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Um in der Notsituation der Flücht- linge an den europäischen Gren- zen einen humanitären Beitrag zu leisten, rief ich mit verschiede- nen Vereinen zu einer Spenden- aktion für warme Winterkleidung auf. Zwei Wochen lang konnten im Görlitzer Bürgerbüro Spenden abgegeben werden. Vom hohen Aufkommen wurden wir freudig überrascht. Unermüdlich sortier- ten Freiwillige die Kleidung nach Größen und Funktion. Dies stell- te sich vor Ort als sehr hilfreich heraus. Durch unsere Kontakte erfuhren wir, dass es schwierig werden würde, mit Hilfsgütern über man- che innereuropäische Grenze zu gelangen. Deshalb entschieden wir uns für eine vermeintlich si- chere Route über Italien nach Al- banien, um direkt nach Mazedo- nien zu gelangen. Innerhalb des Schengenraumes war es ein- fach. Bereits Sonntagnacht, am 8. November, gelangten unse- re Transporter über Österreich nach Italien. Albanien begrüßte uns freundlich, doch die maze- donische Grenze stellte sich als Hürde heraus. Nur mit Transitpa- pieren mussten wir nach Serbien weiterreisen – um zu erfahren, dass die serbische Regierung ein neues Gesetz zur zentralen Hilfskoordination erlassen hatte, das den großen Transporter da- ran hinderte, den größeren Teil der Spenden den Bedürſtigen zu- kommen zu lassen. Der zweite kam ungehindert ins Land. Viel- leicht lag es daran, dass unsere privaten Sachen obenauf lagen und der Grenzer uns wohlgeson- nen war. So konnten wir das erste Fahr- zeug in Presovo (Serbien) entla- den und einige Kisten Kleidung, Rettungsdecken, einen Rollstuhl, Schuhe und 1480 € in bar in die Hände eines dankbaren NGO- Mitarbeiters übergeben. Mit dem Geld kann die unabhängige Hilfs- organisation zwei Tage lang die Essensversorgung der Refugees sichern. Die Zahl der ankom- menden Flüchtlinge schwankt und wird z. B. durch den Streik griechischer Fährschiffer beein- flusst. Höchstzahlen sprechen von bis zu 10.000 Menschen, die in den Lagern registriert werden, um an die nächste Grenze ge- bracht zu werden. Auch dank der Recherche und Vermittlung unserer Daheimge- bliebenen gelang es uns, Kontakt zu einer unabhängigen Hilfsorga- nisation namens IHA help in Sla- vonski Brod, Kroatien aufzuneh- men, der wir den zweiten Teil der Spenden übergeben konnten. Dank der IHA konnten zwei von uns einen Einblick in das Lager erhalten. In das mit damals sechs teilweise beheizten Großraum- zelten ausgestattete Lager rollen täglich mehrere Züge mit Flücht- lingen. Die Refugees haben sich nach Ausstieg auf einem zentra- len Platz zur Registratur zu sam- meln. Danach können sie sich auf dem Gelände frei bewegen, er- halten Nahrung und auf Nachfra- ge einige Kleidungsstücke vom Roten Kreuz, bis ein weiterer, von außen verschlossener Zug sie an die nächstgelegene Gren- ze bringt. Einige von uns fühlten sich bei der Behandlung der Re- fugees durch die Polizei an düs- tere Zeiten erinnert. Auch wenn unsere Spenden si- cher nur ein Tropfen auf den hei- ßen Stein sind – für jede_n, der/ die nun eine warme Jacke oder eine Mütze erhält und somit ein bisschen weniger friert, war das es uns wert. Ein großer Dank geht an alle Spender*innen und an die vielen fleißigen Helfer*innen! Dies war eine großartige Ge- meinschaſtsleistung. Die aktuellen Ereignisse erschüt- tern uns. An den Grenzen zu Mazedonien und Serbien wer- den seit einigen Tagen lediglich Flüchtlinge mit syrischen, iraki- schen und afghanischen Pässen registriert. Alle anderen erhalten keine Chance auf Asyl in West- europa, ungeachtet ihrer Flucht- gründe. Laut einer Nichtregie- rungsorganisation stauen sich bereits ca. 2000 Menschen in Idomeni (griechisch-mazedoni- sche Grenze) ohne ausreichen- de Grundversorgung. „Auf der mazedonischen Seite steht das Militär ausgerüstet mit Maschi- nengewehren und einem Schieß- befehl im Fall einer ,illegalen‘ Grenzüberschreitung“. Das kön- nen wir nicht hinnehmen! Unse- re Solidarität gilt allen Flüchtlin- gen und den Helfer*innen vor Ort. Wer sich für Flüchtlinge an den EU-Außengrenzen enga- gieren möchte, kann das z. B. über die Facebook-Seite Dres- den-Balkan-Konvoi II tun, oder unter: Spendenkonto Kulturbü- ro Dresden, IBAN: DE54 8502 0500 0003 6007 04, BIC: BFSW- DE33DRE, Verwendungszweck: Spende Dresden-Balkan-Konvoi 2015.• Mirko Schultze Politik und Kultur für Sachsen, Europa und die Welt Dezember 2015 Links! im Digitalabo. Jede Ausgabe schon drei Tage früher im Mailpostfach! Jetzt kostenlos bestellen: www.links-sachsen.de/abonnieren, [email protected] oder 0351-84 38 9773. Wir wünschen allen Leserinnen und Lesern frohe Festtage und ein friedliches neues Jahr . Es wird kalt an Europas Außengrenzen

LINKS! Ausgabe 12/2015

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Ausgabe Dezember 2015 inklusive aller Beilagen

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Page 1: LINKS! Ausgabe 12/2015

Um in der Notsituation der Flücht-linge an den europäischen Gren-zen einen humanitären Beitrag zu leisten, rief ich mit verschiede-nen Vereinen zu einer Spenden-aktion für warme Winterkleidung auf. Zwei Wochen lang konnten im Görlitzer Bürgerbüro Spenden abgegeben werden. Vom hohen Aufkommen wurden wir freudig überrascht. Unermüdlich sortier-ten Freiwillige die Kleidung nach Größen und Funktion. Dies stell-te sich vor Ort als sehr hilfreich heraus.Durch unsere Kontakte erfuhren wir, dass es schwierig werden würde, mit Hilfsgütern über man-

che innereuropäische Grenze zu gelangen. Deshalb entschieden wir uns für eine vermeintlich si-chere Route über Italien nach Al-banien, um direkt nach Mazedo-nien zu gelangen. Innerhalb des Schengenraumes war es ein-fach. Bereits Sonntagnacht, am 8. November, gelangten unse-re Transporter über Österreich nach Italien. Albanien begrüßte uns freundlich, doch die maze-donische Grenze stellte sich als Hürde heraus. Nur mit Transitpa-pieren mussten wir nach Serbien weiterreisen – um zu erfahren, dass die serbische Regierung ein neues Gesetz zur zentralen Hilfskoordination erlassen hatte, das den großen Transporter da-ran hinderte, den größeren Teil der Spenden den Bedürftigen zu-kommen zu lassen. Der zweite kam ungehindert ins Land. Viel-leicht lag es daran, dass unsere privaten Sachen obenauf lagen und der Grenzer uns wohlgeson-nen war. So konnten wir das erste Fahr-zeug in Presovo (Serbien) entla-den und einige Kisten Kleidung, Rettungsdecken, einen Rollstuhl, Schuhe und 1480 € in bar in die Hände eines dankbaren NGO-Mitarbeiters übergeben. Mit dem Geld kann die unabhängige Hilfs-organisation zwei Tage lang die Essensversorgung der Refugees sichern. Die Zahl der ankom-menden Flüchtlinge schwankt und wird z. B. durch den Streik griechischer Fährschiffer beein-flusst. Höchstzahlen sprechen von bis zu 10.000 Menschen, die in den Lagern registriert werden, um an die nächste Grenze ge-bracht zu werden.Auch dank der Recherche und Vermittlung unserer Daheimge-bliebenen gelang es uns, Kontakt zu einer unabhängigen Hilfsorga-

nisation namens IHA help in Sla-vonski Brod, Kroatien aufzuneh-men, der wir den zweiten Teil der Spenden übergeben konnten. Dank der IHA konnten zwei von uns einen Einblick in das Lager erhalten. In das mit damals sechs teilweise beheizten Großraum-zelten ausgestattete Lager rollen täglich mehrere Züge mit Flücht-lingen. Die Refugees haben sich nach Ausstieg auf einem zentra-len Platz zur Registratur zu sam-meln. Danach können sie sich auf dem Gelände frei bewegen, er-halten Nahrung und auf Nachfra-ge einige Kleidungsstücke vom Roten Kreuz, bis ein weiterer,

von außen verschlossener Zug sie an die nächstgelegene Gren-ze bringt. Einige von uns fühlten sich bei der Behandlung der Re-fugees durch die Polizei an düs-tere Zeiten erinnert.Auch wenn unsere Spenden si-cher nur ein Tropfen auf den hei-ßen Stein sind – für jede_n, der/die nun eine warme Jacke oder eine Mütze erhält und somit ein bisschen weniger friert, war das es uns wert. Ein großer Dank geht an alle Spender*innen und an die vielen fleißigen Helfer*innen! Dies war eine großartige Ge-meinschaftsleistung.Die aktuellen Ereignisse erschüt-tern uns. An den Grenzen zu Mazedonien und Serbien wer-den seit einigen Tagen lediglich Flüchtlinge mit syrischen, iraki-schen und afghanischen Pässen registriert. Alle anderen erhalten keine Chance auf Asyl in West-europa, ungeachtet ihrer Flucht-gründe. Laut einer Nichtregie-rungsorganisation stauen sich bereits ca. 2000 Menschen in Idomeni (griechisch-mazedoni-sche Grenze) ohne ausreichen-de Grundversorgung. „Auf der mazedonischen Seite steht das Militär ausgerüstet mit Maschi-nengewehren und einem Schieß-befehl im Fall einer ,illegalen‘ Grenzüberschreitung“. Das kön-nen wir nicht hinnehmen! Unse-re Solidarität gilt allen Flüchtlin-gen und den Helfer*innen vor Ort. Wer sich für Flüchtlinge an den EU-Außengrenzen enga-gieren möchte, kann das z. B. über die Facebook-Seite Dres-den-Balkan-Konvoi II tun, oder unter: Spendenkonto Kulturbü-ro Dresden, IBAN: DE54 8502 0500 0003 6007 04, BIC: BFSW-DE33DRE, Verwendungszweck: Spende Dresden-Balkan-Konvoi 2015.• Mirko Schultze

Politik und Kultur für Sachsen, Europa und die Welt Dezember 2015

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Wir wünschen allen Leserinnen und Lesern frohe Festtage und ein friedliches neues Jahr .

Es wird kalt an Europas Außengrenzen

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Seite 2Links! 12/2015

Es ist bei mir geradezu zum Ritu-al geworden. Greife ich zu einem neu eingetroffenen Buch, dann fällt der Blick – genau in dieser Reihenfolge – zunächst auf das Inhaltsverzeichnis, dann auf die Liste der verwendeten Literatur und dann folgt ein kurzer Streif-zug durch den Anmerkungsap-parat. Meistens gibt das bereits Aufschluss darüber, ob eine in-tensive Lektüre lohnt oder nicht.Bei Kriminalromanen ist ein sol-ches Vorgehen in der Regel na-türlich nicht möglich. Anders bei „Denglers achtem Fall“ aus der Krimiserie von Wolfgang Schor-lau, die inzwischen Kultstatus erreicht hat und riesige Aufla-gen verzeichnet. Gleich 73, teil-weise sehr umfangreiche An-merkungen finden sich am Ende des Bandes. Und ein Blick in das Nachwort verdeutlicht, dass nicht nur ein gründliches Litera-turstudium zum Thema des Ban-des stattgefunden hat, sondern dass auch intensiv recherchiert und mit Fachleuten geredet wur-de. So ungewöhnlich all dies ist, so ungewöhnlich ist auch das Echo unmittelbar nach der Ver-öffentlichung des knapp 400 Seiten starken Buches. Über 800 Personen drängten sich zur Präsentation in Stuttgart.Und als noch ungewöhnlicher muss wohl gelten, dass ein noch nicht abgeschlossener Kriminal-fall das Material für die literari-sche Aufbereitung dient. Als ab

November 2011 immer mehr Ungeheuerlichkeiten um die Verbrechen des NSU und die Rolle des Staates ans Tageslicht kamen, waren wir uns schnell mit Wissenschaftlern und Jour-nalisten einig: Wenn ein Dreh-buchautor einen solchen Plot als Vorlage für einen „Tatort“ vorge-legt hätte, wäre er vom Redak-teur wohl zum Teufel gejagt und nie wieder gefragt worden, ob er für den Sender arbeiten wolle. Zu unwahrscheinlich war all das, was in der Wirklichkeit gesche-hen war und nicht mehr abzu-streiten ist. Nein, Stoff für einen Krimi konnte dieser Kriminalfall nie und nimmer abgeben.Und doch liegt jetzt mit „Die schützende Hand“ ein solches Werk vor. Natürlich kennt Wolf-gang Schorlau als erfahrener und mit mehreren Preisen aus-gezeichneter Autor die Gefah-ren, die sich aus einem solchen Sujet ergeben. Zunächst die, dass jeder Zweifel an der offi-ziellen Lesart schnell als „Ver-schwörungstheorie“ abgetan wird. Doch legt die Unwahr-scheinlichkeit der offiziellen Darstellungen es nicht nahe, nach alternativen Erklärungsan-sätzen zu suchen? Glaubt denn wirklich jemand ernsthaft, dass es sich beim NSU – wie von der Bundesanwaltschaft behauptet – um ein isoliertes Trio mit nur sehr wenigen Mitwissern gehan-delt habe? Ist es wirklich plausi-

bel, dass all die V-Leute, die der Staat im Umfeld des NSU im Ein-satz hatte, nichts an brauchba-ren Hinweisen geliefert haben? Und nicht zuletzt: Passt es tat-sächlich zur Psyche von kalt-blütigen und brutalen Nazi-Ter-roristen, dass sie in den Suizid flüchten, nur weil sich ein paar Dorfpolizisten ihrem Unter-schlupf nähern?Ob diese offizielle Lesart zu-trifft, will ein anonymer Auftrag-

geber von dem Privatermittler Georg Dengler, einem ehemali-gen BKA-Beamten, wissen. Na-türlich ist dieser notorisch plei-te und die beträchtliche Summe seines Honorars lässt ihn glau-ben, mit wenig Arbeit viel Geld verdienen zu können. Erst all-mählich kommen ihm Zweifel.

Und mit den Zweifeln kommen die Warnungen aus seinem Um-feld, keinen Verschwörungsthe-orien aufzusitzen. Dengler kennt diese Gefahr und er weiß den Vorwurf zu kontern: „Im Grun-de genommen gibt es keine Ver-schwörungstheorien, es gibt nur valide und nicht valide The-orien“. Jemanden als Verschwö-rungstheoretiker zu diffamieren, sei eine gute Methode, einen Verdacht zu ersticken.

Genau dieser Verdacht, dass nämlich der Staat seine „schüt-zende Hand“ über den NSU ge-halten habe, verstärkt sich bei Dengler im Laufe seiner Ermitt-lungen. Wolfgang Schorlau, geistiger Vater von Georg Deng-ler, ist inzwischen überzeugt, dass die Wahrheit über den NSU

wohl nie vollständig ans Licht kommen wird. Wer das Gerichts-verfahren in München aufmerk-sam verfolgt und die Arbeit der verschiedenen parlamentari-schen Untersuchungsausschüs-se betrachtet, wird diesem Ein-druck nicht widersprechen. Die von Bundeskanzlerin Merkel versprochene Aufklärung wird es wohl nicht geben. Stattdes-sen wird man immer wieder an ein Zitat vom Ende der sechziger Jahre erinnert: „Wir können sie nicht zwingen, die Wahrheit zu sagen. Wir können sie aber da-zu bringen, immer dreister zu lü-gen“.Schorlaus eigentliches The-ma ist die Frage, welche Chan-cen die Wahrheit in einem Staat hat, in dem die Unwahrheit zum Prinzip und teilweise zur Staats-räson geworden ist. Wäre man nicht schon an dieser real exis-tierenden Demokratie ver-zweifelt, allein die vom Autor benannten Fakten würden da-zu führen. Dass es sich um ein Werk aus dem Genre „Fiction“ handelt, macht es zu einem spannenden, gut geschriebenen Krimi. Dass es gleichzeitig dicht an den Fakten bleibt, macht es zu einem Stück politischer Auf-klärungsliteratur. Volkmar Wölk

Wolfgang Schorlau: Die schüt-zende Hand. Denglers achter Fall; Köln: Kiepenheur & Witsch, 2015, Tb., 381 S., 14,99 €

Die schützende Hand

Erst der Tod ließ ihn mit dem Rauchen aufhören. Mit 96 tat er seinen letzten Zug: Helmut Schmidt. Viel Rauch hat er ge-macht, aber es war nie nichts dahinter. Wenn er auch nichts von Visionen hielt, Gestaltungs-willen konnte man ihm nicht absprechen. Er hat Menschen bewegt und schuf Bewegendes, provozierte Widerspruch, regte zum Nachdenken an, sorgte für Bewunderung.Schmidt war Weltkriegsteilneh-mer, wurde Politiker von Welt-rang, als Weltökonom wurde er betitelt und zum Welterklärer sollte er auch werden. Aber der Reihe nach. Als Wehrmachtsof-fizier hat er unbestritten Dinge erlebt, die ihn geprägt haben. Allerdings: Sein Herausgeber-Kollege bei der „ZEIT“, Giovanni Di Lorenzo, kam nicht umhin, im Nachruf zu fragen: „Wie soll man glauben, dass er die ganze Grau-samkeit des Dritten Reiches erst als Zuschauer beim Prozess vor dem teuflischen Volksgerichts-hof unter Roland Freisler 1944 bemerkt, von den Gräueln gegen die Juden erst nach dem Zusam-menbruch Nazideutschlands ge-hört haben will?“ Nach dem Krieg studierte er in

Hamburg Staatswissenschaf-ten und Volkswirtschaft. Dem schloss sich der Gang in die Politik an: 1946 Eintritt in SPD, unter Karl Schiller Arbeit in der Senatsbehörde Wirtschaft und Verkehr, 1953 saß er erstmals im Bundestag. Legendär ist sein zupackendes Handeln als In-nensenator bei der Hamburger Sturmflut (1962). Vielleicht wur-de hier das Image des Machers geboren. Jedenfalls wurde er Vorsitzender der SPD-Bundes-tagsfraktion (1967-1969) und anschließend Bundesminister für Verteidigung und Wirtschaft/Finanzen (1969-1972). Dann be-gann sein Kanzler-Dasein (1974-1982). Ein Momentem war die Ölkrise, die für wirtschaftliche Turbulenzen sorgte. Dass die Bundesrepublik die Wirtschafts-krise der siebziger Jahre besser überstand als andere Industri-eländer, verdankte sie in erster Linie dem Volkswirt Helmut Schmidt – so der Historiker Heinrich August Winkler (ZEIT-Extra, 11.11. 2015). Vor allem mit dem französischen Präsi-denten Valéry Giscard d’Estaing unternahm er Schritte zur Ver-besserung der beiderseitigen Beziehungen, aber auch zur

europäischen Integration. Dass beide Staatsmänner eine per-sönliche Freundschaft verband, war dabei sicher vom Vorteil.Der vom RAF-Terror getragene „Deutsche Herbst“ 1977 mit der Entführung der Lufthansa-Maschine nach Mogadischu, der Ermordung des Generalbundes-anwalts Siegfried Buback und des Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer setzte dem „Kanzler der Krisen“ (H. A. Winkler) allerdings zu. Einmal unbeobachtet in seinem Büro, musste er weinen. Schmidt führte Willy Brandts Ostpolitik fort. Nicht komplika-tionslos war dieser Prozess, hat man das Verhältnis zwischen Bonn und Moskau vor Augen. Hier saßen sich zwei Kriegsteil-nehmer gegenüber: Der General der Roten Armee, Breschnew, und der Oberleutnant der Wehr-macht, Schmidt. In „Menschen und Mächte“ (Berlin, 1987) schildert er, wie sich die beiden über ihre Kriegserlebnisse aus-tauschten. Möglicherweise hat das ein Stück persönliche Nähe ermöglicht und Schritte der poli-tischen Entspannung erleichtert. In seiner in Buchform erschie-nenen Bilanz („Außer Dienst“,

2008) schrieb der Altkanzler über Breschnew, dieser sei sym-pathisch, aber von begrenztem Horizont. Auch Honecker bekam sein Fett weg. Er erregte beina-he mehrfach Mitleid, weil er in allem von Moskau abhängig war, aber nie wissen konnte, welche Meinung sich dort durchsetzen würde. Das merkte man auch seiner vorsichtigen Gesprächs-führung an. Der DDR-Besuch von Kanzler Schmidt fand 1981 im Zeichen des NATO-Doppelbeschlusses und des über Polen verhängten Kriegsrechts statt. Für beide Sei-ten keine einfache Konstellation: Zum einen begannen die Toten-glocken des Sozialismus sowje-tischer Bauart zu läuten, zum anderen drohte neues Wettrü-sten. Während ein damaliger Ge-sprächspartner noch bis 1989 im Amt blieb, danach aber alles verlor, warteten auf den anderen daheim Auseinandersetzungen um den NATO-Doppelbeschluss auch in der eigenen Partei. So konnte er sich Schmidt im SPD-Parteipräsidium nicht mit seiner Forderung durchsetzen, Erhard Eppler den Auftritt auf einer Friedenskundgebung in Bonn zu verbieten. Eppler sprach am 10.

