaft-liche Normalität. Und da wun-dert man sich, wenn solche Art „Unternehmer“ mit ihrem exor-bitanten Einkommen dann auch massiv nach „Steuersparmo-dellen“ suchen? Wo Machtden-ken die eigenen Grenzen ver-gessen macht, geht man über gesetzliche Grenzen hinaus. Und man blieb ja auch unent-deckt und straffrei – wie clever man doch sei!Nun drohen, durch entspre-chende Regelungen im Banken-sektor, massiv Entdeckungs-gefahr und Strafverfolgung. Was also ist zur Optimierung des „Steuersparmodells“ zu tun? Der Staat gab doch selber den Wink, um nicht strafverfol-gen zu müssen: Selbstanzeige, reuigen Sünder spielen, zah-len. Es ist bloß taktisches Kal-kül. Sonst wird es noch teurer, auch Gefängnis wäre möglich. Alles gut? Ja, aber nur, wenn wahrheitsgemäße Angaben gemacht und Nachzahlungen plus Aufschlag geleistet wer-den. Alice Schwarzer hat diese Kurve gekriegt, nur der öffentli-che Rufmord folgt ihr noch. Uli Hoeneß wird sie noch kriegen, durch Richterspruch. Bei ihm sind die Summen aber auch ganz andere.Es ist richtig, Steuerhinterzie-her muss man nicht einsperren. Da sie das Geld so lieben, sollte

man sie aber dort treffen: Ver-dopplung der Steuerschuld oh-ne Wenn und Aber. Und im Wie-derholungsfall oder bei einer Falschangabe der Hinterzie-hungsbeträge muss man, um Schaden von der Allgemeinheit fürderhin abzuwenden, – ent-eignen. Denn sie haben ja gera-de bewiesen, dass sie renitent die Allgemeinheit schädigen wollen, indem sie rechtswidrig dem Staate Steuern hinterzie-hen. Schließlich bleibt jedem der pfändungsfreie, Würde si-chernde Grundbetrag zum Le-ben, wie wir ja täglich an Hartz IV und Grundsicherung im Alter sehen.Und ein bisschen sollte man an den Ladendieb denken: „Wir bringen jeden Diebstahl zur Anzeige“. Karl Marx schrieb in seiner „Kritik des Gothaer Pro-gramms“: „Das Recht kann nie höher sein als die ökonomische Gestaltung und dadurch be-dingte Kulturentwicklung der Gesellschaft.“ Dem ist eigent-lich nichts hinzuzufügen, man muss nur richtig hinsehen und verstehen können!Ralf Becker

Zu „Ein eigenständiges An-gebot für den Wechsel un-terbreiten“ (Sachsens Linke! 1-2/2014, S. 3) Linke Regierungen in Latein-amerika, z.B. in Venezuela, Bo-livien, Ecuador, zeigen, dass sie erfolgreich sein können, wenn sie von einer breiten sozialen Bewegung getragen werden. Wenn dies aber fehlt, kann ei-ne linke Regierung bestenfalls einige kleine Verbesserungen durchsetzen, muss aber haupt-sächlich im Interesse der wirt-schaftlich Mächtigen handeln, schon allein aus wirtschaftli-chen Gründen. Hinzu kommt der öffentliche Druck. Dadurch verliert sie viele AnhängerInnen

in der Bevölkerung. Das haben auch wir LINKEN in verschie-denen Bundesländern erfahren müssen. Wer also wirklich eine Wechselstimmung zum Wohle der Bevölkerung und der LIN-KEN erreichen will, sollte nicht über Regierungskoalitionen spekulieren, sondern zuerst die sozialen Bewegungen (z. B. attac, Bündnis UmFAIRteilen, Dresden Nazifrei und viele wei-tere) und die Zusammenarbeit mit ihnen stärken. Rita Kring, Dresden

Zu „Lanz, Waschmittelwer-bung, Rundfunkgebühren“ (Sachsens Linke! 1-2/2014, S. 4) Es geht nicht nur um den Rund-funkbeitrag. Die Bereitschaft, den Rundfunkbeitrag zu bezah-len, würde wachsen, wenn die Bevölkerung stärker über die Programminhalte mitbestim-men könnte. Deshalb gibt es neben der erwähnten Petition verschiedene entsprechende Initiativen (in zeitlicher Reihen-folge u.a. http://publikums-rat.de/, http://publikumsrat.blogspot.de/, http://forum.publikumsrat.org/). Bei stärke-rer demokratischer Mitbestim-mung in den öffentlich-rechtli-chen Medien können auch die erwähnten Angriffe von Rechts zugunsten der Privatmedien besser abgewehrt werden. Ne-ben dieser Demokratisierung ist auch eine stärkere Förde-rung der freien Radios (http://www.freie-radios.net / http://freie-radios.de/, in Sachsen: Radio T in Chemnitz, coloRadio in Dresden und Radio Blau in Leipzig) und ähnlicher Medien in unmittelbarer Bevölkerungs-kontrolle wünschenswert. So könnten Medien stärker im In-teresse der Bevölkerung statt in dem der Herrschenden arbei-ten. Uwe Schnabel, Coswig

„Herr Krauß ist nun also wieder geweckt geworden. Offensicht-lich fangen selbst Nachtmützen vor Wahlen an zu blinzeln. Aller-dings ist es nun so spät, dass viele Hebammen die Geburts-hilfe bereits aufgegeben haben. Vor drei Jahren waren jedenfalls die Chancen zur Erhaltung eines flächendeckenden Netzes der Geburtshilfe mit Wahlmöglich-keiten für die werdenden Mütter noch weitaus besser“. Original-ton Kerstin Lauterbach, gesund-heitspolitische Sprecherin der Landtagsfraktion.

Wem sich diese Nachricht nicht sofort erschließt, dem sei ge-sagt: Wenn es nach CDU und FDP geht, muss die Volksge-sundheit eine Ware werden, sie muss privatisiert werden. Jedoch nicht für die kleine da-hergelaufene Hebamme, son-dern zugunsten der großen Konzerne. So wie der Strom, die (Tele-)Kommunikation, der Sprit, Lebensmittelvertrieb und -verkauf; so wie so vieles in die-sem Land. Wozu brauchen wir Auswahl, wenn wir Mono- und Oligopole haben?

Doch, es wäre tröstlich, würden die „bürgerlichen“ Parteien nur die Gesundheit zur handelbaren Ware zweckentfremden. Die Regierungskoalition will offen-sichtlich noch viel weiter gehen. Nachdem sie vor Jahren Leh-rerinnen und Lehrer erpresste und ihre Gehälter gekürzt hat, beklagt sie heuchlerisch, dass das Land zu wenige Lehrer hat. Mittelfristiges Ziel: die Privatisie-rung der Bildung. Und so kürzt sie weiterhin, diesmal an der universitären Bildung, erst die Außenstelle der Architektur im

Vogtland, nun in der Universität Leipzig, wo bald wohl mehrere Fakultäten geschlossen werden sollen/müssen; und munter so weiter. Dabei ist es sehr hilf-reich, dass in vielen Gemeinden in Sachsen der Investitions- und Sanierungsstau der Schulen mehrere hundert Millionen Euro beträgt. „Die Kommunen sind dafür zuständig“, wird gerufen. Und wo sollen die Kommunen das Geld hernehmen, wenn nicht stehlen? Und, was nun wirklich auch die Ungläubigen überzeugen muss: Die Partei

von „law and order“, also „Recht und Ordnung“ kürzt bei der Po-lizei. Außer am 13. Februar. Da rücken Hundertschaften aus dem ganzen Bundesgebiet an, um die Nazis zu schützen. Nazis, die es nach König Kurt in Sach-sen gar nicht gibt. Um ein Haus zu bauen, beginnt man mit dem ersten Stein. Um einen Krieg anzufangen, braucht man den ersten Schuss. Um die Gesundheit zu privatisieren, ent-ledigt man sich der Hebamme. Der Kreis schließt sich.Stathis Soudias

Nachtmützen vor Wahlen

Page 7: Links! Ausgabe 03/2014

03/2014 Sachsens Linke! Seite 3

Es ist gelungen. Am 69. Jahres-tag der Bombardierung Dres-dens konnten Geschichtsre-

visionisten und Vertreter der Ideologie der Ungleichwer-tigkeit in Dresden keine koor-dinierte Aktion durchführen. Dank vieler Menschen, die aktiv

in der Stadt unterwegs waren, gab es keine Demonstrationen und auch keine Kundgebung

der Nazis. Somit ist der 13. Fe-bruar 2014 ein guter Tag für das Bündnis „Dresden Nazifrei“ ge-wesen. Rico Gebhardt, Vorsitzender

der LINKEN. Sachsen zu die-sem Tag: Es war eine Nieder-lage für die Nazis, die erstmals

seit vielen Jahren am 13. Febru-ar in der sächsischen Landes-hauptstadt in überhaupt keiner größeren Gruppenformation in Erscheinung getreten sind.

Dies ist ein großer Erfolg für die Zivilgesellschaft, insbeson-dere für das Bündnis „Dresden Nazifrei“, das den Nazi-Spuk von den Straßen Dresdens ver-drängt hat.Gegen 15 Uhr setzte sich der Täterspurenmahngang mit über 2.500 Teilnehmerinnen und Teilnehmern in Bewegung. Der Sänger der „Prinzen“ Sebastian Krumbiegel erinnerte mit sei-ner Rede am Schützenplatz an einen Überfall auf das Gewerk-schaftshaus im Jahr 1933 durch die SA. Lothar König, Jugend-pfarrer aus Jena, sagte: „Na-zis haben hier faktisch keinen Platz mehr“. Vor einer Erleichte-rung darüber warnte die Vorsit-zende der jüdischen Gemeinde in Dresden, Nora Goldenbogen. Mehrere tausende Menschen sorgten bis zum Abend dafür, dass Nazis sich nicht versam-meln konnten. Silvio Lang, Sprecher von

„Dresden Nazifrei“ kritisier-te, dass sich einzelne Nazis in die Menschenkette einreihen konnten. Die Ordner hatten die Anweisung, nichts dagegen zu unternehmen. Damit verliert die Menschenkette, die ohne-hin nur eine symbolische Akti-on ist, ihre Wirkung. Eingetrübt ist die Freude darü-ber, dass die Nazis am 13. Fe-bruar nichts zustande bekom-men haben, durch die Tatsache, dass am Vortag etwa 350 Nazis durch Dresden marschieren konnten. Zwar gab es Blocka-den, die konnten jedoch von der Polizei geräumt werden. Dennoch: Der 13. Februar in Dresden gehört nicht mehr den Nazis. Und dies war und ist das erklärte Ziel des Bündnisses „Dresden Nazifrei“.Jens ThörichtSprecher der LAG antifaschisti-sche Politik in und bei der LIN-KEN. Sachsen

Dresden – der 13. Februar gehört nicht mehr den Nazis

Nach Robert Musil ist „das Auf-fallendste an Denkmälern …, dass man sie nicht bemerkt“. Nicht so in Leipzig, und Ober-bürgermeister Burkhard Jung (SPD) kann davon nur träumen. An der Pleiße werden Denkmä-ler wahrgenommen und dis-kutiert, bevor sie überhaupt Gestalt annehmen. Prominen-testes historisches Beispiel ist das Völkerschlachtdenkmal, von der Idee über die Finanzie-rung bis zur Vollendung nach einhundert Jahren ein Werk der Leipziger Bürgerschaft, eben-so wie die partielle Restaurie-rung des Denkmalkomplexes anno 2013, die ohne das En-gagement und den Druck der Leipziger Bürger nicht zustan-de gekommen wäre. Worum geht es nun beim zwei-ten Freiheits- und Einheits-denkmal dieser Stadt? Zu-nächst zur Geschichte. Das Leipziger Denkmal-Trauer-spiel beginnt am 9. November 2007 mit einem Misston aus dem Bundestag, mit dem Be-schluss zum Bau eines Frei-heits- und Einheitsdenkmals in Berlin. Zum allgemeinen Er-staunen wird die seinerzeit hochgerühmte „Heldenstadt“ Leipzig, der entscheidende Ausgangs- und Kulminations-punkt der friedlichen Revolu-tion, in der Denkmalvergabe übersehen. Erst ein ganzes Jahr später, am 4. Dezember 2008, fordert der Bundestag nach Leipziger Intervention die Bun-desregierung im Nachgang auf, „gemeinsam mit dem Land Sachsen und der Stadt Leip-zig den Beitrag der Bürgerin-nen und Bürger dieser Stadt zur Friedlichen Revolution auf angemessene und sichtbare

Weise zu würdigen“. Das damit verbundene zweitrangige „Ju-niordenkmal“, mit dem Ursa-che und Wirkung der Ereignisse 1989/1990 vertauscht wer-den, ist dem Bund die stolze Summe von fünf Millionen Euro

wert. Der Sächsische Landtag kündigt im Juni 2010 zögerlich an, weitere 1,5 Millionen Euro für das Denkmal bereitzustel-len. Die Reaktion der Leipzi-ger auf die Denkmalschenkung war von Anfang an verheerend: TED-Umfragen zeigen bis zum heutigen Tage konstant die gleiche Tendenz einer mehr-heitlichen Ablehnung. Am 27. Mai 2010 konstituier-te sich ein das Denkmalpro-jekt begleitendes Gremium des neuen Leipziger Stadtra-tes. Mit der Entscheidung der

Denkmal-Jury durfte das Leip-ziger Publikum im Neuen Rat-haus zwischen verschiedenen Entwürfe mit den drei Erst-platzierten: 1. Platz- „70.000“, 2. Platz: „Eine Stiftung für die Zukunft“, 3. Platz: „Herbstgar-

ten“, lustwandeln. Das Ergeb-nis war erneut katastrophal. Dem Betrachter fiel sofort ins Auge, dass zwar für eine Jahr-hundert-Brache – den Wil-helm-Leuschner-Platz – ak-zeptable Gestaltungsvarianten vorlagen, denen aber etwas Schrebergärtnerisches an-haftete. Eine Art Einheits- und Freiheits -Schreberanlage, hoffnungslos von dem in Aus-sicht gestellten „großen Wurf“ entfernt, denn bereits der Standort hatte keinerlei Bezug zum Jahre 1989. Ein Denkmal

dieser Art bedarf jedoch des authentischen Gedenkortes, ohne historischen Bezug ver-wandelt es sich in eine Disney-land-Präsentation. Im feinen Unterschied zur friedlichen Revolution von

1989/1990 will es bis heu-te nicht gelingen, das diesem epochalen Ereignis gewidme-te Denkmal auf einvernehm-lich-„friedliche“ Weise zu ge-stalten. Der bisherige Verlauf demonstriert eigentlich nur, wie ein Denkmal nicht auf den Weg zu bringen ist. Leipzig will eben kein verordnetes Staats-denkmal. Das ist der gravieren-de Unterschied zu Berlin. Der Verfahrensweise der Adminis-tration in der Denkmalfrage mangelt es sichtlich am Ver-ständnis des Herbstes 1989

„Wir sind das Volk“. Die bis-her praktizierte Denkmalge-staltung nach der Art „ihr wart das Volk – der Mohr hat seine Schuldigkeit getan“ wird we-nig Aussicht auf Erfolg haben und Leipzig bleibt mit seiner demonstrativen Verweigerung à la Heinrich Heine „das Volk, der große Lümmel“. Wenn die Stadt dem Denkmal überhaupt eine Chance geben will, dann bleibt nur ein Lö-sungsweg: Demokratisierung des Verfahrens, Transparenz, Öffentlichkeit. Falls dieses Pro-blem von Oberbürgermeister Burkhard Jung erkannt wer-den sollte, dann wird als ers-tes die Frage des Denkmals an sich, also des „OB“ überhaupt, zu klären sein. Wünschen die Leipzigerinnen und Leipziger das Denkmal tatsächlich? Die-se Frage kann nur auf dem We-ge eines demokratischen Bür-gerentscheids beantwortet werden, den der Stadtrat um-gehend beschließen möge. Diese Abstimmung hatte DIE LINKE bereits im Dezember 2012 gefordert. Wir sehen un-sere Haltung durch das bisheri-ge Denkmalgeschehen bestä-tigt und werden die Forderung nach diesem Bürgerentscheid nun erneut in den Stadtrat ein-bringen. Die schlichte Frage-stellung lautet: „Sind Sie da-für, dass in der Stadt Leipzig ein aus Bundes- und Landes-mitteln finanziertes Einheits- und Freiheitsdenkmal errichtet wird?“ Der eingangs zitierte Robert Musil sagt an anderer Stelle: „Es gibt nichts auf der Welt, was so unsichtbar wäre wie Denkmäler“. Leipzig ist anders.Volker Külow

Leipzigs neues Denkmal

Bild: Ralf Becker

„Montagsdemonstration“ in Leipzig, 23.10.1989. Bild: Bundesarchiv, Bild 183-1989-1023-022 / Friedrich Gahlbeck / CC-BY-SA 3.0

Page 8: Links! Ausgabe 03/2014

Sachsens Linke! 03/2014 Seite 4

Das war ja mal wieder eine Nachricht: Bei BMW hat man sich mit dem Betriebsrat da-rauf geeinigt, dass den Mitar-beitern ein „Recht auf Uner-reichbarkeit“ zustehe. Das ist weder ein Witz, noch wäre es nur tragisch, es ist schlicht ein Ausdruck neoliberaler Denk-weisen, die ins 19. Jahrhun-dert zurück wollten. Moderne Technik machte es möglich: Nicht mehr nur Bereitschafts-dienst und Erreichbarkeit zu Hause, nein, nun konnte man auch zu Hause arbeiten. Aber der Chef musste einen na-türlich erreichen, online, per Handy, wie auch immer. Dann kamen auch die Flexibilisie-rung der Arbeitszeit und ihre schleichende Verlängerung. Von der 35-Stunden-Woche der 1980er Jahre redet heu-te schon keiner mehr. Und in speziellen Berufen, nament-lich in fragilen Absatz- und Exportbereichen, muss man eben arbeiten wie der Umsatz „atmet“. Freizeit, Familienpla-nung, Zeit für die Kinder, El-tern besuchen oder gar pfle-gen, was ist das, wozu? Das Unternehmen braucht so et-was nicht. Es braucht den flexiblen, allzeit verfügbaren „Arbeitnehmer“ (LINKE soll-ten dabei bleiben, „abhän-gig Beschäftigte“ zu sagen.). Dem diente die Agenda 2010 mit ihren „Arbeitsmarktre-formen“. Seither gibt es eine wachsende Horde prekär Be-schäftigter wie Leiharbeiter, Pauschalkräfte auf 400-Euro-

Basis usw., Arbeitsnomaden eben. Kernmerkmal ist ihre to-tale zeitliche Verfügbarkeit für Unternehmen. Ja, die Arbeits-kraft ist eben bloß ein „Pro-duktionsfaktor“ wie die Ma-schinen und Anlagen, und in der betriebswirtschaftlichen Rechnung nur ein Kostenfak-

tor. Das war schon im 19. Jahr-hundert so. Doch konnte der Unternehmer seine totale Di-rektionsmacht über die Tätig-keit und Zeit seiner abhängig Beschäftigten nur in der Ar-beitszeit innerhalb der Fabrik

ausüben. Der Arbeitstag hat-te damals 14-16 Stunden! Das ist auch heute wieder der Fall, nur nicht so sichtbar und so stark reglementiert als Zeit-periode in der Fabrik. Viel-mehr wird heute auch über Projektverträge schon ganz auf Arbeitszeitregelungen

verzichtet. Dabei sind dann die beschriebenen Arbeits-aufgaben so bestimmt, dass ein regelmäßiger normaler Ar-beitstag gar nicht für ihre Er-füllung/Erledigung ausreicht. Da wird dann mit Besprechun-

gen, persönlichen Zielstellun-gen gearbeitet, was nichts anderes ist als eine Psycho-logisierung und Individuali-sierung, eine Internalisierung der Unternehmens(gewinn/profit)ziele bei den Beschäf-tigten. Die äußere Fremd-ausbeutung, die Karl Marx

noch analysierte, wird so zur Selbstausbeutung der Be-schäftigten. Das ist Manipula-tion, Konditionierung! Aldous Huxleys „schöne neue Welt“ lässt grüßen.Was also der BMW-Betriebs-

rat da erstritten hat, ist leider nur etwas schon in der zwei-ten Hälfte des 20. Jahrhun-derts zur Normalität Gewor-denes, das verloren ging und neu erstritten werden muss-te. Technisch gibt es Fort-schritt in der Wirtschaft, geis-tig-kulturell aber sind wir im Rückschritt. Der Einfluss der Wirtschaft reicht in Ideologie und öffentliche Meinung, so dass auch hier derartige „roll backs“ zunehmend auf Ak-zeptanz stoßen. Das zeigt die Unaufgeregtheit, mit der ei-ne solche Nachricht quittiert wird.Kein Wunder, denn das wis-senschaftliche Fundament für die Erklärung solcher Ent-wicklungen ist ja auch den „LINKEN“ weitgehend verlo-ren gegangen. Was sich aber hier manifestiert, ist eben je-ner zwanghafte Trend zur Ge-winnmaximierung bei (!) ten-denziellem Fall der Profitrate durch Produktivitätssteige-rung (für Karl Marx war das ein „gesetzmäßiger“ Zusam-menhang). Umverteilung wird notwendig, weil eben die wirkliche wirtschaftliche Wertschöpfung die erwarte-ten Renditen, vor allem in sog. geschlossenen Angebots-märkten, nicht bringen kann. Also muss die Intensivierung der Arbeit her, das heißt die Verdichtung und Verlänge-rung der Arbeitszeit. Genau das ist das tiefere Wesen der sogenannten Flexibility. Ralf Becker

