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15. Januar 2015, I/2015 „Demokratie ist stärker als Terrorismus“ Anschläge in Paris „Je suis Charlie“ - „Ich bin Charlie“ - Mit dieser Solidaritätsbekundung auf Plakaten, Handzetteln und Spruchbändern gin- gen in der vergangenen Woche weltweit Millionen Menschen auf die Straße. Sie trauern um die Journa- listen der französischen Satirezeitschrift Charlie Hebdo, die am 7. Januar in Paris von Terroristen er- schossen wurden. In ganz Frankreich waren es am Sonntag 3,7 Millionen Menschen, allein in der fran- zösischen Hauptstadt rund 1,6 Millionen Menschen - mehr als je zuvor in der Ge- schichte der Grande Nation. Die Botschaft nach mindes- tens drei terroristischen An- schlägen im Großraum Paris seit Mittwoch letzter Woche mit 17 Toten lautet: „Wir ver- teidigen die Freiheit!“ Unter diesen aktuellen Eindrücken wird in Deutschland und Eu- ropa über die Sicherheit vor Terroranschlägen diskutiert. Burkhard Lischka, innenpo- litischer Sprecher der SPD- Bundestagsfraktion, sprach darüber am vergangenen Donnerstag, einen Tag nach den Anschlägen von Paris, mit Christiane Kaess vom Deutschlandfunk: Christiane Kaess: Als ges- tern die ersten Meldungen über ein Attentat in der Pa- riser Redaktion des Satire- magazins „Charlie Hebdo“ eintrafen, konnten Viele das zunächst nicht glauben, noch weniger, als dann zu- nächst von zehn, später von zwölf Toten die Rede war. Schnell war dann aber klar: Die Opfer sind traurige Ge- wissheit. Es ist der größte Terroranschlag in Europa seit fast zehn Jahren. Da- mals kamen bei einem An- schlag auf Züge und einen Bus im Juli 2005 in London 56 Menschen ums Leben. Dieses Mal hat der Anschlag eine weitere schreckliche Fassette, denn es geht um die Presse- und Meinungs- freiheit, denn es traf die Mitglieder einer Satirezeit- schrift, die schon seit länge- rem bedroht wurde, wegen Karikaturen, die sich über den Islam und den Prophe- ten Mohammed lustig mach- ten. Die Täter sind auf der Flucht. Weltweit wurde ges- tern den Franzosen Beileid ausgesprochen und es gab viele Zusagen, man stehe an der Seite Frankreichs. So auch aus Deutschland, auch von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Am Telefon ist jetzt Burkhard Lischka. Er ist innenpolitischer Spre- cher der SPD im Bundestag. Guten Tag, Herr Lischka. Burkhard Lischka: Guten Tag, Frau Kaess. Kaess: Schauen wir erst noch mal auf die Attentäter in Frankreich. Möglicher- weise handelt es sich um Rückkehrer aus dem Irak. Diese Diskussion gibt es auch bei uns, Herr Lischka. Wie groß ist die Bedrohung in Deutschland? Lischka: Es gibt eine Be- drohung in Deutschland, eine abstrakte Bedrohung zumindest. Davor haben das Bundeskriminalamt und das Bundesamt für Verfassungs- schutz erst im vergangenen Jahr im Herbst gewarnt. Nach allem, was ich weiß, gibt es hierzulande derzeit keine konkreten Anschlags- planungen. Wir haben ja in Deutschland seit 2004 ein gemeinsames Terrorismus- Abwehrzentrum, in dem 40 Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder zu- sammenarbeiten, die jeden Tag die Sicherheitslage neu bewerten, Informationen zusammentragen, auch ter- roristische Aktivitäten auf- decken. Dies ist der richtige Ort danach zu fragen, was dieser furchtbare Anschlag in Paris für unsere Sicher- heitslage bedeutet: Bedür- fen wir weiterer besonderer Sicherheitsvorkehrungen? Ich glaube, für Entschei- dungen ist es heute noch zu früh. Wovor ich allerdings warnen muss, sind Kopflo- sigkeit oder blinder Aktio- nismus oder sogar Panik. Ich glaube, damit würden die Terroristen ihr Ziel er- reichen, das sie erreichen wollen. Wir dürfen uns von denen nicht unser Leben bestimmen lassen. „Hundertprozentige Sicher- heit gibt es nicht“ Kaess: Aber dennoch, Herr Lischka, stellt sich natürlich die Frage nach diesem gest- rigen Attentat, das ja auch mehr oder weniger überra- schend kam. Es gab ja zu- vor bereits Drohungen und es gab auch entsprechend hohe Sicherheitsvorkehrun- gen. Trotzdem konnte das passieren. Ändert das etwas für uns, für die Situation in Deutschland? Lischka: Wir haben ja in Deutschland und in allen eu- ropäischen Ländern schon seit Jahrzehnten immer wie- der terroristische Anschläge von Extremisten und Fanati- kern. Ich darf vor allen Din-