Oktober 1981 vor über 250.000 Nachrüstungsgegnern. Die Ra-keten kamen dennoch. In Ost und West.„Schmidt-Schnauze“ war nicht nur Politiker, auch Kunst- und Musikfreund. Das Schild „Bun-deskanzler“ ließ er von seinem Büro abnehmen und durch „Nolde-Zimmer“ ersetzen. Für den Pianisten ging es auch mal nach London ins Tonstudio. Neben Büchern produzierte er mehrere Schallplatten. Seine zunehmende Schwerhörigkeit bereitete ihm Schmerzen.Im Spätsommer 1982 zerfiel die von Schmidt geführte Koa-lition. Ein konstruktives Miss-trauensvotum erlaubte es, eine gewählte Regierung auszuwech-seln. Nach seiner Kanzlerschaft wurde Schmidt Mitherausgeber der „ZEIT“. Zahllose Artikel, je-den Freitag in „ZEIT“- gemäßen Redaktionssitzungen inmitten von Keksdosen, eingehüllt von Zigarettenrauch, besprochen, bereicherten das Blatt. Als Sch-midt 2010 von seiner Frau Loki Abschied nahm, verabredete er mit seinem Freund Siegfried Lenz: „Siggi, eine Runde drehen wir noch“! Nun ist sie zu Ende.René Lindenau

Helmut Schmidt: 23.12 1918 – 10.11.2015

Wolfgang Schorlau. Bild: Bild: Elke Wetzig / Wikimedia Commons / CC BY-SA 3.0

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Das Engagement für asylsu-chende Menschen und auslän-dische Studierende hat in der Berg- und Universitätsstadt Freiberg eine lange Tradition. Die menschliche Zuwendung zu den ausländischen Mitbür-gerInnen feierte bereits im Jahr 1994 einen großen Erfolg. Da-mals gelang es einer kleinen Gruppe engagierter Freiberger BürgerInnen in einem spekta-kulären Fall, einer Mutter mit ihrer kleinen Tochter gegen den Widerstand der Behörden eine Wiedereinreise für eine Operation und anschließender Reha-Maßnahme in Deutsch-land zu ermöglichen. Dieser Erfolg schweißte zusammen! Von Anfang an dabei: Das Ehe-paar Dr. Ruth Kretzer-Braun und Dr. Johannes Kretzer so-wie Kornelia Metzing. Alle drei sind Mitglied der LINKEN. Die enge Zusammenarbeit der en-gagierten Gruppe verfestigte sich in den 90er Jahren immer mehr und führte schließlich zur offiziellen Gründung eines „Arbeitskreises Ausländer und Asyl Freiberg e.V.“. Seit 2002 ist Kornelia Metzing dessen Vorsitzende. Zurzeit hat der Ar-beitskreis selbst 13 Mitglieder, wird aber durch viele weitere engagierte MitstreiterInnen unterstützt. Man sucht ständig weitere HelferInnen, wenn mög-lich mit Sprachkenntnissen, und findet sie auch. Denn mit den enorm angestiegenen Zahlen der in Freiberg untergebrachten Asylsuchenden und Flüchtlinge sind die Herausforderungen für

den Verein, auch für die vom Di-akonischen Werk Freiberg e.V. und der Freiberger Agenda 21 getragene Initiative „Wir sind Freiberg“, enorm angewachsen. Kornelia Metzing geht aktuell von über 900 Männern, Frauen und Kindern an den Freiberger Standorten aus, hinzu kommen noch die unter Verantwortung des Freistaates untergebrach-ten Flüchtlinge in der Erstauf-nahme-Notunterkunft in der Glückauf-Turnhalle der Bergaka-demie und einem daneben eilig aufgestellten beheizbaren Zelt. Natürlich ist der Verein auf fi-nanzielle Unterstützung ange-wiesen. In diesem Jahr erhielt man eine Förderung im Rah-men der „Aktion Mensch“ und einen Preis, gestiftet vom Kin-

derschutzbund und vom Säch-sischen Ausländerbeauftragten. Dadurch war es möglich, wie Kornelia Metzing mit Freude feststellt, die Aktivitäten des Ar-beitskreises bei der Flüchtlings-betreuung noch weiter zu inten-sivieren. Neben Deutschkursen für Erwachsene und junge Er-wachsene, der Sozialberatung vor allem für Flüchtlingsfamilien und der Suche nach Patenschaf-ten im Rahmen des Projektes „Patenschaften für Flüchtlinge“ ist – vor allem durch die För-derung von „Aktion Mensch“ – inzwischen viel Neues hinzu-gekommen: Man holt die Kinder aus den Heimen, um ihnen die Stadt Freiberg mit ihren vielfäl-tigen Freizeitmöglichkeiten wie Museen, Sportstätten, Kinder-

und Jugendfreizeitstätten sowie die Bibliothek zu zeigen und sie so zum Mitmachen und zur Nut-zung zu bewegen. Gemeinsam mit der Freiberger Außenstelle der Oederaner Volkskunstschu-le und der bedeutenden Frei-berger Mineralienausstellung „terra mineralia“ wurde durch den Verein das Projekt „Steine der Welt – Welt der Steine“ für Flüchtlingskinder angescho-ben. Dabei sahen die Kinder die verschiedenen Steine in Far-ben und Formen, redeten über Vulkane und die Entstehung der Steine und setzten ihre Er-fahrungen mit verschiedenen Techniken auf Papier und in Ton um. Ein weiteres Projekt „natur Klang – welt Klang – einzel – Klang“ folgt derzeit. Hierbei ar-

beitet der Verein eng mit einem Blasmusik-Ensemble zusam-men, das auf diesem Wege auch hofft, musizierfreudigen Nach-wuchs zu finden. In der letzten Herbstferienwoche wurde – ge-meinsam mit deutschen Kin-dern – ein Aufenthalt auf dem Kinderbauerngut Langenstriegis organisiert, sieben Flüchtlings-kinder konnten das miterleben. Dabei wurde gemeinsam ge-spielt, gelernt, gebastelt, musi-ziert und Sport getrieben. In der Natur konnten die Kinder die Klangvielfalt erschließen und einfache Klanginstrumente aus Naturmaterialien bauen.In Fortsetzung dieser Projekte sind weitere Begegnungen deut-scher und Flüchtlingskinder in Freiberg geplant, um gemein-sam zu basteln und zu musizie-ren. Höhepunkt sollte für die Kinder ihr Auftritt beim „Fest der Kulturen“ sein, das seit 2002 alljährlich im Herbst in Freiberg gefeiert wird, vielleicht gelingt es dem Verein. Das „Fest der Kulturen“ ist eine Ini-tiative des Arbeitskreises „Eine Welt und Integration“, in dem Akteure aus vielen Freiberger Vereinen im Sinne der interkul-turellen Arbeit zusammenwir-ken. In diesem Jahr wurde es am 8. November im Konzert- und Ballhaus Tivoli gefeiert. Für das kommende Jahr er-hofft sich Kornelia Metzing Projekt-Fördermittel von der Sächsischen Aufbaubank und der Ausländerbeauftragten des Landkreises Mittelsachsen. Hans Weiske

„Regeln müssen sein, sonst hät-ten wir Anarchie. Und das wol-len wir nicht“, sagte mir einst ein Sportlehrer. Aber das gilt nicht nur für den Sport. Men-schen regeln vieles, Deutsche angeblich alles. Was liegt also näher, als für all jene, die jetzt so ungeordnet zu uns kommen, einen Text zu verfassen mit dem Titel: „Hilfestellung und Leitfa-den für Flüchtlinge“? Wohlan, dachte sich der Bürgermeister von Hardheim im beschaulichen Baden-Württemberg und ging zu Werke. Die Bitte zu Beginn des Leitfadens ist verständlich: „Lernen Sie so schnell wie mög-lich die deutsche Sprache“. Na

klar, denken sich die Flüchtlin-ge, ob männlich oder weiblich, ob groß, ob klein. Nur, welche Sprache denn? Das wüssten selbst die Baden-Württember-ger und Baden-Württember-gerinnen nicht ganz genau. Ein schwäbisch vermurkstes Ale-mannisch, original Aleman-nisch oder vielleicht Fränkisch? Nun, zum Glück haben wir noch Hochdeutsch. Selbst wenn die baden-württembergische Staatsregierung mit der Losung hausiert, „Wir können alles, au-ßer Hochdeutsch“, empfiehlt sich der hochdeutsche Ver-such für die vielen Ausländer. Klappt nicht immer, geht aber doch leidlich. Ein gut gemeinter Rat, „Bitte dieses deshalb nicht tun“, ist sprachlich aber dann doch etwas daneben gegangen. Was soll’s? Der fremde Mensch merkt es nicht und er weiß die guten Ratschläge sicher, so wie es der Autor hofft, „wert zu schätzen“ – auch wieder kein gutes Deutsch, für Baden-Würt-temberg aber immer noch ex-zellent. Lassen wir das und kom-

men wir zu den Ratschlägen. Alle kann ich hier nicht abarbei-ten, aber jeder zeigt für sich, was man so von den Daherge-kommen denkt, wie sie sich un-angeleitet verhalten könnten, wie sie zu Hause so leben, und wie es in Deutschland auf kei-nen Fall geht. „Unsere Notdurft verrichten wir ausschließlich auf Toiletten, nicht in Gärten und Parks, auch nicht an Hecken

und hinter Büschen“. Auweia! Hallo Ihr Deutschen, die ihr viel-leicht doch schon mal in Gärten und Parks oder an Hecken und Büschen … Ab mit Euch nach Af-ghanistan. Dort sind freilich die Büsche und Hecken rar. Aber ihr werdet von den Einheimischen schon lernen, wie man sie den-noch als Deckung für das gro-ße und kleine Geschäft nutzen kann. Übrigens muss man die

Flüchtlinge auch vor unseren To-iletten warnen. Das hat man in Hardheim verpasst. Giulia En-ders, eine Medizinstudentin, hat nämlich herausbekommen und uns in einem Buch wissen las-sen: „Wenn wir aufrecht auf der Toilette sitzen machen wir es uns … unnötig schwer … Unse-re Vorfahren haben das unbe-wusst gut gemacht. Die gingen hinterm Busch in die Hocke … So kann alles besser flutschen“. Jetzt wissen die Fremden, dass Kultur nicht immer bequem und gesund ist, wohl aber fort-schrittlich. Wer gegen sie ver-stößt, verhält sich altväterisch, zurückgeblieben. Aber sagt das bitte nicht den Autofahrern in Not und fern vom so penibel sauberen Dixi-Klo, wenn die ei-lig in den Wald gehen.„Mädchen und junge Frauen fühlen sich durch Ansprache und Erbitten von Handy-Nr. und facebook-Kontakt belästigt“. Wir wissen schon, „dieses des-halb nicht tun!“ Ihr Männer aus Syrien, Afghanistan, Irak oder Kosovo, in Deutschland schließt

man Partnerschaften belästi-gungsfrei über Agenturen, wie z. B. „Parship“. Das klappt alle sie-ben Minuten. Dort übernimmt der Computer, was bei Ihnen meist noch der Vater macht. Er sucht für Sie Braut oder Bräuti-gam aus. Der Bürgermeister von Hard-heim muss paradiesische Vor-stellungen von der alten Heimat der Flüchtlinge haben. Im Pa-radies hat man nicht nur hinter die Hecke gepinkelt. Es gab dort auch kein Geld. „In Deutsch-land bezahlt man erst die Ware im Supermarkt, bevor man sie öffnet“. In Syrien oder anders-wo wohl nicht? Also merken Sie sich, die wir Sie „bedingungs-los aufgenommen haben“: „In Deutschland respektiert man das Eigentum der anderen“. Das konnten Sie freilich nicht wis-sen. Wenn Sie, lieber Asylbe-werber, liebe Asylbewerberin, darüber nun laut lachen oder geräuschvoll, weil bitterlich wei-nen, dann beachten Sie den-noch: „In Deutschland gilt ab 22.00 Uhr die Nachtruhe“.

Die dritte Seite

Von den Regeln der „Leitkultur“

Reihe Willkommensbündnisse: „Arbeitskreis Ausländer und Asyl Freiberg e.V.“

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Seite 4Links! 12/2015

Wovon hängt ab, wie viele Flüchtlinge Deutschland auf-nehmen kann? Konkrete Zahlen sind in dieser Debatte rar gesät, sie wären wohl auch unseriös. Allein die Frage nach einer Zahl erregt schon den Verdacht, der Fragende wolle das Grundrecht auf Asyl einschränken und sehe dann schließlich alle Menschen-rechte unter Finanzierungsvor-behalt. Oft liest oder hört man: „Wir Deutschen können nicht der ganzen Welt helfen.“ Dass ein Staat allein nicht über die Mittel verfügt, alle Probleme auf der Welt zu lösen, ist keine Binsenweisheit, sondern Ideo-logie. Sie zementiert die beste-hende Teilung der Welt in Staa-ten und Völker, die glauben, trotz weltumspannender Aktivi-täten nach eigenem Wohlstand und eigener Sicherheit nur sich selbst Verantwortung schuldig zu sein. Die aus diesen Aktivi-täten erwachsenden Probleme des kapitalistischen Wirtschaf-tens konkurrierender Staaten übersteigen schon seit Jahr-hunderten die Lösungskompe-tenzen eines einzelnen Staates.

Kein Staat ist in dieser Hinsicht jemals souverän gewesen. Sou-veränität zu fordern, redet ge-rade jenen nach dem Munde, die sich als die Geprellten füh-len, geprellt um die Überlegen-heit der germanischen Kultur, ihres eigenen „deutschen Flei-ßes“ und schließlich geprellt um die Volksherrschaft im eigenen Lande. Das Streben nach Sou-veränität kann dann nur durch Herrschaft und Ausgrenzung befriedigt werden. Hier lauert der deutsche Faschismus in al-len Ecken der Gesellschaft. Die Namen sind zuweilen andere. Aus germanisch wird „westlich“, aus Fleiß wird „Leistung“, und die Volksherrschaft erscheint weniger völkisch, wenn man sie ins Altgriechische übersetzt. Die sich als die Geprellten se-hen, haben viele Gesichter. Aber sie haben alle die Mimik eines Räubers, der auf den Hintern fällt, sich das Steißbein prellt und sich dann beschwert, dass die anderen dafür gar kein Ver-ständnis haben. Geprellt fühlten sich z. B. Kritiker des Versailler Vertrages, der Bund der Vertrie-

benen, „Wendeverlierer“ oder einfach Steuerzahler. Gerade Steuern müssen im Rahmen des partikularen Interesses als Zwangsabgabe und Prelle-rei erscheinen, da die Steuer-zahler in ihrer Wahrnehmung keinen direkten Gegenwert er-halten, wie es das Gebot des Äquivalententausches in der Marktwirtschaft verlangt. Das geht direkt einher mit dem Leis-tungsfetischismus, dass auf all jene mit Verachtung herabge-schaut wird, die keine Leistung erbringen, von der sie ohne Hil-fe leben könnten. Die Konkur-renz zwischen den Menschen, die der Leistungsfetischismus nur bemäntelt, zieht sich auf die für Menschen absurde Fra-ge zusammen: Bist du fähig, im Kampf gegen die anderen Men-schen allein für dich zu sorgen? Jeder Mensch und jeder Staat, der dieser Konkurrenz nichts entgegensetzen kann, wird von dem System als überflüssig ausgeschieden, taugt beim Zah-lungsausfall nicht einmal mehr als Konsument. Diese Gefahr ist omnipräsent und gerade die

Sieger des Konkurrenzkampfes sind energisch dabei, ihren Sieg zu verteidigen. Sie haben auch die meisten Mittel dafür. Sie le-ben aber wie die Verlierer am Li-mit, nur mit schönerem Balkon. Sie selbst haben zu tun, die vie-len Konflikte einzudämmen und die Konkurrenz niederzuhalten. Die Menschen erleben Tag für Tag am eigenen Leib, dass auch in reichen Gesellschaften nicht für alle Platz ist, überall der Man-gel verwaltet und Missstände kosmetisch behandelt werden. Jede Person, ob deutsch oder nicht-deutsch, wirkt als „eine zu viel“ und erinnert an dieses Le-ben am Limit. Nur wähnen sich „die Deutschen“ mit ihresglei-chen von vornherein als nützli-che Mitglieder der Gesellschaft. In der Flüchtlingskrise wieder-holt sich dieses Denken. Es hat-te sich schon in der Krise um Griechenland wiederholt. Die Sieger oder zumindest Favo-riten der internationalen Kon-kurrenz um Rohstoffe, Absatz-märkte und geostrategische Positionen verteidigen ihre Privilegien. Zugleich wurde in

Deutschland immer mehr die Auffassung laut, große Stärke bringe große Verantwortung mit sich. Es ist wohl jene Verantwor-tung gemeint, die alle Machtha-ber sich zu Eigen machen: der Erhalt der Machtposition. Sie wird dadurch zum Hohn gegen-über jenen, an denen diese Ver-antwortung ausgeübt wird. Der Machterhalt erfordert und pro-voziert Gewalt bis hin zu barba-rischen Ausmaßen – eben jeder nach seinen Möglichkeiten. Es ist nicht verwunderlich, dass je-ne mit Dreck werfen, die in ihn gestoßen worden sind.Statt nach Aufnahme-Limits zu fragen, sollten „wir“ damit an-fangen, die Welt mit unserem Deutschsein und der Deutschen Ideologie in Ruhe zu lassen. Die-se Tendenzen findet man auch in anderen Ländern. Doch die asymmetrische Geschichte er-zeugt asymmetrische Verant-wortungen. Die Beunruhigung, dass bei immer mehr Flüchtlin-gen die Stimmung kippen könn-te, zeigt nur, welches Grauen im noch fruchtbaren Schoße lau-ert. Enrico Pfau

Hintergrund

Flüchtlinge und die Deutsche Ideologie

Jour fixe, der Gesprächskreis am Leipziger Sitz der Rosa-Lu-xemburg-Stiftung Sachsen, ist zu einer angesagten Ad-resse geworden. So ereignete sich auch der November-Kon-vent wieder vor vollem Haus. Schließlich hatte sich Wladislaw Hedeler, einer der international namhaften Kommunismusfor-scher, auf das Podium begeben, um Auskunft über seine in jeder Weise „gewichtige“ Biographie zu geben: „Nikolai Bucharin – Stalins tragischer Opponent“ (Matthes & Seitz, Berlin 2015, 637 Seiten). Statt referierender Diskussionsgrundlage probier-ten die Veranstalter eine ande-re Form: Die Moderatoren Klaus Kinner und Hartmut Kästner be-fragten den Autor, und das Audi-torium konnte sich dem Dialog unmittelbar mit eigenen State-ments beigesellen. Das mach-te den Abend zu einem sehr le-bendigen Forum, führte aber zwangsläufig auch dazu, dass der rote Biographie-Faden mit-unter verloren zu gehen drohte. Denn Leben und Wirken Bucha-rins zu durchleuchten, heißt für gelernte historische Materialis-ten des Stammpublikums, die Gegebenheiten seiner Zeit in Politik, Ökonomie und Gesell-schaft ganzheitlich in den Blick zu nehmen. Der Berichterstat-ter muss sich schon aus Platz-gründen beschränken, zumal Bucharins Entwicklung vom be-liebten Revolutionär und Theo-retiker an Lenins Seite bis zum frühen Tod nach Stalins perfi-dem Schauprozess und Mord-

befehl im Grundsätzlichen be-kannt ist. Er greift daher einige Informationen heraus, die des Autors spezielle Forschungs-leistung aus dem Fundus Bu-charinscher Biographik hervor-heben.Waldislaw Hedeler ist der Sohn des deutschen Kommunisten Walter Hedeler, der von 1943 bis 1955 in Tomsk verbannt war. Er wurde 1953 in dieser sibirischen Großstadt gebo-ren. 1955 zog er mit seinen El-tern in die DDR. Sein rehabili-tierter Vater wirkte von 1957 bis 1959 als Chefredakteur der Leipziger Volkszeitung. Wladis-law studierte von 1973 bis 1978 an der Humboldt-Universität zu Berlin Philosophie und promo-vierte 1985 über Nikolai Iwa-nowitsch Bucharin. Dass er in seinem Buch völlig unbekann-te Erkenntnisse publik machen konnte, war zwei Umständen geschuldet. Zum einen forsch-te er während seiner Aspiran-tur von 1983 bis 1985 nicht am grünen Tisch in Berlin, sondern „vor Ort“ in Moskau. Und zum anderen trachtete er zielgerich-tet danach, jene Blindflecken zu tilgen, die der Amerikaner Ste-phen F. Cohen und der Öster-reicher Adolf G. Lövig in ihren Bucharin-Biographien unbear-beitet lassen mussten. Weil sie keinen Zugang zu den Original-quellen hatten, kommt in ihren „Torso“-Lebensbildern weder der junge Bucharin noch die Zeit nach seiner Verhaftung 1937 vor. Auch für Hedeler standen die Tore zu den ungehobenen

Dokumentenschätzen nicht of-fen. Immerhin hat die sowjeti-sche Historiographie selbst Bu-charins Leben und Wirken nicht aufgearbeitet. So glich seine Erkundung jener Lebenspha-sen, die Bucharin als frühen Re-volutionär, an der Seite Lenins

und Stalins, als Widerpart Sta-lins in theoretischen und prak-tisch-politischen Fragen des sozialistischen Aufbaus und in seiner Haftzeit zeigen, einer Odyssee. Etliche Originaldoku-mente standen auf dem Index, selbst in den öffentlichen Mos-

kauer Bibliotheken hatte er kei-ne freie Hand, sondern musste sich über den Umweg bürokra-tischer Betreuer Zugang zu je-der interessierenden Karteikar-te erkämpfen. Manche eigene Übersetzung hielt auf. Zwei Jah-re bittere, vertane Forschungs-zeit, blickt Hedeler auf die Mos-kauer „Eiszeit“ 1983 bis 1985 zurück. Nach Öffnung der Ar-chive habe sich die Situation teilweise gebessert, einmali-ge, unschätzbare persönliche Auskünfte aber habe er von in-zwischen verstorbenen Fami-lienangehörigen Bucharins er-halten. Hedeler wörtlich: „Nach ihrem Tod ist das Reservoir an noch Unbekanntem so gut wie ausgeschöpft“. Eine Lücke kön-ne noch geschlossen werden, wenn es gelänge, die Materiali-en der Schauprozesses 1938 in-klusive der letzten Briefkontak-te zwischen Bucharin und Stalin auszuwerten. „Es gibt nur das russische Stenogramm der Pro-zesse, das ist für die Forschung aber bisher nicht zugänglich“.Hedelers Quellenkunde hebt die Bucharin-Forschung auf ei-ne neue Stufe, wie Klaus Kin-ner in seiner Einführung beton-te. Neue Erkenntnisse dürften in Zeiten russischer Stalin-Renais-sance vorerst kaum zu erwarten sein. Das macht den unschätz-baren Wert von Hedelers wis-senschaftlicher Kärrnerarbeit und seiner großartigen Biogra-phie aus, die Hartmut Kästner als den einschlägigen Arbeiten Jörg Baberowskis ebenbürtig bezeichnete. Wulf Skaun

Odyssee zu den Quellen der Bucharin-Forschung

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Seite 5 12/2015 Links!