Nach § 22 Abs. 1 SGB II wer-den Kosten für Unterkunft und Heizung (KdU) für Emp-fänger von Arbeitslosengeld II übernommen, unter der Voraussetzung, dass diese Kosten angemessen sind. Die Entscheidung darüber, was als angemessen gilt, hat der Bundesgesetzgeber seit dem Inkrafttreten des SGB II im Jahr 2005 den zustän-digen Behörden auf kom-munaler Ebene und den So-zialgerichten überlassen. Ähnliches gilt für die Rege-lungen zur Sozialhilfe im SBG XII und für die Bezieher von Grundsicherung im Alter, de-ren Zahl in den nächsten Jah-ren ansteigen wird. Das Bun-dessozialgericht hat in einer Reihe von Entscheidungen für etwas mehr Klarheit ge-sorgt. So hat den Richtwer-ten ein schlüssiges Konzept zur Bestimmung der ange-messenen Kosten zugrunde zu liegen.Im Landkreis Zwickau wurde

im letzten Jahr weitgehend unter Ausschluss der Öffent-lichkeit ein neues schlüssi-ges Konzept erarbeitet, neue Richtwerte für die Angemes-senheit der Kosten der Un-terkunft wurden festgelegt. Der zuständige Ausschuss des Kreistages wurde ledig-lich über die Erarbeitung in-formiert, der Kreistag mit dem Thema gar nicht be-fasst. Dabei stellen die Sächsische Landkreisord-nung (LKO) und die Sächsi-sche Gemeindeordnung (Ge-mO) klar: Die Hauptorgane der Kreise und Städte sind deren Kreis- und Stadträte. Logischerweise müssten die wichtigsten Vorschriften für eine rechtskonforme Umset-zung der KdU-Paragraphen im SGB II – die KdU-Ange-messenheitswerte gehören zweifelsohne dazu – von den gewählten Volksvertretern beschlossen werden. Die meisten Kreise handhaben das bisher auch so. Aller-

dings gibt es keine Rechts-vorschrift, die die Zustän-digkeiten exakt regelt, selbst im Sächsischen Gesetz zur Ausführung des Sozialge-setzbuches finden wir dazu keine Aussage.Orientieren wir uns weiter an Landkreis- und Gemeinde-ordnung. In § 24 der Land-kreisordnung ist zu lesen: „(1) Der Kreistag legt die Grundsätze für die Verwal-tung des Landkreises fest und entscheidet über alle Angelegenheiten des Land-kreises [...] (2) Der Kreistag überwacht die Ausführung seiner Beschlüsse und sorgt beim Auftreten von Miss-ständen in der Kreisverwal-tung für deren Beseitigung durch den Landrat“. Die Ge-meindeordnung legt fast wörtlich Entsprechendes für die Stadträte fest. Die Bestimmung der ange-messenen Höhe der KdU zählt mit Sicherheit zu den „Angelegenheiten des Land-

kreises“, müsste also zur Entscheidungsbefugnis der Räte gehören. Zudem wurde die Fehlerhaftigkeit bisheri-ger KdU-Angemessenheits-werte in vielen Gerichts-urteilen festgestellt, hier liegen also sogar Missstän-de vor, für deren Beseitigung die Räte sorgen müssten. Das bedeutet: Die Räte sind in die Entscheidungsprozes-se einzubeziehen. Sie müs-sen kontrollieren, ob in den Verwaltungsvorlagen die re-levanten Rechtsvorschriften umgesetzt wurden, allen vo-ran die Forderung nach ei-nem schlüssigen Konzept ge-mäß den Festlegungen des Bundessozialgerichtes vom 22.9.2009 (B4 AS 18/09 R).Besonders die Linksfraktio-nen in den Räten der Land-kreise und der kreisfreien Städte sollten diese Aufga-be als wichtigen politischen Auftrag annehmen: Hier ist es möglich, auch als Minder-heitsfraktion, Änderungen

durchzusetzen und damit wirksame Politik zum Wohl der betroffenen Bürgerinnen und Bürger zu praktizieren. Das setzt voraus, dass linke Räte von Kreisen und kreis-freien Städten durchsetzen, dass die Mietwerterhebun-gen zur Ermittlung der KdU-Angemessenheitskosten in der Kompetenz der Räte blei-ben bzw. Behandlung und Beschlussfassung den Rä-ten übertragen werden. Ei-ne fundierte Erarbeitung der Angemessenheitswerte für die KdU war und ist auch not-wendig, um unnötige Ausei-nandersetzungen vor Sozi-algerichten zu vermeiden – erstens im Interesse der Betroffenen und zweitens im Interesse der knappen öf-fentlichen Mittel, denn jeder Prozess vor einem Sozialge-richt bindet personelle Kräf-te im Jobcenter und verur-sacht Kosten.Sandro Tröger, Dr. Dorothea Wolff

Maßstäbe des 19. Jahrhunderts

Dauerbrenner: Angemessene Kosten der Unterkunft

Fertigungslinie bei Ford, 1913: Anfänge der Fließbandproduktion unter harten Bedingungen. Hat sich daran etwas geändert?

Page 9: Links! Ausgabe 03/2014

Kommunal-Info 2-2014

Klimaschutz 2014Richtlinie des BMU zum kommunalen Klimaschutz

Seite 2

Kommunale Anstalt Anhörung im Landtag zu einem Gesetzentwurf zur AöR

Seite 3

StraßenbrückenAktuelle Studie des Difu zum Zustand der Brücken

Seite 4

KrankenhäuserLandkreistag will kommunale Beihilfen erhalten

Seite 4

K o m m u n a l p o l i t i s c h e s F o r u m S a c h s e n e . V .K F S

Online-Ausgabe unter www.kommunalforum-sachsen.de

15. Februar 2014

Hochwasserschutz ausbauenKaum waren die Schäden beseitigt,

die das „Jahrhunderthochwasser“ von 2002 gebracht hatte, kam nach reich-lich einem Jahrzehnt die nächste Flut-katastrophe. Zur Zeit sind immer noch Klagen zu hören, dass die Flutgelder für 2013 teilweise nur schleppend zu den Geschädigten gelangen.

Hochwasserschutz und Überflu-tungssicherheit sind deshalb Themen, die für die Entwicklung in den Städten und Gemeinden an Bedeutung gewon-nen haben und mit dem Klimawandel immer wichtiger werden. Deshalb be-fassen sich Fachgremien und Verbän-de seit geraumer Zeit stärker mit die-ser Thematik. So hat z.B. kürzlich das Dresdener Institut für ökologische Raumentwicklung einen Workshop zum Thema „Mit der wassersensiblen Stadtentwicklung fit für den Klima-wandel“ für kommunale Praktiker ver-anstaltet.

Bereits am 9. Januar 2014 hat-te der Deutsche Städte- und Gemein-deverband ein Positionspapier unter dem Titel Hochwasserschutz weiter ausbauen - Planungsverfahren be-schleunigen der Öffentlichkeit vorge-stellt, das hier im Folgenden ungekürzt dokumentiert wird.

Viele Städte und Gemeinden in Deutschland sind – mit entsprechenden Folgen – immer häufiger von Hochwas-ser- und Starkregenereignissen betrof-fen. Nachdem jetzt in wenigen Jahren hintereinander schon zwei Jahrhun-dertfluten eingetreten sind, müssen wir auch in naher Zukunft mit solchen Ereignissen rechnen und uns hierauf einstellen. Dies verdeutlicht, dass ein Umdenken im Bereich des Hochwas-serschutzes unabdingbar ist.

Den Städten und Gemeinden kommt eine zentrale Rolle bei der Frage nach

einem effektiven Hochwasserschutz zu. Sie vergrößern bereits heute durch die Steuerung der Flächennutzung, der In-frastruktur- und der Siedlungsentwick-lung Rückhalteräume für das Wasser und vermindern hiermit das Schaden-spotenzial. Bund und Länder müssen die Kommunen aber in der Umsetzung konkreter Schutzmaßnahmen „vor Ort“ auch in Zukunft finanziell unterstützen und das Vorgehen – über Ländergren-zen hinweg – koordinieren.

Städte und Gemeinden brauchen ei-nen gestärkten Handlungsrahmen, um die Erfordernisse des Hochwasser-schutzes effektiver umsetzen zu kön-nen.

Länderübergreifende Koordinierung erforderlich

Hochwasser macht nicht an Landes-grenzen Halt. Daher ist es sinnvoll, länderübergreifend in Flusseinzugsge-bieten – unter Einbeziehung der betrof-fenen Städte und Gemeinden – zu han-deln. Auf Länderebene muss vor allem eine Zusammenarbeit bei der Festle-gung und Umsetzung von Hochwasser-Aktionsplänen und auch die dezentra-le Rückhaltung von Hochwasser über die Landesgrenzen hinweg sicherge-stellt werden. Die derzeit laufende Um-setzung der EU-Hochwasserrisikoma-nagement-Richtlinie in Deutschland bietet Gelegenheit, die bereits beste-henden Organisations- und Kommu-nikationsstrukturen zu überprüfen und gemeinsame Hochwasserschutzkon-zepte zu erarbeiten beziehungsweise weiter zu verbessern.

Flüsse brauchen mehr Raum – Hochwasserrisiken managen

Die Hochwasserereignisse der ver-gangenen Jahre haben vor Augen geführt, dass eine sinnvolle Hoch-

wasservorsorge ausreichende Hoch-wasserrückhalteräume voraussetzt.

Die bislang verfügbar gemachten Flächen reichen nicht aus, um den Hochwasserspitzen wirksam begeg-nen zu können. Bund und Länder sind daher aufgefordert, den Wasserrück-halt durch steuerbare Flutpolder sowie Deichrückverlegungen sowie deren ge-meinsame Finanzierung zu überprü-fen. Steuerbare Flutpolder, die anlass-bezogen geöffnet werden können, um Hochwasserspitzen zu kappen, soll-ten vorrangig ausgebaut werden. Die-se sind neben der Reaktivierung von Auen eine effektive Maßnahme. In die-sem Zusammenhang müssen die Län-der prüfen, inwieweit zukünftig auch leichter auf landwirtschaftliche Flä-chen als Retentionsflächen zurückge-griffen werden kann.

Technischen Hochwasserschutz ausbauen

Neben dem weiteren Ausbau von Hochwasserrückhalteräumen ist eine konsequente Fortsetzung des techni-schen Hochwasserschutzes erforder-lich.

Die zurückliegenden Hochwasserer-eignisse haben gezeigt, dass sich der Aufwand für technische Schutzmaß-nahmen wie Notentlastungen, Spund-wände oder auch mobile Hochwasser-schutzmaßnahmen häufig auszahlt. Je nach regionalen und örtlichen Rahmen-bedingungen sind derartige Hochwas-serschutzmaßnahmen – soweit noch nicht vorhanden – vorzusehen und im Rahmen einer koordinierten Hochwas-servorsorge mit zu betrachten.

Darüber hinaus müssen vorhandene Deiche fachgerecht unterhalten bezie-hungsweise erneuert und – soweit nach den Hochwasserbedrohnungsszenarien erforderlich – ausgebaut werden.

Stärkere finanzielle Beteiligung des Bundes

Erforderlich ist ein zielgerichtetes Handeln von Politik und Verwaltung im Bereich des Hochwasserrisikoma-nagements. Hierbei müssen die Erfah-rungen aus den Hochwasserereignissen der vergangenen Jahre Eingang in die Bearbeitung von Hochwasserschutz-konzepten finden.

Angesichts der nach wie vor not-wendigen Maßnahmen zum Was-serrückhalt in hochwassergefährde-ten Bereichen sowie dem Ausbau von technischen Schutzmaßnahmen ist der Bund gefordert, sich zukünftig stärker finanziell an vorbeugenden Maßnah-men des länderübergreifenden Hoch-wasserschutzes zu beteiligen.

Bund und Länder müssen daher kurzfristig Vorschläge für ein effek-tives Hochwasserschutzprogramm in Deutschland erarbeiten, welches auch die Folgewirkungen von Starknie-derschlägen berücksichtigt. Etwa die Hälfte der regulierten Überflutungs-schäden in Deutschland resultiert aus lokal begrenzten Extremwettereignis-sen, die auch fernab von Gewässern zu Überschwemmungen und hohen Sach-schäden führen.

Beschleunigung von Planverfahren sicherstellen

Ein Blick in die Planungspraxis be-legt, dass Verfahren zur Genehmigung und Errichtung von Maßnahmen des Hochwasserschutzes beziehungsweise der Hochwasservorsorge kompliziert und zeitintensiv sind. Damit wird die Sicherstellung eines effektiven Hoch-wasserschutzes insbesondere in Städ-ten und Gemeinden gefährdet. Plan-verfahren müssen daher beschleunigt

Fortsetzung auf Seite 2

Page 10: Links! Ausgabe 03/2014

Seite 2Kommunal-Info 2/2014

ImpressumKommunalpolitisches

Forum Sachsen e.V.Großenhainer Straße 99

01127 DresdenTel.: 0351-4827944 oder 4827945

Fax: 0351-7952453info@kommunalforum-sachsen.dewww.kommunalforum-sachsen.de

V.i.S.d.P.: A. Grunke

Die Kommunal-Info dient der kommunalpolitischen Bildung und Information und wird aus finanziellen Zuwendungen des

Sächsischen Staatsministeriums des Innern gefördert.

werden, sofern es sich um Hochwasser-schutzmaßnahmen von überörtlicher Bedeutung handelt. Dieses könnte über die Befreiung von der Verpflichtung zur Ausweisung von Ausgleichsflä-chen, Fristverkürzungsmöglichkeiten im Bereich der Öffentlichkeitsbeteili-gung oder die Verkürzung des gericht-lichen Instanzenzuges im Falle von Klagen gegen Hochwasserschutzmaß-nahmen erreicht werden. Darüber hi-naus erscheint es sinnvoll, das Küs-tenschutzprivileg des § 68 Abs. 2 S. 2 Wasserhaushaltsgesetz (WHG) auf Hochwasserschutzmaßnahmen auszu-dehnen und für Ertüchtigungsmaßnah-men von Deichen und Dammbauten unter Berücksichtigung des geltenden Technikstandards von Genehmigungs-erfordernissen abzusehen.

Integrierte kommunale Hochwasserschutzkonzepte

Städte und Gemeinden können ihrer-seits einen wichtigen Beitrag zur Hoch-wasservorsorge leisten. In der Praxis ist es Aufgabe der Kommunen, insbe-sondere durch Steuerung der Flächen-nutzung, der Infrastruktur- und der Siedlungsentwicklung Rückhalteräu-me für das Wasser zu vergrößern und damit auch das Schadenspotenzial zu vermindern. Darüber hinaus bietet sich die Erarbeitung integrierter kommuna-ler Hochwasserschutzkonzepte in Ab-stimmung mit den Nachbarkommunen sowie den jeweiligen Ländern an, die

eine Gewässerentwicklungsplanung, Katastrophenschutz-Einsatzpläne, Op-timierung des technischen Hochwas-serschutzes in den Kommunen sowie eine gezielte Öffentlichkeitsarbeit ein-schließt.

Beratung und Einbindung der Bürger

Ein wichtiger Baustein der kommu-nalen Hochwasservorsorge ist zudem die aktive Einbindung der Bürgerinnen und Bürger. Es muss ein allgemeines „Hochwasserbewusstsein“ geschaffen werden. Von zentraler Bedeutung ist in diesem Zusammenhang die Kommuni-kation mit der Bevölkerung. Notwendig ist eine Aufklärung über Hochwasser-ereignisse sowie über geeignete Prä-vention „vor Ort“. Hierbei sollte auch über Möglichkeiten von baulichen Maßnahmen an Gebäuden informiert werden. Erforderlich ist eine aktive Zu-sammenarbeit von Kommunen, Feu-er- und Wasserwehr, Landes- und Bun-despolizei sowie THW und sonstigen Institutionen, die im Bereich der Hoch-wasservorsorge beratend tätig sind.

Eigenvorsorge stärken Mit einer verstärkten Beratung ist

auch eine stärkere Eigenvorsorge der Bürger verbunden. Private Vorsorge-maßnahmen der Bürger sollten sich in hochwassergefährdeten Bereichen an der fachlichen Risikoabschätzung ori-entieren und insbesondere hochwas-serangepasstes Bauen sowie sonstige bauliche Vorkehrungen gegen Hoch-wasserschäden umfassen. Hierbei soll-ten die betroffenen Bürger durch eine

staatliche Förderung in Form von Be-ratung oder auch zinsvergünstigten Darlehen o. ä. unterstützt werden.

Versicherungslösungen weiter ausbauen

In hochwassergefährdeten Bereichen obliegt es schließlich den betroffenen Eigentümern, Versicherungsschutz ge-gen Elementarschäden zu erlangen. Dieses stellt sich in der Praxis schwierig dar. Unter Einbeziehung der Versiche-rungswirtschaft ist es daher geboten, Rahmenbedingungen zu entwickeln, die einen Versicherungsschutz für be-troffene Bürger zu vertretbaren Kon-ditionen ermöglichen. In diesem Zu-sammenhang sind unterschiedliche fachliche Aspekte wie etwa eine sach-gerechte Hochwasservorsorge, Baube-schränkungen oder die hochwasseran-gepasste Gestaltung von bestehenden Gebäuden („Hochwasserpass für Ge-bäude“) zu berücksichtigen.

Vergaberechtliche Erleichterungen zur Beseitigung von Hochwasserschäden

Die Beseitigung der Schäden des „Juni-Hochwassers 2013“ habe einmal mehr gezeigt, dass es neben der finan-ziellen Unterstützung der Kommunen durch Bund und Länder auch auf eine praxisgerechte und zügige Abwicklung der Maßnahmen „vor Ort“ ankommt.

Es ist daher auch in Zukunft durch Länderrecht sicherzustellen, dass im Hochwasserfall der Ausnahme-tatbestand einer „besonderen“ oder „zwingenden“ Dringlichkeit nach den einschlägigen Vorschriften des Ver-

gaberechts (VOB/A und VOL/A) vor-liegt, so dass im Falle der Beseitigung von Hochwasserschäden oder -gefah-ren vom Grundsatz der öffentlichen Ausschreibung bzw. des Offenen Ver-fahrens abgewichen werden kann.

Die Länder werden in diesem Zu-sammenhang aufgefordert, bei ent-sprechenden Befreiungen die vorge-sehenen Befreiungszeiträume nicht zu knapp zu bemessen. Die Praxis in den Städten und Gemeinden belegt, dass die Beseitigung von Hochwasserschä-den oder –gefahren regelmäßig erheb-liche Zeit in Anspruch nimmt. Städten und Gemeinden dürfen mithin keine vergaberechtlichen Hürden bei der Be-seitigung von Hochwasserschäden auf-gebaut werden.

Fortsetzung von Seite 1

Hochwasserschutz ...

Die „Richtlinie zur Förderung von Klimaschutzprojekten in sozialen, kulturellen und öffentlichen Einrich-tungen im Rahmen der Nationalen Klimaschutzinitiative“ (kurz: Kom-munalrichtlinie) des Bundesumwelt-ministeriums (BMU) bietet auch für das Antragsjahr 2014 umfangreiche Fördermöglichkeiten für den kommu-nalen Klimaschutz. Im Herbst 2013 wurde die Kommunalrichtlinie erneut an aktuelle Entwicklungen angepasst.

Fristen für FörderanträgeMit der Veröffentlichung der novel-

lierten Kommunalrichtlinie können die Kommunen nun mit der Vorberei-tung der Anträge beginnen. Vom 01. Januar bis zum 30. April 2014 können diese eingereicht werden – damit ha-ben Antragsteller einen Monat mehr Zeit als bisher. Eine Personalstelle für das Klimaschutzmanagement sowie das hiermit zusammenhängende An-schlussverfahren und die ausgewählte Maßnahme können wieder ganzjährig beantragt werden. Antragsberechtigt sind nach wie vor Kommunen – aber auch andere Institutionen, wie z.B. Bil-dungseinrichtungen und kommunale Unternehmen, können unter bestimm-ten Voraussetzungen Anträge stellen.

Förderschwerpunkte 2014 Kommunen, die beim Klimaschutz

noch am Anfang stehen, können eine Einstiegsberatung durch fachkundige Dritte beantragen. Um von Anfang an alle relevanten Akteure zu beteiligen,

sind ab 2014 die Ausgaben für eine den Beratungsprozess begleitende Öffent-lichkeitsarbeit förderfähig.

Die Erstellung von integrierten Kli-maschutzkonzepten und thematisch fo-

kussierten Teilkonzepten bildet auch im Jahr 2014 das Kernstück der Kom-munalrichtlinie. Um die Umsetzung der Konzepte zu unterstützen, bezu-schusst die Kommunalrichtlinie die Einrichtung einer Personalstelle für das Klimaschutzmanagement. Klima-schutzmanager können auch 2014 bis zu 250.000 Euro für eine ausgewählte Maßnahme beantragen.

Die Antragstellung ist während der

ersten 18 Monate der Projektlaufzeit des Klimaschutzmanagements mög-lich. Auch das Klimaschutzmanage-ment an Schulen und Kitas wird 2014 weitergeführt. Im Rahmen von Ener-

giesparmodellen wird den Kindern und Jugendlichen der bewusste Um-gang mit Energie und Ressourcen ver-mittelt.

Neben Zuschüssen für Konzeption und Umsetzung bietet die Kommunal-richtlinie auch finanzielle Unterstüt-zung für investive Maßnahmen. Die Sanierung und Nachrüstung von Lüf-tungsanlagen, der Einbau von LED Be-leuchtungstechnik bei der Sanierung

Förderschwerpunkte Klimaschutz 2014von Innen- und Hallenbeleuchtungen sowie die Förderung von Klimaschutz-maßnahmen bei stillgelegten Sied-lungsabfalldeponien sind weiterhin förderfähig. Im Förderschwerpunkt

„Nachhaltige Mobilität“ steht nun die Einrichtung von Wegweisungssyste-men für überwiegend alltagsbezogene Radrouten im Fokus. Auch verkehrs-übergreifende Mobilitätsstationen, die Optimierung des Wegenetzes für den Radverkehr und die Einrichtung von Radabstellanlagen werden weiterhin bezuschusst.(aus: Difu-Berichte 4/2013)

Page 11: Links! Ausgabe 03/2014

PARLAMENTSREPORT

Liebe Leserinnen und Leser,wenn Haushaltsberatungen in Wahljahren stattfinden, erleben wir meist großes Taktieren. Die Staatsre-gierung hat kürzlich „Eckwerte“ ihres Entwurfes für den Doppelhaushalt 2015/2016 vorgestellt und sich dabei wieder kräftig selbst gelobt – dafür, dass keine neuen Schulden auf-genommen werden und knapp ein Fünftel des vorhandenen Geldes in In-vestitionen fließen soll. Das erste ist nichts anderes als verfassungsrecht-lich notwendig, das zweite zumindest verkürzt dargestellt: Denn bekanntlich macht es einen großen Unterschied, ob in Beton oder in Köpfe investiert wird. Vieles deutet darauf hin, dass man lieber Geld in Gebäude und Straßen als etwa in Lehrer- und Hoch-schulstellen stecken will. Wohin das führt, hat die LINKE im Januarplenum aufgezeigt: So leiden beispielsweise die sächsischen Hochschulen inzwi-schen so unter dem Spardruck, dass ganze Institute vor dem Aus stehen. Gegen den Protest, der sich dort und an anderer Stelle regt, setzen CDU und FDP auf eine alte Taktik: In den kommenden Monaten wird man mun-ter kleine Geldgeschenke verteilen – oder zumindest ankündigen. Ob bei Infrastruktur, Sportförderung oder Kulturräumen: Mit dem einen oder anderen Extra-Milliönchen will man den Eindruck erwecken, man löse Probleme. Dabei kratzt man allenfalls an deren Oberfläche. Stattdessen braucht Sachsen mutige Investitionen in die richtigen Be-reiche: Bildung, Forschung, Soziales, Kultur, Verkehr und – nicht zuletzt – in die Energiewende. Dazu sind klare und vor allem langfristige Strategien notwendig. Das alles geht besser, auch ohne neue Schulden – man muss nur wollen!