Lischkas Berliner Depesche (Ausgabe 01/2015)

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Thema: Je suis Charlie - „Demokratie ist stärker als Terrorismus“

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15. Januar 2015, I/2015

„Demokratie ist stärker als Terrorismus“Anschläge in Paris

„Je suis Charlie“ - „Ich bin Charlie“ - Mit dieser Sol idar i tätsbekundung auf Plakaten, Handzetteln und Spruchbändern gin-gen in der vergangenen Woche weltweit Millionen Menschen auf die Straße. Sie trauern um die Journa-listen der französischen Satirezeitschrift Charlie Hebdo, die am 7. Januar in Paris von Terroristen er-schossen wurden.

In ganz Frankreich waren es am Sonntag 3,7 Millionen Menschen, allein in der fran-zösischen Hauptstadt rund 1,6 Millionen Menschen - mehr als je zuvor in der Ge-schichte der Grande Nation. Die Botschaft nach mindes-tens drei terroristischen An-schlägen im Großraum Paris seit Mittwoch letzter Woche mit 17 Toten lautet: „Wir ver-teidigen die Freiheit!“ Unter diesen aktuellen Eindrücken wird in Deutschland und Eu-ropa über die Sicherheit vor Terroranschlägen diskutiert. Burkhard Lischka, innenpo-litischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, sprach darüber am vergangenen Donnerstag, einen Tag nach den Anschlägen von Paris, mit Christiane Kaess vom Deutschlandfunk:

Christiane Kaess: Als ges-tern die ersten Meldungen über ein Attentat in der Pa-riser Redaktion des Satire-magazins „Charlie Hebdo“ eintrafen, konnten Viele

das zunächst nicht glauben, noch weniger, als dann zu-nächst von zehn, später von zwölf Toten die Rede war. Schnell war dann aber klar: Die Opfer sind traurige Ge-wissheit. Es ist der größte Terroranschlag in Europa seit fast zehn Jahren. Da-mals kamen bei einem An-schlag auf Züge und einen Bus im Juli 2005 in London 56 Menschen ums Leben. Dieses Mal hat der Anschlag eine weitere schreckliche Fassette, denn es geht um die Presse- und Meinungs-freiheit, denn es traf die Mitglieder einer Satirezeit-schrift, die schon seit länge-rem bedroht wurde, wegen Karikaturen, die sich über den Islam und den Prophe-ten Mohammed lustig mach-ten. Die Täter sind auf der Flucht. Weltweit wurde ges-tern den Franzosen Beileid ausgesprochen und es gab viele Zusagen, man stehe an der Seite Frankreichs. So auch aus Deutschland, auch von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Am Telefon ist jetzt Burkhard Lischka. Er ist innenpolitischer Spre-cher der SPD im Bundestag. Guten Tag, Herr Lischka.

Burkhard Lischka: Guten Tag, Frau Kaess.

Kaess: Schauen wir erst noch mal auf die Attentäter in Frankreich. Möglicher-weise handelt es sich um Rückkehrer aus dem Irak. Diese Diskussion gibt es

auch bei uns, Herr Lischka. Wie groß ist die Bedrohung in Deutschland?