18.-31. Dezember 1925

Historische Prozesse aus der Sicht der Gegenwart zu be-trachten, ist immer interessant und aufschlussreich. Das trifft insbesondere für die 83 Jah-re dauernde Geschichte der UdSSR zu. Die auf dem Boden

des sogenannten Marxismus-Leninismus stehenden Histo-riker – zu dem der Verfasser des Artikels auch gehörte – ha-ben diese Geschichte als einen stetig aufsteigenden Prozess der Verwirklichung des frei-en Menschen interpretiert. So wie die Geschichte verlief, nur so konnte sie geschehen – die teleologische Geschichtsauf-

fassung war dominant. Alter-nativen wurden nicht gesucht bzw. a priori ausgeschlossen. Heute ist klar, dass es in der Geschichte der UdSSR und der KPdSU natürlich Momente gab, in denen eine Entscheidung so oder so getroffen werden konnte – mit weitreichenden und unterschiedlichen Aus-wirkungen auf den geschichtli-chen Prozess.Als vor 90 Jahren der XIV. Par-teitag der KPdSU(B) stattfand, war die Entwicklung Sowjet-russlands sowohl in ökonomi-scher und sozialer Hinsicht als auch bei ihrer theoretischen Durchdringung an einer Weg-marke angekommen. Seit vier Jahren zeitigte die Neue Öko-nomische Politik für einen klei-neren Teil der Bevölkerung po-sitive Ergebnisse. Großbauern (Kulaken), kleine und mittlere Unternehmer (NÖP-Kapitalis-ten), Teile der Angestellten und der Intelligenz führten ein gu-tes „bürgerliches“ Leben. Für

die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung aber, für die Arbeiter und Bauern, für die, die die Lasten der Revolution und des Bürgerkrieges getra-gen hatten, waren die Verän-derungen zum armseligen und elenden Leben der vorrevolu-tionären Zeit und zur Zeit des Kriegskommunismus nur mar-ginal. Es musste eine Wende erzielt werden, eine Wende, die das weitere Voranschrei-ten der Revolution gewährleis-tete. Darüber hinaus war sich die Parteiführung auf der 14. Parteikonferenz (April 1925) darüber klar geworden, dass es möglich sei, den Sozialis-mus auch beim Ausbleiben der sozialistischen Revoluti-on in anderen (hochentwickel-ten) Ländern aufzubauen.

A. I. Rykow, direkter Nachfol-ger Lenins als Vorsitzender des Rates der Volkskommis-sare, eröffnete am 18. Dezem-ber 1925 den Parteitag. „In den vergangenen eineinhalb Jah-ren veränderte sich wesent-lich die ganze wirtschaftliche Lage des Landes … Man kann sie als eine Periode der schnel-len Wiederherstellung der ge-

samten Wirtschaft bestimmen … Wir treten in eine neue Epo-che – die Epoche des Aufbaus …“. Die Politik der NÖP schien nicht mehr den objektiven An-forderungen an die Richtung und die Geschwindigkeit der ökonomischen Entwicklung des Landes zu entsprechen. Auf XIV. Parteitag fand ei-ne teilweise offene Diskussi-on statt. Neben dem Rechen-schaftsbericht des ZK wurde ein Koreferat zugelassen, das G. K. Sinowjew (Parteise-

kretär von Leningrad) hielt. Im Rechenschaftsbericht be-tonte Stalin, dass die UdSSR durch harte Arbeit zu einem „wirtschaftlich selbständigen, unabhängigen, auf den inne-ren Markt basierenden Land (werden müsse), zu einem Land, das als ein Anziehungs-

feld für alle anderen Länder dient, die nach und nach vom Kapitalismus abfallen und in die Bahnen der sozialistischen Wirtschaft einlenken werden“. Sinowjew machte auf drei grundlegende Schwierigkei-ten aufmerksam, die den Auf-bau des Sozialismus in Frage stellen könnten: Erstens die Verzögerung der Weltrevoluti-

on, zweitens die Rückständig-keit Russlands und das Über-gewicht der Bauernschaft und drittens das Nichtvorhanden-sein einer kollektiven Partei-führung nach Lenins Tod. In der Diskussion – 45 Redner äußerten sich – fand nicht nur ein kontroverser Meinungs-austauch statt, sondern die zum Teil gegensätzlichen ideo-logischen Positionen prallten aufeinander. Die Mehrheit der Diskutanten, z. B. Rykow, Ord-schonikidse, Kirow, Shdanow unterstützte die Politik des industriellen Aufbaus, neun Delegierte sprachen sich da-gegen aus. Sokolnikow (Volks-kommissar für Finanzen) mein-te, dass die UdSSR noch lange Zeit ein Agrarland sein werde. Deshalb sei es richtig, den Ex-port zu entfalten, „der in den nächsten Jahren nur ein land-wirtschaftlicher Export sein kann“. Trotzki favorisierte für die Sowjetunion den klassi-schen Weg der kapitalisti-

schen Industrialisierung. Die Bauernschaft sei das Ausbeu-tungsobjekt für die indust-rielle Entwicklung. Kamen-jew (Vorsitzender des Rates für Arbeit und Verteidigung) sprach von der „falschen Li-nie der Genossen Stalin und Bucharin“ und drückte seine Überzeugung aus, dass Stalin „nicht die Rolle eines Vereini-gers des bolschewistischen Stabes spielen kann …“. Die Witwe Lenins, N. K. Krupska-ja, wandte sich dagegen, den Parteitag als „letzte Instanz“ anzuerkennen. „Man darf sich nicht damit beruhigen, dass die Mehrheit immer recht hat“, bemerkte sie völlig richtig. In der Resolution des Partei-tages – wesentlich von Sta-lin und Bucharin geschrieben

– wurde die Orientierung auf die sozialistische Industriali-sierung gegeben: „… dass die UdSSR sich aus einem Land, welches Maschinen und Aus-rüstungen einführt, in ein Land verwandelt, welches Maschi-nen und Ausrüstungen produ-ziert“. So werde sie „kein An-hängsel der kapitalistischen Weltwirtschaft bleiben son-

dern eine selbständige öko-nomische Einheit, die sozialis-tisch aufgebaut ist …“Heute, mit dem Wissen der 90jährigen Entwicklung nach dem XIV. Parteitag, wird klar, dass es Mitte der 20er Jahre sehr wohl alternative Möglich-keiten in der Sowjetunion gab. Es gab einen Weg der langsa-meren, konfliktärmeren und die Bevölkerung stärker scho-nenden Entwicklung, einen Weg, industrielle Kerne vorran-gig in der Leichtindustrie anzu-

siedeln und erst später mit der Schwerindustrie fortzufahren. Diese Möglichkeit bestand. Die Konsequenz wäre eine lan-ganhaltende wirtschaftliche und letztlich politische Ab-hängigkeit von den kapitalis-tischen Ländern gewesen. Die UdSSR hätte den Krieg 1941-

45 nicht erfolgreich führen können – das sozialistische Experiment wäre bald zu Ende gewesen. Die Mittel und Wege zur Durchsetzung des Industri-alisierungskurses – Stichwort GULAG, Stichwort Entkulaki-sierung – sind, wie der Kurs selbst, mit den Namen Stalins verbunden. Bei der Festlegung der konkreten Maßnahmen

ließ er keine Diskussionen mehr zu. Der Parteiführer ent-artete zum Verbrecher: Hun-derttausende Kommunisten, Arbeiter, Bauern und Wissen-schaftler wie millionenfach Russen, Ukrainer und Ange-hörige vieler anderer Nationen und Nationalitäten versklavte er, ließ sie elend dahinvege-tieren und ließ sie ermorden. Trotzdem bleibt aber auch ei-nes: Die mit Nachdruck betrie-bene Durchsetzung der „sozi-alistischen“ Industrialisierung eröffnete die Möglichkeit, ei-nen europäischen oder welt-weiten Sieg der Barbarei über die Zivilisation zu verhindern. Die Industrialisierung der UdSSR war eine entscheiden-de Grundlage für den Sieg der Roten Armee im Großen Vater-ländischen Krieg. Gemeinsam mit den Streitkräften der an-deren Staaten der Anti-Hitler-Koalition wurde 1945 der Fa-schismus verhindert.Hartmut Kästner

Geschichte

Vor 90 Jahren: Der XIV. Parteitag der KPdSU(B)

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Seite 6Links! 12/2015 Rosa-Luxemburg-Stiftung

ImpressumLinks! Politik und Kultur für Sachsen, Europa und die Welt

Herausgeber: Dr. Monika Runge, Verena Meiwald, Prof. Dr. Peter Porsch, Dr. Achim Grunke

Verleger: Verein Linke Bildung und Kultur für Sachsen e. V.,

Kleiststraße 10a, 01129 Dresden

Namentlich gekennzeichne-te Beiträge geben nicht un-bedingt die Meinung der Re-daktion wieder. Die Redaktion behält sich das Recht auf sinn-wahrende Kürzungen vor.

Die Papierausgabe wird in der LR Medienverlag und Drucke-rei GmbH in Cottbus gedruckt.

Redaktion: Kevin Reißig (V.i.S.d.P.), Jayne-Ann Igel, Ute Gelfert, Ralf Richter.

Kontakt: [email protected] Tel. 0351-84389773

Redaktionschluss: 30.11.2015Die nächste Ausgabe er-scheint voraussichtlich am 04.02.2016.

Die Zeitung „Links!“ kann kos-tenfrei abonniert werden. Wir freuen uns jedoch über eine Spende, mit der Sie das Er-scheinen unserer Zeitung un-terstützen. Kostendeckend für ein Jahresabo ist eine Spende in Höhe von 12 Euro.

Sollten Sie an uns spenden wollen, verwenden Sie bitte folgende Kontodaten:

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Aboservice: www.links-sach-sen.de/abonnieren, [email protected] oder 0351-84 38 9773

Chemnitz, 9. Januar, Samstag, 10.00 UhrWorkshop: Einführung in das Versammlungsrecht***. Mit Tim Detzner (Politikwissenschaft-ler), Moderation: Mike Melzer. Die Teilnehmer*innenanzahl ist auf 10 begrenzt. Deshalb bitten wir um Anmeldung unter [email protected] Rothaus, Lohstraße 2, 09111 Chemnitz

Chemnitz, 12. Januar bis 5. MärzWanderausstellung „Es lebe die Freiheit! – Junge Menschen gegen den Nationalsozialis-mus“***. Eine Aktion des Run-den Tisches für demokratisches Engagement im Stadtteil in Ko-operation u.a. mit der Stadt Chemnitz, der AWO, dem DGB und der RLS Sachsen, mehr da-zu unter www.sachsen.rosalux.de

Dresden, 13. Januar, Mitt-woch, 19.00 UhrVortrag und Diskussion, REI-HE: Zukunft denken. Linke Pers-pektiven: Futuring. Über die Zu-kunft reden. Mit Prof. Dr. Rainer Rilling (Fellow der Rosa-Luxem-burg-Stiftung Berlin).WIR-AG, Martin-Luther-Straße 21, 01099 Dresden

Was verstehen wir unter „Zu-kunft“? Wie soll das Phänomen Zukunft behandelt werden? Gibt es eine Zukunft oder mehrere? Wie gehen wir im Alltag mit Zu-kunft um? Hat sich das Zukunfts-denken geändert? Warum wird Zukunft immer wieder als Ka-tastrophe gedacht und was ha-ben „wild cards“ oder „schwar-ze Schwäne“ mit dem Ende des Kapitalismus zu tun? Was ist Zukunftspolitik und warum hat ausgerechnet George W. Bush sie verändert? Zwischenbilanz: Zukunft nicht als Wunderkam-mer, sondern als Kerngeschäft – der Linken?

Leipzig, 13. Januar, Mittwoch, 19.00 UhrRELEVANZ DER KUNST. KUNST DER RELEVANZ***. Relevanz-diktat und das Spezifische der Kunst. Mit Beatrice von Bismarck, Christian Faulha-ber, Johannes Paul Räther und Clemens von Wedemeyer. Ver-

anstaltet von R.d.K. (Gruppe von Student*innen an der HGB) in Kooperation mit der RLS Sach-sen.HGB, Festsaal, Wächterstraße 11, 04107 Leipzig

Warum studiert und produziert man Kunst? Wir unterstellen: Je-der künstlerischen Praxis wohnt das Begehren nach Relevanz in-ne. Abhängig von den Erwar-tungen kann mit Relevanz frei-lich Unterschiedliches gemeint sein. Für die einen ist Relevanz gleichbedeutend mit ökonomi-schem Erfolg. Andere hinge-gen bemessen die Relevanz von Kunstwerken danach, inwieweit sie kritisch die sozialen Verhält-nisse reflektieren. Wieder ande-re behaupten: Sie lässt sich we-der anhand ökonomischer, noch anhand politisch-ethischer Pa-rameter messen, sondern arti-kuliert sich gemäß einer Kunst-immanenten Logik.

Leipzig, 14. Januar, Donners-tag, 19.00 UhrREIHE MARXEXPEDITION 2015: Krisen und soziale Bewegun-gen***. Soziale Revolte oh-ne Gewerkschaften – Die neue Klassenzusammensetzung in China. Mit Ralf Ruckus. Eine Ver-anstaltung der Gruppe Marxex-pedition in Kooperation mit der RLS Sachsen.Hörsaal 4, Hörsaalgebäude der Uni Leipzig, Universitätsstraße 3

Die mit der rasanten Industria-lisierung entstandene migranti-sche Arbeiter*innenklasse Chi-nas setzt mit ihren Kämpfen für ein besseres Leben das Regime der Kommunistischen Partei un-ter Druck. Ralf Ruckus schildert zunächst die wirtschaftlichen und politischen Hintergründe der Veränderungen in China. Im Anschluss geht er den Fragen nach, in welcher Weise sich die selbstorganisierten Kämpfe ge-gen die Repression von Staat und Kapital entfalten können, wie das Fehlen gewerkschaftli-cher Vermittlung die Kämpfe be-günstigt und ob sich nun auch Perspektiven einer grundlegen-den sozialen Umwälzung eröff-nen.

Dresden, 19. Januar, Dienstag, 18.00 Uhr

Workshop: Wie weiter mit der DDR-Geschichte? REIHE: Junge Rosa. Mit Boris Krumnow (poli-tischer Bildner).WIR-AG, Martin-Luther-Straße 21, 01099 Dresden

Leipzig, 19. Januar, Dienstag, 19.00 UhrREIHE MARXEXPEDITION 2015: Krisen und soziale Bewegun-gen***. Der Umbruch 1989 – Revolution, Implosion oder Kon-terrevolution? Mit Dr. Renate Hürtgen. Eine Veranstaltung der Gruppe Marxexpedition in Ko-operation mit der RLS Sachsen.Hörsaal 4, Hörsaalgebäude der Uni Leipzig, Universitätsstraße 3

Leipzig, 26. Januar, Dienstag, 18.00 UhrREIHE: Philosophische Diens-tagsgesellschaft. Walter Benja-mins geschichtspolitische Kritik der Gewalt. Mit PD Dr. Peter Fi-scher (Philosoph).RLS Sachsen, Harkortstraße 10, 04107 Leipzig

Chemnitz, 26. Januar, Diens-tag, 19.00 UhrVortrag und Diskussion: Todes-märsche und Todestransporte des KZ Groß-Rosen und die Ne-benlager***. Mit Dr. Hans Bren-ner (Autor). Eine Veranstaltung des VVN-BdA Chemnitz, der Volkshochschule Chemnitz und der RLS Sachsen.Veranstaltungssaal, DAStietz, Moritzstraße 20, 09111 Chem-nitz

Frankenberg, 27. Januar, Mitt-woch, 19.00 UhrVortrag und Diskussion: Verfolgt – Bejubelt – Vergessen – Bruno Apitz***. Mit Dr. Lars Förster (Historiker). Eine Veranstaltung der RLS Sachsen in Kooperation mit der LAG Sachsenburg.Haus der Vereine, Bahnhofstraße 1, 09669 Frankenberg

Leipzig, 28. Januar, Donners-tag, 18.30 UhrVortrag und Diskussion. REIHE: Luxemburgseminar. Mit Dr. Hol-ger Politt (Forschungsstelle Ro-sa Luxemburg der RLS in War-schau).RLS Sachsen, Harkortstraße 10, 04107 Leipzig

Zwar ist Rosa Luxemburg in Po-

len nicht minder bekannt als in Deutschland, doch scheint an-sonsten alles anders zu sein. Einen Schlüssel zum Verständ-nis dafür bietet die Rezeptions-geschichte ihres Werkes, die in ihrem Heimatland genauso tur-bulent und widersprüchlich ver-laufen ist wie in Deutschland. Neben vielen Parallelen gibt es insbesondere für die Zeit nach 1956 auffallende Unterschiede. Und ohne die Leistungen der Ar-beitergeschichtsforschung in der VR Polen stünde die welt-weite Rosa-Luxemburg-For-schung tatsächlich noch in den Kinderschuhen.

TERMINE ZUM VORMERKEN

Samstag, 30. Januar 2016, ab 14 UhrNeujahrsempfang und Verlei-hung des Wissenschaftspreises der Rosa-Luxemburg-Stiftung SachsenIm Januar wird alljährlich der von Günter Reimann gestiftete Wis-senschaftspreis der Rosa-Lu-xemburg-Stiftung Sachsen an eine junge Wissenschaftlerin/einen jungen Wissenschaftler verliehen. Im Anschluss bietet der Neujahrsempfang die Mög-lichkeit für Gespräche. Musika-lisch umrahmen die Dresdner Musiker Gabriel Krappmann und Christoph Eulenhaupt den Nach-mittag.Rosa-Luxemburg-Stiftung Sach-sen e.V., Harkortstraße 10, 04107 Leipzig

Samstag, 12. März 2016, ab 11 Uhr Mitgliederversammlung; 25 Jah-re Rosa-Luxemburg-Stiftung Sachsen. Ab 16 Uhr Empfang, Diskussion, szenischer Vortrag, Gespräche, Musik und Tanz.Haus des Buches, Gerichtsweg 28, 04103 Leipzig

Wir schauen in einer szenischen Darbietung zurück auf 25 Jah-re Rosa-Luxemburg-Stiftung Sachsen und anschließend in einer Diskussionsrunde mit Partner*innen auf Herausforde-rungen und Ansprüche an politi-sche Bildung. Wir laden ein, bei Essen, Trinken und Musik ins Gespräch zu kommen und einen anregenden Nachmittag und Abend zu verbringen.

IN MEMORIAM

Prof. Dr. Ernstgert Kalbe

Nach schwerer Krankheit ist unser Vereinsfreund Prof. Dr. sc. phil. Ernstgert Kalbe am 7. November 2015 im Alter von 84 Jahren verstorben. Ernst-gert Kalbe gehörte zu jenen Ge-lehrten, die das wissenschaft-liche Leben und die politische Bildungsarbeit der Rosa-Lu-xemburg-Stiftung Sachsen vie-le Jahre außerordentlich ge-prägt und bereichert haben. Mit dem Arbeitskreis Osteuro-pa und den Leipziger Jahrbü-chern „Osteuropa in Tradition und Wandel“ hatten er und sei-ne gelehrten Freunde wichtige Diskussionsforen geschaffen, die weit über Sachsen hinaus Aufmerksamkeit und Interesse fanden. Die Rosa-Luxemburg-Stiftung Sachsen hat einen langjährigen und verdienstvol-len Mitstreiter verloren. Wir bezeugen seinen Angehörigen unser tiefempfundenes Beileid und werden unserem verstor-benen Freund ein ehrendes An-gedenken bewahren.

Prof. Dr. sc. oec. Joachim Tesch

Am 1. November ist unser Ver-einsfreund Prof. Dr. sc. oec. Jo-achim Tesch im Alter von 82 Jahre verstorben. Die Rosa-Lu-xemburg-Stiftung Sachsen ver-liert einen ihrer langjährigsten und verdienstvollsten Mitstrei-ter. Als stellvertretender Vor-standsvorsitzender hat sich Joachim Tesch viele Jahre mit Erfolg für die Geschicke unse-rer Stiftung engagiert. Seiner Moderation des irtschaftswis-senschaftlichen Arbeitskrei-ses verdanken wir gewichtige Wortmeldungen im sozialpoliti-schen und globalisierungskriti-schen Diskurs der Linken. Ver-öffentlichungen zur politischen Bildung und Leipziger Bauge-schichte tragen seine redak-tionelle Handschrift und kün-den von enormer Kompetenz und erstrebenswerter verlege-rischer Sorgfalt. Wir werden Joachim Tesch ein ehrendes Angedenken bewahren und be-zeugen seinen Angehörigen un-ser tiefempfundenes Beileid.