Ihr Rico GebhardtFraktionsvorsitzender

Februar 2014 Fraktion DIE LINKE im Sächsischen Landtag

Im vergangenen Jahr haben die säch-sischen Hochschulrektoren in einer Atmosphäre bemühter Harmonie eine dreijährige „Zuschussvereinba-rung“ mit der Staatsregierung unter-zeichnet. Gegenüber der Öffentlich-keit wurde dabei vermittelt, dass die Hochschulen nun Planungssicher-heit und eine verlässliche Finanzie-rung erhielten, „Zuschüsse“ eben. Nicht verwiesen wurde freilich auf die ebenfalls zur Vereinbarung zäh-lenden Beschlüsse zum Stellenab-bau. Im Januar gab das Rektorat der Universität Leipzig bekannt, im Ergebnis der von der Staatsregie-rung erzwungenen Sparmaßnahmen in diesem Jahr 24 Stellen zu strei-chen. Treffen wird es unter anderem die sachsenweit einzigartigen Ins-titute Archäologie und Theaterwis-senschaft. Schon nach kurzer Zeit entwickelte sich ein Proteststurm.

DIE LINKE hatte deshalb im Janu-arplenum eine Aktuelle Debatte beantragt. Ihr Titel lautete: „Genug gekürzt! Hochschulen aus der Autonomiefalle befreien – das Beispiel Leipzig“. Das wurde sei-tens der Koalition und der Wissen-schaftsministerin freilich bewusst so missverstanden, dass die Frak-tion DIE LINKE an der Hochschul-autonomie – also dem Recht der Hochschulen zur Selbstverwal-tung im Rahmen der Gesetze – rütteln wolle. Dass dies mit-nichten so ist, stellte der hoch-schulpolitische Sprecher der LINKEN, Prof. Dr. Dr. Dr. h.c. Gerhard Besier, klar: „Der Frei-heitsgrad der autonomen Hoch-schulen besteht darin, zu entschei-den, wo das Messer angesetzt werden soll – mehr nicht“. Ihre Freiheit bewege sich nur innerhalb des vom Freistaat gesetzten Finanz-rahmens. Um wirkliche Autonomie zu erhalten, bräuchten sie eine auskömmliche Finanzierung. Statt-dessen jedoch schiebe ihnen die Regierung den „Schwarzen Peter“ zu und behaupte, sie würden die Streichungen selbstständig vorneh-men.

Um die Kürzungsvorgaben der Regierung erfüllen zu können, schlagen die Hochschulen nun altersbedingt freiwerdende Stellen zur Streichung vor – ein Abbau nach dem Zufall-sprinzip, mit unabsehba-ren Folgen. Prof. Dr. Beate Schücking, Rektorin der von den Kürzungsvorgaben beson-

ders hart betroffenen Universität Leipzig, fand im Interview mit der „ZEIT“ inzwischen klare Worte. „Unsere Universität hat unzählige Hungerkuren hinter sich, nun ist kein Speck mehr da. Wir sollen aber wei-ter Gewicht verlieren. Inzwischen sind wir bei den Muskeln angelangt, die wir amputieren müssen“. 1993 habe die Universität 2.500 Mitar-beiterinnen und Mitarbeiter auf Lan-desstellen für 20.000 Studierende gehabt, heute seien es nur noch knapp 2.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – allerdings für mehr als 28.000 Studierende. „Wenn das Sparprogramm von Landtag und Regierung exekutiert wird, bleibt uns wohl nichts anderes übrig, als von 2017 an ganze Fakultäten zu schließen“, folgert sie. Prof. Besier hatte die Staatsregierung verge-bens aufgefordert, wenigstens klar zu sagen, dass sie das einkalkuliert.

Auch der kulturpolitische Spre-cher der Fraktion DIE LINKE, Dr. Volker Külow, wandte sich gegen die Sichtweise, die Hochschulen

Amputation funktionierender Gliedmaßen

seien für den Sparkurs verantwort-lich. „Die politische Hauptverant-wortung für dieses Kürzungsdiktat trägt die sächsische Staatsregie-rung. Wenn in Dresden im übertra-genen Sinne Revolver und Munition für die Liquidierung wichtiger uni-versitärer Einrichtungen hergestellt werden, ist der Tatbestand der Nöti-gung erfüllt“, kommentierte er. Mit der Schließung der beiden Institute werde nicht nur die Axt an die Fakul-tät für Geschichte, Kunst- und Ori-entwissenschaften, nicht nur an das geisteswissenschaftliche Profil und die klassische Volluniversität, son-dern auch an die sächsische Kultur-landschaft gelegt.

Daten des Statistischen Bundes-amtes belegen die Schlussposition des Freistaates bei der Grundfinan-zierung der Hochschulen – Platz 14 von 16 im Bundesvergleich bei den Grundmitteln pro Studierendem und Platz 15 von 16 bei den Grundmit-teln je Professur (2011). Die Grund-ausstattung der Hochschulen ist defizitär, auch wenn die Koalitions-fraktionen sich mühen, die struk-

turelle Unterfinanzierung als „Märchen“ abzutun. Wenn das Spardiktat, an dem Staats-regierung weiterhin festhält, weiter umgesetzt wird, wer-den bis 2020 insgesamt 1.042 Hochschulstellen wegfallen.

Die Fähigkeit der Hochschu-len, externe Forschungsmit-tel einzuwerben, wird dann umso stärker abnehmen, je weiter der Stellenabbau fortschreitet. Hinter allem

stehen Beschlüsse zum Dop-pelhaushalt 2010/2011, die damals auf Basis von Prog-nosen zu den Studierenden-zahlen getroffen wurden, die längst überholt sind: Heute gibt es in Sachsen fast 50

Prozent mehr Studierende als vorhergesagt.

Die Hochschulentwick-lungsplanung muss korri-giert und an die tatsäch-liche Entwicklung der Studierendenzahlen ange-

passt werden. Hochschulen gehören ins Zentrum der Aus-gabenplanung! Die Staatsre-

gierung lässt die Hochschu-len stattdessen zu immer neuen Streichkonzerten aufspielen. Mit der Harmo-nie dürfte es spätestens jetzt vorbei sein.

Page 12: Links! Ausgabe 03/2014

PARLAMENTSREPORTSeite 2 Februar 2014

Seit dem Jahr 2010 ist es gelungen, die regelmäßig zum 13. Februar stattfin-denden Naziaufmärsche immer wei-ter aus dem Dresdener Stadtbild zu verdrängen und deutlich zu machen, dass Geschichtsrevisionismus nicht unwidersprochen bleibt. Fester Teil der antifaschistischen Aktionen ist inzwischen der „Mahngang Täterspu-ren“ vom Bündnis „Dresden Nazifrei“, der zu Schauplätzen von Naziverbre-chen im Stadtgebiet und zu den „Wir-kungsstätten“ der Täter führt. Daran beteiligten sich auch in diesem Jahr verschiedene LINKE Abgeordnete, darunter die Vorsitzenden der säch-sischen und thüringischen Landtags-fraktionen, Rico Gebhardt und Bodo Ramelow. MdL Falk Neubert hatte die Veranstaltung auch in diesem Jahr angemeldet. „PARLAMENTSREPORT“ sprach mit ihm über seine Einschät-zung zum Verlauf des diesjährigen 13. Februar.

1. Wie kommentieren Sie die Geschehnisse rund um den 13. Februar 2014 in Dresden?In diesem Jahr sind am 13. Februar seit Jahren das erste Mal keine Nazis nach Dresden gekommen, um diesen Tag für ihre Zwecke zu missbrauchen und Geschichtsrevisionismus zu pro-pagieren. Das ist ein großer Erfolg und Ergebnis jahrelanger engagierter Pro-teste gegen diese Naziaufmärsche.

2. Konnte dem rechten Lager in diesem Jahr die finale Niederlage beigebracht werden?Nein, leider nicht. Es ist ihnen gelun-gen, am Abend des 12. Februar mit

400 bis 500 Nazis einen „Trauer-marsch“ durchzuführen. Es waren zwar auch an diesem Tag weit mehr als dreimal so viele Menschen auf der Straße, um gegen Nazis zu demons-trieren, aber der „Trauermarsch“ konnte leider nicht verhindert wer-den. Dass er in dieser Form überhaupt genehmigt wurde, ist ein Rückfall in die 90er Jahre. Eine prominentere Route als vom Theaterplatz über die Wilsdruffer Straße zum Rathaus ist in Dresden fast gar nicht möglich. Und dass die Nazis mit Fackeln und tönen-der Musik vor der Trümmerfrau eine Kundgebung abhalten durften, ist ein weiterer Beleg für die Unfähigkeit des Dresdner Ordnungsamtes.

3. Sie haben in diesem Jahr wieder-holt den Mahngang „Täterspuren“ angemeldet, der zu Wirkungsstät-ten von Naziverbrechern führt, um den Mythos von der „unschuldi-

gen Stadt“ zu entlarven. Während die Stadtverwaltung den Mahn-gang 2011 rechtswidrig auf eine andere Route verlegt und damit sinnentleert hatte, lobte ihn die Oberbürgermeisterin in diesem Jahr. Ein Gespräch mit dem Bünd-nis „Dresden Nazifrei“ kam jedoch nicht zustande. Hat die Stadtver-waltung dennoch dazugelernt?Definitiv ja, zumindest die Oberbür-germeisterin. Ich bin sehr froh, dass Frau Orosz erstmalig den „Mahngang Täterspuren“ als Bestandteil des gemeinsamen Protestes gegen Nazis öffentlich dargestellt und Protest in Sicht- und Hörweite als demokrati-sches Muss eingefordert hat. Auch ihre Rede mit dem expliziten Verweis darauf, „dass Dresden keine unschul-dige Stadt war“, beinhaltete klare und neue Töne. Es wäre schön, wenn in den nächsten Monaten daran ange-knüpft werden und auch ein Gespräch

mit „Dresden Nazifrei“ zustande kom-men könnte. Der Mahngang Täterspu-ren war mit 3.500 TeilnehmerInnen wieder ein großer Erfolg.

4. Aufgrund Ihrer Beteiligung an den antifaschistischen Protesten 2011 hat die Staatsanwaltschaft Dresden im Sommer 2013 einen Strafbefehl wegen angeblicher „Störung von Versammlungen und Aufzügen” gegen Sie beantragt. Ihn zu akzeptieren, wäre einem Eingeständnis von Schuld gleich-gekommen; Sie haben Wider-spruch eingelegt. Gibt es inzwi-schen neue Entwicklungen? Ich habe vor einem Monat noch ein-mal öffentlich eingefordert, das Verfahren gegen mich entweder einzustellen oder nun endlich eine Hauptverhandlung anzuberaumen. Bisher ist leider immer noch nichts passiert.

5. Sehen Sie sich als Opfer eines politisch motivierten Verfahrens?Es war natürlich interessengelei-tet, dass die Staatsanwaltschaft sowohl 2010 als auch 2011 massen-hafte Anklagen vom Zaun gebrochen hat. Das war begleitet von Funk-zellenabfragen oder der polizeili-chen Stürmung der Dresdner Büros der LINKEN. Menschen mit einem solch martialischen Vorgehen davon abschrecken zu wollen, ihre Stimme gegen Nazis zu erheben, ist einer Demokratie unwürdig. Vor diesem Hintergrund ist das Vorgehen der Dresdner Staatsanwaltschaft ganz offensichtlich politisch motiviert.

LINKE beim „Mahngang Täterspuren“

In der sächsischen Beamtenschaft rumort es: Tausende Staatsdie-nerinnen und Staatsdiener sehen sich bei ihrer Einstufung in die Besoldungstabellen diskriminiert. Im Kern geht es darum, dass bei der Festlegung ihrer Bezüge ihr Lebensalter und nicht ihre Erfah-rung als wesentliches Kriterium herangezogen wurde. Die damals gültige Besoldungsordnung machte es also beispielsweise möglich, dass ein 34-Jähriger Neueinsteiger für dieselbe Tätig-keit besser entlohnt wurde als ein 23-Jähriger mit gleicher Qua-lifikation und Erfahrung. Dagegen legten zwischen 2009 und 2011 insgesamt 11.000 Beamtinnen und Beamte Widerspruch ein, die zunächst ruhend gestellt wurden, um höchstrichterliche Entschei-dungen abzuwarten. Kürzlich wur-den allerdings alle Widersprüche abschlägig beschieden. Nun wand-ten sich auch der DGB Sachsen, der Sächsische Beamtenbund, der sächsische Landesverband der Deutschen Steuer-Gewerkschaft und die sächsische Gewerkschaft der Polizei in einem Offenen Brief

hilfesuchend an die Fraktionen des Sächsischen Landtages. Mit einem gemeinsamen Dring-lichen Antrag (Drucksache 5/13608) wollten die Fraktionen von LINKEN, SPD und Grünen erreichen, dass die Widerspruchs-bescheide zurückgenommen werden und die anstehende Ent-scheidung des Bundesverwal-tungsgerichts abgewartet wird. Die Koalitionsfraktionen sahen das Thema allerdings nicht als behandlungswürdig an. „Mit Rückendeckung der CDU-/FDP-Abgeordneten betreibt die Regie-rung Tillich weiter Personalpolitik auf Kosten der Beschäftigten und ihrer Familienangehörigen“, kom-mentierte der Parlamentarische Geschäftsführer der Fraktion DIE LINKE, Klaus Tischendorf, die Ver-weigerungshaltung der Koalitions-fraktionen. Auf die sächsischen Verwaltungsgerichte rollt nun eine Klagewelle zu, etwa 5.000 Klagen wurden eingereicht. Viele Beam-tinnen und Beamte setzen sich weiterhin für ihre Rechte ein – die Unterstützung der Fraktion DIE LINKE ist ihnen gewiss.

Gegen Altersdiskriminierung: Rot-Rot-Grün für gerechte Beamtenbesoldung

Der 13. Februar in Dresden: O-Töne„Ein ist ein Erfolg der antifaschistischen Proteste, dass es am 13. Februar keine Veranstaltung von Nazis in Dresden gab. Die hatten ihr Erfolgserlebnis aber leider am Vortag. Das verdanken sie einer verantwortungslosen Informationspolitik der Dresdner Ordnungsbehörde ebenso wie der blauäugigen Innenpolitik im Freistaat.“

Kerstin Köditz, Sprecherin für

antifaschistische Politik

„Es war eine Niederlage für die Nazis, die erstmals seit vielen Jahren am 13. Februar in der sächsischen Landeshauptstadt in überhaupt keiner größeren Gruppenformation in Erscheinung getreten sind. Dies ist ein großer Erfolg für die Zivilgesellschaft, insbesondere für das ‚Bündnis Dresden Nazifrei‘, das den Nazi-Spuk von den Straßen Dresdens verdrängt hat.“

Rico Gebhardt, Vorsitzender der Fraktion

DIE LINKE im Sächsischen Landtag

„Der 13. Februar ist ein wichtiges Datum in der Bundesrepublik Deutschland. Der 13. Februar ist Synonym für einen Kampf gegen die Umdeutung von Gedenken. Dresden ist zum Symbol einer aktiven zivilgesellschaftlichen Gegenwehr gegen Naziaufmärsche geworden. Es war mir eine Freude, mit dem Vorsitzenden des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Aiman Mazyek, und dem Jenaer Jugendpfarrer Lothar König Gesicht zu zeigen gegen braunen Ungeist.“

Bodo Ramelow, Vorsitzender der Fraktion

DIE LINKE im Thüringer Landtag

„Nie wieder Krieg heißt auch nie wieder Faschismus – das ist die Lehre aus der Zerstörung Dresdens vor 66 Jahren. Dresden darf sich nicht als Stätte des europaweit größten Naziaufmarsches etablieren, diese „Tradition“ muss ein für alle Mal beendet werden!“

Heiko Kosel, Sprecher für Europa- und

Minderheitenpolitik

Page 13: Links! Ausgabe 03/2014

PARLAMENTSREPORTFebruar 2014 Seite 3

Der Freistaat Sachsen profitiert seit Jahren von Fördergeldern, die aus verschiedenen Töpfen der Europäi-schen Union bereitgestellt werden. Mit den sogenannten „Operationel-len Programmen“, die derzeit erar-beitet werden und die noch von der EU-Kommission genehmigt werden müssen, entscheidet der Freistaat, wie dieses Geld verteilt wird. So fließt es z. B. in Schulsozialarbeit, Natur- und Hochwasserschutz, Stra-ßenbau oder in Projekte für benach-teiligte Jugendliche.Seit 2014 läuft nun eine neue EU-Förderperiode, die bis 2020 andau-ert und die deutlich weniger Geld nach Sachsen spülen wird als noch die letzte Periode, die 2007 begon-nen hatte. Klar, dass es dabei zu harten und langen Verhandlungen um die Verteilung der Mittel kommt. Zwar wurde der mehrjährige Finanz-rahmen der EU beschlossen, aber noch ist nicht ganz klar, wie die

genaue Verteilung der Mittel zwi-schen Bund und Ländern einer-seits und auf die verschiedenen EU-Fonds andererseits aussieht. Erschwerend kommt hinzu, dass die Bildung der schwarz-roten Bundes-regierung lange gedauert hat. Da der Bundeshaushalt nicht vor Mitte 2014 vorliegen wird, sind auch die Zuweisungen aus dem Bund an die Länder in den nächsten Monaten keineswegs sicher. Dabei beruht das Sächsische Förderprofil zu fast 40 % auf Mitteln von Bund und EU.Daraus entstehen Risiken: Geld, das benötigt wird und eingeplant ist, könnte nicht rechtzeitig nach Sachsen weitergereicht werden. Mit ihrem Antrag „Absehbare Förder-lücke im Haushaltsjahr 2014 schlie-ßen – Umsetzung des Sächsischen Förderprofils durch Zwischenfi-nanzierung des Landes sichern!“ (Drucksache 5/13579) hat die Frak-tion DIE LINKE die Staatsregierung

deshalb aufgefordert, rechtzeitig vorzusorgen. Sie sollte geeignete Maßnahmen ergreifen, um die dro-henden Förderlücken zu schließen, und Ausgabereste aus dem vergan-genen Haushalt sowie Steuermehr-einnahmen nutzen, um eventuell entstehende Löcher zu stopfen. Verena Meiwald, fördermittelpo-litische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, wies auf die Risiken hin: „Nach gegenwärtigem Sachstand ist nicht vor Januar 2015 mit ersten Mitteln aus der aktuellen Förderperi-ode zu rechnen. Die Staatsregierung steht daher in der Pflicht, den bislang absehbaren Ausfall der geplanten Finanzierungsquellen des Bundes und der EU zumindest im Wege einer Übergangsfinanzierung aus eige-nen Haushaltsmitteln des Landes zu überbrücken“. Die Regierungskoali-tion lehnte jedoch ab. Damit könnten dem Freistaat Mittel entgehen, die dringend gebraucht würden.

Förderlücken schließen, bevor sie auftreten

Gutes Erwerbsleben auch mit BehinderungEin erfülltes Arbeitsleben gehört für die allermeisten Menschen zu den Grundpfeilern einer glücklichen Existenz. Eine Arbeitsstelle zu fin-den, von der man leben kann und der man sich mit Freude und Motiva-tion widmet, ist oft eine Herausfor-derung. Menschen mit körperlichen, geistigen, seelischen oder/und Sin-nesbeeinträchtigungen haben es dabei oft besonders schwer, denn viele Unternehmen zahlen lieber eine Ausgleichsabgabe, als Men-schen mit Behinderungen im gesetz-lich geforderten Umfang zu beschäf-tigen. Die Fraktion DIE LINKE hat deshalb mit einem Antrag (Drucksa-che 5/12796) von der Staatsregie-rung mehr Engagement gefordert, um für Menschen mit Behinderung und chronischer Erkrankung den

Zugang zum Arbeitsmarkt zu verbes-sern. Dafür sollte sie einen Sächsi-schen Maßnahmenplan „Arbeit nach Maß für Menschen mit Behinderung“ vorlegen. Dessen Ziele sollten unter anderem darin bestehen, Barrie-ren beim Zugang zum Arbeitsmarkt zu beseitigen und die individuellen Potentiale dieser Personengruppe durch entsprechende Arbeits- und Beschäftigungsmöglichkeiten zur Entfaltung zu bringen. Letztere wer-den durch Arbeitgeber immer wie-der unterschätzt – dabei können gerade Menschen mit Behinderun-gen besonders motiviert sein.Absichtserklärungen sollten mit kon-kreten Maßnahmen, Verantwortlich-keiten, Terminen und Haushaltsbud-gets untersetzt werden, und zwar zu einer Vielzahl von Aspekten – etwa

zur Berufsorientierung, zum Nach-teilsausgleich bei Bewerbungsver-fahren oder zur beruflichen Prä-vention und Rehabilitation. Horst Wehner, behindertenpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE, wies auf den Handlungsbedarf hin. Aktuell gebe es in Sachsen 11.431 arbeitslose Schwerbehinderte. Wäh-rend die allgemeine Arbeitslosigkeit seit dem Jahr 2005 um über 40 % zurückgegangen sei, habe sie im Falle von Menschen mit Behinde-rung um 10 % zugenommen.„Behinderung und Schwerbehinde-rung sind keine freiwilligen Lebens-entscheidungen. Die Gründe für eine Behinderung können jeden von uns treffen“, so Wehner. Nach Artikel 27 der UN-Behindertenrechtskon-vention müsse es Menschen mit Behinderungen möglich sein, ihren Lebensunterhalt durch Arbeit zu verdienen und entsprechend ihren Fähigkeiten das Arbeitsumfeld frei zu wählen. Auch für die Unterneh-men habe deren Beschäftigung Vor-teile: „Der tägliche Umgang unter-schiedlicher Menschen ermöglicht erst die Ausbildung von Toleranz und Hilfsbereitschaft. Auch Kunden honorieren es, wenn Unternehmen ihrer sozialen Verantwortung nach-kommen, indem sie Menschen mit Behinderung einstellen“. Die Staatsregierung ist allerdings der Ansicht, dass es eines solchen Plans nicht bedarf, und die Regie-rungsfraktionen lehnten den Antrag ab. Damit ist weiter fraglich, ob Bar-rieren beim Berufszugang abgebaut werden können.