Lischka: Es gibt eine Be-drohung in Deutschland, eine abstrakte Bedrohung zumindest. Davor haben das Bundeskriminalamt und das Bundesamt für Verfassungs-schutz erst im vergangenen Jahr im Herbst gewarnt. Nach allem, was ich weiß, gibt es hierzulande derzeit keine konkreten Anschlags-planungen. Wir haben ja in Deutschland seit 2004 ein gemeinsames Terrorismus-Abwehrzentrum, in dem 40 Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder zu-sammenarbeiten, die jeden Tag die Sicherheitslage neu bewerten, Informationen zusammentragen, auch ter-roristische Aktivitäten auf-decken. Dies ist der richtige Ort danach zu fragen, was dieser furchtbare Anschlag in Paris für unsere Sicher-heitslage bedeutet: Bedür-fen wir weiterer besonderer Sicherheitsvorkehrungen? Ich glaube, für Entschei-dungen ist es heute noch zu

früh. Wovor ich allerdings warnen muss, sind Kopflo-sigkeit oder blinder Aktio-nismus oder sogar Panik. Ich glaube, damit würden die Terroristen ihr Ziel er-reichen, das sie erreichen wollen. Wir dürfen uns von denen nicht unser Leben bestimmen lassen.

„Hundertprozentige Sicher-heit gibt es nicht“

Kaess: Aber dennoch, Herr Lischka, stellt sich natürlich die Frage nach diesem gest-rigen Attentat, das ja auch mehr oder weniger überra-schend kam. Es gab ja zu-vor bereits Drohungen und es gab auch entsprechend hohe Sicherheitsvorkehrun-gen. Trotzdem konnte das passieren. Ändert das etwas für uns, für die Situation in Deutschland?

Lischka: Wir haben ja in Deutschland und in allen eu-ropäischen Ländern schon seit Jahrzehnten immer wie-der terroristische Anschläge von Extremisten und Fanati-kern. Ich darf vor allen Din-

gen an den RAF-Terror hier in Deutschland in den 70er-Jahren erinnern sowie an das fürchterliche Massaker in Norwegen 2011, bei dem 69 unschuldige Jugendliche ums Leben gekommen sind. Es gibt sicherlich nie eine hundertprozentige Sicher-heit vor solchen einzelnen Fanatikern, Kriminellen und Terroristen. Aber ich glaube, der Terrorismus der letzten Jahrzehnte zeigt auch, dass unsere freiheitlichen Ge-sellschaften immer stärker waren als dieser Terror. Die Täter wurden verfolgt, sie wurden dingfest gemacht, sie wurden verurteilt. Außer-dem konnten viele Anschlä-ge durch unsere Sicher-heitsbehörden verhindert werden. Und am wichtigsten ist: Es sind freie, demokrati-sche und weltoffene Gesell-schaften geblieben. Daran hat kein Terroranschlag der Vergangenheit etwas än-dern können. Das wird auch diesmal so sein. Die Demo-kratie ist stärker als der Ter-rorismus.

Kaess: Aber der Anschlag zeigt auch die Machtlosig-keit der Sicherheitsbehör-den gegenüber solchen Terroristen. Brauchen wir eventuell doch strengere Gesetze, strengere Regeln?

Lischka: Gesetzlich liegt, so glaube ich, alles vor, um Terrorismus zu bekämpfen. Ich habe ja gesagt, diese Terrorgefahr besteht nicht erst seit gestern. Wir können uns alle bestätigt fühlen, das gemeinsame Terrorismus-Abwehrzentrum seit zehn Jahren hier in Deutschland zu haben. Dass wir hierzu-lande bisher von solchen Anschlägen verschont ge-blieben sind, ist zumindest zu einem kleineren Teil da-rauf zurückzuführen, dass unsere Sicherheitsbehör-den und gerade das Terro-rismus-Abwehrzentrum er-folgreich gearbeitet haben. Insofern bin ich sicher: Ver-nunft bleibt hier auch in den nächsten Tagen und Wo-chen weiter angesagt - und

nicht kopfloses Handeln.

Pegida und AfD versu-chen das auszunutzen

Kaess: Ist dieses Attentat Wasser auf die Mühlen der Pegida-Bewegung?

Lischka: Ich sehe im Au-genblick die größte Gefahr, dass Einzelne diesen fürch-terlichen Terroranschlag wirklich nutzen wollen, un-sere Gesellschaft zu spal-ten. Das gilt in Frankreich für eine rechtsextreme Par-tei wie von Le Pen; das gilt aber auch für manchen Ver-treter von Pegida und AfD, die hier versuchen - das haben ja erste Reaktionen gezeigt -, ihr politisches Süppchen ausgerechnet auf dem Rücken der Terrortoten zu kochen. Ich finde das ins-tinktlos, ich finde das verab-scheuungswürdig.

Kaess: Was meinen Sie da genau?