Prof. Dr. Peter Porsch, Vorsit-zender der Stiftung; Stefanie Götze, Geschäftsführerin; Prof. Dr. Manfred Neuhaus, Vorsit-zender des Wissenschaftlichen Beirates.

Termine

Page 7: LINKS! Ausgabe 12/2015

Seite 7 12/2015 Links! Rezensionen

Im Meißner Stadttheater be-gann Gerhard Schöne 1965 als „Junges Talent“

Er ist ein Meister der leisen Töne: Gerhard Schöne. Es war der Anregung der Intendantin des Meißner Stadttheaters Renate Fiedler zu verdanken, so der Künstler, dass er sein 50. Bühnenjubiläums mit dem Sonderkonzert „Junge Talente und noch kein Ende“ am 3. Oktober in Meißen fei-erte. Eindrucksvoll schildert er die Atmosphäre, wie er als 12jähriger mit einer kleinen Mandoline um den Bauch und einem knalligen Hemd an glei-cher Stelle auf Empfehlung seiner Musiklehrerin als letz-ter und beim „Kreisausscheid der Jungen Talente“ auftrat. Als das junge Publikum nach mehreren Stunden und einem Vortrag von „John Scheer und Genossen“ langsam wegzu-dämmern droht, rockt der kleine Pastorensohn die Bude: Nach der Melodie von „Weine nicht wenn der Regen fällt“ singt er: „Weine nicht wenn der Vater ruft: Ins Bett, ins Bett!“ – schlagartig waren die Pioniere munter und sangen lauthals den Refrain mit: „Ins Bett, ins Bett!“ Gerhard Schönes Mun-termacher trug ihn bis in den Bezirksausscheid, wo man ihm aber die Teilnahme am Republi-kausscheid verwehrte: Seine Parodie basierte leider auf der Melodie eines Liedes, das im kapitalistischen Ausland ent-standen war … So reichte es dann „nur“ zum Publikumslieb-ling in Dresden, aber nicht zu einer Delegierung nach Berlin.Der junge Sachse hatte damit

aber nicht nur eine gehörige Portion Selbstvertrauen gefun-den, sondern zugleich seine Berufung: Musik-Clown wollte er fortan sein. Während des Ju-biläums-Konzerts nun streifte er durch seine langjährige ei-gene Liedermachergeschichte, unterbrochen durch Lesungen aus seinem Buch „Mein Kinder-land“, in dem Anekdoten und Geschichten versammelt sind. Es war eine Kindheit geprägt vom Gefühl des Geliebt-Wer-dens, der Geborgenheit und den Erfahrungen christlicher Nächstenliebe, wobei immer wieder seine Selbstironie zum Tragen kommt. In Liedern wird später liebenswürdig die Plau-dertasche Tante Hanna auf die Schippe genommen, aber auch seine langjährige Zeit als Briefträger verarbeitet er. Ohne Zweifel war das 1987 gemein-sam mit der Gruppe „‚L‘art

de passage“ erarbeitete Pro-gramm „Du hast es nur noch nicht probiert“ ein Höhepunkt

seines Schaffens. Daraus ent-stand, wie sich manch einer wohl erinnert, seine legendäre Doppel-LP. Auch daraus singt Schöne Lieder wie „Vielleicht wird’s nie wieder so schön“. Im Liedtext werden u.a. zufällig polnische Studenten aufgega-belt, nach Hause eingeladen, und man singt dort gemein-sam „Give Peace a chance“ und „Penny Lane“. Es ist ein tiefer Humanismus gepaart mit einem sanften Blick auf einen nicht einfachen Alltag der klei-nen Leute, der Gerhard Schö-nes Liedgut durchzieht. Immer wieder nimmt er sich der Be-nachteiligten und Ausgegrenz-ten an – das fehlte dann in Meißen auch nicht: „Als mein gelber Wellensittich aus dem Fenster flog, hackte eine Schar von Spatzen auf ihn ein – denn er sang wohl etwas anders und war nicht so grau wie sie, und

das passt in Spatzenhirne nicht hinein“.Seit einem halben Jahrhundert erschafft er Lieder, die Erwach-sene zum Nachdenken und Kinder zum Lachen bringen. Zum Abschluss schaffte er es auf äußerst charmante Weise, am Ende seines mit viel Ap-plaus bedachten Programms das Publikum mit einem mu-sikalischen Einschlaf-Raus-schmeißerlied aus dem Saal zu komplementieren: Fünf Kinder liegen im Bett, als das Kleins-te sagt: „Rutsch mal rüber!“ – rutsch, zack, autsch und wieder fällt ein Kind aus dem Bett. Die zahlreichen Kinder im Saal singen begeistert den Refrain mit. Es ist ein bisschen wie vor 50 Jahren – nur ist Ger-hard Schöne heute, wie er von sich sagt, inzwischen ein altes Talent ... Ralf Richter

Lessing fair

Gerhard Schöne feiert 50jähriges Bühnenjubiläum

Seit Monaten erleben Deutsch-land und Europa die Flucht von Millionen. Sie kommen vor-nehmlich aus Kriegsgebieten und Konfliktregionen, wo ihnen ein menschenwürdiges Leben unmöglich gemacht wurde. Zur Ironie gehört: Ihre Flucht führt sie in Länder, in denen sie viel-fach nicht willkommen sind, oder die sie erst zum Verlassen ihrer Heimat genötigt haben. Denn deren Waffen morden, rauben ihnen die Lebensgrund-lagen, die Regierungen der sogenannten westlichen De-mokratien paktieren mit ihren Regimes, um wirtschaftliche Vorteile zu erlangen und ihre geopolitischen Interessen zu befriedigen. Da wird für RAMA Regenwald abgeholzt, werden Meere überfischt, da wird un-ter miserablen Bedingungen in KiK-Textilfabriken (Karatschi) geschuftet – bis es brennt: 200 Tote. Was bleibt? Einer verbrennt gleich, der andere

wird Pirat, der nächste flüch-tet. Wen interessieren die Fluchtursachen? Meist wird nur nach den Flüchtlingen an sich, ihrer Zahl und den Kosten gefragt. Was sie schon seit Gründung der Bundesrepublik zum wirtschaftlichen Aufbau, zum Steueraufkommen, für die Sozial- und Pflegekassen bei-trugen, kümmert stammtisch-dominierte Kleinhirne nicht. Geschweige denn die Frage, welche kulturelle Bereicherung es sein kann, wenn Menschen aus verschiedenen Kulturen zu uns kommen. Kulturexport ist immer noch besser als Waffenexport. Noch immer ist Deutschland drittgrößter Waf-fenexporteur. Wie viel Deutsch-kurse und Wohnungen könnte man mit Rüstungsausgaben finanzieren?Kultur ist das Stichwort. Es führt zu Lessings „Nathan der Weise“. Darin entwarf der Au-tor sein Humanitätsideal von

der Utopie einer toleranten Gesellschaft. Im Verlauf des Stückes rief Sultan Saladin Na-than zu sich und fragte ihn, was denn für ihn die wahre Religi-on sei. Weise wie Nathan war, antwortete er mit der Ringpa-rabel. Ein Mann besitzt dabei ein Familienerbstück, einen Ring, der seinen Träger vor Gott und den Menschen angenehm macht, wenn der Besitzer ihn in dieser Zuversicht trägt. Als es dazu kommt, dass er den Ring zu vererben hat, kann er sich nicht für einen seiner Söh-ne entscheiden, da er alle drei gleichermaßen liebt. So lässt er den Ring nachfertigen, und das gelingt so gut, dass die Kopien nicht erkennbar sind. Nach dem Tod des Vaters ziehen die Söhne vor Gericht, um feststel-len zu lassen, welcher Ring der echte sei. Das aber ist dem Richter unmöglich – und er rät dazu, die Tyrannei des einen Ringes zu beenden. Entschei-

den solle vielmehr das sittliche Verhalten, und gegenüber an-deren solle Toleranz geübt wer-den. Alle Ringträger sollten sich also bemühen, der Wirkung ihres Schmuckstücks durch ihr Verhalten nahezukommen. „Nathan der Weise“ zeichnet so ein Gleichnis zum Verhältnis der drei großen Weltreligionen. Lessing zufolge kann man die Frage nach dem rechten Glau-ben nicht dogmatisch beant-worten. An seine Stelle tritt die Idee einer Vernunftreligion. An-dersgläubigen sei mit Respekt zu begegnen, Unterschiede können dabei gewahrt bleiben. So gesehen geht es diesem Werk um die Erziehung zur Toleranz und einer friedlichen Koexistenz verschiedener Re-ligionen. Kurzum, es geht um ein kulturvolles Miteinander. Doch in Deutschland und Euro-pa brennen beinahe tagtäglich Asylheime, „besorgte“ Bürger lärmen mit Nazi-Parolen durch

die Städte, Grenzen werden ge-schlossen. Das kann man nicht gerade ein demokratisches und tolerantes Klima nennen, für das so viele Generationen gekämpft haben. Das ist nicht die Luft, die wir atmen wollen.Brandsätze und Steine sind billiger als Integrationskurse. Der Verlust an Rüstungsprofi-ten tut den Schaltstellen der Macht offensichtlich mehr weh als das Zermalmen Aufstän-discher durch einen deutschen Qualitätspanzer Leopard 2 in Bahrain. Die Bekämpfung von Flüchtlingen ist einfacher zu bewerkstelligen als die Be-kämpfung von Fluchtursachen. Mag sein. Aber das ist alles sehr weit von dem entfernt, wo-für Lessing warb: Aufklärung, Humanität, Toleranz. Die Welt darf keinem Unaufgeklärten, Inhumanen und Intoleranten gehören. Dieses Motto darf man nie „vernach-lessingen“! René Lindenau

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Im April 2015 hatte der Histo-riker Klaus Kinner im Leipziger Domizil der Rosa-Luxemburg-Stiftung eine Seminarreihe be-gründet, die den Namen der Re-volutionärin trägt. Kinner hatte schon länger beabsichtigt, Le-ben und Werk der demokrati-schen Sozialistin auf produk-tive Erkenntnisse für heutige Linke abzuklopfen. Sein Ansatz: Die bisherige Luxemburg-For-schung habe bei allen – auch von der Stiftung erreichten – Er-folgen die Wirkungsgeschichte ihrer Ideen noch unzureichend erkundet und vermittelt. Dieser Aufgabe solle sich das Seminar annehmen. Zustimmend hatte der Philosoph Volker Caysa er-klärt, das heiße für ihn, zunächst das unabgegoltene Potenzial Lu-xemburgischer Ideen zu definie-ren, es zu reformulieren und auf aktuelle Erfordernisse hin zu be-werten. Dabei gelte es, das Vor-wissen, insbesondere der Ju-gend, zu berücksichtigen.Um es vorwegzunehmen: Cay-sas Gebot dürfte generationen-übergreifend gelten. Die nun-mehr dritte Veranstaltung vor wiederum aktivem Interessen-tenkreis wäre Beleg genug. Sie

beschäftigte sich mit dem zu SED-Zeiten lange als „geheime Verschlusssache“ gehandelten Thema: Luxemburg oder Stalin. Klaus Kinner nahm die beweg-ten Jahre zwischen 1923/24 und 1945 in den Blick. Ob er da-bei über die „radikale Realpoli-tik“ Luxemburgs gegen die be-ginnende Stalinisierung sprach, über den Absturz der KPD in den Stalinismus 1929 bis 1933 oder über das „schwarze Loch“ 1933 bis 1945 – die fundierten Darlegungen des Historikers machten deutlich: Auch für äl-tere Geschichtsinteressierte boten sie vielfach Neuwissen. Zu sehr hatte auch die stalinis-tische SED die Theoretikerin der marxistischen deutschen und internationalen Arbeiterbewe-gung auf die Rolle einer revolu-tionären Märtyrerin reduziert. Zwar ließ die offizielle DDR-Ge-schichtsschreibung Luxemburg die Petrograder Oktoberrevo-lution begrüßen. Ihre weitsich-tige, kühne Kritik an der Lenin-schen Diktatur der Bolschewiki, deren theoretischer und prakti-scher Negation jeglicher Demo-kratie in Politik, Ökonomie und Gesellschaft aber beschwieg

sie nach Kräften. In dem Ma-ße, wie Lenins Ideen als „genia-le Weiterentwicklung“ des Mar-xismus kanonisiert wurden, hat dessen vermeintlicher Willens-vollstrecker Stalin die davon ab-weichenden Auffassungen Rosa Luxemburgs als „Fehler“ stig-matisiert. Sinowjews 1924 ge-prägter Begriff vom „Luxembur-gismus“ habe in der KPdSU und in den Parteien der Kommunisti-schen Internationale (KI) wie ein ideologisches Fallbeil gewirkt. Parteinahme für Luxemburgs Ideen interpretierte die herr-schende bolschewistische Frak-tion in der internationalen Arbei-terbewegung als Angriff auf den „Führer des Weltproletariats“.Es ist unmöglich, an dieser Stel-le die nur kurz erwähnten, äu-ßerst widersprüchlichen und oft geradezu erschütternden Vor-gänge und historischen Ereig-nisse in ihrer Komplexität dar-zustellen und den involvierten Personen historische Gerechtig-keit widerfahren zu lassen. Auch werden in den Seminardebatten die jeweiligen Themen theore-tisch so tiefgründig ausgelotet, dass eine kongruente journalis-tische Reflexion undenkbar wä-

re. Schließlich erheben sie den Forschungsanspruch, der Wir-kungsgeschichte der Namens-patronin bisher unbekannte Kapitel hinzuzufügen. Dem Re-zensenten geht es deshalb vor allem darum, weitere Teilneh-merInnen für die Diskurse zu interessieren. Sie auch auf frü-her indizierte Details neugierig zu machen, die als parteifeind-lich, abweichlerisch, revisionis-tisch, reformistisch oder ähnlich verketzert waren. Klaus Kinner hatte auch dieses Mal eine Rei-he brisanter Belege aus dieser „Schublade“ gezogen, Doku-mente, wie sie erst jetzt, nach Öffnung der Archive, ans Tages-licht gelangen. So erfuhren die TeilnehmerInnen des Seminars, welche (von der SED-Führung geleugnete) Rolle Ernst Thäl-mann als Sachwalter Stalins in der KPD gespielt hat, wie er und seine GesinnungsgenossInnen die auf Luxemburg gegründete Traditionslinie als Trotzkismus denunziert haben. Und sie hör-ten über Clara Zetkin, dass die furchtlose Verteidigerin von Ro-sas Erbe gegen die wachsende Zahl der VerfälscherInnen am Ende ihres kämpferischen Le-

bens verstummte, weil sie, in Moskau lebend, rein existenzi-ell von Stalins Gnaden abhängig war. Noch 1927 hatte sie dem Vorsitzenden der KI, Nikolai Bu-charin, geschrieben, Thälmann könne wegen seiner wankelmü-tigen Haltung gegenüber Linken, Rechten, Versöhnlern kein Par-teiführer sein. Der auch an das ZK der KPD adressierte Brief sei dort nicht angekommen. Thäl-mann hielt ihn selbstherrlich zurück und verfälschte seinen Inhalt, indem er das Schreiben als einen „Drecksbrief“ verun-glimpfte, der sich gegen das ganze Zentralkomitee richte. Als Thälmann den von Stalin entwor-fenen Text des „Schaltjahres-beschlusses“ vom 29. Februar 1928 über den „Sozialfaschis-mus“ der SPD durchsetzte, war Rosa Luxemburgs theoretisches Erbe bereits zur historischen Fußnote verdammt. Einen Licht-blick gab es aber doch. Mit war-men Worten würdigte Klaus Kin-ner die Luxemburg-Biographie ihres Mitstreiters Paul Frölich von 1939. In „Gedanke und Tat“ werden Rosa und ihr Werk weit-sichtig und gerecht beurteilt. Wulf Skaun

Die letzte Seite

Zur Märtyrerin der Novemberrevolution gestutzt

Poetische Tiefe, bissiger Spott: Georges BrassensEiner der beliebtesten Vertreter zeitgenössischer französischer Chansons bleibt bis über seinen Tod hinaus der Poet und Lieder-macher Georges Brassens. Sei-ne ersten Gedichte verfasste er bereits als zwölfjähriger Junge in seiner Heimatstadt Séte. Im Al-ter von achtzehn Jahren zog er nach Paris zu einer Tante und bekam eine Lehrstelle in der Au-tomobilbranche. Seine Freizeit verbachte er meist in den Bib-liotheken der Hauptstadt, weil er sich leidenschaftlich für die Geschichte der französischen Poesie und die Entstehung des Chansons interessierte, für die Entwicklung des Minnesangs der altfranzösischen Troubadou-re im zwölften Jahrhundert, für die Meister des polyphonen Ge-sangs des fünfzehnten Jahrhun-derts und die eher heiter daher gesungenen Sauf- und Liebes-lieder im siebzehnten Jahrhun-dert – ebenso für die ersten politischen Chansons der fran-zösischen Revolution, die agita-torischen Kampflieder aus der Zeit der Pariser Commune bis zu den Couplets der Pariser Caba-rets der zwanziger Jahre. Die so erworbenen Kenntnis-se trugen maßgeblich dazu bei, seine persönliche Handschrift und Interpretation zu kreieren. Schon 1942 kam es zur Veröf-fentlichung von 13 Gedichten in einem Pariser Verlag. Doch wäh-rend der Besetzung Frankreichs durch die die deutsche Wehr-macht wurde seine künstleri-sche Laufbahn unterbrochen.

Man deportierte ihn zwangs-weise nach Deutschland, wo er in der Waffenindustrie arbeiten musste. Als die deutschen Be-hörden ihm die Erlaubnis gaben, für kurze Zeit in seine Heimat zu fahren, nutzte er die Gelegen-heit zur Flucht und blieb bis zur Befreiung 1944 im Pariser Un-tergrund.

Es spricht vieles dafür, dass die-se unangenehmen Erfahrun-gen und die damit verbunde-nen Ängste die Quelle seines stetigen Drangs nach Freiheit waren, der seinen von unge-hemmter Anarchie geprägten, doch sehr anspruchsvollen Lie-dern zugutekommen sollte. Das erste Couplet, das er erstmals

selbst auf der Bühne interpre-tierte, trägt den Titel „Le Gorille“ (Der Gorilla) und wurde ein gro-ßer Erfolg. Jahre später nahm kein Geringerer als Deutsch-lands Chansonnier Nr. 1, Franz Josef Degenhardt, den Song in sein Repertoire auf: „Vorsicht, Gorilla!“. Es handelt von einem dem Zirkus entlaufenden Men-schenaffen, der die betuchten Bürger einer Kleinstadt in Angst und Schrecken versetzt und zu guter Letzt selbst die Staatsge-walt foppt.Ab 1952 bestritt Georges Bras-sens seine ersten größeren Konzerte, die beim Publikum große Resonanz fanden. Im Ge-gensatz zu seinen Chanson-Kol-legen, die überwiegend mit rie-sigen Orchestern arbeiteten, bevorzugte er die minimalisti-sche Form: Gitarre und Gesang, unterstützt vom Kontrabass seines Freundes Pierre Nico-las. Brassens‘ eigenwillige an-archistische Lebensphilosophie spiegelt sich besonders in sei-nen Liedern, die auch in den da-mals noch zwei deutschen Staa-ten Künstler wie Reinhard Mey, Konstantin Wecker, Dieter Kal-ka, Wolf Biermann oder Hannes Wader stark beeinflussten, zu deren Vorbild er wurde. Insbe-sondere Walter Mossmann, der Brassens sehr verehrte, wid-mete eine Strophe seines Lie-des „für meine radikalen Freun-de“ nach einer Komposition des Meisters ebendiesem: „Dieses Lied ist für Georges Brassens, den Liedermacher aus der Pro-

vence. Der liebt die Leut‘ und ‘s Katzenvieh, und bisschen die Anarchie … Der hat mich ge-lehrt, mich umzusehen, statt aufzuschau’n zu lichten Hö-hen, wo über uns sitzen Gesäße aus Stein, Ärsche mit Heiligen-schein.“ Brassens‘ Texte selbst sind durchflutet von poetischer Tie-fe, anspruchsvoller Sensibilität, durchwachsen von ironisch-hu-moristischer Satire und bissi-gem Spott, oft scharf gewürzt mit einer Prise Sozialkritik – kurz und gut: mit allen Merkma-len, die ein gutes Chansons aus-zeichnen. Einer seiner Titel, „La ronde de jurons“, der nur Fluch- und Schimpfworte beinhaltet, wurde zur heimlichen Hymne der anarchistischen Vereini-gung „Féderation Anarchiste“.Insgesamt erschienen zwanzig Alben von Georges Brassens, die auch später als CD auf den Markt kamen und ausschließlich eigene Lieder enthielten – bis auf eine LP, auf der er klassische alte Lyrik von Francois Villon, La-martine, Luis Aragon, Paul Ver-laine und anderer vertonte.Georges Brassens starb viel zu früh, 1981 an einem Nierenlei-den, im Alter von nur sechzig Jahren. Im Rathaus von Séte, in der Nähe seiner Grabstätte, am Mittelmeer gelegen, wurde ein „Erinnerungsraum“ für ihn ein-geweiht, zu dem jährlich zehn-tausende Verehrer pilgern. Mö-ge auch mein Weg eines Tages dorthin führen!Jens-Paul Wollenberg

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12/2015 Sachsens Linke! Seite 1