PlenarspiegelJanuar 2014Am 29. und 30. Januar 2014 fand die 90. und 91. Sitzung des 5. Sächsischen Landtags statt. Die Fraktion DIE LINKE war mit fol-genden parlamentarischen Initi-ativen vertreten:

Aktuelle Debatte:– „Genug gekürzt! Hochschu-len aus der Autonomiefalle befreien – das Beispiel Leip-zig.“

Dringlicher Antrag:– der Fraktionen DIE LINKE, SPD und GRÜNE „Wider-spruchsbescheide zu Anträ-gen auf altersdiskrimi-nierungsfreie Besoldung unverzüglich zurücknehmen und Klagewelle verhindern!“ (Drs 5/13608)

Gesetzentwurf:– 1. Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktion DIE LINKE „Gesetz zur Errichtung des unabhän-gigen Landesbüros für Bür-geranliegen des Freistaates Sachsen“ (Drs 5/13585)

Anträge:– „Absehbare Förderlücke im Haushaltsjahr 2014 schlie-ßen – Umsetzung des Sächsi-schen Förderprofils durch Zwi-schenfinanzierung des Landes sichern!“ (Drs 5/13579)– „Zugang zum Arbeitsmarkt für Menschen mit Behinde-rung und chronischer Erkran-kung durch Sächsischen Maß-nahmeplan ‘Arbeit nach Maß für Menschen mit Behinde-rung‘ grundlegend verbes-sern!“ mit Stellungnahme der Staatsregierung (Drs 5/12796)

In den Berichten der Ausschüsse (Sammeldrucksache 5/13583) war folgender Antrag der Frak-tion DIE LINKE enthalten:– „Fall Yazbeck: Lebenssitua-tion von Asylsuchenden im Freistaat Sachsen jetzt end-lich spürbar und nachhaltig verbessern“ (Drs 5/12628) mit Stellungnahme der Staatsregie-rungAuf Empfehlung der Ausschüsse lehnte die Mehrheit im Plenum diesen Antrag ab.

Drucksachen (Drs) und Redebeiträge unter www.linksfraktion-sachsen.de

Page 14: Links! Ausgabe 03/2014

PARLAMENTSREPORTSeite 4 Februar 2014

ImpressumFraktion DIE LINKE im Sächsischen LandtagBernhard-von-Lindenau-Platz 101067 Dresden

Telefon: 0351/493-5800Telefax: 0351/493-5460

E-Mail: [email protected]

V.i.S.d.P.: Marcel BraumannRedaktion: Kevin Reißig

Die Fraktionen DIE LINKE und SPD haben einen Gesetzentwurf zur Gleichstellung, Inklusion und selbst-bestimmten Teilhabe von Menschen mit Behinderung, kurz „Inklusions-gesetz“ genannt, vorgelegt. Zwar waren bereits an der Erarbeitung mehrere Verbände und Selbsthilfe-organisationen beteiligt, aber auch nach seiner Einbringung sollte er weiter verbessert werden. Der Dis-kussionsprozess wurde zunächst mit einer öffentlichen Anhörung im federführenden Verfassungs-, Rechts- und Europaausschuss fort-gesetzt und fand in einer gemein-samen Veranstaltung „Alltägliche, gesellschaftliche und politische Teilhabe von Menschen mit Behin-derung im Entwurf des sächsischen Inklusionsgesetzes“ am 23. Januar 2014 einen vorläufigen Abschluss. In dieser erhielten die Teilnehmen-den als Expertinnen und Experten des Alltags die Möglichkeit zur Mit-sprache in eigener Sache. Es zeigte sich, dass wir mit dieser Intention

einen Nerv getroffen hatten, denn die Zahl der Teilnahmerückmeldun-gen zwang uns zur Raumverlegung. Die CDU-Fraktion stellte ihren grö-ßeren Fraktionssaal freundlicher-weise zur Verfügung. Am Tag selbst waren dann – trotz des Winterein-bruchs – etwa 80 Gäste anwesend. Unter ihnen waren auch Menschen mit Hörbehinderung, die durch Gebärdensprachübersetzung oder mit Hilfe einer Induktionsschleife das Geschehen verfolgen konnten. Das große Interesse war für uns überwäl-tigend. Es beweist zudem, dass die Teilhabe von Menschen mit Behinde-rung in der Gesellschaft viele Leute in den unterschiedlichsten Situatio-nen und Positionen bewegt. Die Veranstaltung selbst verlief in einer sehr anregenden, wert-schätzenden und emotionalen Atmosphäre. Daran hatten die kenntnisreichen und berührenden Eingangsbeiträge einen erheblichen Anteil. Stephan Pöhler, Beauftrag-ter der Sächsischen Staatsregie-

rung für die Belange von Menschen mit Behinderung, sprach dazu, ob die Regelungen im Gesetzentwurf zu Interessenvertretung und Teil-habe im politischen Bereich gemäß dem Grundsatz „Nichts über uns ohne uns“, sinnvoll und ausreichend sind. Dr. Marion Michel, Medizinso-ziologin an der Universität Leipzig befasste sich mit „Alltag und Familie – selbstbestimmt und ganz normal“. Sie erläuterte aufgrund ihrer viel-fältigen Erfahrungen aus der Arbeit mit Eltern mit Behinderung, wel-cher gesetzliche Regelungsbedarf besteht. Ihre Darlegungen zu For-schungsergebnissen und Beispielen regten sehr zum Nach- und Umden-ken an. Als Dritter sprach Roland Frickenhaus vom PARITÄTISCHEN Sachsen zur Teilhabe am gesell-schaftlichen, kulturellen und sport-lichen Leben. Er zeigte sehr bildlich auf, dass abwehrende oder brem-sende Einstellungen bei der Umset-zung des Menschenrechts auf Inklu-sion letztlich auf dem Versuch der

Besitzstandswahrung beruhen. Die Beiträge in der anschließenden Dis-kussion bekräftigten, dass nach Inkraftsetzung der UN-Behinderten-rechtskonvention die Überarbeitung des gegenwärtigen Integrationsge-setzes sehr notwendig ist, weshalb der Gesetzentwurf begrüßt wird. Hinweise aus der Veranstaltung, aus der Anhörung sowie aus schrift-lichen Zusendungen wurden zwi-schenzeitlich in einem Änderungs-antrag verarbeitet. Dieser wurde zusammen mit dem Gesetzentwurf in den mitberatenden Ausschüssen bereits behandelt. Die Regierungs-koalition lehnte durchweg ab. Im federführenden Ausschuss wird am 26. März 2014 abgestimmt. Ange-sichts unserer Erfahrungen aus der Diskussion des Gesetzentwurfes sollten CDU und FDP ihr Abstim-mungsverhalten ändern, denn an diesem Tag ist die UN-Behinderten-rechtskonvention in Deutschland genau fünf Jahre in Kraft.

MdL Horst Wehner

Fortsetzung der Diskussion zum Entwurf des Inklusionsgesetzes

Die staatliche Verwaltung erfüllt kei-nen Selbstzweck, sondern soll den Bürgerinnen und Bürgern als Dienst-leister dienen – und die geltenden Gesetze vollziehen. Das ist nicht immer einfach, denn Rechtsvor-schriften werden komplexer, Anfor-derungen größer. Es kann daher vor-kommen, dass sich Bürgerinnen und Bürger durch Verwaltungshandeln benachteiligt sehen oder sich unge-recht behandelt fühlen. Viele schre-cken davor zurück, sich in diesen Fällen in eine juristische Auseinan-dersetzung zu begeben – schließlich dauert das meist lange und ist oft mit erheblichen Kosten verbunden.

In anderen deutschen Bundeslän-dern, in Skandinavien und auch auf der Ebene der Europäischen Union wird der Bevölkerung seit langem ein Mittelweg eröffnet: Dort gibt es „Bürgerbeauftrage“ bzw. „Ombuds-leute“, an die Beschwerden und Eingaben gerichtet werden können und die das Verwaltungshandeln demokratisch und unabhängig kon-

trollieren. In Sachsen sucht man einen solchen Beauftragten bislang vergeblich. Zwar machte die Frau des ehemaligen Ministerpräsiden-ten Biedenkopf in den 90er Jahren mit der Idee eines „Büro Ingrid Bie-denkopf“ von sich reden, auf ein rechtssicheres Fundament kam ein solches jedoch nie. Das will die Fraktion DIE LINKE nun ändern: Per Gesetzentwurf (Landtags-Drucksa-che 5/13585) hat sie vorgeschla-gen, die Institution eines Landes-Bürgerbeauftragten zu schaffen, der beim Landtag angebunden und mit umfassenden Informations-, Anhö-rungs-, Vorlage- und Zutrittsrechten ausgestattet ist. Der Bürgerbeauf-tragte soll damit den Rechtsstatus eines unabhängigen Verfassungsor-gans erhalten. Seiner Kontrolle sol-len die Staatsregierung, alle Behör-den, Stellen und Einrichtungen des Freistaates Sachsen, die Gemein-den und Landkreise sowie sonstige, der Aufsicht des Freistaates Sach-sen unterstehende juristische Per-sonen des öffentlichen Rechts und

deren Zusammenschlüsse unterlie-gen. Er soll Eingaben wirkungsvoll aufgreifen und auf Lösungen drän-gen, Missstände oder rechtswidri-ges Verwaltungshandeln beanstan-den können – notfalls im Rahmen einer Klage. Damit könnte er einen unkomplizierten und kostengüns-tigen, außergerichtlichen Rechts-schutz bieten. Darüber hinaus soll er die Bürgerinnen und Bürger bei ihren sozialen Angelegenheiten beraten und unterstützen.

In seiner Einbringungsrede betonte der rechtspolitische Sprecher der Fraktion DIE LINKE, Klaus Bartl: „Wir beschreiten mit unserem Gesetzentwurf kein gesetzgeberi-sches Neuland. Wir wollen vielmehr ein seit langem vorhandenes Defizit an außergerichtlicher, parlamenta-risch angebundener Kontrolle besei-tigen, die in anderen Ländern und der Europäischen Union zum Vorteil der Bürgerinnen und Bürger und der Verwaltungskultur längst Usus ist“. Der Gesetzentwurf wurde in den

Direkte Anlaufstelle für die BevölkerungVerfassungs-, Rechts- und Europa-ausschuss überwiesen. Nun wird sich zeigen, ob die Koalitionsfrak-tionen an einer bürgerfreundlichen Verwaltung interessiert sind, die von den Empfehlungen des Bürgerbeauf-tragten profitiert.

Page 15: Links! Ausgabe 03/2014

Seite 3 Kommunal-Info 2/2014

Kommunale Anstalt des öffentlichen RechtsBereits im März 2013 hatte die Linksfraktion im Sächsischen Land-tag einen Gesetzentwurf zur Einfüh-rung der kommunalen Anstalt des öffentlichen Rechts (AöR) im Frei-staat Sachsen eingebracht. Im No-vember 2013 fand dazu eine öffent-liche Anhörung im Innenausschuss des Sächsischen Landtags statt.

Warum der Gesetzentwurf?Zuerst wurden 1995 in Bayern, dann

1998 in Rheinland-Pfalz und danach weiterhin in Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Brandenburg, Meck-lenburg-Vorpommern und zuletzt in Thüringen die gesetzlichen Vorausset-zungen für kommunale AöR geschaf-fen. Sachsen wäre damit das einzige Bundesland in Ostdeutschland, in dem die kommunale AöR rechtlich nicht verankert ist.

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf sollen deshalb auch in Sachsen für die Städte, Gemeinden und Landkreise die Gestaltungsspielräume und Steu-erungsmöglichkeiten auf dem Gebiet des Gemeindewirtschaftsrechts erwei-tert werden. Außerdem wird den säch-sischen Kommunen die Möglichkeit eingeräumt, gemeinsame kommunale Anstalten als eine neue Gestaltungs-form der interkommunalen Zusam-menarbeit zu errichten.

Das Besondere der AöRDie AöR steht als Rechtsform zwi-

schen dem kommunalen Eigenbetrieb und der GmbH.

Im Unterschied zum kommunalen Ei-genbetrieb, der als selbständiges Son-dervermögen vollständig dem Einfluss der Kommune unterliegt, aber nicht als eigene Rechtspersönlichkeit han-deln kann, besitzt die AöR eine eigene Rechtsfähigkeit. Die AöR kann daher anders als der Eigenbetrieb selbständig agieren und freier auf dem Markt auf-treten.

Durch die Gewährträgerschaft der Kommune unterliegt die AöR als öf-fentlich-rechtliche Organisationsform einer engeren kommunalen Bindung als eine privatrechtliche GmbH. Zudem darf die AöR im Rahmen der ihr über-tragenen Aufgaben öffentlich-rechtlich handeln: sie kann z.B. Verwaltungs-akte erlassen und öffentlich-rechtliche Gebühren statt privatrechtlicher Ent-gelte erheben. Der AöR kann auch das Recht zum Erlass von Satzungen zur Regelung ihrer Aufgaben übertragen werden.

Die Kommune nimmt über den Ver-waltungsrat, der von ihr bestellt wird, Einfluss auf das Geschehen in der AöR. Die Einflussnahme richtet sich jedoch grundsätzlich nur auf strategische Ent-scheidungen und nicht auf die Tages-politik. Die Vertretungsmacht der AöR konzentriert sich beim Vorstand, der die Anstalt eigenverantwortlich lenkt und nach außen vertritt.

Für und wider zur AöRIn 4 von insgesamt 7 abgegebenen

Stellungnahmen sprachen sich die Sachverständigen in der öffentlichen Anhörung ohne Einschränkung für die Einführung der kommunalen AöR

in Sachsen aus und sahen im vorgeleg-ten Gesetzentwurf dazu eine geeigne-te Grundlage. Das waren: Prof. Dirk E. (Universität Münster), Philipp H. (PricewaterhouseCoopers), Dr. Jochen H. (Fachanwalt für Verwaltungsrecht) und Johannes S. (Vorsitzender des Per-sonalrats im Krankenhaus Dresden-Friedrichstadt). Verwiesen wurde auch darauf, dass bereits 2002 der 64. Deut-sche Juristentag sich dafür ausgespro-chen hatte, die AöR als zusätzliche kommunale Unternehmensform in al-len Ländern einzuführen.

Die beiden kommunalen Spitzen-verbände Sachsens (Sächsischer Städ-

te- und Gemeindetag und Sächsischer Landkreistag) erklärten ihre grund-sätzliche Zustimmung zum vorliegen-den Gesetzentwurf und meinten, da-durch würden die bereits vorhandenen Gestaltungsformen für kommunale Unternehmen um eine neue Möglich-keit erweitert. Jedoch sahen sie kei-nen Bedarf für die AöR in Sachsen, da sich hier die Strukturen der kommuna-len Unternehmen verfestigt hätten und kaum noch Neugründungen von Unter-nehmen zu erwarten seien. Allerdings wollte Wolf G. vom Landkreistag nicht ausschließen, dass die AöR für zu-künftige Entwicklungen, etwa im Hin-blick auf steuerrechtliche Vorteile oder bei möglichen Rekomunalisierungen durchaus als Organisationsform inter-essant werden könnte.

Gänzlich auf Ablehnung stieß das Vorhaben AöR beim Vertreter der IHK Leipzig, der in der Installierung der AöR im sächsischen Gemeindewirt-schaftsrecht vor allem die „Balance zwischen Gemeindewirtschaft und Pri-vatwirtschaft gefährdet“ sah und mein-te, damit würde das in Sachsen ohnehin nur einfache Subsidiaritätsprinzip auch noch ausgehöhlt werden. Dem wurde von anderen Sachverständigen entge-gen gehalten, dass die AöR hauptsäch-lich nur für die Felder der kommunalen Daseinsvorsorge infrage käme, die für die Privatwirtschaft ja kaum von Inte-resse wären.

Vorzüge der AöRAls entscheidender Vorzug der AöR

wurde in der Anhörung wiederholt ge-nannt, dass mit dieser Rechtsform die Nachteile sowohl des kommunalen Eigenbetriebs als auch die der GmbH vermieden werden können. Als eigene Rechtspersönlichkeit hat die AöR die

Möglichkeit des selbständigen Agie-rens ähnlich der GmbH, ohne dass die enge kommunale Bindung verloren ginge.

Bei der Ausgestaltung der Anstalts-satzung haben es die Kommunen in der Hand, auf der Grundlage des lan-desrechtlichen Kommunalwirtschafts-rechts unmittelbar zu bestimmen, wel-chen rechtlichen und wirtschaftlichen Bewegungsspielraum sie der AöR ein-räumen wollen, ohne den Zwängen des bundesrechtlichen Gesellschaftsrechts unterworfen zu sein.

Damit ist die AöR als Rechtsform auch sehr geeignet, um ggf. eine Re-

kommunalisierung der Daseinsvorsor-gebereiche herbeizuführen.

Als weitere Vorzüge wurden in den Stellungnahmen folgende genannt.

Die Steuerbegünstigung: Da die AöR in der Daseinsvorsorge tätig ist und kein Betrieb gewerblicher Art ist, entfiele die Zahlung von Ertrags- und Umsatzsteuern.

Die Kreditwürdigkeit: die Gewähr-trägerschaft durch die Kommune ver-schafft der AöR die Möglichkeit sich ebenso gut über Kredite zu finanzieren wie die Kommunen selbst.

Die Vorteile der Steuerbegünstigung und der hohen Kreditwürdigkeit er-möglichen eine günstige Gebührenge-staltung in Bereichen der Daseinsvor-sorge (z.B. Abfall, Wasser, Abwasser).

Die AöR kann aufgrund ihrer in-neren Struktur wirtschaftlich und ef-fizient zu arbeiten, ohne jedoch die Gewinnerzielung als primäres Unter-nehmensziel haben zu müssen.

Bei der Errichtung einer AöR entfal-len eine Reihe nicht unerheblicher Kos-ten, wie z.B. Grunderwerbssteuer, No-tariatskosten, Stammkapital, Kosten für Handelsregistereintragungen und zusätzliche Verwaltungskosten.

Bei der Vergabe von Aufträgen be-steht bei der AöR die Möglichkeit des sog. „In-House-Geschäfts“.

Die AöR kann selbst Satzungen und Gebührenbescheide erlassen.

Fördermittel können an die AöR di-rekt ausgereicht werden, sie müssen nicht über Umwege zu ihr geleitet wer-den.

Probleme und HinweiseNeben den vielen Vorzügen der AöR

wurde auch auf Probleme aufmerksam gemacht und wurden folgende Hinwei-se gegeben.

So äußerte der Vertreter der IHK die Meinung, dass die Gewährträgerhaf-tung auch für kommunale AöR „ei-ne unzulässige Beihilfe im Sinne des Artikels 87 des EG-Vertrages“ dar-stellen könnte, da sie den Wettbewerb verfälsche. Andere Sachverständige hielten die Gewährträgerhaftung je-doch grundsätzlich nicht für ein Hin-dernis. Von Prof. Ehlers wurde so entgegengehalten, dass „diese Voraus-setzung in den meisten Fällen kommu-nalen Wirkens nicht gegeben“ sei. Es ließe sich auch dadurch regeln, dass die Gewährträgerhaftung mit dem Zu-satz zu versehen wird: „soweit nicht der

Handel zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union beeinträchtigt wird“.

Die kommunalen Spitzenverbände Sachsens sehen in der Gewährträger-haftung einen grundlegenden Nachteil, da hier die Kommune einerseits für die Verbindlichkeiten der AöR unbe-schränkt haften müsse, auf der anderen Seite aber durch die starke Stellung des Vorstands eine recht starke Verselbst-ständigung der AöR erfolge. Da wür-de sich ein gewisses Ungleichgewicht auftun.

Von Prof. Ehlers kam der Hinweis, dass der Verwaltungsrat der AöR nicht nur Überwachungskompetenzen haben darf, er müsse auch die Rückkopplung an die Kommune gewährleisten.

Richtig sei auch, dass die Sitzungen des Verwaltungsrats grundsätzlich öf-fentlich stattfinden, wenn es beispiels-weise um die Rechtsetzung – also den Erlass von Satzungen durch die Anstalt – geht. Gute Gründe dürften auch da-für sprechen, die Festlegung von Ab-gaben oder Entgelten für Nutzer und Leistungsabnehmern in öffentlichen Sitzungen zu beschließen. Im Übrigen bringe der Grundsatz der Öffentlich-keit aber „die Gefahr mit sich, dass es zu Vorentscheidungen über die Unter-nehmenspolitik in informellen Gremi-en“ komme.

AG

Page 16: Links! Ausgabe 03/2014

Seite 4Kommunal-Info 2/2014

Viele kommunale Straßenbrücken müssen neu gebaut werden. Notwen-diger Investitionsbedarf bis 2030 für den Ersatzneubau der Brücken liegt bei rund 16 Milliarden Euro

Ein großer Teil der Straßen in Deutschland befindet sich in der Bau-lastträgerschaft der Kommunen. Städ-te, Kreise und Gemeinden sind daher für Bau, Unterhalt und Betrieb zustän-dig und müssen die Kosten dafür tra-gen. Dies gilt nicht nur für Straßen, sondern auch für Straßenbrücken. Die rund 67.000 Straßenbrücken, für die die Kommunen zuständig sind (neben Gemeinde- und Kreisbrücken sind das in größeren Orten auch Brücken an Ortsdurchfahrten von Landesund Bun-desstraßen), befinden sich häufig in schlechtem oder nur gerade noch aus-reichendem baulichen Zustand. Nach einer aktuellen Studie des Deutschen Instituts für Urbanistik (Difu) müssen viele dieser Brücken bis zum Jahr 2030 entweder saniert oder sogar komplett neu gebaut werden. Die dafür notwen-digen Investitionsmittel für den Ersatz von Brücken beziffert das Institut auf rund elf Milliarden Euro bis 2030, hin-zu kommen – grob geschätzt – noch et-wa fünf bis sechs Milliarden Euro für den Ersatz von Brückenteilen („Sanie-rung“).

Knapp die Hälfte der kommunalen Brücken weist schlechte Zustände auf (Noten ab 2,5 und höher). Schlechte Zustandsnoten der kommunalen Stra-ßenbrücken sind überproportional häu-fig in den neuen Bundesländern und in kleinen Gemeinden zu finden. In gro-ßen Städten besteht vor allem bei lan-gen Brücken erheblicher Ersatzneu-baubedarf.

Mit der im Auftrag des Bundesver-bandes der Deutschen Industrie (BDI), des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie (HDB), des Bundesver-bandes Baustoffe – Steine und Erden (BBS) und der Wirtschaftsvereinigung Stahl (WV Stahl) erstellten repräsen-tativen Difu-Studie liegen erstmals deutschlandweit belastbare Daten zur Zahl, Länge, Fläche sowie zum Zu-

stand der Straßenbrücken in kommu-naler Baulast vor.