Lischka: Die Flüchtlinge, die derzeit zu uns kommen - die größte Gruppe kommt ja aus Syrien -, sind vor die-sen barbarischen Islamisten und deren Terror in ihren Ländern geflohen. Genau diese Menschen, die in ih-rer Heimat alles verloren haben, nun für den Terror hier in Europa verantwort-lich zu machen, halte ich für schäbig und für absolut nicht akzeptabel. Ich hätte mir gewünscht, auch sei-tens Pegida und der AfD, dass in den ersten Stunden nach diesem fürchterlichen Anschlag zunächst einmal die Trauer im Mittelpunkt gestanden hätte, gemein-sam mit den Angehörigen der Opfer. Dass man ein Zusammenstehen, einen Zusammenhalt demonstriert hätte anstatt der Versuche, unsere Gesellschaft zu spal-ten.

Kaess: Sie sprechen die AfD an. Allerdings hat auch die CSU zuletzt nach schnelleren Asylverfahren gerufen und verlangt auch

jetzt Konsequenzen aus dem Attentat in Paris. Wie einig ist sich denn die Re-gierungskoalition überhaupt noch bei diesen Themen?

„Die Täter in Paris sind keine Muslime, sondern Killer und feige Mörder!“

Lischka: Ich glaube, der Wunsch nach schnelleren Asylverfahren hat überhaupt nichts mit den Terroranschlä-gen in Paris zu tun. Sondern es geht darum, dass wir uns schnell Gewissheit darüber verschaffen wollen, ob ein Asylant oder Flüchtling, der hierherkommt, als solcher anerkannt wird oder nicht. Ich kann nur davor warnen, dass alles pauschalisiert wird und dass Dinge ver-mischt werden. Diese Blut-tat in Paris bedeutet eben nicht, dass vier Millionen hier lebende Muslime po-tenzielle Gewalttäter wer-den. Im Gegenteil: Die al-lermeisten leben seit vielen Jahren und Jahrzehnten in unserem Land. Sie arbei-ten, sie zahlen Steuern, sie sind friedliche Menschen. Und einige von ihnen sind eben auch in diesen Tagen auf der Flucht vor islamis-tischer Gewalt und zu uns gekommen. Das ist die Re-alität in Deutschland - und nicht irgendwelche kruden Verschwörungstheorien. Die Täter in Paris - das muss man mal so deutlich sagen - sind keine Muslime. Sie sind Killer und feige Mörder. Das hat mit keiner Religion dieser Welt irgendetwas zu tun. Ich habe eben Norwe-gen angesprochen. Wissen Sie, der Attentäter, der dort 69 Jugendliche umgebracht hat, nannte sich auch „Tem-pelritter“, berief sich auf sein christliches Weltbild. Es wäre niemand auf die Idee gekommen, diesen fei-gen Mörder und Killer dafür zu benutzen, um alle Chris-ten unter einen Generalver-dacht zu stellen.

Kaess: Herr Lischka, den-noch haben viele Menschen hierzulande das Gefühl, mit

der Integration ist vieles schief gelaufen in den letz-ten Jahren. Der Vorsitzen-de des Innenausschusses, Wolfgang Bosbach von der CDU, hat im Deutschland-funk gesagt, er halte den Satz für problematisch - ich zitiere -: „Islamismus, Sala-fismus hat überhaupt nichts mit dem Islam zu tun.“ Also er zweifelt das an. Würden Sie das unterschreiben?

Lischka: Nein, ich würde das so nicht unterschrei-ben, vor allen Dingen nicht vor dem Hintergrund dieser Terroranschläge. Wenn dort gestern Menschen wie Vieh abgeschlachtet wurden, weil man deren Karikaturen nicht ertragen kann, dann hat das mit keiner Religion und auch nichts mit dem Islam zu tun.

Kaess: ..., sagt Burkhard Lischka, innenpolitischer Sprecher der SPD im Bun-destag. Danke für das Ge-spräch heute Mittag.

Lischka: Herzlichen Dank, Frau Kaess.

Das am 08.01.2015 im Deutschlandfunk ausge-strahlte Interview ist auch online auf http://www.deutschlandfunk.de/ is la-mismus-demokratie-ist-sta-erker-als-terrorismus.694.d e . h t m l ? d r a m : a r t i c l e _id=308121 nachzulesen.

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V.i.S.d.P. Burkhard Lischka