Der Kampf gegen den Terror hat in Europa einen neuen Code. Er lautet „42-7“ und aufgeru-fen hat ihn Frankreichs Staats-präsident François Hollande während einer gemeinsamen Sitzung der französischen Na-tionalversammlung und des Se-nats. Hinter dem Kürzel verbirgt sich der Artikel 42, Absatz 7 der Lissaboner EU-Verträge. Es ist ein bislang wenig beachteter Vertragsbestandteil und sei-ne überraschende Inanspruch-nahme durch Frankreich ist Teil der Reaktionen auf die mörde-rischen Terroranschläge mit über 130 Toten in Paris. Es ist das erste Mal, dass ein EU-Mit-gliedsstaat den Artikel einfor-dert, in dem es wörtlich heißt: „Im Falle eines bewaffneten An-griffs auf das Hoheitsgebiet ei-nes Mitgliedstaats schulden die anderen Mitgliedstaaten ihm al-le in ihrer Macht stehende Hilfe und Unterstützung“. Ganz neu ist eine solche Formulierung allerdings nicht. Bereits in der 2011 dahingeschiedenen West-europäischen Union (WEU), ei-nem 1954 vor dem Hintergrund des Kalten Krieges gegründeten Militärpakt zwischen Großbri-tannien, Frankreich, Italien, den Beneluxstaaten sowie der Bun-desrepublik Deutschland, gab es eine entsprechende Verab-redung.Was der Artikel konkret für ein EU-Land bedeutet, ob Gremi-en der Europäischen Union nun

darüber befinden müssen und wenn ja, welche, und ob bzw. wie man der Bitte Frankreichs folgt, darüber tun sich derzeit mehrheitlich Fragezeichen auf. In der Bundesregierung geht man offenbar davon aus, dass die EU als Institution schon gar nicht mehr im Spiel sei, denn die Hohe Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, Federica Mogherini, beschied gegenüber den EU-Verteidi-gungsministern, dass schon mit der Bezugnahme auf 42-7 durch Präsident Hollande der Bünd-nisfall ohne weitere Abstim-mungen eingetreten sei. Eine fragwürdige Interpretation. Selbst bei der bislang einzigen Inanspruchnahme des NATO-Bündnisfalls nach den Attenta-ten auf das World-Trade-Cen-ter und das Pentagon in den USA 2001 gab es keinen Au-tomatismus, sondern prüf-te zunächst der NATO-Rat das Vorliegen der Bündnisverpflich-tungen und fasste dann einen Beschluss. Die PDS kritisierte damals die völkerrechtliche In-terpretation, dass der Terroran-griff ein bewaffneter Angriff von außen auf die USA sei. Dies ist auch beim Pariser Terrorangriff zu hinterfragen. Insofern ist die von Mogherini geplante Vorge-hensweise bei einer so wichti-gen Entscheidung nicht zu ak-zeptieren. Nach den Aussagen der Bun-desregierung folgt aus der Fest-

stellung des Bündnisfalles un-mittelbar erst einmal gar nichts. Die Regierung Frankreichs müsste gegenüber den Mit-gliedsstaaten nun bilateral aktiv werden und ihre konkreten Un-terstützungsbitten formulieren. Diese können militärische Maß-nahmen sein, aber eben auch andere. Und dann muss die Bundesregierung entscheiden, wie sie auf die entsprechenden Bitten reagiert. Sollten militäri-sche Maßnahmen erwogen wer-den, müsste dann in jedem Fall der Bundestag beteiligt werden, ohne dessen Zustimmung kein Soldat der Bundeswehr im Aus-land kämpfen darf. Über die Frage, warum Frank-reich nicht den NATO-Bündnis-fall, sondern den besagten EU-Paragrafen in Anspruch nahm, lässt sich derzeit nur spekulie-ren. Gut möglich, dass der Prä-sident, der die ständigen Mit-glieder des UN-Sicherheitsrats mit einem eigenen Antrag für eine gemeinsame Resolution zur Verurteilung des Terrors und den gemeinsamen Kampf dage-gen gewinnen will und zu die-sem Zweck nach Moskau und Washington reist, der Meinung ist, dass die Ausrufung des NA-TO-Bündnisfalles angesichts des schlechten Verhältnisses zwischen Russland und der NA-TO in eine Sackgasse führen würde. Ich würde es begrüßen, wenn statt der selbst mandatierten

„Koalitionen der Willigen“, die seit 15 Monaten unkoordiniert in Syrien und dem Irak Bomben abwerfen, unter dem Dach der UNO ein gemeinsames nachhal-tiges Vorgehen gegenüber den Terroristen des IS verabredet wird. Die intensiven Gespräche zwischen Obama und Putin ma-chen da ebenso Hoffnung wie die anhaltenden Verhandlungen in Wien zur Zukunft Syriens. Kurzfristig müssen die Fi-nanzströme, die dem IS sein mörderisches Treiben erst ermöglichen, konsequent aus-getrocknet und ein weiterer Zustrom von Kämpfern unter-bunden werden. Hierzu gibt es bereits einstimmige Beschlüs-se des UN-Sicherheitsrats. Die Hoffnung, mit einem gemeinsa-men Bombenkrieg oder gar Bo-dentruppen in Syrien und dem Irak den IS nachhaltig zu ver-nichten, teile ich nicht, denn etliche Terrormörder sind Bür-ger von EU-Staaten. Nun auch noch ungefragt einen Bundes-wehreinsatz anzubieten, wie es Bundestagsabgeordnete der Koalition taten, ist ein großer Fehler. Die zentrale Lehre besteht wei-terhin darin, die Ursachen des Terrors und seine befördernden Elemente zu bekämpfen. Ein Krieg dagegen – so viel sollten wir aus dem letzten Jahrzehnt gelernt haben – führt nicht zum Erfolg.Stefan Liebich

Wir setzen unsere Rei-he zu den Zuständen beim Versanddienst-leister Amazon fort.

Dr. Kristin Kaufmann beantwortet, wie in der letzten Ausgabe Annekatrin Klepsch, von ihrer Sicht auf ihren Job als Dresdner Beigeordnete.

Dr. Axel Troost erklärt, weshalb er die Schrif-ten von John Maynard Keynes als Grundpfei-ler linker Wirtschafts-politik ansieht.

Dazu gibt es Informa-tionen von den LAGs und einen Gastbeitrag von der nordirischen Linkspartei Sinn Féin.

Aktuelle Infos stets auch unter

www.dielinke-sachsen.de

Sachsens Linke

Dezember 2015

Rückblick und Ausblick

Das Jahr 2015 neigt sich dem Ende. Es war ein hartes Jahr, insbesondere für jene, die für Mitmenschlichkeit, Toleranz und Frieden den Rücken gera-de machen. Für Menschen wie uns. Hunderttausende kamen, weil sie vor Krieg und Terror, vor Armut und Hunger flohen. Rechtspopulisten, Rassisten und Nazis machen Stimmung gegen sie. Der Terror ist zurück in Europa und äußert sich nicht nur in islamistisch begründeten Anschlägen, sondern auch in brennenden Asylunterkünften, in Übergriffen auf Geflüchtete. Und: Deutschland ist dabei, in den nächsten Krieg zu ziehen, den man nicht so nennen dürfen soll. Es bleiben schwere Zeiten. Wir werden nicht einknicken, sondern den Rücken gerade hal-ten. Dafür gibt es gute Gründe: Unsere Überzeugungen als Sozi-alistInnen!Anfang November schrieb Jo-chen Reeh-Schall auf Facebook: „In den nächsten Wochen feiert das christliche Abendland einen ungarisch-römischen Soldaten, einen türkischen Bischof, ei-nen aramäischen Wanderpredi-ger, ein paar jüdische Hirten und drei persisch-arabische Stern-deuter. Man stelle sich vor, die würden als Gruppe versuchen, montags in Dresden über den Weihnachtsmarkt zu laufen“. Ich denke, dass es unsere Aufgabe bleibt, wieder dafür zu sorgen, dass die Ergebnisse eines sol-chen Weihnachtsmarktbesuches „nur“ schöne Erinnerungen und vielleicht ein, zwei Glühwein zu viel sein würden. Ich wünsche uns allen eine er-holsame Weihnachtszeit im Krei-se unserer Liebsten und einen guten Rutsch ins neue Jahr.

Mit Krieg wird man Terror nicht besiegen

Deutscher Jagdbomber „Tornado“ - bald als Aufklärer über Syrien?

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Sachsens Linke! 12/2015 Seite 2

Meinungen

ImpressumSachsens Linke! Die Zeitung der LINKEN in Sachsen

Herausgeberin: DIE LINKE. Sachsen Verleger: Verein Linke Bildung und Kultur für Sachsen e.V.,

Kleiststraße 10a, 01129 Dresden

Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wie-der. Die Redaktion behält sich das Recht auf sinnwahrende Kür-zungen vor. Termine der Redakti-onssitzungen bitte erfragen.

Die Papierausgabe wird in der LR Medienverlag und Drucke-rei GmbH in Cottbus gedruckt.

Der Redaktion gehören an: Ute Gelfert, Jayne-Ann Igel, Thomas Dudzak, Antje Feiks (V.i.S.d.P.), Andreas Haupt, Ralf Richter, Stathis Soudias.

Bildnachweise, wenn nicht gesondert vermerkt: Archiv, iStockphoto, pixelio.

Kontakt: [email protected]. 0351-8532725Fax. 0351-8532720Redaktionsschluss 30.11.2015

Die nächste Ausgabe er-scheint voraussichtlich am 04.02.2016.

Alles Kohl(e) oder was?Auf seinem Landestreffen im Oktober hat sich ADELE mit drei inhaltlichen Schwerpunkten und einem weiteren strukturellen befasst. Zuvor begrüßten wir den Chemnitzer Bürgermeister für Recht, Sicherheit und Um-weltschutz, Miko Runkel. Dann ging es um Kohle und Energie-wende, wozu Angela Müller die Einführung gab. Schnell waren wir uns einig, dass wir eine Neu-fassung der energiepolitischen Leitlinien brauchen. Deshalb wurden Arbeitsgruppen gebil-det, die sich mit den Fragen En-ergieeffizienz, Ausstieg aus der Braunkohleverstromung, stoff-liche Nutzung der Braunkohle und Schaffung von politischen Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Energiewende be-fassen. Bis Februar sollen erste Diskussionspapiere vorliegen, die in Workshops mit Sachver-ständigen und interessierten Bürgern qualifiziert werden. Dann wollen wir versuchen, un-sere Vorstellungen in Partei und Gesellschaft zu diskutieren. Schon längere Zeit diskutierten wir agrarpolitische Positionen, die von Katrin Kagelmann und Sabine Kunze aus erarbeitet wurden. Auf diesem Treffen verabschiedeten wir sie und werden sie dem Landesvor-stand zur Beschlussfassung und Veröffentlichung empfehlen. Ein Kernproblem, das behan-delt wird, und das unterschei-det uns von den GRÜNEN, ist: Ökologische Agrarproduktion ist nicht nur in kleinbäuerlichen Strukturen möglich, sondern auch in größeren Agrarbetrie-ben. Deshalb setzen wir uns für die Möglichkeit von Teilumstel-lungen ein, dafür, dass konven-tionelles und ökologisches Wirt-schaften in einem juristischen Betrieb möglich sein kann. In allen Agrarbetrieben muss um-weltgerecht produziert werden, Tiere sind artgerecht zu halten. Auf genmanipulierte Pflanzen und Tiere ist zu verzichten.Einen breiten Raum nahm die Verkehrspolitik ein. Marco Böh-me gab eine Einführung, bevor wir verschiedene Aspekte und den fahrscheinlosen ÖPNV diskutierten. Unterschiede zwi-schen Ballungsgebieten und dem „flachen Land“ wurden deutlich artikuliert. Wir müssen daran arbeiten, Defizite auf ver-

kehrspolitischen Gebiet abzu-bauen. Auch hier werden wir die Diskussion mit Wissenschaft-lern und Verkehrsexperten au-ßerhalb der Partei suchen. Eine intensive Diskussion ent-brannte zum Problem, wie ehrenamtliche mit hauptamt-licher Arbeit verbunden werden können. Beklagt wurde in allen sächsischen Regionen die Ten-denz einer Entkopplung. Aber gerade die Verbindung des Eh-renamts mit der Abgeordneten-tätigkeit war einer der großen Vorzüge. Es wurde beschlossen, dass sich der Sprecher von ADELE an den Landesvorstand wendet, um im Landesverband die Debatte zu führen.Michael-A. Lauter, Sprecher von ADELE, der „LAG Ökologie“ der sächsischen LINKEN

Zum Kommentar von Rico Gebhardt (Parlamentsreport 10/2015, S. 1) und zu „Be-denkliche Unwucht in der Ge-sellschaft“ (Sachsens Linke! 11/2015, S. 1)Auch Angela Merkel will Frontex ausbauen, Geflüchtete mög-lichst in Lagern in ihren Her-kunfts- oder Transitländern festhalten und abgelehnte Ge-flüchtete schnell abschieben. Sie verfolgt somit die gleiche rassistische Politik. Dafür sollte sie nicht gelobt werden. Aller-dings vertritt sie auch die Inte-ressen der wirtschaftlich Mäch-tigen. Ruhe und Ordnung sollen nicht durch Übergriffe gefährdet werden. Mauern oder ähnliche Absperrungen wären sehr teuer und würden wenig bringen. Und sie muss auf die Hilfsbereit-schaft der Bevölkerung Rück-sicht nehmen. Solange wir für eine positive Stimmung gegen-über Geflüchteten sorgen, übt das Druck aus. Regierung und die Mainstreammedien sind ganz froh über PEGIDA usw. So wird der berechtigte Frust der Bevölkerung über Demokratie- und Sozialabbau, über Aggres-sionspolitik (z. B. gegenüber Russland, Auslandseinsätze), über interessengeleitete Main-streammedien usw. in eine für die Herrschenden gewünschte Richtung gelenkt. Gefördert wird dies dadurch, dass aus-führlich darüber berichtet wird, sie als regierungskritisch dar-gestellt werden und ihnen wei-testgehend Recht gegeben wird

(z.B. Hetze gegen Geflüchtete und Muslime). Gleichzeitig wer-den AntirassistInnen im Protest gebunden und können weniger gegen institutionellen und struk-turellen Rassismus in der BRD und gegen die von der BRD-Po-litik und -Wirtschaft erzeugten Fluchtursachen protestieren. Wir können das nur bekämpfen, wenn wir BRD und EU nicht zu positiv darstellen, berechtigte Kritik daran unterstützen, auch staatlichen Rassismus bekämp-fen und die Protestierenden da-von abbringen, nützliche Idioten der Herrschenden zu sein.Uwe Schnabel, Coswig

Zu „Wir und die Flüchtlinge“ von Dr. Andreas Willnow, Links 11/2015, S. 4

Bei mir ist Andreas der „Herr Konjunktiv“, denn sowohl seine Reden als auch seine Texte ent-halten die Worte „sollte, könnte, müsste“ in großer Zahl, aber nicht „ich werde“. So ist seinem Beitrag „Wir und die Flücht-linge“ keine Handlungsempfeh-lung zu entnehmen, schon gar nicht sein eigener Anteil an der Lösung der Probleme. Vielmehr redet er denen das Wort, die nach Obergrenzen rufen und Integration verlangen. Nun soll er doch mal zeigen, wie ernst es ihm ist, den Flüchtlingen zu helfen und wie er das konkret macht. Ich selbst betreue eine Familie aus Indien (zwei Erwach-sene, drei Kinder), die in Sch-keuditz wohnt. Das heißt, dass ich die Eltern bei Behördengän-

gen begleite, den Kindern bei den Schulaufgaben helfe, allen fünf beim Erlernen der deut-schen Sprache behilflich bin und mit ihnen verschiedenes unternehme. Das heißt auch, Lampen und Gardinenstangen anzubringen und der Mutter zu zeigen, wie man eine Waschma-schine bedient. Darüber hinaus bemühe ich mich, in Schkeuditz Netzwerke zu knüpfen, damit alle dort lebenden Migranten die nötige Hilfe erhalten. Ei-nen Genossen habe ich schon gewonnen, der ebenfalls eine Familie aus Indien betreut. Un-nötig zu sagen, dass das alles ehrenamtlich geschieht und viel Zeit in Anspruch nimmt. Wie sieht der Beitrag von Andreas aus? Horst Pawlitzky, Leipzig

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12/2015 Sachsens Linke! Seite 3

Hier spricht die Belegschaft

Begegnungen in der UkraineVom 5. bis 15. November be-reiste eine kleine Delegation, bestehend aus zwei Mitgliedern des Teams um die Landtagsab-geordnete Anja Klotzbücher (Björn Reichel, Jakob Lenk) und Boris Krumnow als Vertreter der Rosa Luxemburg Stiftung, die Ukraine. Ziel war es, mit verschiedenen linken Organi-sationen in der Ukraine in den Austausch zu treten und Mög-lichkeiten einer weiteren Vernet-zung auszuloten. Wir wollten wissen, wie die Si-tuation für linke Aktivistinnen und Aktivisten im zweitgrößten Land Europas ist, was ihre Posi-tionen sind, wofür und wogegen sie aktiv sind. Der bereits beste-hende Kontakt zu der Parteieni-nitiative „Sozialnij Ruch“ bildete dabei die Basis. Dieser Initiati-ve galt unser ganz besonderes Interesse, denn ihr vorläufiges Parteiprogramm mit erklärten Zielen wie der Entflechtung von Wirtschaftsvertreter*innen und Politik, Entmachtung von Oligar-chen oder der radikalen Stärkung von Arbeitnehmer*innenrechten liest sich zukunftsgewandt und modern. Auch die Gleichstel-lung aller Menschen unabhängig ihres Geschlechts, ihrer sexuel-len Orientierung oder Herkunft

ist ein wichtiger Punkt in dem Programm. Schon allein damit hebt sich die Initiative von allen bestehenden Parteien der Ukra-ine ab.Bereits das Treffen mit einem Vertreter der Initiative am Abend des ersten Tages verlief angeregt und freundschaftlich. Der 6. November markierte dann den wirklichen Beginn unserer Zeit in der Ukraine. Die hielt eine Menge interessanter Treffen, Gespräche und Ereig-nisse bereit. In den folgenden acht Tagen konnten wir einen breiten Einblick in das Spektrum linker und emanzipatorischer Bewegungen innerhalb der Uk-raine gewinnen. Wir durften an der nationalen Konferenz fast aller LGBT-Organisationen der Ukraine teilnehmen, trafen Vertreter*innen freier Gewerk-schaften in Dnepropetrovsk und Krivoj Rig oder Aktivist*innen linker Kultur in Zhitomir.Alle Treffen und Eindrücke im Einzelnen wiederzugeben, ist angesichts ihrer Dichte schlicht unmöglich. Allen gemein war jedoch stets ein äußerst inte-ressierter und häufig herzlicher Austausch. Wir trafen überall auf Menschen, die trotz schwie-riger Verhältnisse ein beeindru-

ckendes Maß an Engagement beweisen. Unabhängig davon, mit wem wir uns trafen, wurde in jedem Gespräch deutlich, dass spätestens seit der Mai-dan-Revolution ein rechter Kon-sens innerhalb der ukrainischen Bevölkerung herrscht. Linke, emanzipatorische Ideen sind momentan alles andere als be-liebt. Besonders Aktivist*innen aus der Queer-Bewegung sind davon stark betroffen und han-deln in eher kleinen, teilweise versteckten Kreisen. Sowohl auf der LGBT-Konferenz als auch in den beiden Queerhomes, die wir besuchten, wurde uns von gewalttätigen Übergriffen auf Aktivist*innen berichtet. Die Vorurteile gegenüber allen von der heteronormativen Sexualität abweichenden Orientierungen oder Neigungen in der Ukraine sind gravierend. Insofern könnte die tatsächliche Parteigründung von Sozialnij Ruch einen ent-scheidenden Beitrag zum Abbau der Stigmatisierung von LGBT-Menschen leisten, wäre es doch die erste Partei, die Menschen mit queeren Identitäten Platz bieten würde.Besonders interessant für uns waren auch die Treffen mit den Vertreter*innen freier Ge-

werkschaften in Krivoj Rig und Dnepropetrovsk, die von mo-natelangen Kämpfen darum zu berichten wussten, dass über-haupt Lohn gezahlt wird oder seit Jahren gültige Gesetze zum Arbeitsschutz in Bergwerken umgesetzt werden. Beeindruckt hat uns unter anderem ihr Mut, inmitten der fortgeschrittenen Maidan-Proteste mit offenkun-dig linken Forderungen aufzu-treten. Auch hier wurde einmal mehr deutlich, wie dringend not-wendig eine soziale, linke Partei in der Ukraine ist.Bisher sind alle Versprechen aus den etablierten Parteien, die Lebensbedingungen Ar-beitender zu verbessern oder

die Macht von Oligarchen ein-zudämmen, nur Versprechen geblieben. Keine/r unserer Gesprächspartner*innen äu-ßerte großes Vertrauen oder Sympathie für sie.Zurückgekommen sind wir mit vielen positiven Eindrücken und aussichtsreichen Kontakten. Wir bedanken uns bei allen Men-schen, die uns eingeladen und empfangen oder uns auf un-serer Reise begleitet haben und wünschen ihnen viel Durchhal-tevermögen und Erfolg in ihren Kämpfen. Es gibt sie, die linken Strukturen in der Ukraine, wün-schen wir ihnen eine gute Ge-nese und uns einen Ausbau der Zusammenarbeit. Jakob Lenk