Der Sanierungs- und Erneuerungs-bedarf betrifft Kommunen deutsch-landweit gleichermaßen. Sind im Osten überproportional viele Brücken betrof-fen, die vor 1945 gebaut wurden, so be-finden sich im Westen viele Brücken mittlerweile „im kritischen Alter“ und müssten bald erneuert werden. Laut Studie müssen rund 10.000 (15 Pro-zent) der Bücken in Kommunen kom-plett ausgetauscht werden, dies ist aber bisher nach Auskunft der befragten Kommunen nur bei etwa der Hälfte tat-sächlich bereits geplant und führt grob geschätzt zu einem jährlichen Investiti-onsdefizit von 500 Millionen Euro.

Unterlassener Ersatzneubau hat er-höhte Instandsetzungsausgaben zur Folge und kann zu Verkehrseinschrän-kungen führen. Der durch Brückensper-rungen entstehende Ausweichverkehr hat wiederum negative Auswirkungen auf andere kommunale Straßenbrü-cken: So verursacht beispielsweise die Sperrung der Leverkusener Autobahn-brücke eine dreifache Verkehrsbelas-tung der Mülheimer Brücke in Köln.

Kleine Gemeinden haben gemessen an der Einwohnerzahl überproportio-nal viele Brücken mit „Ersatzneubau-bedarf“ und damit den höchsten Inves-titionsbedarf pro Kopf. Absolut gesehen haben allerdings Städte mit mehr als 50.000 Einwohnern den höchsten In-vestitionsbedarf, da sie mehr und grö-ßere Brücken besitzen. Besonders ho-hen Ersatzneubaubedarf haben die Kommunen in Nordrhein-Westfalen – u.a. aufgrund überdurchschnittlich vie-ler Brücken mit hoher Verkehrsleistung – sowie ostdeutsche Kommunen.

Diese angesichts der hohen Moderni-sierungsinvestitionen in den neuen Bun-desländern überraschende Diagnose ist einfach zu erklären: Investitionspro-gramme der neuen Bundesländer be-zogen sich vorrangig auf Fernverkehrs-wege (z.B. Verkehrsprojekte Deutsche Einheit). Bei der Straßeninfrastruktur der Kommunen gibt es jedoch weiter-hin erheblichen und überproportiona-

len Nachholbedarf, da auch das Städ-tebauförderprogramm „Stadtumbau Ost“ vor allem wohnungswirtschaft-lich angelegt war und kaum Maßnah-men zum Rückbau oder zur Erneue-rung von technischen Infrastrukturen förderte. So konnten Hauptverkehrs-straßen allenfalls mit dem Gemeinde-verkehrsfinanzierungsgesetz finanziert werden.

Die Unterfinanzierung der Kommu-nen beim Erhalt und Ausbau der Stra-ßeninfrastruktur ist evident. Straßen-brücken sind komplexe und sehr teure Ingenieurbauwerke. Der jetzige Inves-titionsstau stellt jedoch zunehmend ei-ne Gefahr für die Leistungsfähigkeit des Straßensystems in Deutschland dar. Hier entsteht dringender Hand-lungsbedarf. Ein mehrjähriges Brü-ckenerneuerungsprogramm könnte den Investitionsstau auflösen, der ins-besondere durch eine Häufung des vor-zeitigen Ablaufs der Lebensdauer von Brücken aus den 50er- bis 70er-Jahren resultiert. Mittel- und langfristig müs-sen aber andere Finanzierungsmodelle entwickelt werden.

Für die Studie wurden teilweise neue methodische Vorgehensweisen ge-wählt, da die bisherige Datenlage für die kommunale Straßeninfrastruk-tur unzureichend ist. Um die Zahl der kommunalen Straßenbrücken belast-bar zu ermitteln, wurden erstmalig und in einem neuartigen Verfahren Daten aus geografischen Informationssyste-men (GIS-Daten – OpenStreetMap) ausgewertet. Nach einer Methoden-analyse wurde ein flächenbezogener Ansatz zur Hochrechnung der Kosten für den Ersatzneubau gewählt. Die hier vorgenommene Hochrechnung geht insofern weiter als bisherige Studien, da sie auf den beschriebenen neu er-schlossenen Datenquellen zu kommu-nalen Straßenbrücken fußt. Grundlage der Hochrechnung sind außerdem die Kenntnisse von Fachleuten in den be-fragten Kommunen über den Umfang des notwendigen Ersatzneubaubedarfs bis zum Jahr 2030.

Der Studie lag eine umfangreiche

Kommunale Straßenbrücken marodeKommunalbefragung bei etwa 2.000 Städten, Kreisen und Gemeinden zu-grunde. Darin wurde nach Einschät-zungen der kommunalen Brückenex-perten zum Ersatzneubaubedarf und zur Struktur der kommunalen Stra-ßenbrücken gefragt. Mit Antworten aus 500 Kommunen zur Situation der Straßenbrücken insgesamt (die etwa 14.000 Straßenbrücken repräsentieren) und ebenfalls vertiefenden Angaben zu knapp 500 einzelnen Brücken sind die Ergebnisse repräsentativ für die kom-munalen Straßenbrücken in Deutsch-land.(aus: Difu-Berichte 4/2013)

Landkreistag will kommunale Kran-kenhausbeihilfen erhalten. Keine Vollprivatisierung der Krankenhäu-ser durch die kalte Küche

„Die Landkreise müssen auch in Zu-kunft in der Lage sein, Krankenhäuser bei Bedarf finanziell zu unterstützen, um eine angemessene medizinische Versorgung in der Fläche sicherzustel-len“, erklärte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Landkreistags Prof. Dr. Hans-Günter Henneke. Es sei daher als positives und ermutigendes Signal zu werten, dass die Musterklage der pri-vaten Krankenhausbetreiber gegen die vom baden-württembergischen Land-kreis Calw gewährten Krankenhaus-beihilfen Ende vergangenen Jahres mit Hinweis auf den nur den öffentlichen Krankenhausträgern obliegenden Si-cherstellungsauftrag in erster Instanz vollumfänglich abgewiesen wurde.

„Zu Recht hat das Gericht den öf-fentlichen Sicherstellungsauftrag in das Zentrum seiner Argumentation ge-stellt, der trotz des bestehenden Wett-bewerbs Zuschüsse der kommunalen Träger an ihre Krankenhäuser rechtfer-tigt. Hätte die Klage der privaten Kran-kenhauslobby Erfolg, würde die Kran-kenhauslandschaft in weiten Teilen Deutschlands regelrecht umgepflügt – mit unübersehbaren Konsequenzen für die medizinische Versorgungssi-cherheit speziell in vielen ländlichen Räumen“, betonte Henneke. Der Land-kreistag werde den weiteren Gang der gerichtlichen Auseinandersetzung auf-merksam verfolgen.

„Sollte sich wider Erwarten doch noch abzeichnen, dass die Rechtspre-chung kommunale Krankenhausbei-hilfen zur Sicherstellung der Kranken-hausversorgung spürbar erschwert, so wird man politisch gegensteuern müs-sen“, betonte Henneke. „Einer Vollpri-vatisierung des Krankenhauswesens sozusagen durch die kalte Küche muss rechtzeitig ein Riegel vorgeschoben werden“, unterstrich der DLT-Hauptge-schäftsführer. Alles andere hieße, die Axt an die Wurzel von öffentlicher Da-seinsvorsorge und kommunaler Selbst-verwaltung zu legen. (Pressemitteilung vom 23. Jan. 2014)

Keine Vollprivatisierung der Krankenhäuser

Page 17: Links! Ausgabe 03/2014

03/2014 Sachsens Linke! Seite 5

Erstmalig war die Lan-desarbe i t sgeme inscha f t betrieb&gewerkschaft (b&g) bei einer DGB-Bezirkskonfe-renz mit einem eigenen Stand vertreten. An diesem stellten Sven Scheidemantel (Bundes-sprecher von b&g), die Lan-dessprecher von b&g Klaus Ti-schendorf, Jenny Mittrach und Torsten Steidten sowie Jens Thöricht die Positionen der Ar-beitsgemeinschaft in und bei der LINKEN. Sachsen vor. Dank geht an dieser Stelle an Klaus Tischendorf und Karl-Friedrich

Zais, die mit einer Spende den Kauf des neuen Informations-standes ermöglichten. Auf der Konferenz, an der über 100 Delegierte und zahlreiche Gäste teilnahmen, forderte die alte und neue DGB-Landesvor-sitzende Iris Kloppich in ihrer Rede im Beisein von Minister-präsident Stanislaw Tillich die sächsische Regierung auf, nicht länger mit Niedriglohn als Standortvorteil für den Frei-staat zu werben. Zahlreiche Politikerinnen und Politiker nutzten die Konferenz,

um sich mit den Delegierten auszutauschen. Von der LIN-KEN waren unter anderem die sächsische Europaabgeord-nete Dr. Cornelia Ernst, die Bundestagsabgeordneten Sa-bine Zimmermann und Dr. And-ré Hahn und die Landtagsabge-ordneten Rico Gebhardt, Horst Wehner, Heiderose Gläß, Klaus Tischendorf, Karl-Friedrich Zais und Heinz Hoffmann darunter.

Jens Thöricht, Mitglied der Arbeitsgemeinschaft betrieb&gewerkschaft

betrieb&gewerkschaft bei der 7. DGB-Bezirkskonferenz in Dresden

Saubere Spritzen für Gefangene!Der Alltag in Gefängnissen zeigt, dass der Grundgedanke der Prohibition, nämlich die Abstinenz, falsch ist. Trotz en-ormer Kontrolldichte werden in Haftanstalten überall auf der Welt Drogen konsumiert. Eine drogenfreie Gesellschaft ist also auch dort nur eine Il-lusion. Während die präventive Versorgung von Drogenkonsu-menten draußen, in Freiheit, große Fortschritte macht, ist die Situation in Haft sehr kri-tisch. So sind laut einer Studie des Robert-Koch-Institutes rund ein Drittel aller Gefangenen wegen eines Drogendeliktes inhaftiert. Ein Viertel von ihnen konsumiert auch in Haft Hero-in. Die Rate der an HIV–infizierten Gefangenen ist rund 20mal hö-her als in Freiheit, die der von Hepatitis C Infizierten sogar

40mal. Die Praxis des intrave-nösen Drogenkonsums ist vor diesem Hintergrund extrem gefährlich. Spritzen sind im Knast Man-gelware. Eine sterile Spritze kostet nach Berichten Gefan-gener an die 30 Euro. Aufgrund der schlechten Versorgung mit Spritzbesteck ist es vorpro-grammiert, dass dieses nach dem Gebrauch weitergegeben wird. Auch Eigenanfertigungen von Spritzen sind in Haft Reali-tät, zum Beispiel mit Hilfe von Kugelschreiberminen. Es ist inakzeptabel, dass für Gefan-gene das Recht auf das für sie erreichbare Höchstmaß an Gesundheit nicht zu gelten scheint. Gerade einmal eine Ju-stizvollzugsanstalt (JVA) – jene in Berlin-Lichtenberg – bietet ein Spritzentauschprogramm an.

Das war nicht immer so. Ende der 90er Jahre war der politische Wille, sich diesem Problem ernsthaft zu stellen, durchaus ausgeprägter. So gab es in der Bundesrepublik immerhin sieben JVAs, die an die Gefangenen Spritzen ausgaben. Die Regierungsü-bernahme von Schwarz-Gelb in NRW und ein Rechtsruck in Hamburg unter Regierungsbe-teiligung der Schillpartei setzte dem ein Ende. Par Ordre du Mufti beschlossen die neuen Landesregierungen, dass es in deutschen Gefängnissen keine Drogen und damit auch keine geeigneten Präventionsmaß-nahmen zu geben habe. Aber auch Rot-Rot in Berlin beendete ein Spritzentauschprogramm in der JVA Plötzensee, da man den Druck der Öffentlichkeit scheute und nicht bereit war, die Interessen der Gefangenen

offensiv zu vertreten. Gängige Argumente gegen die Vergabe steriler Einmalspritzen zielten auf die Angst, die Häft-linge könnten sie als Waffen missbrauchen.In den weltweit bis zu 60 Haft-anstalten, die ein solches Pro-gramm haben, ist hingegen kein einziger Fall bekannt, in dem ein Bediensteter mit einer Spritze angegriffen wurde. Eine technische Lösung wäre zudem die Vergabe von Sicherheits-spritzen, deren Kanüle sich nach einer Injektion zurück-zieht. Problemlos und unaufge-regt führt die JVA Lichtenberg das Modell der Spritzenverga-be bereits seit 15 Jahren durch. Der Weg hin zu einem kon-struktiven Umgang mit die-ser Herausforderung ist nur möglich, wenn der politische Wille dazu existiert. Menschen in Gefängnissen haben keine

starke Lobby, und die Selbstor-ganisation von Betroffenen ist zudem unter den Bedingungen der Haft stark erschwert. Ge-rade die LINKE auf Landese-bene ist gefragt, dieses Thema hinreichend aufzugreifen und Perspektiven zu entwickeln. Letztlich müssen die Justiz-ministerien der Länder in die Lage versetzt werden, die Notwendigkeit eines flächen-deckenden Spritzenvergabe-programms zu erkennen. Die-se sind aufgefordert, mit den JVAs entsprechende Lösungen zu erarbeiten. Interdisziplinäre Arbeitsgruppen in den Gefäng-nissen könnten dann Schritte unternehmen, um die notwen-digen Präventionsmaßnahmen durchzusetzen. Ben KretzschmarMehr Informationen unter: http://www.drogenundmen-schenrechte.de/kampagne

Reisekosten abrechnen: Ja oder nein?Viele Mitglieder zahlen nicht nur ihren Beitrag, sondern sind auch in verschiedenen Gremien und Arbeitsgemeinschaften aktiv. Das geht einher mit vie-len Reisen quer durchs Land. Selbstverständlich können die so anfallenden Reisekosten ab-gerechnet werden, immer bei dem Gremium, für das man unterwegs ist. Das ist richtig und auch gut so. Ich mache das auch so. Im Gespräch mit Ge-nossInnen habe ich aber auch schon gehört, dass sie ihre Reisekosten nicht abrechnen. Warum? Weil sie nach eigener Aussage auf die Erstattung nicht angewiesen sind und die Parteikasse so schonen wollen. Diesen Ansatz finde ich durch-aus lobenswert und edel. Und ja, es ist auch richtig, dass die Partei sorgsam mit ihren Finan-zen umgehen muss. Allerdings heißt das nicht, dass wir auf die Abrechnung unserer tat-sächlichen Aufwendungen ver-zichten müssen und sollen. Im Gegenteil. Durch Spenden, und hier ist noch einige Luft nach oben, können wir alle unseren Beitrag dazu leisten, dass un-sere Partei über ausreichende finanzielle Mittel verfügt. Ich möchte hier auf das Parteien-gesetz verweisen. Danach er-halten Parteien staatliche Mittel entsprechend ihrer Verwurzlung in der Bevölkerung. Die staat-liche Förderung von Parteien orientiert sich dabei an drei Kriterien: erstens an ihrem Er-folg bei Wahlen, zweitens an der Höhe der Mitglieder- und Man-datsträgerbeiträge und drittens am Aufkommen an Spenden von natürlichen Personen. So erhält die Partei etwa 30 Pro-

zent der erhaltenen Spenden im Folgejahr als staatliche Mittel. Es macht also Sinn, regelmäßig oder doch zumindest so häufig wie möglich mit Spenden zur Finanzierung unserer Partei bei-zutragen; Spenden können zu-dem bei der Einkommenssteu-ererklärung geltend gemacht werden. Wenn ich für meine Arbeits-gemeinschaft oder für andere Gremien unterwegs bin, spende ich fast immer einen Teil meiner Reisekostenerstattung zurück. Das schont das Budget der Ar-beitsgemeinschaft bzw. des Gremiums und hilft der Partei insgesamt. Ich kann also nur jedem empfehlen, zu unser al-ler Vorteil ähnlich zu verfahren. Und all jene, die bisher abge-rechnet haben, könnten in sich gehen, ob sie nicht doch zukünf-tig hin und wieder einen Teil der Erstattung zurückspenden kön-nen. Es lohnt sich! Simone Hock

Gemäß § 18 Abs. 1 PartG erhal-ten die Parteien staatliche Mit-tel als Teilfinanzierung der ihnen nach dem Grundgesetz oblie-genden und im PartG konkreti-sierten Tätigkeiten. Maßstab für die Verteilung dieser Mittel ist die Verwurzelung der Parteien in der Gesellschaft. Diese wird zum einen am Erfolg gemessen, den eine Partei bei der jeweils letzten Europa- , Bundes- und Landtagswahlen erzielt hat, zum anderen am Umfang der Zuwen-dungen natürlicher Personen. Zuwendungen in diesem Sinne sind eingezahlte Mitglieds- und Mandatsträgerbeiträge sowie rechtmäßig erlangte Spenden (§ 18 Abs. 3 Nr. 3 PartG).

Bild: Jens Thöricht

Page 18: Links! Ausgabe 03/2014

Sachsens Linke! 03/2014 Seite 6

02. März 2014, ab 10:00 „Jun-ge Linke – Ab ins Rathaus!“, Vernetzungstreffen für junge Kommunalpolitiker_innen und Kandidat_innen im Jugend-haus Roter Baum, Großenhai-ner Straße 93, Dresden; Infos unter communal.linksjugend-sachsen.de

05. März 2014, Nazis in Chemnitz im Weg stehen: ht-tp://chemnitz-nazifrei.de/

08. März 2014, Internationa-len Frauen*kampftag, mehr unter http://www.linksju-gend-solid.de/kampagnen/frauenkampftag-2014/

09. März 2014, Landesju-gendtag und -plenum ab 10:00 im AundO Hostel, Branden-burgerstraße 2, Leipzig; An-meldung, Infos und geänder-te Tagesordnung unter http://www.linksjugend-sachsen.de/events/landesjugendtag-plenum/09032014.html

15. März 2014, 11. Landes-parteitag DIE LINKE. Sachsen im Flughafen Dresden

21. März 2014, Equal Pay Day – Tag der Entgeltgleichheit, mehr Infos unter http://www.equalpayday.de/

23. März 2014, ab 12:00 BR-Sitzung im linXXnet, Bornai-sche Straße 3 d, Leipzig

27. März 2014, Girls‘ Day – Mädchen Zukunftstag, mehr Infos unter www.girls-day.de

28. bis 30. März 2014, Bun-deskongress der linksjugend [‘solid] in Frankfurt am Main

12. April 2014, Nazis in Plau-en im Weg stehen, mehr unter www.vogtland-nazifrei.de

25. bis 27. April 2014, Ver-bandswochenende in Kassel, mehr Infos unter http://www.linksjugend-solid.de/events/verbandswochenende/

27. April 2014, ab 12:00 BR-Sitzung in Dresden

Mehr Infos unter www.linksjugend-sachsen.de

Jugend

Termine

Unsere jungen Kandidierenden

Du hast Lust auf Kommnal-politik, weißt aber noch nicht genau, wie das alles so läuft?

Stadtrat und Gemeindetag sind für Dich abschreckende Worte, aber wie sowas läuft, wolltest Du trotzdem mal wissen? Kein Problem! Wir planen gerade eine kleine Veranstaltung für alle interessierten Menschen

dungspolitischen Zusammen-hängen wie zum Beispiel dem KreisschülerInnenrat Chemnitz und dem LandesschülerInnen-rat Sachsen. Verwurzelt in der Bildungspolitik, wuchsen mein

Interesse und meine Begeis-terung in viele Richtungen: Ich setze mich intensiv mit Antifa- und Antiraarbeit auseinander und machte es mir zur Aufga-be, im Rahmen von Kinder- und Jugendarbeitsprojekten jun-ge Menschen mit politischen Prozessen vertraut zu machen und für politische Partizipati-on zu begeistern. Momentan nehme ich neben meinem Ge-schichts- und Soziologiestudi-um an der TU Dresden am Men-toringprogramm der Partei DIE LINKE teil, beschäftige mich mit der Konzeptualisierung eines Jugendbüros in Chemnitz. Nun ist es meine Absicht, mich mit neuen Herausforderungen und veränderten Möglichkeiten ein-zubringen. Vielleicht nicht in Na-delstreifenanzug und Krawatte, vielleicht unbedarfter als eine Vielzahl der anderen Politike-rinnen und Politiker – aber kann das nicht auch eine Bereiche-rung sein?

Werner Kujat (23)Macht: Studium Sonderpädago-gik auf StaatsexamenThemen: Inklusion, Schule

Als Gesellschaft setzen wir ständig Normen, die uns ver-einheitlichen sollen. Wer nega-tiv abweicht, gilt beispielsweise

schnell als verhaltensauffällig, eine Behinderung wird etiket-tiert. Warum aber werden Men-

schen stets defizitorientiert und nicht ihre Stärken betrach-tet? Einen Lichtblick bieten mo-derne pädagogische Ansätze, welche den Weg der Ressour-cenorientierung beschreiten. Niemand sollte wegen einer Etikettierung von Behinderung stigmatisiert werden. Die Nor-mierung muss aufgebrochen werden, denn alle Menschen haben das Recht auf ein gutes Leben, auf soziale Sicherheit, auf Selbst- und Mitbestimmung. Inklusion bedeutet genau dies: Wir sind alle verschieden, indi-viduell. Und das ist auch gut so! Für mich gilt: Gleiche Rechte, freie Entscheidungen, allen indi-viduell nach den Bedürfnissen, hin zu einer inklusiven Gesell-schaft.

Marie Wendland (21)Macht: PraktikantinThemen: Jugendmitbestimmung, Demokratie, Gleichstellung

Frauen werden strukturell dis-kriminiert, Menschen die Asyl suchen, werden unmenschlich behandelt, die Jugendlichen aus dem Kreis XY haben auf einmal keinen Jugendclub mehr. Die Liste an Dingen, die mich auf-regen, lässt sich ewig weiter führen. Aber ich will nicht nur kotzen, ich will verändern. Ge-

nau aus diesem Grund habe ich mich politisch engagiert. Zuerst in einer linken SchülerInnen-gruppe, dann in verschiedenen antirassistischen und freiraum-politischen Gruppen in Leip-zig, bis ich nun seit 2009 in der linksjugend Sachsen organisiert bin. Und weil ich verändern, mit-mischen und mich einmischen will, kandidiere ich: für DIE LIN-KE, für den Landtag.Wir wollen verändern. Wir wol-len Lernfabriken abschaffen. Wir wollen die Verhältnisse end-lich zum Tanzen bringen.

Anna Gorskih (21)Macht: Studium Kulturwissen-schaftenThemen: Antirassismus, Asyl, Drogenpolitik

Mein Engagement begann zu-

nächst in der Linksjugend Mei-ßen. Allerdings wurden wir schon kurze Zeit später mit dem Problem konfrontiert, dass es viele Jugendlichen in die Groß-städte zieht, also versuchten wir, zeitweise lediglich zu viert oder zu fünft, das Beste daraus zu machen. Jetzt in Leipzig lie-gen mir die Antifa- und Antira-arbeit besonders am Herzen. Durch meine ehrenamtliche

Tätigkeit als Helferin bei dem Leipziger Projekt „Drug Scouts“ beschäftige ich mich auch im Bereich der Drogenpolitik und setze mich für die Entkrimina-lisierung des Konsums ein. Ne-ben meinen politischen Aktivi-täten gehe ich momentan auch meinem Studium der Kulturwis-senschaften an der Uni Leipzig nach. Aber auch die Uni ist für mich kein politikfreier Ort, son-dern viel mehr genau der rich-tige Platz, um Dinge kritisch zu hinterfragen.

Tom Rumberger (21)Macht: EventmanagerThemen: Jugendkultur, Kulturpo-litik, Gleichstellung

Ich bin seit 6 Jahren aktiv und engagiere mich in unterschied-lichen Projekten – von Musik-, Rettungs- und Kulturvereinen bis hin zu politischen Struktu-ren. Im Jahr 2011 habe ich mit Freunden das kulturpolitische Reich & Schön Festival ins Le-ben gerufen, welches bis heu-te zu den größten unkommerzi-

ellen Festivals in Sachsen zählt. Unser Hauptanliegen ist dabei, kreative Kultur zu fördern – auch im ländlichen Raum. In der Kleinstadt, wo ich groß wurde,

Die linksjugend [‚solid] Sachsen hat auf einem Landesjugendple-num im November 2013 sechs junge Menschen nominiert, die für den Jugendverband und DIE LINKE bei der Landtags-wahl 2014 antreten und natür-lich auch rege den Wahlkampf unterstützen sollen. Nachdem unsere jungen Kandidierenden fast alle Kreisverbände besucht haben, möchten wir auch hier noch einmal alle sechs kurz vor-stellen.

Marco Böhme (23)Macht: Studium Stadt- und RaumplanungThemen: Umwelt, Stadtentwick-lung, Gleichstellung

Das Leben in Sachsen ist kein Zuckerschlecken. Das weiß man spätestens, wenn man auf dem Nachhauseweg von Na-zis bedroht wird oder gar nicht mehr nach Hause kommt, weil die Bürgersteige hochgeklappt wurden. Auch lastet ein stän-diger Druck auf vielen von uns, sei es in der Schule, wo gute No-ten das scheinbar einzige sind,

was zählt, oder im Ausbildungs-betrieb, wo man oft als billige Arbeitskraft missbraucht wird, ohne mitbestimmen oder sich selbst verwirklichen zu kön-nen. Wohnen kann man nur noch dort, wo man es sich leis-ten kann und die Jugendclubs oder die Bandproberäume um die Ecke existieren schon lan-ge nicht mehr. Das und noch viel mehr sind oder werden traurige Realitäten in Sachsen und ver-kommen zum Normalzustand. In unserem Landesjugendwahl-programm haben wir Alternati-ven zu dieser Entwicklung for-muliert, die das Ziel haben, ein freies und selbstbestimmtest Leben nach eigenen Wünschen und Vorstellungen führen zu können. Dafür will ich streiten.

Anja Klotzbücher (19)Macht: Studium Geschichte und SoziologieThemen: Bildung, Ausbildung, Schule, Partizipation

„Groß geworden“ bin ich in bil-

gehört der Jugendclub den Na-zis, für Bandproberäume fehlten die nötigen Förderungsgelder, Konzerte wurden von der Stadt verhindert. Und dann fragen sich alle, warum es die Jugend-lichen wegzieht ... Es ist Zeit, dass politische Entscheidungen nicht mehr nur nach ökonomi-schen Zielen bestimmt werden. Deshalb ist DIE LINKE für mich eine Partei, die die tatsächli-chen Alternativen bietet.Bilder: Linksjugend

Page 19: Links! Ausgabe 03/2014

03/2014 Sachsens Linke! Seite 7

Mehr als alle anderen Whist-leblower hat Edward Snow-den gezeigt, welches Ausmaß die Überwachung durch die westlichen Geheimdienste im 21. Jahrhundert erreicht hat. Die regelmäßigen Veröffent-lichungen aus den Dokumen-ten Snowdens, die Anfang Juni 2013 begonnen haben, dauern auch 2014 noch an. Ein Ende der Affäre ist nicht in Sicht. Schon im Sommer 2013 un-ternahm Ronald Pofalla im Auftrag der Bundesregierung den peinlichen Versuch, die Angelegenheit für beendet zu erklären, bis bekannt wur-de, dass auch das Handy der Kanzlerin jahrelang abgehört worden war. Das Europapar-lament startete seine eigene Untersuchung. Da es keine eigenen Untersuchungsrech-te besitzt, wäre es wichtig gewesen, den von mir mehr-fach geforderten Sonderaus-schuss einzurichten, statt 15 Anhörungen am Rande des übrigen laufenden Betriebs zu veranstalten. Dennoch konnte dabei viel Interessan-tes und noch mehr Schockie-rendes zusammengetragen werden. Es ergibt sich ein Gesamtbild mit einem Netzwerk aus Ge-heimdiensten, die im Namen der „nationalen Sicherheit“ und der Bekämpfung des Terrorismus in riesigem Um-fang Daten miteinander tau-schen. Die Dienste, allen vo-ran NSA und GCHQ, agieren

aufgrund viel zu allgemein gehaltener Ermächtigungen, die dann noch regelmäßig übertreten werden. Der Bun-desnachrichtendienst ist an diesen Machenschaften ak-tiv beteiligt, genauso wie die

Geheimdienste Frankreichs, Schwedens, der Niederlan-de, Polens und vieler mehr. Die vorgesehenen Kontroll-strukturen haben völlig ver-sagt. Die Geheimdienste hatten freie Hand, ihre Über-wachung auszubauen und ein System zu schaffen, mit dem ein Geheimdienst Informatio-nen von den anderen erhalten kann, die er selbst sich nicht legal beschaffen könnte, et-

wa weil es um die eigenen StaatsbürgerInnen geht. Ü b e r wac hu ng s p r og r am -me wie PRISM und Xkeys-core dienen der massenhaf-ten Datensammlung. Werden die Daten miteinander ver-

knüpft und Profile daraus ge-bildet, offenbaren sie extrem viel über uns. Sie geben Auf-schluss über Bekannte und Freunde, Gewohnheiten, Vor-lieben, Probleme. Aus genü-gend großen Datenmengen kann man Menschen kennen-lernen, ohne sie je zu treffen. Um die riesigen Datenmen-gen zu verarbeiten, haben die Geheimdienste auch die entsprechenden Rechenka-

pazitäten beschafft. Milliar-den Dollar und Euro sind aus-gegeben worden. So ist ein Überwachungssystem ent-standen, das selbst Geheim-dienstkenner überrascht hat. Bemerkenswert ist der Druck, der auf die Protago-nisten der Enthüllungen aus-geübt wird. Snowden sitzt noch immer in Russland fest. Der Journalist Glenn Green-wald, der die meisten Doku-mente Snowdens aufberei-tet hat, lebt in Brasilien und meidet die USA oder Groß-britannien. Sein Mann, David Miranda, wurde in Heathrow stundenlang unter dem Vor-wand der Terrorbekämpfung festgehalten. Der Guardian musste unter Aufsicht Fest-platten zerstören, der Chef-redakteur im britischen Par-lament aussagen. Pikant ist, wie Journalisten drangsaliert werden. Skandalös ist es, wie die nach 2001 beschlos-senen Anti-Terrorgesetze be-nutzt werden, um unliebsame Journalisten einzuschüch-tern. Das ist genau der Miss-brauch der Anti-Terrorgeset-ze, den wir vor zehn Jahren, als sie beschlossen wurden, vorausgesagt haben.Eine wirklich kritische Aus-einandersetzung mit der ge-samten Anti-Terrorpolitik der vergangen zwei Jahrzehnte und der heutigen Architek-tur der inneren Sicherheit bleibt dennoch aus. Der Sinn und Zweck von Geheimdiens-ten wird nicht hinterfragt und

auch nicht der Nutzen von In-strumenten wie Vorratsda-tenspeicherung, Fluggastda-tensammlung und Austausch von Finanzdaten im Rahmen des SWIFT-Abkommens. Und damit kann auch eine entscheidende Frage, die sich aus dem Skandal er-gibt, nicht überzeugend und schon gar nicht abschließend beantwortet werden. Näm-lich wie viel Repression und Überwachung die freie, sozi-ale, pluralistische und siche-re Gesellschaft, in der wir le-ben wollen, verträgt und wie viel davon nötig ist, um sie zu erreichen. Diese funda-mentale Abwägung zwischen Freiheit und Sicherheit kann so nicht erfolgen, wäre aber angesichts dieses Skandals mehr als überfällig.Natürlich brauchen wir Asyl für Snowden und besseren Schutz für Whistleblower. An den entscheidenden Her-ausforderungen, die sich aus dem Skandal ergeben, gehen sie aber vorbei. Aus dem Eu-ropaparlament heraus wer-den sich Geheimdienste, wie es DIE LINKE richtig fordert, nicht abschaffen lassen. Da-her gilt es immer wieder zu zeigen, in welchem Missver-hältnis Freiheit und Sicher-heit heute stehen. Dieses Missverhältnis, das ist die Lehre aus dem Skandal, ist zu einer Bedrohung unserer Demokratie geworden. Dort müssen wir ansetzen.Cornelia Ernst

DIE LINKE im Europäischen Parlament

Asyl für Snowden, Geheimdienste abschaffen!

Selbst entscheiden, wie wir leben wollen

In Brüssel und Washington wird gerade ein Vertrag aus-gehandelt, der unser Leben stark verändern würde.Bundeskanzlerin Merkel und die anderen Regierungs-chefs der EU-Mitgliedstaa-ten haben die EU-Kommis-sion beauftragt, mit der US-Regierung das umfas-sendste Freihandelsabkom-men aller Zeiten auszuhan-deln. Dabei geht es um weit mehr als um die Absenkung von Einfuhrzöllen für Jeans oder Maschinen. Ziele sind Angleichung oder wechsel-seitige Anerkennung von Re-gulierungen, die dem Handel im Weg stehen könnten. Es geht um die Qualität unserer Nahrung und das Schicksal der Bauern, es geht um un-sere Haut und was wir darauf tragen, es geht um die Art zu leben und die Art und Weise, wie wir produzieren können und konsumieren wollen.Im Europaparlament haben CDU/CSU, SPD und FDP die

Verhandlungen euphorisch begrüßt. Der Versuch der Linksfraktion, kritische Stim-men von beiden Seiten des Atlantiks von Verbraucher-verbänden, Gewerkschaften und Bauern ins Parlament einzubringen, wurde nieder-gestimmt. Lediglich für den Kultursektor konnten wir eine Ausnahme erwirken.Doch unter anderem sind in der Landwirtschaft und bei der Lebensmittelqualität die Unterschiede gewaltig. Mehr als zwei Drittel der europä-ischen Bevölkerung wollen keine genetisch veränderten Lebensmittel auf ihrem Tisch. In den USA wird fast nur noch solches Saatgut eingesetzt. Der Konzern Monsanto hält fast alle Patente und kassiert dafür bei den Bauern ab. So wird schnell klar, wer hier auf ein Abschleifen europäischer Regeln drängt. Werden sich unsere Bauern angesichts des Preisdrucks dann noch weiter gegen die Gensaat

sperren können? Wollen wir das essen? Wollen wir für die-se Produkte die Zölle senken und unsere Verbraucher- und Tierschutzregeln unterwan-dern lassen?Mit dem Abkommen soll ein „Regulierungsrat“ aus Ver-waltungsbeamten geschaf-fen werden, der beste-hende Gesetze, aber auch Vorlagen für neue Gesetze dahinge-hend überprüfen soll, ob sie ein Hindernis für den Handel darstellen. Die Parlamente wären kaltgestellt. Dass mas-siv interveniert wird, zeigt ak-tuell das Schicksal der neu-en Datenschutzrichtlinie der EU, einem der Schwerpunkt-themen unserer sächsischen Europaabgeordneten Conny Ernst. Trotz des NSA-Skan-dals haben die US-Regierung und die US-Handelskammer deren Beerdigung gefordert. Ausgerechnet die deutsche Regierung blockiert nun eine Einigung des Rates mit dem Europaparlament über das

neue Gesetz.Konzerne sollen im TTIP ein Klagerecht gegenüber Regie-rungen vor einem Sondertri-bunal aus Handelsex-perten erhalten (ISDS), falls durch ein neues Gesetz zum Bei-spiel im Umweltschutz die er-warteten Profite von Investo-ren geschmälert würden. Ich bin entschieden gegen dieses Aushebeln des Rechtssys-tems. Einzig ordentliche Ge-richte haben die Kompetenz zur Güterabwägung. Die Son-dertribunale könnten Regie-rungen einschüchtern, wenn es zum Beispiel um ein Verbot von Fracking geht. Kommu-nen könnten verklagt werden, wenn sie eine Dienstleistung re-kommunalisieren wollen.Der beginnende Protest hat bereits einen ersten Erfolg er-zielt. Die Kommission hat die Verhandlungen zu ISDS aus-gesetzt und will nun ein drei Monate dauerndes Konsulta-tionsverfahren durchführen. Es ist aus meiner Sicht sehr

wichtig, dass Bürgerinnen und Bürger, Kommunen und Landtage in diesem Verfah-ren gesunden Menschenver-stand einbringen.Über das TTIP-Abkommen zwischen EU und USA ent-scheidet am Ende das Eu-ropaparlament. Es hat bei Handelsabkommen ein Veto-Recht. Bei den Wahlen zum Europäischen Parlament am 25. Mai 2014 ist es an Ihnen, darüber zu entscheiden, ob dort Abgeordnete sitzen, die den Mut haben, mit Nein zu stimmen. Ein Erstarken der Linksfraktion würde die Un-terhändler zweifellos zum Nachdenken bringen.Helmut Scholz

Das Transatlantische Handels- und Investitionsabkommen (TTIP) könnte uns viel Spielraum nehmen

Page 20: Links! Ausgabe 03/2014

Sachsens Linke! 03/2014 Seite 8

Die Olympischen Winter-spiele in Sotschi sind noch nicht Geschichte, denn die Paralympics folgen im März. Über Wochen hinweg stand Russland im Fokus der (medi-alen) Öffentlichkeit, natürlich sportlich, aber auch im Zu-sammenhang mit Demokra-tie- und Menschenrechtsfra-gen. Die deutschen Athleten waren 2014 leider nicht ganz so erfolgreich wie in früheren Jahren, und bei uns gab es sogar den ersten Doping-Fall. Sotschi brachte eine Vielzahl spannender Wettkämpfe mit tollen Leistungen auch un-serer Sportler, machte aber auch Defizite deutlich, bei der Nachwuchsförderung allgemein und in einzelnen Sportarten wie Biathlon oder Eisschnelllauf im Besonde-ren. Hier kommt dann der Bundestag ins Spiel, denn für die Förderung des Leistungs-sports ist vor allem der Bund zuständig. Unter dem Dach des Deut-schen Olympischen Sport-bundes versammeln sich derzeit 91.000 Turn- und

Sportvereine mit rund 28 Millionen Mitgliedern. Hinzu kommen viele, die ohne Mit-gliedschaften Sport treiben. All diese Menschen sind im Übrigen Wähler, auch hier bei uns in Sachsen. Debatten zum Sport sind im

Bundestag dennoch eher sel-ten, zumindest im Plenum, obwohl im Parlament seit langem ein eigenständiger Sportausschuss existiert. Ka-trin Kunert als Obfrau und ich als sportpolitischer Sprecher werden die LINKE in dieser Wahlperiode dort vertre-ten. Zu den Schwerpunkten unserer Arbeit gehören die

bessere Förderung des Spit-zensports für Menschen mit und ohne Behinderungen, der Kampf gegen Doping sowie die Gewalt im Sport, vor allem im Fußball. Auch wenn für den Breiten- und Schulsport sowie die Sportstätten die Länder

und Kommunen verantwort-lich sind, muss der Bund hier stärker kooperieren. Bei meiner ersten Rede im Bundestag ging es nicht um die Geheimdienstkontrolle, für die ich ja ebenfalls zuständig bin, sondern um einen Antrag der Grünen, der mir Gelegen-heit gab, über das nicht immer einfache Verhältnis von Sport

und Politik zu sprechen. Die Diskussion über Men-schenrechte, Homophobie, Umweltzerstörungen und die ausufernden Kosten über-schattet seit Monaten die Berichterstattung über die Winterspiele in Russland. Klar ist: DIE LINKE lehnt jede Form von Diskriminierung Homose-xueller ganz entschieden ab, egal ob in Russland oder an-derswo auf der Welt. Die De-batten nach dem mutigen Ou-ting von Thomas Hitzlsperger haben gezeigt, dass auch wir in Deutschland diesbezüglich noch Nachholbedarf haben.Es ist absolut legitim, kri-tikwürdige Zustände in Menschenrechts- oder De-mokratiefragen auch im Zu-sammenhang mit Sportgroß-ereignissen zu thematisieren, wie sie derzeit in Russland stattfinden. Zugleich haben wir alle eine gemeinsame Ver-antwortung dafür, dass weder das berechtigte Anliegen noch die Sportlerinnen und Sportler politisch instrumentalisiert werden. Auch sollte nicht mit zweierlei Maß gemessen wer-

den. Ich kann mich z. B. nicht daran erinnern, dass im Zu-sammenhang mit Olympia in den USA die dort immer noch verhängte Todesstrafe öffent-lich thematisiert wurde.Die Grünen im Bundestag haben sich – wie Bundesprä-sident Gauck – entschieden, nicht nach Sotschi zu fahren. Ich halte das für falsch, denn auch hier gilt: Es ist besser, miteinander als übereinander zu reden. Deswegen werde ich die Paralympics in Sotschi be-suchen. Die wechselseitigen Boykotte der Sommerspiele von 1980 in Moskau und 1984 in Los Angeles habe ich schon damals für falsch gehalten. Boykotte bringen politisch we-nig bis gar nichts; sie schaden aber immer dem Sport.Dr. André Hahn

DIE LINKE im Bundestag

23 Jahre deutsche „Einheit“. Eine Sicht auf Sachsen

Sport und Politik – keine einfache Beziehung

Der Jahresbericht zum Stand der Deutschen Einheit pro-pagiert ein „Weiter-so“ in der Vereinigungspolitik. Reicht das wirklich aus oder ist es gar falsch?Vor knapp 23 Jahren kam ich als junger Staatsanwalt von Niedersachsen nach Sachsen. Was hat sich hier bis heute geändert, was ist besser geworden, was muss noch geschehen, was hätte anders laufen können? Die meisten Häuser sind saniert, die Innenstädte haben Far-be und Flair bekommen. Das Angebot in den Geschäften ist reichhaltig. Man kann das ganze Jahr über Südfrüchte kaufen. Die Luft riecht nicht mehr nach Schwefel, da kaum noch mit Braunkohle geheizt wird. Dafür gibt es jetzt Smog und Umweltzonen, die man aufgrund der erhöhten Schad-stoffbelastung der Luft nur noch eingeschränkt befahren darf. Ist die Luft wirklich bes-ser geworden? Ich denke, sie ist einfach nur anders gewor-den, was nicht zuletzt dem er-höhten Verkehrsaufkommen geschuldet ist.Heute kann jeder aus Sach-sen in die ganze Welt reisen – theoretisch. Wer im Erzgebir-ge oder im Vogtland versucht, seine Familie mit einem Stun-denlohn unter 5 Euro über Wasser zu halten, kann dies eben nur theoretisch. Von den Menschen im Hartz-IV-Bezug

ganz zu schweigen. Diese ha-ben schon Probleme, sich die Sachen des täglichen Bedarfs zu kaufen. Aber dafür haben wir ja die Errungenschaft der Tafeln. Es ist zwar toll, wie sich Menschen dort engagie-ren, andererseits ist es für ein so reiches Land wie Deutsch-land beschämend, dass sich

Familien mit Kindern und in letzter Zeit auch zunehmend Rentner und Rentnerinnen bei den Tafeln für Lebensmittel anstellen müssen. Aber eigentlich kann es nicht verwundern, denn die Löhne sind noch immer niedriger als in den alten Bundeslän-dern. Warum tut man sich so schwer mit der Angleichung und somit der Schaffung gleichwertiger Lebensver-

hältnisse? Selbst Kinderer-ziehungszeiten sind im Osten nach Meinung der Regierung weniger wert.Ach ja, die Straßen sind besser geworden. Man kann einer-seits in Sachsen auf der Auto-bahn mit einem VW-Phaeton in 1,5 Stunden von Polen bis Bayern fahren. Aber wer will

das schon und ich weiß nicht, ob dies eine Bereicherung für die breite Bevölkerung ist, wenn andererseits eine Fahrt mit dem Bus aus dem Erzgebirge nach Chemnitz als Tagestour geplant werden muss. Die Autobahnen wer-den vier-bis sechsspurig aus-gebaut, aber der öffentliche Nahverkehr stirbt teilweise. Es ist die Sicht, die sich ge-ändert hat. Heute muss sich

alles rechnen, und es muss eine entsprechende Rendite herauskommen. Selbst bei der Polizei spielt Rentabilität eine große Rolle, denn wie anders ist es zu er-klären, dass Polizeireviere er-satzlos eingestampft werden? Stellen werden gestrichen, obwohl die Aufgaben umfang-

reicher geworden sind. Dies bietet dem Rechtsradikalis-mus die Möglichkeiten, sich entsprechend auszubreiten. Opfer können von der Polizei teilweise nicht mehr vor rech-ter Gewalt beschützt werden und müssen deshalb in an-dere Städte gebracht wer-den. Vielleicht ist Sachsen ja Vorreiter für ein Opferschutz-programm, wobei die Gefahr besteht, dass wir in ferner

Zukunft reine Täterstädte und Opferstädte haben könnten. Dass dies eine Lösung ist, be-zweifle ich.Zu DDR-Zeiten gab es Po-likliniken mit einer guten ärztlichen Versorgung für je-dermann an jedem Ort. Die Polikliniken wurden abge-schafft, heute gibt es mona-telange Wartezeiten für einen Arzttermin und im ländlichen Raum fehlt großflächig ärzt-liche Versorgung. Nun werden Polikliniken wieder eingerich-tet, heißen aber jetzt Ärzte-zentren, denn sie sind ja nun eine Erfindung der demokrati-schen Regierung.Vor der Wende wurde im-mer kritisiert, dass die alten SED-Kader auf ihren Stühlen festgetackert waren. Das ist jetzt anders geworden. Wir haben in Sachsen seit 1990 eine CDU-Regierung, und die ist nicht festgetackert. Dank importierter neuester Kle-betechnik aus dem Westen sind sie absolut sicher auf ihren Stühlen fixiert. Man-cher Einheimische fragt sich inzwischen, was denn nun so großartig anders geworden sein soll bei dieser politischen Kultur. Die Farbe hat sich ge-ändert, aus Rot ist Schwarz geworden. Und das Partei-buch ist nach wie vor wichtig. Es sind eben immer noch die Verhältnisse, die wir nach wie vor ändern müssen.Jörn Wunderlich