Amazon und die Methoden des Union BustingDer Weltmarktführer im Onli-nehandel Amazon ist bekannt für sein aggressives Verhalten gegenüber Gewerkschaften in Allgemeinen und aktiven Ge-werkschafterInnen im Betrieb. Dieses Phänomen wird als Union-Busting (engl. Gewerk-schaftszerschlagung) bezeich-net. Hierfür hat der Konzern eigene Strategien, für die er große Mühen und viel Geld auf-wendet. Dabei unterscheidet er nach innen und nach außen gerichtete Maßnahmen. Erste-re zielen auf Amazon-Mitarbei-terInnen ab, die nach außen gerichteten Maßnahmen be-treffen hingegen Medien und Werbung. Dabei gibt es durch-aus Schnittmengen. Letztere ist immer dann zu beobachten, wenn gestreikt wird. Hierbei muss wiederum zwi-schen Streiks innerhalb und außerhalb des 4. Quartals un-terschieden werden. Je nach-dem ändern sich Sprache und Verhalten Amazons. Bei Arbeitsniederlegungen wäh-rend der ersten drei Quartale versuchte Amazon, diese den Medien gegenüber komplett zu ignorieren. Ähnliches gilt für die interne Kommunikation. Innerhalb des Streikzeitraumes wird versucht, auf das The-ma nicht einzugehen. Hierbei hat Amazon gelernt. Bei den ersten Streiks wurde bei Ab-

teilungsmeetings behauptet, dass technische Störungen und Ähnliches eine rechtzei-tige Auslieferung aller Pakete verhindert hätten.Das Thema Gewerkschaft und Streik zu ignorieren, ist während des Weihnachtsge-schäftes natürlich nicht mög-lich, da Journalisten schon mit Aktionen seitens der Ge-werkschaft rechnen. Hier wird dann versucht, den Medien ein positives Bild von sich selbst zu vermitteln, und auch das Versprechen, alle KundInnen rechtzeitig zu beliefern wird Mantra-artig wiederholt. Es wird darauf hingewiesen, dass man genügend Saisonkräf-te eingestellt habe, um mit

einem hohen Bestellvolumen umgehen zu können. Diese Aussage trifft aber nur bedingt zu. Sicher, die vielen Saison-kräfte verrichten gute Arbeit und können das sogenannte Standardvolumen rechtzeitig verschicken. Standardvolu-men meint die Bestellungen von KundInnen, die keinen Premium- bzw. Prime-Account besitzen. Hierfür gibt Amazon auf seiner Internetseite auch eine größere Lieferspanne an. Das kritische Bestellvolumen ist aber das der Prime-Kunden. Dieses wiederum wird vor-nehmlich von festangestellten MitarbeiterInnen bearbeitet, eben jenen MitarbeiterInnen, die sich an den Streiks beteili-

gen. Prime-Bestellungen kön-nen bis zu anderthalb Stunden, bevor der LKW das Betriebs-gelände verlässt, aufgegeben werden. Ein knapper Zeitraum also, bei dem jeder Handgriff sitzen muss. Daher werden auch hauptsächlich Festange-stellte mit der Bearbeitung die-ser Artikel betraut.Sind allerdings Streiks ange-setzt, so konnte schon be-obachtet werden, dass die Verfügbarkeit eines Artikels plötzlich eingeschränkt war und das Lieferversprechen auf der Seite von vornherein verlängert wurde, nur um später zu be-haupten, man habe sich an das eigene Versprechen gehalten. Die interne Kommunikation hat

sich aber auch für das Weih-nachtsgeschäft geändert. Wäh-rend in den vergangenen Jah-ren immer betont wurde, dass man sich von den Störungen außerhalb der Hallen nicht be-einflussen lasse, versucht man jetzt, die streikenden Mitarbei-terInnen dazu zu bewegen, sich nicht an weiteren Aktionen zu beteiligen. Daher wird an vielen Standorten eine „Anwesen-heitsprämie“ von maximal 200 € in den beiden Wochen vor Weihnachten ausgelobt. Die-se bekommt aber nur, wer in diesem Zeitraum weder krank ist noch Urlaub hat. Letzteres ist ohnehin nicht möglich, da eine Urlaubssperre für den Monat Dezember verhängt wurde. Daher ist diese Prä-mie als Streikbrecher-Zahlung zu werten. Denn wäre es das nicht, könnte man diese Sum-me auch gleich mit dem Lohn überweisen. Diese Zahlung beweist einerseits, dass die Streiks Wirkung zeigen, anson-sten müsste das Unternehmen nicht zu solchen Mitteln grei-fen. Andererseits zeigt die an-gekündigte Prämie auch, dass die Streikenden wichtig für das operative Geschäft sind. Scha-de ist dabei nur, dass man sie nicht als gleichberechtigte Ver-handlungspartner ansieht.Christian Rother • @CrissyLi-bertas • on.fb.me/1PQfCl7Bi

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Jahrestreffen der LAG Frieden und Internationale Politik19. Dezember 2015, Restaurant „Aufgehende Sonne“, Ossietzkystraße 1, 04347 Leipzig (erreichbar mit Straßen-bahn-Linie 1, Haltestelle Gorkistraße/Ossietzkystraße)

12:00 Uhr Auftaktreferat Tobias Pflüger, stellvertretender Parteivorsitzender: „Die Linke und die friedenspolitischen Herausforderungen 2016“ mit Debatte

18:00 Uhr Filmvorführung „Ich war Neunzehn“ (DEFA 1968), anschließend Diskussion „Deutschland, Russland und der Frieden, 1945-2015“ mit Wolfgang Gehrcke, Leiter des Arbeitskreises Internationale Politik der Bundestagsfraktion, und Irina Liebmann (Schriftstellerin, Berlin/Moskau)

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Sachsens Linke! 12/2015 Seite 4

Kevin Reißig sprach für „Sach-sensLinke!“ mit der Geografin und Dresdner Stadträtin Dr. Kris Kaufmann, die nun Bei-geordnete für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Wohnen der Landeshauptstadt Dresden ist.

Welche Gefühle beherrschen Dich gerade, wo doch Dein neuer Lebensabschnitt star-tet? Worauf freust Du Dich, was wirst Du möglicherwei-se vermissen? Ich bin euphorisch und voller Tatendrang. Die unglaubliche Bandbreite der Aufgaben und Herausforderungen ist über-wältigend. Dabei reizt mich am meisten, dass ich nun direkt ge-stalten, sprich Probleme unmit-telbar anpacken kann. Manch-mal vermisse ich die Zeit, in der ich nur einfache Akteurin war und beispielweise in Sit-zungen problemlos eine SMS absenden konnte. Die Zeiten sind vorbei. Was nimmst Du Dir vor, um im Rahmen Deiner Zustän-digkeit gegen das aktuelle Chaos bei der Unterbringung und Betreuung geflüchteter Menschen ankämpfen zu können?

Alle meine KollegInnen sind Lernende. Wir geben unser Bestes, in einem ersten Schritt Menschen ein Dach über den Kopf zu geben. Strukturen der

Zusammenarbeit innerhalb der Verwaltung, aber auch in und mit der Zivilgesellschaft funktionieren glücklicherweise immer besser. Das Denken in Prozessen, in Lösungsoptionen und wechselseitiges Vertrauen sind hier ganz wichtig. Gleich-zeitig bin ich aber auch dabei, das Thema sozial-gesellschaft-liche und berufliche Integration anzudenken, und dem Thema „Sozialer Wohnungsbau“ ein neues Gesicht zu geben. Nicht zuletzt durch „Pegida“ hat der Ruf Dresdens nach-haltigen Schaden erlitten. Welchen Handlungsauftrag leitest Du für Dich aus dieser Tatsache ab?

Wie geht man mit Menschen um, die in einer Art Röhrenlogik denken und außer mit wilden Parolen und Schimpftirade auch nach einem Jahr nicht genau sagen können, was ihr legaler Lösungsansatz ist – mal abgesehen von „Wir sind das Volk“, „Die anderen sind schuld“ und „Ausländer raus“? Mein Handlungsansatz ist ziemlich schlicht: Handeln, und damit auch indirekt den Ge-genbeweis zu vielen Behauptungen erbrin-gen. Natürlich ist eine soziale Integration von heute noch Fremden machbar – es gibt tau-

send gute Beispiele. Natürlich kann sozialer Ungleichheit be-gegnet werden. Natürlich habe ich vor, sozialen Miet-wohnraum zu schaf-fen. Und natür-lich gibt es nicht über-all eitel S o n n e n -s c h e i n . Mein Ziel ist damit auch der ko l lekt i ve B e w e i s , dass Dres-den viel so-zialer ist und sein kann als sein aktueller Ruf.

Was willst Du am Ende Dei-ner Amtszeit auf jeden Fall erreicht haben? Und wie willst Du diese Ziele verfol-

gen?

Ich will an einer Stadt Dresden mitwirken, die nicht zu allererst stolz ist auf ihre Vergangenheit und die wie-derr ichteten Gebäude des Absolutismus,

sondern auf ihre Stärke, die durch

Vielfalt, Kreativi-tät und Offenheit

geprägt ist. Das h i e ß t

Strukturen und Netzwerke der Unterstützung und Selbsthilfe stärken, präventive und integra-tive Angebote zum nachhaltigen Gegensteuern von Fehlentwick-lungen erarbeiten. In sieben Jahren haben wir zwei starke kommunale Krankenhäuser und den öffentlichen Gesund-heitssektor gestärkt, verfügen wieder über sozialen Woh-nungsbau, über viele fröhliche und gut betreute Babys, Kinder und Jugendliche samt ihren Eltern und Großeltern. Haben generationen- und kulturenü-bergreifende Begegnungsmög-lichkeiten in allen Quartieren und denken anders über das Altern und sogenannte Behin-derungen nach als heute. Auch wenn ich diese Ziele zwar allein definieren kann, werde ich sie definitiv nicht allein erreichen. Selbst der kleinste Erfolg ist

teilbar. Selbst das größte Pro-blem ist lösbar. Was erwartest Du in Be-zug auf die Zusammen-arbeit mit dem Stadtrat und dem Oberbürger-meister?

Mit dem Stadtrat erwarte ich mir eine konstruktiv-kritische und lösungsori-entierte Zusammenarbeit, vom Oberbürgermeister eine überparteiliche Amtsführung, die sich durch Transparenz und Weitsicht auszeichnet.

Auf zu neuen Ufern (II) – Dr. Kristin Kaufmann

Der alte Neue, sächsische Eierschecke und ein linkes Wahlprogramm„Rückkehrergedanken“ von MdL Heiko Kosel

Rückkehrer sind in Sachsen gegenwärtig ziemlich ange-sagt. Jeder will sie haben und wirbt um sie: Die IHK, die Ge-werkschaften, die Landkreise und auch die Staatsregierung – letztere sogar mit Eiersche-cke für sächsische Westpend-ler. Dabei geht es aber nicht nur um das Füllen demografi-scher Lücken, sondern vor al-lem um den Nutzen aus den Kompetenzen, die sich Rück-kehrer jenseits des „sächsi-schen Tellerrands“ zusätzlich zugelegt haben.Mit der Annahme des freige-wordenen Landtagsmandats am 13. November bin auch ich in gewissem Sinne ein „Rück-kehrer“. Sind politische Rück-kehrer ebenfalls gewollt und umworben? Gibt es Eiersche-cke? Oder gilt im politischen Raum gar das Prinzip: „Nach-zügler – hinten anstellen und

nehmen, was übrig ist?“ Und wenn ja, ist das auch bei den LINKEN so?So interessant diese Fragen auch seien mögen; produktiv sind sie eher nicht. Produktiv ist allerdings die Frage: Was können Fraktion, Partei und vor allem Wählerinnen und Wähler von mir als alt-neu-em Landtagsabgeordneten mit Recht erwarten? Die ers-te Antwort fällt zunächst kurz aus – den maximalen und ef-fektivsten Einsatz für die Ver-wirklichung unseres Landes-wahlprogramms von 2014. Konkret heißt das für mich, dass ich auf den Politikfeldern arbeite, bei denen ich mit mei-nen Kenntnissen, Erfahrun-gen und Fähigkeiten am nach-haltigsten innerhalb unserer Fraktion für die Umsetzung des Wahlprogramms wirken kann. Da fallen zwei Themen besonders ins Auge: Die Eu-ropapolitik und die Minderhei-tenpolitik.

Die zentrale minderheitenpo-litische Herausforderung be-zieht sich in Sachsen auf die „Ureinwohner“ dieses Lan-des – die Sorben. Hier kann ich als sorbischer Abgeordne-ter in und für unsere Fraktion das Prinzip der authentischen Selbstvertretung und der Mit- und Selbstbestimmung für das sorbische Volk – beides Grundprinzipien, zu denen wir uns nicht nur im Wahlpro-gramm 2014, sondern auch in unserer Landes- und Bun-dessatzung und im Erfurter Programm bekannt haben – glaubhaft vertreten. Aktuelle Aufgabenstellungen aus unse-rem Wahlprogramm sind u.a. der Schutz vor sorbenfeind-lichen Straftaten, der Teue-rungsausgleich für die „Stif-tung für das sorbische Volk“ und Verbesserungsbedarf im sorbischen Schulwesen, z. B. bei der Schülerbeförderung. Außerdem enthält unser Wahl-programm das Versprechen,

uns im Landtag für eine Novel-lierung des Sorbengesetzes einzusetzen. Hierzu habe ich im Frühjahr 2014 bereits frak-tionsübergreifende Vorarbeit geleistet, an die angeknüpft werden kann.Die Europapolitik hat in un-serm Wahlprogramm 2014 ein erhebliches Gewicht. Die Kernaussagen lauten: „Sach-sen in Europa – ein weltof-fenes Sachsen“, „Europäi-sche Fördermittel sinnvoll, nachhaltig und unbürokra-tisch nutzen“, „Für lebendi-ge Grenzregionen mit Polen und Tschechien“, und „Ver-stärkung der Kooperation der Linken in Europa“. Zur Umset-zung sind interkulturelle Kom-petenz und die Kenntnis der verschiedenen europapoliti-schen Ebenen und Perspekti-ven nötig. Neben Kenntnissen aus fünfzehn Jahren Europa-politik im Sächsischen Land-tag – unter Einschluss der Kooperation mit polnischen

und tschechischen Partner-fraktionen – kann ich die ak-tuellen Erfahrungen als eh-renamtlicher Berater des Landeshauptmanns der Re-gion Ústí, aus fast einjähri-ger europapolitischer „Regie-rungserfahrung“ als Referent der Brandenburger Linksfrak-tion für Europapolitik, EU-Förderung und Entwicklungs-politik und als Mitglied der Delegiertenversammlung so-wie des Lenkungsausschus-ses für Kleinprojekte der grenzüberschreitenden Zu-sammenarbeit der Euroregion Neiße in eine linke Europapo-litik einbringen, die die Staat-regierung auf neue Weise he-rausfordern könnte. Auch die Alltagsperspektive aus mei-ner grenzüberschreitenden Anwaltskanzlei im Dreilände-reck halte ich hierzu für hilf-reich. Damit möchte ich meine „Rückkehrergedanken“ – zu-nächst – beenden.

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12/2015 Sachsens Linke! Seite 5

Seniorinnen & Senioren: a. D. = außer Dienst? Alt und doof?

Decken und Brennholz für Roma im Kosovo

Im Frühjahr 2013 trafen sich in Borna etwa 20 Genossen mit der Absicht, die Arbeitsgrup-pe „Senioren Westsachsen“ zu gründen. Anlass waren die an-stehenden Wahlkämpfe der Jah-re 2013 und 2014. Wir nahmen uns vor, dafür und besonders für die Wahl des Landtages Materi-al für Themen zu erarbeiten, die im Leben unseres Landkreises, besonders für Seniorinnen und Senioren, eine herausragende Bedeutung haben. Wir wollten dazu auch im gesamten Land-kreis Veranstaltungen organi-sieren. Wir einigten uns auf die Bereiche Demografischer Wan-del – Lebenssituation, Einkom-men, Gesundheit (Ärzte, Kran-kenhäuser, Apotheke), Pflege (Behinderung, Pflegestufe, Art der Pflege), Mobilität und Teilha-be (eigenes Fahrzeug, Nutzung des ÖPNV, Mitfahrgelegenhei-ten, Beförderungsmöglichkeiten durch Gemeinde), Infrastruktur (Behördengänge, Einkaufsmög-lichkeiten, Geld, Vereine), Be-teiligung am Gemeindeleben/Kultur (Vereine, sportliche/kul-turelle Veranstaltungen, Kom-munalvertretung).Um die tatsächlichen Proble-

me zu erfassen, organisierten wir gemeinsam mit den Ortsver-bänden zunächst eine Fragebo-genaktion. Etwa 200 Menschen nahmen daran teil. Leider ge-lang es uns kaum, in die kleinen Strukturen vorzudringen. Die meisten Teilnehmer kamen aus den Städten wie Borna, Grimma, Wurzen, Markleeberg, Markran-städt. Die kleinen Ortsteile und Gemeinden wurden fast nicht erfasst. Dies hing auch mit der Mitgliederstruktur unsere Par-tei zusammen, die kaum noch in diesen Gliederungen vertreten ist. Trotzdem kamen wir zu sehr interessanten Erkenntnissen und beschlossen nun, Veranstal-tungen zu den aufgeworfenen Fragen zu organisieren. Unser Ziel war es, aus den Vorträgen und Diskussionen konkrete Pro-blemfelder aufzugreifen, um die Arbeit der Kreistagsfraktion und unserer kommunalen Abgeord-neten zu unterstützen. Bei der Organisation und vor al-lem bei der Durchführung halfen uns viele GenossInnen aus dem Kreis und dem Landtag.Folgende Veranstaltungen ha-ben wir durchgeführt: Die Auf-taktveranstaltung fand am

17.06.2013 in Borna zum The-ma „Leben von Seniorinnen und Senioren im ländlichen Raum“ statt. Dr. Dietmar Pellmann hielt das Referat. Er stellte die Gro-ße Anfrage der Landtagsfrak-tion und die Antwort der Lan-desregierung zu diesem Thema vor. Im Juli führten wir die glei-che Veranstaltung nochmals in Wurzen durch, um auch den Ge-nossInnen und SympathisantIn-nen des nördlichen Teils unse-res Landkreises die Möglichkeit zu geben, die Thematik kennen-zulernen.Die zweite Veranstaltung führ-ten wir am August 2013 zum Thema „Arbeit – Einkommen – Rente“ in Wurzen durch. Hier sprach unser Bundestagsabge-ordneter Dr. Axel Troost.Die dritte Veranstaltung fand im Oktober 2013 in Grimma zum Thema „Gesundheit – Medizi-nische Vorsorge – Pflege“ un-ter Mitwirkung der Landtagsab-geordneten Kerstin Lauterbach und Dr. Dietmar Pellmann statt.Im Januar 2014 trafen wir uns mit Mitgliedern und Sympathi-santen in Neukieritzsch zum Thema „Seniorengerechtes Wohnen“. Enrico Stange sowie

der Geschäftsführer und die Ma-nagerin der Bornaer Wohnungs- und Siedlungsgenossenschaft gaben eine solide Grundlage für die Diskussion.Ende Januar holten wir die ver-legte Veranstaltung zum The-ma „Infrastruktur und Mobilität“ in Geithain nach. Die Mitglie-der des Landtages Enrico Stan-ge und Horst Wehner referier-ten und der Geschäftsführer des Mitteldeutschen Verkehrs-verbundes und gaben einen fun-dierten Überblick zum Stand und der geplanten Entwicklung des ÖPNV in unserer Region.Im Februar 2014 diskutierten wir in Naunhof gemeinsam mit Prof. Peter Porsch, Dr. Volker Külow und der Böhlener Bürger-meisterin Maria Gangloff (DIE LINKE) zum Thema „Kultur ist Pflichtaufgabe im Land Sach-sen – auch für Seniorinnen und Senioren?“. Die nächste Veran-staltung fand im März 2014 im Mehrgenerationshaus in Mar-kranstädt zum Thema „Wie kom-men Seniorinnen und Senioren an ihr Geld und wie können sie es ausgeben?“ statt. Die ange-kündigten Referenten der Land-tagsfraktion Enrico Stange und

Klaus Tischendorf sowie Katha-rina Landgraf CDU/MdB waren dienstlich verhindert, so dass wir mit Prof. Peter Porsch und dem Geschäftsführer der Volks-bank im Landkreis eine rege Dis-kussion führten. Die Abschluss-konferenz, in der wir versuchten, die Erkenntnisse unserer Veran-staltungen zusammenzufassen, fand am 23.04.2014 in Borna statt. Heidemarie Lüth und Dr. Dietmar Pellmann stellten un-sere Erkenntnisse vor. Anschlie-ßend kam es zu einer regen Dis-kussion.Zu den einzelnen Themen hat unsere Arbeitsgruppe Zusam-menfassungen nach folgendem Schema erarbeitet: Schlussfol-gerungen für die Arbeit im Bund, im Land, im Kreis, in der Kom-mune. Wir sehen unsere Auf-gabe vor allem darin, die Arbeit unserer Abgeordneten auf kom-munaler Ebene zu unterstützen. Dafür treffen wir uns zweimal jährlich mit der Kreistagsfrakti-on und beraten z. B. gemeinsam, welche konkreten Anfragen an den Landrat und die Kreisver-waltung gestellt werden.Karin Brummer, AG Senioren Westsachsen

Aus Antifa wird AntifraLAG Antifaschistische Politik be-nennt sich um

Eigentlich war es schon lan-ge überfällig. Doch manchmal brauchen Dinge eben ihre Zeit. Bereits die Ereignisse um das Terrornetzwerk NSU hatten deutlich gemacht, dass die zu Beginn der neunziger Jahre ein-

setzende Aufspaltung einer bis-her einheitlichen Bewegung in „Antifaschismus“ einerseits und „Antirassismus“ andererseits dazu geführt hatte, dass Zusam-menhänge aus dem Blick gerie-ten. Die einen unterstützten die angegriffenen und Terror ausge-setzten Flüchtlinge, die anderen betrieben weiterhin ihre Recher-

chearbeit in der extre-men Rech-ten und ver-suchten, die D o m i n a n z der Neona-zis auf der Straße und das Entste-hen „natio-nal befreiter Zonen“ zu verhindern. Die eine Sei-te verlor ihre Fachkennt-nis über die Netzwerke am rechten Rand, die andere weit-gehend ih-ren Kontakt zu migranti-schen Grup-pen.In Zeiten von PEGIDA und Co., ei-ner explo-s i o n s a r t i -

gen Zunahme von Angriffen auf Geflüchtete, deren Unterkünf-te und Unterstützer, der neuer-lichen Aktivität vieler Nazis von damals gibt es also Grund ge-nug, den Fehler zu revidieren. Eigentlich, so die einhellige Mei-nung beim Jahrestreffen der bis-herigen LAG Antifaschistische Politik, wäre es auch notwen-dig, eine enge Verbindung zum Arbeitsbereich „Bürgerrechte und Demokratie“ herzustellen. Denn: wohl nirgends in Deutsch-land werden die Rassisten bei ihren öffentlichen Auftritten von der Polizei so zuvorkom-mend behandelt wie in Sachsen. Gleichzeitig schreitet der Grund-rechteabbau durch den Staat voran.Zunächst ist es nicht mehr als ein Zeichen, wenn die Landesar-beitsgemeinschaft der LINKEN-Sachsen sich künftig „Antifa-schistische und antirassistische Politik“ nennt. Ein überfälliges Zeichen. Eines, das auch in der konkreten Arbeit der LAG seinen Niederschlag finden soll.Mitstreiter*innen sind natürlich willkommen. Wer mitmachen will, kann sogar gewinnen – na-türlich etwas zum Thema. Inter-essierten stehen insgesamt fünf Karten für Max Frischs Stück „Graf Oederland“ zur Verfügung, das unter der Regie von Vol-ker Lösch im Staatsschauspiel Dresden gegen PEGIDA aufge-führt wird. Anfragen an: [email protected]

Jedes Jahr werden weit über 500 Roma aus Deutschland in den Kosovo abgeschoben. Dort war-ten auf diese Menschen häufig Obdachlosigkeit, Diskriminie-rung auf allen Ebenen und ein kaum vorstellbares Massene-lend. Die meisten leben durch-schnittlich mit 0,60 € pro Tag. Es gibt keine Krankenversiche-rung, die Lebenshaltungskosten sind mit denen in Deutschland vergleichbar. Der größte Roma-Slum im Kosovo befindet sich in Fushe Kosove nahe der Haupt-stadt Prishtina. Viele Bewoh-ner haben kein Dach über dem Kopf, andere wiederum in ihren Häusern keinen Wasser- und Stromzugang sowie keine Mög-lichkeit zum Heizen. Die Win-ter im Kosovo sind jedoch sehr kalt, weshalb die abgeschobe-nen Roma und ihre Familien vor Ort auf Decken und Brenn-holz angewiesen sind. Der Ver-ein „Verantwortung für Flücht-linge e.V.“ und Genoss*Innen von DIE LINKE engagieren sich bereits seit vielen Jahren in Fu-she Kosove, um den Menschen vor Ort konkret zu helfen (z.B. Ergin Alija: www.youtube.com/watch?v=UQ2Qyj8LBxc). Im Rahmen einer Balkantour über Weihnachten, bei der unser Ver-ein einige Projekte auf dem ge-samten Westbalkan besucht und weiter vorantreibt, möch-ten wir in Fushe Kosove Brenn-

holz für den Winter ausgeben. Deshalb kann man für 95,00 € eine Patenschaft für eine Rom-afamilie übernehmen. Das reicht einer Familie in Fushe Ko-sove aus, um Brennholz für den kalten Winter zu kommen. Wer eine solche Patenschaft über-nehmen möchte, kann den Be-trag bis zum 15. Dezember auf das folgende Konto überwei-sen: Verantwortung für Flücht-linge e.V., Sparkasse Leipzig. Kontonummer: 1090088457; BLZ: 86055592; IBAN: DE26860555921090088457, Verwendungszweck: BrennholzDas Brennholz werden wir im Kosovo kaufen und in Fushe Ko-sove den Familien überreichen. Ebenso verteilen wir Decken und Winterkleidung für die Ro-ma. Wenn Ihr es wünscht, könnt Ihr den Kontakt zu Eurer Paten-schaftsfamilie bekommen, um diese eventuell auch weiter un-terstützen zu können. Vielen Dank!Verein „Verantwortung für Flüchtlinge“

EinladungAm 8. Januar 2016 lädt Horst Wehner, MdL, um 15 Uhr zur Eröffnung seines neuen Bürgerbüros nach Kirchberg, Bahnhofstraße 5, ein.

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Sachsens Linke! 12/2015 Seite 6

Ende Oktober fand das Landes-jugendplenum (LJP) der Links-jugend in Oschatz statt. Neben Debatten über innerverbandli-che Streitthemen standen un-ter anderem eine Nachwahl sowie zahlreiche Gremienneu-besetzungen an, wie beispiels-weise des Beauftragtenrates (oberstes Koordinationsgremi-um). Das Wochenende endete in einer phänomenalen Wahl-kampfdankeschönparty der jungen Mitglieder des Landta-ges Anja und Marco.Noch am Freitag, nach Konsti-tuierung und Wahl der Kommis-sionen, bestand die Möglichkeit für die Ortsgruppen, sich und die eigene Arbeit vorzustellen. Auffallend und von Jahr zu Jahr verstärkt ist ein Wegfall von Teilnehmer*innen ländlicher Ortsgruppen zu vermerken. Immer mehr Linksjugendliche ziehen aufgrund der unange-nehmen und oft rassistisch ge-prägten Landbevölkerung, wie auch besserer Verkehrsanbin-dung und Altersgruppen-be-zogenen Angeboten in Groß-städte, wo sie viel mehr auf Gleichgesinnte stoßen. Wie ver-netzen wir uns also zukünftig mit dem ländlichen Raum?Noch am gleichen Abend wurde die neue Landeskassenprüfung mit Marlen und Rico besetzt, sowie die Landesschiedskom-mission mit Cori, Nele, Max und Tilman. Herzlichen Glück-wunsch, und möge der Jugend-verband nicht allzu sehr auf den Putz hauen, sowie euch Arbeit verursachen.Am Abend stand noch eine Überraschung auf dem Plan: Es

wurde „1, 2, oder 3“ gespielt. Peinlich, aber wahr: Offen-sichtlich wussten nur wenige Teilnehmer*innen tatsächlich auf die Frage, wofür der Name [́ solid] steht, zu antworten (zur Auflösung: sozialistisch, links, demokratisch), präferiert wur-de die Antwort: solidarisch, links, demokratisch.Am darauffolgenden Tag stand die Wahl zur Schatzmeister*in an. Hierbei wurde Marie mit 81,6 % gewählt. Der neue Beauftrag-tenrat (Foto) setzt sich für die kommende Legislatur von zwei Jahren wie folgt zusammen:

Franzi (Dresden), Josi (Pirna), Li-sa (Dresden), Mona (Dresden), Anton (Dresden), Daniel (Naun-hof), Florian (Dresden), Mari-us (Chemnitz), Paul (Plauen) und wie bereits erwähnt Marie (Dresden) als Schatzmeisterin. Des Weiteren erfolgte ein Wahl-gang zur Benennung eines Er-

satzdelegierten zum Länderrat. Gewählt wurde William. Herzli-chen Glückwunsch!Ein weiterer Tagesordnungs-punkt war unsere erste Work-shopphase mit innerverbandli-chen Themen, die schon immer Diskussionspotential mit sich brachten. Beispiele: Aware-ness, Schwangerschaftsab-bruch, wie auch Gendern; mit einem Pro- und Kontra-Input ging es ins Gespräch. Haben einige doch hier hitzige Debat-ten erwartet, so blieb es über-raschend ruhig, wenngleich konträre Meinungen gegeben

waren. Das gute Diskussions-klima bot Raum für weitere Ide-en zur künftigen gemeinsamen Arbeit und zur Entwicklung von Gedanken.In der zweiten Workshopp-hase wurde sich den Themen Schwangerschaftsabbruch, Hochschulpolitik sowie Ein-

führung in das Versammlungs-recht gewidmet. Als Anträge gingen zwei fristgerecht ein. Es wurde eine Handreichung als Leitfaden für kommende BuKo-(Bundeskongress-)Delegierte verabschiedet.Ein weiterer Antrag stellte die Gründung des Regionalverban-des Sächsische Schweiz/Os-terzgebirge dar, er konnte aber aufgrund formaler Fehler nicht abgestimmt werden. Eine Ermu-tigung jener Ortsgruppen, die den Antrag einbrachten: Nehmt das auf dem kommenden LJP im Frühjahr erneut in Angriff.

Am Abend fand die Verabschie-dung unseres langjährigen Ju-gendpolitischen Sprechers (JuPo) Tilman statt. Mit der Übergabe eines hollywoodrei-fen linksjugend-exclusive Film-plakats werden wir Tille künftig in seiner Karriere als Filmstar begrüßen. Und am Abend? Am

Abend brachten wir die Verhält-nisse zum Tanzen! Trotz Feier-tag, so muss das sein!Lisa Becker und Marius Neubert

Jugend

Termine

Prekarität & Alltag

04.12, 19:00 Uhr: Vorge-schichte und Geschichte der LGBTIQ*-Bewegung in Russ-land. Wo? linXXnet, Bornaische Straße 3d, Leipzig. Für weitere Informationen schau unter ht-tp://gleft.de/15H!

05.12., 20:00 Uhr: Benefiz-konzert für Flüchtlinge in Frei-berg und Umgebung. Wo? Tee-Ei, Untermarkt 5, Freiberg. Für weitere Informationen schau unter http://gleft.de/15L!

05.12., 14:00 Uhr: Aktions-tag gegen Antisemitismus ... gute und interessante Vorträ-ge und am Abend wird getanzt! Wo? D5 Wurzen, Domplatz 5, Wurzen. Für weitere Informati-onen schau unter http://gleft.de/15M!

05.12 – 06.12, 11:00 Uhr: Ve-ganer Wintermarkt. Wo? AZ Conni, Rudolf-Leonhard Straße 39, Dresden. Für weitere Infor-mationen schau unter http://gleft.de/15N!

10.12., 18:00 Uhr: Podiums-diskussion „Prekäre Beschäf-tigung – gute Pflege?“ mit Sabine Zimmermann. Wo? Ju-gendherberge „Alte Feuer-wache Plauen“, Neundorfer Straße 3, Plauen. Für weitere Informationen schau unter ht-tp://gleft.de/15O!

12.12., 19:00 Uhr: QUEER? Ei-ne Einführung. Wo? Pöge-Haus, Hedwigstrasse 20, Leipzig. Für weitere Informationen schau unter http://gleft.de/15F!

13.12., 11:00-20:00 Uhr: Bas-telsonntag – Gestalte Deine ei-gene Wonderwoman. Wo? In-terim, Demmeringstraße 32, Leipzig Für weitere Informati-onen schau unter http://gleft.de/15G! Achtung! Diese Ver-anstaltung richtet sich aus-schließlich an Frauen*/ Trans* oder Inter*Personen

19.12, 18:00 Uhr: Von Bier und Hanf zum Klassenkampf. Wo? Roter Baum, Großenhainer Str. 93, Dresden. Für weitere Infor-mationen schau unter http://gleft.de/15J!

20.12., 19:00 Uhr: Wahlpar-ty / Fiesta electoral. Wo? In-terim, Demmeringstraße 32, Leipzig. Für weitere Informati-onen schau unter http://gleft.de/15I!

Mehrtägiger Kongress zu prekä-ren Arbeits- und Lebensverhält-nissen im Leipziger Westen

Kein Begriff scheint dieses Jahr so omnipräsent zu sein wie Prekarität. Egal ob die Rede ist von Sanktionen gegenüber Hartz-IV-Empfänger_innen, von Streiks bei Amazon oder von Stadtentwicklung und Verdrän-gung: In all diesen Bereichen spielt der Begriff eine entschei-dende Rolle. Gleichzeitig meint er noch viel mehr: Er transpor-tiert im Gegensatz zum „Prole-tariat“ vor allem eine subjektiv empfundene Lage der Unsicher-heit und völligen Abwesenheit von Planungssicherheit. Er be-zeichnet damit einen Alltag, die gesamte Lebenserfahrung je-ner, die prekarisiert werden.Vom 12. bis 15. November fan-den Workshops, Seminare, Konzerte und Lesungen statt, die sich dem Thema prekä-rer Lebensverhältnisse nähern

wollten. Die 18 Veranstaltun-gen reichten vom „satirischen Abend mit Konzert“ zu Tho-mas Ebermanns „Firmenhym-nen“ im Institut für Zukunft bis zu Diskussionen zur Rolle der Gewerkschaften und den An-sätzen zur Selbstorganisation Prekarisierter wie im Berliner Bündnis „Zwangsräumungen verhindern“ oder dem Leipziger Streiksoli-Bündnis. Insgesamt diskutierten etwa 50 junge Menschen die Thesen und An-sätze. Zwei vertiefende Work-shops folgten am Wochenen-de vom 27. bis 29. November im INTERIM, in denen die The-men weiter aufgegriffen wur-den. Wie sind Arbeitskämpfe in Zeiten wegfallender Bindung an Arbeitsorte oder -gerätschaften für das Heer der prekären Free-lancer überhaupt noch möglich? Wie kann der ganz alltäglichen Prekarität begegnet werden, die die übergroße Mehrheit Ju-gendlicher und junger Erwach-

sener bereits heute ganz selbst-verständlich betrifft?Vom Kongress bleiben wenig Antworten und Gewissheiten, vielmehr stellen sich Fragen und Aufgaben, auch für die kon-krete Vernetzungsarbeit linker Akteur_innen in Sachsen und Leipzig. Wir als Akteur_innen der linksjugend Sachsen ha-ben – gemeinsam mit den Ge-noss_innen aus außerparla-mentarischen linken Gruppen

– vor allem Hausaufgaben mit-genommen, die jedoch auch un-sere Möglichkeiten als Jugend-verband allein weit übersteigen. Allein deshalb wird der Umgang mit prekären Arbeits- und Le-bensverhältnissen in der links-jugend Sachsen ein wichtiges Thema für das Jahr 2016 blei-ben. Steffen Juhran

Zeitnah finden sich Mitschnitte auf www.prekaritätundalltag.de

Vollversammlung der Linksjugend [´solid] Sachsen

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12/2015 Sachsens Linke! Seite 7

Martina Anderson, MdEP GUE/NGL (Sinn Féin), Abgeordnete für die sechs Grafschaften Nordir-lands, schreibt über ihre Soziali-sation und die Prioritäten der re-publikanischen Linken in Irland

Ich kann nicht beginnen ohne Bezug auf die kürzliche Hundert-jahrfeier der Cumann na mBann (eine 1914 gegründete irisch-re-publikanische Frauenorganisa-tion, d. Red.), deren Ziel es war, die irische Freiheit zu fördern, irische Frauen zu gewinnen und bei der Ausrüstung irischer Män-ner für die Verteidigung Irlands zu helfen. Trotzdem wurde die Cumann na mBan in die „Armee der Republik Irland“ integriert. Eine Reihe von Mitgliedern starb in der Easter Rising Revoluti-on von 1916, einschließlich der Freiwilligen Margaretta Keogh, die außerhalb der South Dublin Union erschossen wurde. Im Anschluss an die Übergabe wurden mehr als 70 Cumann na mBan-Freiwillige festgenom-men und ins Gefängnis Kilmain-ham Gaol gebracht. Mitglieder wie Markievicz, Mary MacSwi-ney, Dr. Ada Englisch und Ka-thleen Clarke wurden dennoch später als TDs (Mitglieder des irischen Parlaments) gewählt. Der Friedensvertrag mit den Bri-ten wurde von den TDs unter-stützt, die Aufteilung Irlands mit einer Mehrheit von nur sieben 7 Stimmen durchgeführt. Die Bri-ten teilten Irland, setzten eine Art Garnison zum Schutz des konservativen Establishments ein. Im Norden wurde ein „Pro-testantisches Parlament für protestantische Menschen“ ge-gründet. Es verfolgte die finan-ziellen, sozialen und politischen Interessen Englands, unterstand der Kontrolle der Polizei und der Besatzungstruppen. Das Stor-mont-Parlament betrieb eine aggressive, sektiererische und diskriminierende Politik, die auf die Erhaltung der unionistischen Herrschaft zielte.Sie hatten Staats- und Privat-armeen zur Verfügung, die Na-tionalisten, Republikaner und linke Teile der Bevölkerung ter-rorisierten. Wir reagierten auf die Unterdrückung dieses Staa-tes, seine Ungerechtigkeit und Ungleichheit. Aber wir kämpf-ten weder einen Religionskrieg oder einen sektiererischen Krieg, noch haben wir für ein ka-tholisches Irland gekämpft. In Derry, der Stadt, in der wir leb-ten und ich aufwuchs, wurden Wahlkreisgrenzen manipuliert („Gerrymandering“), um einen britisch-unionistisch dominier-ten Rat zu erschaffen, in einer überwiegend irisch-republikani-schen Stadt. Dies beraubte die republikanische Gemeinschaft ihres Mitspracherechts bei der Vergabe von Sozialwohnungen, schränkte Stimmrechte ein. Wir

konnten nicht mit dieser Unter-drückung leben und protestier-ten. Als die britische Herrschaft in Frage gestellt wurde, versuch-te sie den Mythos zu verbreiten, dass sie es sei, die die Konflikt-parteien auseinanderhalte. Das Establishment, das für eine Minderheit Macht akkumuliert hatte, hegte kein Interesse an einem Austausch. Aber die Bür-gerrechtler, die Demonstranten wichen nicht mehr. So begann 1969 die Schlacht von Bogside. Unsere Rolle, die der Kinder, war es, den Eimer mit Essig vor der Haustür ge-füllt zu halten und für die Lie-ferung von Tüchern zu sorgen, um die schlimmsten Sympto-me der CS-Gas-Exposition auf-zuhalten. Sowohl die britische Armee als auch der RUC (bri-tische Polizei in Nordirland, d. Red.) verwendeten es. Ich war sieben, als Sammy Devenney von der RUC erschlagen wurde. Er war 43 Jahre alt und Vater von neun Kindern. Seamus Cusack und Dessie Beattie wurden er-schossen, als ich acht Jahre alt war. Es folgten der Blutsonntag 1972. Ich bekam meinen Sinn für Recht und Unrecht von der Straße, in der ich lebte, der Le-cky Road. Auf einer Giebelwand steht in stolzer Schrift: „Sie be-treten jetzt Free Derry“!Mein Vater war Protestant und konvertierte, als er meine Mut-ter heiratete. Er starb, als ich zehn war. Während dieser Zeit wurden dutzende Unschuldige getötet, hunderte in Dublin und Monaghan durch die von der bri-tischen Regierung unterstütz-ten Loyalisten verletzt. Als ich zwölf war, wurde das Long Kesh-Gefangenenlager für Republika-ner niedergebrannt. Wir gingen auf die Straße, hielten Fotos der zerschlagenen Gefangenen hoch. Erst jetzt gibt es in der Öf-fentlichkeit keinen Zweifel mehr an dem, was wir längst wussten. Jüngst wurde ein Brief des ehe-maligen Labour-Abgeordneten Merlyn Rees entdeckt. Darin bestätigt der britische Staats-sekretär für Nordirland, dass der britische Staatssekretär für Verteidigung, Lord Carrington, die Verwendung von „Folter“ für irisch-republikanische Gefan-gene sanktionierte.Mit 16 hatte ich genug Unrecht erlebt, um zu wissen, dass es gutgemacht werden musste. So trat ich, wie Tausende, in den re-publikanischen Kampf ein und wurde während des zweiten Hungerstreiks von 1981 verhaf-tet. Ich befand mich in Armagh im Gefängnis, als ich Jennifer McCann traf, heute Ministerin der nordirischen Regierung. Vor meiner Verhaftung hatte ich da-gegen protestiert, was Gefange-nen in den H-Blöcken von Long Kesh und Armagh passiert war. Aber ich hatte keine Ahnung von

der Realität, vor allem für die Frauen. So wurde ihnen ange-messener Schutz während ihrer Menstruationszyklen verwei-gert. Mit 23 war ich in Schott-land inhaftiert, dann in England, verbrachte 13 Monate in Unter-suchungshaft zusammen mit 600 Männern und nur zwei Frau-en. Mehrmals täglich gab es Lei-besvisitationen. Ella O Dwyer, eine Kameradin, und ich wur-

den zu lebenslanger Haft ver-urteilt und zogen in den H-Flü-gel von Durham. Wir waren oft hungrig, wurden auf Weißkohl-Diät gesetzt. Bis heute kann ich so etwas nicht essen. Wir ertru-gen ein archaisches Kanalisati-onssystem, das im Winter nicht funktionierte. Wer protestierte, wie Ella und ich, wurde wochen-lang eingesperrt. Aber wir spra-chen mit jedem, den wir trafen und sehen konnten, über die Be-dingungen. Das führte immer-hin dazu, dass es Renovierun-gen gab. Für viele Republikaner waren Gefängnisse die Univer-sitäten des Kampfes. Ich ging ohne Qualifikation, mit einem 1. Klasse-Abschluss.Ich war eine der Glücklichen. Freunde und Kameraden gaben ihr Leben für unseren Kampf. Ich kenne die Schrecken des Krieges. Wir haben ihn nicht be-gonnen. Als er kam, haben wir festgestellt, dass wir die Ge-neration sind, die ihn beenden muss. So suchten wir nach einer Lösung – ein Friedensmodell, das als Folie für Friedenserhal-tung und -schaffung wirkt.Konflikte werden nur gelöst durch Verhandlungen und Kom-promissbereitschaft. Das Kar-freitagsabkommen war kein re-publikanisches Dokument. Aber die Tatsache, dass Sinn Féin in

die Verhandlungen einbezogen worden war, war fortschrittlich und ein Schritt in Richtung Ge-rechtigkeit. Demilitarisierung wurde gesichert, indem wir versuchten, Waffen aus der iri-schen Politik zu verdrängen; Dis-kriminierung und Sektierertum wurden abgewehrt, Gleichheit und Menschenrechte wurden zentral für eine neue Ordnung. So gab es einen gemeinsamen