Bild: Lear 21 at en.wikipedia / CC BY-SA 3.0

Olympia-Park in Sotschi. Bild: Atos / CC BY-SA 2.0

Page 21: Links! Ausgabe 03/2014

Seite 5 03/2014 Links! Geschichte

Vor 40 Jahren: Nelkenrevolution in PortugalDer entscheidende Auslöser für die Nelkenrevolution waren die blutigen Kriege in den dama-ligen portugiesischen Koloni-en Angola, Guinea-Bissau und Mosambik, die in den 1960er Jahren begannen. Während die übrigen imperialen Mächte ih-re ehemaligen Kolonien in die formale Unabhängigkeit ließen, verweigerte sich Portugal der globalen Dekolonisationsbewe-gung. Allerdings besaß Portu-gal nicht die politischen, öko-nomischen und militärischen Ressourcen, um die Rebellen-bewegungen in Angola und Mo-sambik niederzuschlagen, und spätestens Anfang der 1970er

Jahre war es offensichtlich, dass diese Kriege nicht gewonnen werden könnten. Die Kriegs-kosten verschlangen etwa die Hälfte der staatlichen Ausgaben und die portugiesische Armee musste gegen die KämpferIn-nen der nationalen Unabhän-gigkeitsbewegungen schwere Verluste hinnehmen. Insgesamt starben bei den Kolonialkriegen ca. 8.300 portugiesische Solda-ten und mehr als 100.000 »Af-rikanerInnen«. Die Kriege führ-ten bei den einfachen Soldaten und den Unteroffizieren zu ei-ner wachsenden Unzufrieden-heit mit dem Regime. Mit der Erkenntnis, dass für die Beendi-gung der Kolonialkriege nichts weniger als der Sturz des Regi-mes notwendig war, wurde aus der Unzufriedenheit politische Opposition.Die oppositionellen Militärs sammelten sich Anfang der 1970er in der »Movimento das Forças Armadas» (Bewegung der Streitkräfte, MFA), einer klandestinen Organisation in-nerhalb der Armee, und entwi-ckelten hier politisch-ideolo-gisch eine eher linke Tendenz. Die MFA rekrutierte sich haupt-sächlich aus den unteren Offi-ziersrängen und den Soldaten, die gegen die Fortführung der portugiesischen Kolonialkriege waren.Am 25. April 1974 putschte die MFA gegen das Regime und stürzte somit eine der längsten Diktaturen Europas. Weder die Polizei noch die restliche Armee

versuchten, das alte Regime zu verteidigen; sie verhielten sich entweder passiv oder liefen über. Der Putsch verlief weitge-hend unblutig.Nach dem Putsch übergab die MFA die politische Führung des Landes an die »Junta de Sal-vação Nacional« (Junta der Na-tionalen Rettung), ein Komitee aus höheren Offizieren. Die Jun-ta setzte sich aus verschiede-nen politischen Lagern zusam-men und bestand nicht nur aus MFA-Mitgliedern. Das Komitee sollte als provisorische Regie-rung dazu dienen, die Ziele der MFA (Demokratisierung und En-de des Kolonialkrieges) umzu-

setzen, und anschließend die politische Macht an eine de-mokratisch gewählte Regierung übergeben.Die Bevölkerung, für die eher ei-ne passive Rolle (etwa als Wäh-lerInnen) zugedacht war, ver-hielt sich jedoch anders, als es die Pläne der MFA-Militärs vor-gesehen hatten. Dies zeichnete sich bereits am 25. April ab. Ent-gegen dem Aufruf der Putschis-ten strömten die Menschen auf die Straßen. Der MFA-Putsch entwickelte sich zu einer politi-schen Revolution und auch ers-te Ansätze einer sozialen Revo-lution ließen sich ausmachen. In den folgenden Wochen und Mo-naten besetzten ArbeiterInnen Fabriken und Ländereien und in den Stadtvierteln und Betrieben bildeten sich basisdemokrati-sche Komitees und Räte. An-derswo streikten ArbeiterInnen für bessere Löhne und Arbeits-verhältnisse. Die postrevolutionäre Phase war gekennzeichnet durch Aus-einandersetzungen über die Frage, welches (politische und ökonomische) System etabliert werden sollte – oder anders ge-fragt, wie weit die Revolution gehen sollte. Es lassen sich da-bei zwei Lager ausmachen: Ge-gen diejenigen, die den Sturz der Diktatur zu einer sozialen Revolution transformieren woll-ten, standen die Kräfte, die auf die Etablierung einer parlamen-tarischen Demokratie und einer freien Marktwirtschaft abziel-ten.

Nach dem schnellen Sturz der Diktatur entstand eine Situati-on, in der weitergehende Hoff-nungen möglich schienen. Eine gerechtere Gesellschaft, in der alle gleichberechtigt partizipie-ren können, schien greifbar nah. Die Strategien hierfür waren vielfältig: Einerseits entstanden graswurzelartige Bewegungen in vielen Städten, ArbeiterIn-nenkomitees fanden zusammen und Menschen besetzten spon-tan Wohnraum, Land und Fab-riken, um anders zu leben. An-dererseits entwickelten die »Partido Comunista Português« (Portugiesische Kommunisti-sche Partei, PCP) und der linke

Flügel der MFA einen etatisti-schen Ansatz und forderten un-ter anderem die Verstaatlichung der Produktionsmittel, die Ent-eignung der Großgrundbesit-zer und keine außenpolitische Annäherung an die EG. Die-se beiden revolutionären Strö-mungen waren keinesfalls de-ckungsgleich, gemeinsam war allerdings die Forderung nach einer sozialen Revolution. Die Unterschiede lagen in der Fra-ge, ob dies »von unten« (durch die Schaffung von Gegenmacht) oder »von oben« (durch die Er-langung der Staatsmacht) er-reicht werden sollte.

»Moderate« DemokratenEin breites Spektrum von Rechtskonservativen bis hin zu SozialdemokratInnen ziel-te nach dem Sturz der Dikta-tur auf die Einführung einer ka-pitalistischen Demokratie mit Bindung an die westlichen au-ßenpolitischen Verbünde (NA-TO und EWG). Dies deckte sich gewissermaßen mit den Mini-malzielen des Militärs nach Be-endigung der Diktatur und der Kolonialkriege, aber die Forde-rungen der linken Militärs nach einer umfangreicheren politi-schen und sozialen Umwand-lung lehnten die Konservativen und SozialdemokratInnen ab. Es sollte ein formaldemokrati-sches politisches System aufge-baut werden, in dem parlamen-tarische Parteien durch Wahlen an die Macht kommen und an-dere AkteurInnen aus dem poli-

tischen Raum heraus gedrängt werden sollten. So sollten ei-nerseits die revolutionären Mili-tärs in die Kasernen zurückkeh-ren und andererseits die neuen entstehenden basisdemokrati-schen Strukturen, wie etwa die ArbeiterInnenkomitees, wieder zerschlagen werden. Ebenso sollten die Eigentumsrechte an den Produktionsmitteln nicht in Frage gestellt werden.

»Sozialistische« Regierung unter DruckDie erste Verfassung von 1974 tendierte deutlich nach links und die »sozialistische« Regie-rung unter Vasco Gonçalves vollzog eine grundlegende Land-reform und die Verstaatlichung von zahlreichen Unternehmen. Die Landreform regelte die Ent-eignung von Großgrundbesit-zern und die Verteilung dieses Landes an Bauernkollektive. Ebenso wurden brachliegende Böden an mittellose BäuerInnen vergeben. Insgesamt wurden 1,2 Millionen Hektar Land (etwa 14 % des Staatsgebiets und 25 % der Gesamtagrarfläche des Landes) enteignet und an Kol-lektive verteilt.Im »heißen Sommer« 1975 ver-schärften sich die Auseinander-setzungen zwischen den politi-schen Lagern. Es bildeten sich rechtsterroristische Gruppen, die Attentate und Anschläge gegen Linke verübten. Im kon-servativen Norden des Landes wurden nach einer antikom-munistischen Hetzkampagne seitens der Kirche Parteibüros der PCP niedergebrannt. Eini-ge linksradikale Organisationen bewaffneten sich ebenfalls und gingen in den Untergrund. Ge-rüchte über Putschpläne der un-terschiedlichen Flügel innerhalb der MFA kursierten. Gleichzei-tig erlangten die ArbeiterInnen-räte und basisdemokratischen Komitees in den Stadtvierteln vieler Orte einen Grad an politi-scher Selbstorganisation, durch den sie eine Gegenmacht zur Staatsmacht bildeten. Die Rä-te und Komitees standen somit auch mit der PCP und ihren Ge-werkschaften in politischer Kon-kurrenz. Die »sozialistische« Regierung von Vasco Gonçalves konnte die politische und ökonomische In-stabilität des Landes nicht be-enden. Dies führte dazu, dass die »moderaten« Militärs, die in-zwischen innerhalb der MFA die Führung hatten, Gonçalves am 19. September 1975 absetz-ten und durch den »modera-ten« José Azevedo ersetzten. Ein Putschversuch von linksradika-len Militärs unter Otelo Saraiva de Carvalho am 25. November 1975 wurde durch einen Ge-genputsch der »moderaten« Mi-litärs vereitelt, die die Gelegen-heit nutzten, die »sozialistische«

Phase endgültig zu beenden.So ging aus dem politischen Machtkampf das »moderate« Lager aus Sozialdemokraten und Konservativen siegreich hervor, die der Bevölkerung glaubwürdig versichern konn-ten, dass unter einer »mode-raten« Regierung die externen Kredite wieder fließen und so die Wirtschaftskrise vorbei sein würde(n). In den Wahlen von 1975 und 1976 erhielten die Sozialdemokraten und die Kon-servativen gemeinsam über 75 Prozent der Stimmen, die PCP blieb unter 15 Prozent. Die radi-kale Linke jenseits der PCP, die sich in über ein Dutzend Partei-en und Organisationen aufspal-tete, erhielt insgesamt nur 2,81 Prozent (1975), bzw. 3,4 Pro-zent (1976). Dies zeigte, dass die Bevölkerung angesichts der gewaltsamen Konflikte eine Rückkehr zur Stabilität und Ord-nung wünschte.Ismail Küpeli

Ismail Küpeli: Nelkenrevoluti-on reloaded? Krise und soziale Kämpfe in Portugal. Reihe Sys-temfehler , Band 4, ISBN 978-3-942885-27-0, edition assem-blage

Bild: Júlio Reis / CC BY-SA 2.5

Page 22: Links! Ausgabe 03/2014

Seite 6Links! 03/2014

TermineRosa-Luxemburg-Stiftung

Chemnitz, 5.3., ab 10 UhrBernsdorfer Friedensfest**Eine Aktion im Rahmen des Chemnitzer FriedenstagesEine Veranstaltung des Kin-der-, Jugend- und Familienhilfe e. V. in Kooperation mit der Ro-sa-Luxemburg-Stiftung Sach-sen e.V.Internat für sprach- und hörge-schädigte Kinder und Jugend-liche, Bernsdorfer Straße 120, 09126 Chemnitz

Dresden, 5.3., 19 UhrIn den Schützengräben – Otto Dix und der Krieg** Mit Anja Eichhorn, Kunsthisto-rikerin, DresdenWIR-AG, Martin-Luther-Straße 21, 01099 Dresden

Leipzig, 13.3., 18 UhrLEIPZIG LIEST»Die USA unter Obama. Cha-rismatische Herrschaft, soziale Bewegungen und imperiale Po-litik in der globalen Krise«. Mit einem Geleitwort von Wolfgang Fritz Haug. Mit Ingar Solty, Au-tor und JournalistRosa-Luxemburg-Stiftung, Har-kortstraße 10, 04107 Leipzig

Leipzig, 14.3., 18 UhrLEIPZIG LIEST»Schließzeit« Ein Bibliotheks- und Anna-Seghers-Roman**Mit Rudolf Scholz, Schriftstel-ler und Lyriker, DresdenRosa-Luxemburg-Stiftung, Har-kortstraße 10, 04107 Leipzig

Leipzig, 14.3., 17.30 UhrLEIPZIG LIESTCRASHKURS KOMMUNE 9 »Realität Einwanderung – Kom-munale Möglichkeiten der Teil-habe, gegen Diskriminierung«Mit den Autor_innen Koray Yılmaz-Günay, Referent für Mi-gration bei der Rosa-Luxem-burg-Stiftung und Freya-Maria Klinger, MdL SachsenAuf der Leipziger Buchmesse, „Die Bühne“, Messegelände, 04356 Leipzig

Leipzig, 14.3., 20 UhrLEIPZIG LIESTCRASHKURS KOMMUNE 9 »Realität Einwanderung – Kom-munale Möglichkeiten der Teil-

habe, gegen Diskriminierung«Mit den Autor_innen Koray Yılmaz-Günay, Referent für Mi-gration bei der Rosa-Luxem-burg-Stiftung, und Freya-Maria Klinger, MdL SachsenlinXXnet e.V., Bornaische Stra-ße 3d, 04277 Leipzig

Leipzig, 15.3., 15 UhrLEIPZIG LIEST»Roma in Südosteuropa. So-ziale und kulturgeschichtliche Skizzen«. Mit Prof. Dr. Wolf-gang Geier, Leipzig/KlagenfurtRosa-Luxemburg-Stiftung, Har-kortstraße 10, 04107 Leipzig

Leipzig, 15.3., 18 UhrLEIPZIG LIEST»Kurvenrebellen. Die Ultras - Einblicke in eine widersprüchli-che Szene«**Mit dem Autor Christoph Ruf.Eine Veranstaltung von linXX-net e.V. in Kooperation Ro-ter Stern Leipzig 99 e.V. und der Rosa-Luxemburg-Stiftung SachsenKönich Heinz, Wolfgang-Heinze-Straße Ecke Auerbachstraße, 04277 Leipzig

Chemnitz, 15.3., 11 UhrMit Rosa ins Museum: Durch Nacht zum Licht? 150 Jahre Arbeiterbewegung. Mit Achim Dresler, stellv. Museumsdirek-tor, ChemnitzEine Veranstaltung der Rosa-Luxemburg-Stiftung Sachsen e.V. in Kooperation mit dem Sächsischen Industriemuseum ChemnitzSächsisches Industriemuseum Chemnitz, Zwickauer Straße 119, 09112 Chemnitz

Dresden, 18.3., 18 UhrREIHE: JUNGE ROSAFinanzmarkt – Finanzmarktka-pitalismus – FinanzkrisenMit Dr. Jürgen Leibiger, Rosa-Luxemburg-Stiftung Sachsen, DresdenWIR-AG, Martin-Luther-Straße 21, 01099 Dresden

Was ist und wie funktioniert ei-gentlich der Finanzsektor? Wel-che Rolle spielt er im heutigen Kapitalismus? Wie kommt es zu Finanzblasen und Finanzkri-

sen? Lassen sich Finanzmärk-te regulieren und Finanzkrisen vermeiden? Eine kompakte Einführung in Theorie und Poli-tik der Finanzmärkte.

Dresden, 19.3., 19 UhrKurzbeiträge und DiskussionAntifaschismus als FeindbildMit Katharina König, MdL, Fraktion DIE LINKE im Thürin-gischen Landtag; Thomas Datt, Journalist, LeipzigWIR-AG, Martin-Luther-Straße 21, 01099 Dresden

Chemnitz, 19.3., 19 UhrVortrag und DiskussionZwangsarbeiter in ChemnitzMit Dr. Karlheinz Schaller, His-toriker, ChemnitzEine Veranstaltung der Rosa-Luxemburg-Stiftung Sachsen e.V. in Kooperation mit dem Sächsischen Industriemuseum ChemnitzSächsisches Industriemuseum Chemnitz, Zwickauer Straße 119, 09112 Chemnitz

Leipzig, 19.3., 19 UhrAusstellungseröffnung und Vortrag»Von Auschwitz in den Harz. Sinti und Roma im KZ Mittel-bau-Dora«**Mit einem Eröffnungsvortrag von Jens-Christian Wagner, Di-rektor der KZ-Gedenkstätte Mittelbau-Dora*galerie KUB. forum für zeitba-sierte kunst und politische kul-tur, Kantstraße 18, 04275 Leip-zig

Leipzig, 19. – 31.3., Mi. – Sa. 16-20 UhrAusstellung*»Von Auschwitz in den Harz. Sinti und Roma im KZ Mittelbau-Dora«**galerie KUB. forum für zeitba-sierte kunst und politische kul-tur, Kantstraße 18, 04275 Leip-zig

Leipzig, 24.3.,19 UhrVortrag und DiskussionDie Blicke der Täter: Der Geno-zid an den Sinti und Roma im Spiegel von Fotoquellen**Mit Frank Reuter, Historiker und langjähriger Mitarbeiter im Dokumentations- und Kultur-

zentrum Deutscher Sinti und Roma*Conne Island, Koburger Str. 3, 04275 Leipzig

Leipzig, 25.3., 18 UhrVortrag und DiskussionErich Fromm - unzeitgemäßer Freudomarxist oder Inspirator einer modernen Linken.Mit Prof. Dr. Siegfried Kätzel, Leipzig, Moderation: Dr. Jürgen StahlRosa-Luxemburg-Stiftung, Har-kortstraße 10, 04107 Leipzig

Chemnitz, 26.3., 18 UhrErlebnisbericht, Vortrag und DiskussionSyrien - Von der Revolte zum Bürgerkrieg**Mit Ahmad Alsaadi und Benja-min SchumannSoziokulturelles Zentrum quer-beet, Rosenplatz 4, 09126 Chemnitz

Leipzig, 27.3., 18.30 UhrRosa L. in Grünau»Deutschland - ein Wintermär-chen« von Heinrich HeineMit Mike Melzer, ChemnitzKlub Gshelka, Klub Gshelka, An der Kotsche 51, 04177 Leipzig

Leipzig, 27.3., 19 UhrFilm und VortragZeugnisse von Sinti und Roma im Erinnerungsarchiv des AJZ e.V. Dessau**Vortrag und Film von Jana Mül-ler*galerie KUB. forum für zeitba-sierte kunst und politische kul-tur, Kantstraße 18, 04275 Leip-zig

Leipzig, 31.3., 18 UhrBuchvorstellung und Gespräch»Risse in der Zeit. Ein Leben zwischen Ost und West«Mit Prof. Dr. Cornelius Weiss, Wissenschaftler und Politiker, von 1991 bis 1997 Rektor der Universität LeipzigModeration: Dr. Monika Runge, MdL und Vorsitzende der RLS SachsenRosa-Luxemburg-Stiftung Sach-sen, Harkortstraße 10, 04107 Leipzig

»Cornelius Weiss beginnt seine

Autobiographie mit der drama-tischen Geschichte seines Va-ters, der am Ende des Zweiten Weltkriegs [..] Radium vor den Nazis versteckt und es schließ-lich den Alliierten übergibt. Zu-gleich lehnt er das Angebot ab, künftig in den USA zu for-schen. Als christlicher Sozia-list entscheidet sich Carl Fried-rich Weiss, mit seiner Familie in die Sowjetunion zu gehen. Was er nicht ahnt: Zusammen mit anderen Wissenschaftlern kommen sie nicht nach Mos-kau, sondern in das «Wissen-schaftszentrum Obninsk» – ein Gulag. Erst nach Jahren darf die Familie Weiss zurück in die Heimat. Sie entscheiden sich für die DDR. Cornelius Weiss wird Chemiker. Nach dem Mau-erfall wählt ihn die Leipziger Universität zum Rektor. Nach seiner Emeritierung tritt er in die SPD ein – und wird in den Sächsischen Landtag gewählt. Seine mutigen Auftritte gegen Neonazis machen ihn überre-gional bekannt. Dieses Buch erzählt eine fesselnde und na-hezu unbekannte Geschich-te über Wissenschaft im Drit-ten Reich, in der Sowjetunion und in der DDR – und über den demokratischen Umbruch ab 1989. Und es ist zugleich eine Familienchronik der besonde-ren Art.«

Leipzig, 31.3., 19 UhrVortrag und Diskussion»Sie gehören nirgendwo dazu und sind doch überall zu Hau-se«- Die Gegenwart der »Zi-geuner«- Wissenschaften**Vortrag von Tobias von Borcke*galerie KUB. forum für zeitba-sierte kunst und politische kul-tur, Kantstraße 18, 04275 Leip-zig

* Ein Projekt der Initiative „Ge-schichte vermitteln“ in Zusam-menarbeit mit der Gedenkstät-te für Zwangsarbeit Leipzig mit Unterstützung der Rosa-Luxem-burg-Stiftung Sachsen und dem Conne Island** in Kooperation mit der Ro-sa-Luxemburg-Stiftung: Gesell-schaftsanalyse und politische Bildung e.V.

ImpressumLinks! Politik und Kultur für Sachsen, Europa und die Welt

Herausgebergremium: Dr. Monika Runge, Verena Meiwald, Prof. Dr. Peter Porsch, Dr. Dr. Achim Grunke, Rico Schubert

Verleger: Verein Linke Kultur und Bildung in Sachsen e.V., Kleiststraße 10a, 01129 Dresden

Namentlich gekennzeichne-te Beiträge geben nicht un-bedingt die Meinung der Re-daktion wieder. Die Redaktion behält sich das Recht auf sinn-wahrende Kürzungen vor. Ter-

mine der Redaktionssitzungen bitte erfragen.

Die Papierausgabe wird in der Lausitzer Rundschau Drucke-rei GmbH in Cottbus in einer Auflage von 15.150 Exempla-ren gedruckt.

Redaktion: Kevin Reißig (V.i.S.d.P.), Jayne-Ann Igel, Ute Gelfert, Ralf Richter

Kontakt: [email protected] Tel. 0351-84389773

Bildnachweise: Archiv, iStockphoto, pixelio

Redaktionschluss: 25.02.2014

Die nächste Ausgabe erscheint am 31.03.2014.

Die Zeitung kann abonniert werden. Jahresabo 10 Euro incl. Versand.

Abo-Service Tel. 0351-84389773

Konto: 3 491 101 007, BLZ: 850 900 00, Dresdner Volksbank

Page 23: Links! Ausgabe 03/2014

Seite 7 03/2014 Links!

Marx und Engels galten als eif-rige Briefschreiber. Über vier-tausend Briefe sind von ihnen überliefert. Der Marx-Biograph Francis Wheen meinte dazu: „Ihre umfangreiche Korrespon-denz ist ein tolles Gemisch von Geschichte und Klatsch, Polit-ökonomie und Lausbubenzo-ten, hohen Idealen und äußers-ten Intimitäten“. Doch um diese beiden Herren soll es vorder-gründig hier nicht gehen, son-dern um die Frau, die hinter ih-nen stand: Jenny Marx. Das unstete Leben, Umzüge so-wie die Emigration haben viele der Briefe verloren gehen las-sen. Als sicher gilt, dass Marx́ Töchter, Eleanor und Laura, die übrigens beide eifrige Briefmar-kensammlerinnen waren, Brie-fe mit „kompromittierendem“ Inhalt oder mit unverblümten Charakterisierungen aussor-tiert und vernichtet haben. Ähn-liches wird auch von Engels be-hauptet. Dennoch fand sich per Zufall oder aus dritter Hand ge-nug Material der geschriebe-nen Zeugnisse ihres Lebens, das im Jahr des 200. Geburtsta-ges von Jenny Marx vollständig veröffentlicht werden konnte: 330 Dokumente auf 606 Seiten – dem Dietz-Verlag sei Dank. Entstanden ist ein lebensnahes Bild von Jenny Marx, die schon als junges Mädchen für die so-zialen und politischen Proble-me ihrer Zeit sensibilisiert war, aber auch Bälle und elegante Kleider genoss. Nach einer Lie-be mit einem preußischen Of-fizier verschlug es die Ballkö-nigin von Trier in die Arme des damals 18-jährigen Studenten

Karl Marx. Sieben Jahre haben sie ihre Verlobung geheim ge-halten. Ein mittelloser Student und eine Tochter aus dem Be-amtenadel, deren Halbbruder der preußische Innenminister war, galten nicht als standesge-mäße Verbindung. Gerade der

Herr Minister war um der „Fa-milienehre“ willen alles zu tun bereit, „seine Verwandte aus den Händen des Staatsfeindes Nr. 1, eines Juden (Karl Marx) zu befreien“. Der Gefährdung ih-rer Liebe soll sich Jenny immer bewusst gewesen sein. Das lag auch an Marx selbst, der auch anderen Frauen zugetan war. Wer weiß nicht von dem Kind,

das der „besessene Geistesar-beiter“ mit seiner Haushälterin Hilde Demuth zustande brach-te? Dessen Vaterschaft über-nahm aber ihr Freund Friedrich Engels. Die Marx-Töchter wa-ren jedenfalls entsetzt, als der sterbende „General“ es ihnen

gestand. Auch sonst ist bislang unbekannt, wie viele uneheli-che Kinder der olle Marx in die (seine) Welt gesetzt hat. Jene Verluste, die auch Karl seiner Jenny zufügte, machten sie zu einer zunehmend kranken Frau. Sie war bei alldem bemüht, die Fassade zu wahren: Die Einheit von Wort und Tat. Diese fängt eigentlich in der Familie an, be-

vor sie dann glaubwürdig die Gesellschaft verändert. Dass der postulierte Anspruch und die Realität kollidieren, das je-doch haben andere auch schon vor- und nachgemacht. Hinzu kamen dauerhafte mate-rielle Sorgen, Existenzängste, Schulden. Nie hatten die beiden ein Verhältnis zum Geld ent-wickelt, wobei „Mohr“ immer den größten Teil für sich bean-spruchte, wenn es welches gab. Der „Besitzbürger“ Friedrich Engels war für sie oft der Helfer in der Not – ob mit Geld oder mit Alkohol, den sie mehr und mehr als „Ersatzmedikament“ gegen ihre Krankheiten einnahm. So starb sie, erst 67-jährig, qual-voll an einem Leberleiden, so wie später auch ihr Mann. Ein-mal schrieb sie: „Das intime Verhältnis zum Pfandleiher war geblieben, aber der Humor ist weg“. Ihr einziger Reichtum be-stand in ihrer natürlichen An-mut, in ihrer Schönheit und in ihrem Geist, so hieß es. Be-kannt ist nun auch, dass Karl Marx auf ihre Ausstrahlung setzte und sie als „Schmuck-stück“ betrachtete: Sie erhob ihn. Wer aber auf derartige Er-höhung setzt, muss aufpassen, dass er nicht erniedrigt wird. Bedingt durch ihre Armut war die Kindersterblichkeit der Fa-milie Marx so hoch wie in den unteren Schichten der Bevölke-rung. Viermal war sie Gast im Hause Marx. Zuletzt beim sie-benten, da war Jenny 43. In ei-nem Brief beklagt sie den Tod des „Engelskindes“ Edgar, der mit acht Jahren starb, als den „größten Schmerz“.

Zudem war Jenny Marx für ih-ren Mann stets so etwas wie eine kritische Sekretärin, Lek-torin und Managerin. Sie wur-de ihm so zur Vertrauten, so-dass sie ihrem Karl als einzige in dessen Arbeit hineinreden durfte. Ein Beispiel: „Schreib nur nicht zu gallicht und ge-reizt. Du weißt, wieviel mehr Deine andern Aufsätze gewirkt haben. Schreib entweder sach-lich und fein oder humoristisch und leicht. Bitte, lieb Herz, laß die Feder mal übers Papier lau-fen, und wenn sie auch mal stürzen und stolpern sollte und ein Satz mit ihr (...)“. Weniger bekannt ist womöglich, dass auch Frau Marx schrieb. Aus ihrer Feder stammen zahlrei-che Theaterkritiken, wo sie in der „Frankfurter Zeitung“ meh-rere Aufführungen ihres Lieb-lingsdramatikers Shakespeare besprach. Mit 60 und mit „be-moostem Haupt“ hat Jenny Marx sich brieflich noch so ge-freut, dass diese Kritiken ge-druckt wurden.Am 2. Dezember 1881 kam ihr bewegtes Leben zum Still-stand, sie starb. Ein Kauf des Buches und ein Weiterlesen lohnen sich. Denn es wäre ein Weg, sich Marx, seinem Leben und Werk neu anzunähern, es neu zu entde-cken, es von Sockeln zu sto-ßen, wo es nicht hingehört, wo so nur der Blick versperrt wird – auf das Wesentliche: auf das Menschliche. René LindenauRolf Hecker, Angelika Limmroth (Hrsg.), Jenny Marx, Briefe. 606 Seiten, 15 Abbildungen, gebun-den, 39,90 Euro.

Bei einem großen Jubiläum er-scheinen meist mehrere, um das Leser-Interesse konkurrie-rende Werke – so ist es auch in diesem Jahr, in dem sich der Ausbruch des Ersten Weltkrie-ges zum einhundertsten Mal jährt. Die „Leit-Medien“ legen sich in solchen Fällen immer rasch auf ihre Favoriten fest: Bereits im Vorjahr wurde die Werbetrommel für das Werk des Australiers Chistopher Clark („Die Schlafwandler“) ge-rührt – in diesem Jahr nun be-kam der Humboldt-Professor Herfried Münkler („Der Große Krieg“) starke mediale Schüt-zenhilfe. Wundert sich ein briti-scher Kolumnist spöttisch, wie-so Clark seine Lesungen nicht mit Pickelhaube hält, so sagt es Münkler, der auch als Mili-tär- und Politikberater fungiert, öffentlich: Wenn die Deutschen am Ausbruch von zwei Weltkrie-gen schuld waren, wie könnte man dann militärische Einsät-ze weltweit von der Bundes-wehr verlangen? Beide Autoren machen sich also stark um die

Reinwaschung verdient. Nein, die Schuld Deutschlands am Ausbruch des Ersten Weltkrie-ges wird keineswegs geleug-net – aber die anderen waren doch auch schuldig. Das ist ei-ne Revision des Vertrages von Versailles, in dem die alleini-ge Kriegsschuld Deutschlands eindeutig festgestellt wurde. Ist es Zufall, dass vor dem Hin-tergrund der historischen „Be-freiung von der Kriegsschuld“ nun in der aktuellen Politik das neue „Falken-Trio“ von der Leyen, Steinmeier und Gauck „mehr außenpolitische Verant-wortung“ einfordern und dabei nichts anderes als Militärein-sätze meinen?Wohltuend vom lauten Tsching-darassabumm hebt sich das stille, kluge, ein scheinbar ab-seitiges Thema behandelnde Werk von Ernst Piper „Nacht über Europa – Kulturgeschich-te des Ersten Weltkrieges“ ab. Piper will nicht Geschichte revi-dieren: Er analysiert. Das Den-ken und die geistigen Ergüsse großer Schriftsteller, aber auch

Künstler wie Max Liebermann. Und er beschäftigt sich mit den Juden auf allen Seiten der Front – also auch mit den fran-zösischen und russischen. Es ist ein zutiefst erschütterndes Buch. Flächendeckend war die Begeisterung für den aufbran-denden Nationalismus und im-mer wieder wird die „Notwen-digkeit“ des Krieges „belegt“, als eine Art Reinwaschung von allem „Welschen“, was doch die geradlinigen aufrechten Deut-schen in den letzten Jahrzehn-ten verdorben hätte. Freilich, was sich hier 1914 entlädt, war während der gesamten Zeit des Kaiserreiches ununterbro-chen geschürt worden – nach drei siegreichen „Einheitskrie-gen“ (1864 bei Düppeln in Dä-nemark, der Sieg 1866 ge-gen Österreich bei Königgrätz und schließlich der viel gefei-erte Sieg von Sedan im Krieg 1870/71 gegen Frankreich) konnte das Offizierskorps vor Kraft kaum laufen – und die durch Friedensjahre sich ver-weichlicht fühlende Jugend

dürstete nach „großen Taten“. Mythen wie der vergessene, aber im Dritten Reich allseits präsente und für die Hitler-Ju-gend zu Gedenkfeiern aufbe-reitete Langemarck-Mythos werden entzaubert. Die am häufigsten zitierten Sätze ei-nes deutschen Heeresberich-tes, die den Mythos begrün-deten: „Westlich Langemarck brachen junge Regimenter un-ter dem Gesange ,Deutschland, Deutschland über alles‘ gegen die erste Linie der feindlichen Stellungen vor und nahmen sie …“ Tatsächlich starben die an-rennenden, kaum militärisch ausgebildeten Schüler und Stu-denten wie die Fliegen. Den he-roischen Gesang dazu stellten schon Zeitgenossen in Frage: Es sei kaum vorstellbar, dass man mit 30 Kilo Marschgepäck auf durchweichtem Lehmbo-den gegen Maschinengewehr-feuer eine Anhöhe hinaufrennt und dabei im getragenen lang-samen Rhythmus die Hymne singt. Höchst bedenklich ist, in welch’ trauter Einheit durch

alle Bevölkerungsschichten hindurch – Kosmopoliten, An-archisten wie Mühsam, Schrift-steller wie Gerhart Hauptmann und jüdische Maler wie Max Liebermann und die Mehrheit der Sozialdemokraten einge-schlossen – es gelang, eine na-tional-patriotische, geradezu kriegslüsterne Grundhaltung zu erzeugen, die erst allmäh-lich in Frage gestellt wurde, als der versprochene schnelle Sieg nicht eintreten wollte. Es stößt bitter auf, mit welchem Engage-ment sich alle bei der geistigen Mobilmachung einbrachten. Die einstigen Frankreich- und Italienfreunde unter den deut-schen Intellektuellen waren schnell bereit, im Freund von gestern den Barbaren von heu-te zu entdecken. Der Boden für Hitler war bestens bestellt: Zur Olympiade 1936 marschierten die „Jungen Regimenter“ von Langemarck auf …Pieter Potgieter„Nacht über Europa“ erschien im Prophyläenverlag und kostet 26,99 Euro.

Buchtipp: Kulturgeschichte des Ersten Weltkrieges von Ernst Piper

Marxsche Abgründe: Lesung über ein Leben in BriefenRezensionen

Page 24: Links! Ausgabe 03/2014

Seite 8Links! 03/2014 Die letzte Seite

Aufruf: Gründung eines Informationskreises Außenpolitik

Der aufrichtigste Folksänger des anderen Amerika ist totDer Vater der amerikanischen Folkmusik, wie er einmal ge-nannt wurde, kam am 3. Mai 1919 in New York als Sohn des Musikwissenschaftlers Charles Seeger und der Geigerin Cons-tance Seeger zur Welt. Schon ein Jahr später zog das Musi-kerehepaar mit einem selbst-gebauten Wohnwagen durch North Carolina, um dort Kon-zerte zu geben. Nach der Tren-nung der Eltern besuchte der kleine Pete mehrere Internat-schulen der Region.Sein Vater nahm ihn des Öf-teren zu kleinen Klubauftrit-ten mit, sodass der junge Pete schon sehr früh mit Livemusik vertraut wurde. 1935 lernte er den Leiter des Folkmusikar-chivs, Alan Lomax, in Washing-ton kennen, und es gab ers-te Berührungspunkte mit dem 5-String-Banjo, diesem schep-pernd anarchistisch klingenden Saiteninstrument, in das er sich sofort verliebte. Doch bevor er sich ganz der Musik verschrieb, begann er an der Harvard Uni-versity ein Journalistikstudium, das er aber bereits nach zwei Jahren abbrach. Er war inzwi-schen politisch aktiv geworden und interessierte sich mehr für Bildende Kunst. Kurze Zeit dar-auf traf er die Sänger „Leadbel-ly“ und „Aunt Molly“ Jackson, zwei bis dahin schon sehr be-kannte Blues- bzw. Folkbarden, die seine ersten Vorbilder wur-den. 1939 bis 1940 bereisten Pete und Alan Lomax North Ca-rolina und besuchten Konzerte von Countrymusikern, was Pe-te sehr beeindruckte und ihn von nun an veranlasste, sich gänzlich dem amerikanischen Folksong zu widmen. Bei ei-nem seiner ersten Auftritte, im Washington’s Forest Theatre, schloss er Bekanntschaft mit

dem damals schon legendär-en Woodie Guthrie, die zu einer langjährigen Freundschaft füh-ren sollte. Beide gründeten das Ensemble „Almanac Singers“, dessen Repertoire hauptsäch-lich aus dem Liedgut der Arbei-terbewegung bestand. Schon vor und während des Zweiten Weltkrieges sang Pete gegen Faschismus und Ausbeutung, sowie Lieder der Internationa-len Brigaden aus der Zeit des spanischen Bürgerkriegs. Auch lateinamerikanische Songs wie zum Beispiel das ku-banische „Guantanamera“ (die-ses Lied stammte aus der Fe-der des Freiheitskämpfers Jose Marti, der 1895 ermordet wur-de) weckten seine Aufmerk-samkeit, oder auch Leadbellys „Good night, Irene“, ein Klage-lied eines Schwarzen, der Jah-re unschuldig im Gefängnis ver-bringen musste. 1945, nach Kriegsende, ent-wickelte Pete Seeger mit et-wa dreißig Gleichgesinnten die kommunistische Liedsänger-vereinigung „People’s Songs“, die es sich zur Aufgabe machte, der damals aufkommenden un-politisch-kommerziellen Schla-germusik zu trotzen. Es kleines Büro wurde gemietet und ein Volksliedarchiv angelegt, das bis zu 20.000 Songs beinhalte-te. Zwölf Monate später gab es bereits mehr als 2000 Mitglie-der dieser Interessengemein-schaft, die bestrebt war, die Lieder nicht nur zu sammeln, sondern auch in Klubs vorzu-tragen. Seegers Song „Where have all the flowers gone“ wurde die Hymne der späteren Friedens-bewegung, in Deutschland auch bekannt geworden durch Marlene Dietrichs Version „Sag mir, wo die Blumen sind“. Trotz

des großen Zulaufs von Inter-essierten und Aktivisten kam es während der von „People’s Songs“ organisierten Veran-staltungen zu antikommunisti-schen und rassistischen Über-griffen. Am 4. September 1949 versuchte zum Beispiel der Ku-Klux-Klan, mit brutaler Gewalt ein großes Konzert zu stürmen,

bei dem Pete Seeger mit dem berühmten schwarzen Sänger Paul Robeson auftrat.Mit den Musikern Lee Hays, Fred Hellerman und Ronnie Gil-bert erfand Pete Seeger dann das Trio „The Weavers“, das sehr bald riesige Erfolge feiern konnte. Die Firma Decca wur-de aufmerksam, und es kam zur Schallplattenproduktion. Die-

se Scheibe machte „The Wea-vers“ über Nacht in ganz Ame-rika populär. Es folgten weitere Aufnahmen, und eine Konzert-tournee, die durch die bekann-testen Klubs des Landes führ-te, wurde organisiert. 1950 war geplant, die Gruppe in Fern-sehshows auftreten zu lassen, doch eine von drei ehemaligen

FBI-Mitgliedern verfasste, an-tikommunistische Publikation mit dem Titel „Counterattack“ verhinderte das. Im Juni des gleichen Jahres erschien die in Buchform herausgebrach-te Hetzschrift „Red Channel“, die über einhundert Musiker, Schauspieler und Schriftsteller als „Rote“ beschimpfte und de-nunzierte. Auch die Mitglieder

der „Weavers“ waren betroffen, der Vertrag mit Decca wurde aufgehoben. Das war zur Zeit der sogenann-ten McCarthy-Ära. Auftritts-verbote in den Konzertsälen wurden ausgesprochen, Schall-platten sollten vernichtet wer-den, und Pete Seeger drohte wegen „subversiver Äußerun-gen“ und linkem Liedgut ein Jahr Gefängnis. Das Urteil ge-gen ihn wurde jedoch nach Be-rufung wieder aufgehoben. Nach dem peinlichen Abgang des Senators McCarthy schie-nen sich die kulturellen Zu-stände wieder zu lockern. „The Weavers“ arbeiteten weiter und Pete Seeger etablierte sich nun mehr denn je als Protestsän-ger. Gründe gab es genug, der Vietnamkrieg wütete, Rassis-mus, wenn auch angeblich ab-geschafft, herrschte weiter. Sein Lied „We shall overcome“ wurde zum Symbol der Arbei-ter- und Gewerkschaftsbewe-gung. In den Siebzigern begann er auch, sich gegen die Zerstö-rung der Umwelt einzusetzen. Er organisierte Folk-Festivals, brachte Songbücher heraus und produzierte unzählige Plat-ten. Die Inhalte seiner Songs blieben kritisch, satirisch und trotzdem humorvoll. Sie strotz-ten förmlich vor Lebensfreude, und viele wurden Welthits, wie das von der Folkrockband „The Byrds“ gecoverte „Turn Turn Turn“.Pete Seegers Haltung blieb bis ins hohe Lebensalter kämpfe-risch, und er ließ kaum eine Ge-legenheit aus, seine politischen Lieder zum gegebenen Anlass vorzutragen. Er starb am 27. Ja-nuar 2014 im Alter von vierund-neunzig Jahren. Seine Songs aber leben weiter!Jens-Paul Wollenberg

Es ist soweit – die Falken sind nun, 12 Jahre nach Ausrufung des „War on terror“, einer Art Drittem Weltkrieg „des We-stens“ gegen die Dritte Welt, die im speziellen Fall gern als die „islamische“ tituliert wird – auch in Deutschland soweit, dass sie die Außenpolitik be-stimmen wollen. Gauck, von der Leyen und Steinmeier ver-langen „mehr außenpolitische Verantwortung“ und meinen dabei mehr Militäreinsätze. Auch innerhalb der Linken bröckelt die Friedensfraktion – wenn der außenpolitische Sprecher der LINKEN über die aktuelle Lage in Mali/Zen-tralafrika meint, dass „man da etwas tun muss“, denkt er na-türlich an die Hilfe für Flücht-linge. Nur: Wer Flüchtlingen im Kriegsgebiet mit eigenen Helfern helfen will, muss die Helfer schützen. Dafür braucht

man Soldaten. Da die Flücht-linge zudem nicht alle brav versammelt mit Marschge-päck am Grenzübergang ste-hen, sondern weit verstreut im Land sind, müssen „Hilfs-korridore“ geschaffen werden, zur Not werden diese „frei gebombt“ oder „frei geschos-sen“. Der simple Ruf „Rein mit den Flüchtlingen in die EU-Länder!“ löst nicht deren Pro-bleme, verschärft sehr wohl aber die inneren Spannungen in den EU-Ländern in der neu-en Krise, die längst noch nicht ihren Höhepunkt erreicht und große Migrationsströme inner-halb der EU ausgelöst hat. Gab es nicht einmal eine Nicht-Ein-mischungspolitik? Man stelle sich vor, es gäbe Demos von LINKEN und Grünen auf dem Potsdamer Platz, die unzufrie-den mit der Regierung sind und diese nun stürzen wollten. In

dieser Situation würde der rus-sische Außenminister Lawrow einfliegen und alle erdenkliche Unterstützung für die Demons-tranten versprechen, die die gewählte Regierung stürzen wollen … Genau so aber ist die Lage in der Ukraine, und viel zu wenige Menschen hier ha-ben eine klare Meinung.Was wir zunächst brauchen, ist ein Austausch über geo-strategische, sicherheitspo-litische und außenpolitische Konzepte. Die westliche Brille muss beiseite gelegt wer-den, und es müssen auch die Sichten des Irans, der BRIC-Staaten, der Shanghai-Gruppe oder des neuen südamerika-nischen Staatenbundes ge-meinsam gelesen und disku-tiert werden. Schmoren im eigenen Saft ist nicht von Vor-teil: Wer mitreden will, sollte alle Konzepte von links bis

rechts kennen. Dafür soll ein offener Informationskreis Au-ßenpolitik (IKAP) geschaffen werden, der zunächst virtuell entstehen soll. Alle können Links zu Beiträgen speichern, evtl. Artikel scannen, über ihre Cloud teilen – und aus dem virtuellen Raum heraus sollen Diskussionsveranstaltungen an konkreten Orten entste-hen, wo die verschiedenen Sichten in offener Atmosphäre überhaupt erst einmal vorur-teilsfrei zur Kenntnis genom-men werden.Obwohl Sachsen lange Gren-zen nach Polen und Tsche-chien hat, sind die Kenntnisse über tschechische und pol-nische Außen- und Innenpoli-tik sehr begrenzt. Zudem le-ben allein in Dresden 24.000 russischsprachige Menschen – und schauen oft täglich russisches Fernsehen. Was

wissen wir über die russische Außen- und Innenpolitik und die strategischen Interessen Russlands von der Ukraine über die koreanische Halbin-sel bis nach Nordafrika, wo sich gerade die Beziehungen zu Ägypten verbessern? Wenn wir die russische Sicht nicht kennen, kennen wir auch nicht die Sicht vieler russischspra-chiger Menschen in Sachsen – Gleiches gilt übrigens in Berlin für die Türken.Wer Interesse an der Gründung eines Informationskreises hat, der allerdings nicht auf die LINKE beschränkt sein, sondern von Anfang an nach außen offen sein und bleiben wird, kann eine E-Mail an [email protected] schicken – Betreff: Interesse an Mitar-beit am Informationskreis Au-ßenpolitik. Ralf Richter