Weg zu einer neuen, demokra-tischen, sozialistischen, verein-ten Republik. Das Karfreitagsabkommen nimmt einundzwanzigmal Be-zug auf Gleichheit, die im Ab-kommen von Sunningdale nicht ein einziges Mal erwähnt wor-den war. Das war ein geschei-tertes Abkommen, von dem die Republikaner ausgeschlos-sen worden waren. Das alles war wichtig für uns Gefangene. Denn wir waren nicht ins Ge-fängnis gegangen, damit unse-re Führung über unsere Frei-lassung in dieselben Zustände verhandelt, die uns gezwungen hatten, zu handeln. Seit meiner Entlassung bin ich aktiv in unse-rem politischen Kampf. Wenn ich ein Motto meines Erwach-senenlebens benennen sollte, dann wäre es: „Wenn es sein soll, hängt es von mir ab“. Ich bitte niemals jemanden, etwas zu tun, auf das ich nicht auch vorbereitet wäre. Deshalb lan-dete ich erst in englischer Haft und nun im Europaparlament. Unser Kampf geht weiter – in den europäischen Institutio-nen, im Dáil Eireann (Irisches Parlament), in dem wir die stärkte Oppositionsstimme sind, auch in Stormont, wo wir Regierungspartei sind, zudem in Ratsversammlungen und auf

den Straßen. Wir wollen eine progressive, linke, republikani-sche Stimme für unsere Wäh-ler sein, eine Stimme für Irland im See neoliberaler Kräfte. In Nord- und Südirland wird 2016 gewählt. Sinn Féin wird als ein-zige Partei sein zu beiden Wah-len antreten. Es ist möglich, dass Sinn Féin auf beiden Sei-ten der Insel Regierungsverant-wortung übernimmt. Im Europaparlament sehen wir uns Herausforderungen gegen-über, aber auch vielen Möglich-keiten. Sinn Féin stellt die größte irische Delegation. Unsere Ab-geordneten sind entschlossen, für die Bevölkerung positive Ver-änderungen zu erreichen. Vor uns liegen unzählige Aufgaben. Eine davon ist die Möglichkeit des britischen Ausstiegs aus der EU – genannt BREXIT. Ich verfol-ge das genau. Die sechs nordi-rischen Grafschaften der Inseln, mein Wahlkreis, stehen noch im-mer unter britischer Herrschaft. Wir haben zwar eine Regionalre-gierung, die aber der britischen Regierung dienstbar ist. Ein BREXIT hätte schädliche Aus-wirkungen auf Irland.Unser Hauptaugenmerk gilt dem Verhältnis Britanniens zum europäischen Rechtssys-tem und zur Europäischen Men-schenrechtskonvention. Irland kommt aus einem Konflikt, in dem die britische Regierung ei-nen Akteur darstellte. Friedens-bildung ist notwendig. Ein Teil davon ist Vergebung. Die ist nur möglich, wenn Konfliktpartei-en einander vertrauen und ein Austausch von Informationen gesichert ist, wie auch Recht-schaffenheit. Britannien ver-nachlässigt bis heute seine Ver-antwortung auf diesem Gebiet, kümmert sich nicht um Opferfa-milien. Das britische Establish-ment nutzt das „Feigenblatt“ nationale Sicherheit, um den Zugang zu wichtigen Informati-onen zu versperren. Die europä-ischen Rechtsinstitutionen bie-ten dem irischen Volk ein Forum für Entschädigungsdebatten. Irlands Platz ist in Europa – ei-nem progressiven, sozialen Eu-ropa, mit Gerechtigkeit und Menschenrechten im Zent-rum, einem Europa, das nati-onale Souveränität anerkennt und auf Zusammenarbeit hin-arbeitet. Wir werden denen widersprechen, die den BRE-XIT betreiben, uns gegen all je-ne wenden, die Europa nach rechts ziehen und von sozia-lem Ausgleich entfernen wollen. Aus dem Englischen von Anja Eichhorn und Kevin Reißig

DIE LINKE im Europäischen Parlament

Das Gefängnis als Universität des Kampfes

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Sachsens Linke! 12/2015 Seite 8DIE LINKE im Bundestag

Theorie-Fundament für linke WirtschaftspolitikDie meisten Mitglieder der LIN-KEN in Sachsen haben, sei es in Auszügen oder als ganze Bände, Texte von Marx und Engels gele-sen oder studiert. Die von Marx begründete historisch-kritische Analyse der kapitalistischen Verhältnisse hat auch heute noch große Aktualität und bie-tet viele Erkenntnisse. Für vie-le Fragen der Ökonomie im 21. Jahrhundert konnte Marx im 19. Jahrhundert natürlich noch kei-ne hinreichenden Antworten lie-fern. Für konkrete wirtschafts-politische Handlungsstrategien müssen die Erkenntnisse von Marx daher um jüngere volks-wirtschaftliche Analysen erwei-tert werden. In vielen Fragen ist die Stoßrichtung für eine linke Wirtschaftspolitik relativ klar: Für soziale Gerechtigkeit und eine starke Daseinsfürsorge ist eine progressive Besteuerung von Einkommen, Gewinnen und Vermögen offensichtlich sinnvoll. Genauso unstrittig ist, dass wir uns mit verschiedenen Maßnahmen für die Verbesse-rung von Arbeitsbedingungen einsetzen wollen (wie aktuell mit der Kampagne „Das muss drin sein“). Die Eindeutigkeit stößt jedoch an Grenzen, ab de-nen man ohne eine klare, the-oretisch fundierte gesamtwirt-schaftliche Wirtschaftstheorie nicht mehr weiterkommt: Die LINKE muss nicht nur ge-gen eine Übermacht von Arbeit-geber- und Wirtschaftsverbän-den anrennen, sondern auch gegen die Mehrheitsmeinung der Ökonomen an deutschen Universitäten und Forschungs-instituten. Ohne ein eigenes wirtschaftstheoretisches Fun-dament, das empirisch abgesi-chert ist, kann DIE LINKE die-se Auseinandersetzung nicht gewinnen. Schließlich entspre-chen die Erkenntnisse des Den-kens in volkswirtschaftlichen Gesamtzusammenhängen lei-der nicht immer den Meinun-gen, die sich aus Intuition und Alltagsverstand ableiten lassen. Eine konsistente und praktisch umsetzbare Wirtschaftspoli-tik erfordert teilweise Maßnah-men, die auch für Menschen links der Mitte (als Nicht-Öko-nomen) nicht unmittelbar nahe-liegend oder intuitiv einsichtig sind. Nur eine klare theoreti-sche Orientierung schützt hier vor Aktionismus und kurzsichti-gen Entscheidungen, die Kräfte rauben und uns auf lange Sicht unglaubwürdig machen.

Der Keynesianismus als bewährtes Fundament ei-ner pragmatischen und an-schlussfähigen linken Wirt-schaftspolitik

Seit Anfang der 1970er Jah-re gibt es in der gesellschaftli-chen Linken eine links-keynesi-

anische Strömung, zu der auch ich mich u.a. mit der „Arbeits-gruppe Alternative Wirtschafts-politik“ zähle – seit 1981 bin ich Geschäftsführer dieser ehren-amtlich arbeitenden Wissen-schaftlerInnengruppe. Dieser Zusammenschluss von Links-Keynesianern und Marxisten war besonders auf die progres-siven Teile der Gewerkschaf-ten orientiert. 2005 wurde ich mit einem klar keynesianischen Profil in den Bundestag und in den Parteivorstand gewählt. Seitdem setze ich mich nach-drücklich für diese grundsätz-lich bewährte und laufend wei-terentwickelte linke Politik ein. Keynes‘ Erkenntnis: Märkte sind instabil und brauchen gezielte Staatseingriffe

Die ältere neoklassische Öko-nomie ging (und geht) von ei-nem einzigen, quasi natürlichen Marktgleichgewicht aus. Die-ses stelle sich automatisch ein durch die rationalen, nutzen-maximierenden Individuen in Zusammenspiel mit der unsicht-baren Hand des Marktes, sofern der Staat sich nicht einmischt. Dagegen betonte Keynes die den Märkten eigene Instabilität. Die ergibt sich aus der prinzipi-ellen Unsicherheit zukünftiger Entwicklungen und dem stets nur teilweise informierten und oft irrationalen Herdenverhal-ten der Menschen. Aber selbst bei einer Einhegung des Mark-tes durch staatliche Regulie-rung und gezielte Eingriffe sieht die keynesianische Theorie mehrere potentielle Gleichge-wichtszustände (auch z.B. einen mit dauerhaft hoher Arbeitslo-sigkeit). Es gibt keinen eindeu-tigen „Naturzustand“, sondern es ist am Staat, zu entscheiden, welches dieser Marktgleichge-wichte wünschenswert ist und entsprechend durch regulato-rische Rahmensetzung und po-litische Einmischung herbeige-führt werden soll.

Beispiele für keynesianische Analysen und Schlussfolge-rungen

Der Mehrwert des Keyne-sianismus liegt vor allem in der Betrachtung gesamtwirt-schaftlicher Zusammenhänge (Makroökonomie), wo er zeigt, dass der Alltagsverstand oder eine einzelwirtschaftliche He-rangehensweise oft auf die fal-sche Fährte führen: • Kreditaufnahme für öffentli-che Investitionen erhöht die Pro-duktivität und damit das Steuer-aufkommen: Natürlich leuchtet intuitiv die Daumenregel ein, dass man (auch als Staat) nicht mehr ausgeben sollte, als man einnimmt. Aber der Staat ist kein schwäbischer Haushalt,

dessen Ausgaben durch seine Einnahmen begrenzt werden. Hier verhält es sich wie bei Un-ternehmen, die über Kredite In-vestitionen finanzieren, welche ihre Produktivität erhöhen und damit zukünftig höhere Gewin-ne ermöglichen. Der Staat muss also erst mehr ausgeben (In-vestitionen in öffentliche Infra-struktur), damit er danach mehr einnehmen kann (höhere Steu-ereinnahmen durch Wirtschafs-wachstum). • Höheres Sparen in Krisenzei-ten führt zu weniger Einkom-men: Während der aktuellen Krise in Europa ist zusätzliches Sparen für einzelne Menschen oder Unternehmen rational, für

die Gesamtwirtschaft aber fa-tal: Wenn alle sparen, können die Unternehmen weniger Güter absetzen, Menschen verlieren ihre Anstellung, können von we-niger Einkommen noch weniger kaufen („Autos kaufen keine Au-tos“), folglich entlassen die Un-ternehmen weitere Menschen, und so weiter. Die individuelle Rationalität kann also eine Spi-rale des allgemeinen wirtschaft-lichen Niedergangs auslösen. • Die „Schwarze Null“ ist eine Selbstbeschneidung des Staa-tes zulasten abhängiger Bevöl-kerungsschichten: Ein Haus-haltsdefizit (mehr Ausgabe als Einnahmen) ist finanziell völlig unproblematisch, solange da-durch die Gesamtwirtschaft (und damit auch die Steuerein-nahmen und der Staatshaus-halt) schneller wachsen als die Schulden. Während allerorten zurecht über die verfallende Inf-rastruktur geklagt wird und der

Staat sich zu Zinsen von Null verschulden kann, unterbleiben im volkswirtschaftlichen Sinne rentierliche Investitionen in Inf-rastruktur und Bildung aus ideo-logischen Gründen. Diese Un-terlassung trifft vor allem den Bevölkerungsanteil, der beson-ders auf eine gute öffentliche Infrastruktur und Daseinsfür-sorge angewiesen ist.• Schuldenbremse kritisieren und realpolitische Handlungs-spielräume nutzen: Trotz allem ist die Schuldenbremse inzwi-schen Fakt. Den Kommunen hilft es nicht, wenn nur auf uns-re Forderung einer Abschaffung der Schuldenbremse oder einer Umsetzung unseres Steuerkon-zepts verwiesen wird. Deswe-gen muss die Schuldenbremse selbst weiterhin hart kritisiert werden, aber auch im Rahmen der Schuldenbremse prakti-sche Handlungsalternativen für Kommunen, Länder und Bund entwickelt werden.

Beispiele für keynesianische Krisenanalyse und Stabilisie-rungsmaßnahmen

Aus keynesianischer Sicht er-geben sich nicht nur generelle wirtschaftspolitische Empfeh-lungen, sondern auch wichtige Orientierung für Maßnahmen bei Wirtschaftskrisen:• Die Bankenrettung war nötig, der „Blankoscheck“ unverant-wortlich: 1929 löste ein Börsen-crash den weltweiten Kollaps des Finanzsystems aus, der in eine langanhaltende Depressi-on mit Massenarbeitslosigkeit mündete und den Nährboden bildete für Faschismus und den Zweiten Weltkrieg. Aus dieser leidvollen Erfahrung heraus war es auch 2009 leider notwendig, solche Banken zu retten, deren Kollaps andere Teile des Finanz-systems mit in den Abgrund ge-rissen hätte. Nicht das „Ob“, sondern das „Wie“ der Banken-Rettung ist zu kritisieren. Vor al-lem hätte die Rettung mit einer Verstaatlichung der Banken und entsprechender Einflussnahme auf ihre Geschäftspolitik einher-gehen müssen. Banken erst un-reguliert zu lassen und dann da-durch zu „bestrafen“, dass man sie pleitegehen lässt, ist kontra-produktiv. • Staatspleiten und Schulden-schnitte wären teuer gekom-men: Unkontrollierte Staats-pleiten oder Schuldenschnitte hätten – gerade wegen der Zu-sammenhänge in der Währungs-union – unkalkulierbare Domi-noeffekte zur Folge gehabt und dem ohnehin schon fragilen Fi-nanzsystem vielleicht den Rest gegeben. Mindestens aber hät-ten Pleiten europaweit die staat-lichen Finanzierungskosten dra-matisch erhöht. Wenn ein Staat die Hälfte seiner Schulden nicht

mehr bedient, für die verbliebe-ne Hälfte aber aufgrund der ge-stiegenen Zinssätze das Drei-fache zahlen muss, ist nichts gewonnen. Ein solcher Zah-lungsausfall ist kein positives und beliebig einsetzbares Inst-rument, sondern muss stets der letzte Ausweg bleiben.• Deshalb war der Euroret-tungsschirm notwendig: Um Verwerfungen durch Staats-pleiten zu verhindern, war es grundsätzlich richtig, Rettungs-schirme für andere Eurostaa-ten aufzuspannen, auch wenn dadurch deutsche und andere Banken mitgerettet wurden. Die Staatsfinanzen bzw. Schulden mussten so weit wie möglich von den privaten Kapitalmärk-ten abgeschirmt werden, um das Druckpotential der privaten Kapitalbesitzer zu mindern. • Der Skandal ist das an die Ret-tung geknüpfte Austeritäts-Dik-tat: Wieder ist nicht das „Ob“, sondern das „Wie“ zu kritisie-ren. Die Auflagen einer neolibe-ralen „Strukturanpassung“ ha-ben großes Leid über weite Teile der europäischen, speziell der griechischen Bevölkerung ge-bracht und den Wirtschaftsein-bruch zusätzlich vergrößert. • Die Niedrigzinspolitik ist rich-tig, es gibt kein Recht auf leis-tungslose Einkommen: Ange-sichts von Zinsen nahe Null hört man aus verschiedenen Rich-tungen Klagen über die „Ent-eignung der Sparer“. Aber wa-rum sollte es überhaupt einen Anspruch auf positive Verzin-sungen, also „leistungsloses“ Einkommen, geben? Weiter ist aus Sicht der Sparer ohnehin nicht der ausgewiesene Zins entscheidend, sondern der Re-alzins (Nominalzinsen auf Spar-guthaben minus Inflationsrate). Dieser war bereits während der letzten 50 Jahre oft negativ und mit einem Kaufkraftverlust der Ersparnisse verbunden. Nur ist das früher – bei höheren Nomi-nalzinsen und höherer Inflation – nicht so aufgefallen. Festzu-halten ist, dass eine Enteignung nicht stattfindet, aber auch schon früher mit Sparanlagen zumeist keine hohe Realverzin-sung zu holen war.Fazit: Die keynesianischen Ana-lysen und Vorschläge, die al-le Bestandteil der LINKEN Pro-grammatik sind, stehen für eine kohärente, glaubwürdige und pragmatische Wirtschaftspoli-tik. Linkskeynesianische Wirt-schaftspolitik ist nicht der allein selig machende Weg, aber die unabdingbare Basis einer Politik links der Mitte. Dr. Axel Troost

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Kommunal-Info 10-2015

AsylgesetzgebungDas Asylverfahrensbeschleunigungs-gesetz aus kommunaler Perspektive im Überblick

Seite 2

MindestlohnEuGH: Vergabe öffentlicher Aufträge darf an Mindestlohn gekoppelt werden

Seite 4

Konferenz Asylpolitikam 12. und 13. Dezember in Chemnitz

Seite 4

Seminar„Kommunen und Kreativwirtschaft“ am 12. Dezember in Dresden

Seite 4

K o m m u n a l p o l i t i s c h e s F o r u m S a c h s e n e . V .K F S

Online-Ausgabe unter www.kommunalforum-sachsen.de

2. Dezember 2015

Weihnachtsmärkte können in Deutschland auf eine jahrhunderte-alte Tradition zurückblicken. Aller-erste Erwähnungen finden ein „Niko-lausmarkt“ von München 1310 und der Dresdner „Striezelmarkt“ 1434. Die mittelalterlichen Städte hatten sich zu Zentren des Handwerks und des Han-dels entwickelt.

HistorischesVornehmlich zu Gottesdiensten, be-

sonders zu den großen Messen, wo Gläubige von weither zusammenka-men, wurde das von Kaufleuten für das Abhalten von Jahrmärkten genutzt, um ihre Waren feilzubieten. Und so ent-standen die Weihnachtsmärkte aus den Jahrmärkten und spätmittelalterlichen Verkaufsmessen heraus.

Während bei den gewöhnlichen Märkten zu Beginn der kalten Jahres-zeit die Möglichkeit bestand, sich mit Fleisch und winterlichem Bedarf ein-zudecken, kam im 14. Jahrhundert in der Vorweihnachtszeit der Brauch auf, es auch Korbflechtern, Spielzeugma-chern oder Zuckerbäckern zu gestat-ten, auf dem Marktplatz mit ihren Ver-kaufsständen aufzuschlagen, um dort Erzeugnisse für das Weihnachtsfest zu verkaufen. Aber zu diesen Märkten ge-hörte auch der Auftritt von Gauklern und Schaustellern, die zur Unterhal-tung der Marktbesucher ihre Kunst-stücke vorführten. So waren gewisser-maßen schon damals Kommerz (vom lat. commercium =Handel) und Kultur auf den Weihnachtsmärkten zusam-men vertreten.

Weihnachtsmärkte heuteHeute ist das ganz ähnlich. Da wer-

den weihnachtstypische Backwaren und Süßigkeiten angeboten wie Leb-kuchen, Stollen, Schokoladenfiguren, Zuckerwatte, gebrannte Mandeln, hei-ße Maronen und anderes mehr. Übli-

cherweise gibt es auch Stände, an de-nen Accessoires für den Winter wie Mützen, Hüte, Handschuhe und Schals gekauft werden können. Regelmä-ßig gehören dazu ebenfalls Verkaufs-stände mit Artikeln oder Schmuck für den Weihnachtsbaum wie Glaskugeln, Adventssterne, Lametta, oder kunst-handwerkliche Weihnachtsartikel wie erzgebirgische Schwibbögen, Weih-nachtspyramiden oder Räucherfiguren. Nicht fehlen dürfen selbstverständlich die jahreszeitlich typischen warmen Getränke wie Glühwein, Feuerzangen-bowle oder Punsch.

Auf den meisten Weihnachtsmärkten werden Kleinkunstprogramme aufge-führt, zur kulturellen Umrahmung tre-ten kleine Ensembles oder Chöre auf. Zudem finden die Weihnachtsmärkte in der Regel auf zentralen Straßen und Plätzen (meistens dem Marktplatz) mit historischem Ambiente statt; in man-chen Städten gibt es gar einen teilweise mittelalterlich gestalteten Weihnachts-markt. Auf diese Weise verbindet sich auch heute auf den allermeisten Weih-nachtsmärkten das Kommerzielle mit dem Kulturellen.

Im Verlaufe der letzten Jahrzehnte haben sich die Freizeit- und Konsum-gewohnheiten der Menschen verändert. Während früher der Weihnachtsmarkt mehr als Einkaufsgelegenheit für das Fest und den Winter diente, wird er heute wohl eher als ein Treffpunkt von Begegnung und gemütlichem Beisam-mensein gesehen. Weihnachtsmärkte sind heute auch Orte gelebter Stadt-kultur und ein lokaler Identitätsfaktor. Mitunter sind attraktive und historisch trächtige Weihnachtsmärkte auch zu-nehmend zu einem Anziehungspunkt für Touristen geworden.

Da Weihnachtsmärkte von Kommu-nen, dem Einzelhandel und den In-habern der Marktstände auch als ein Wirtschaftsfaktor angesehen werden,

gab es in zurückliegenden Jahren im-mer mal Versuche, den Beginn der städtischen Weihnachtsmärkte zeitlich bis in den November vorzuverlegen. Da der Sonntag vor dem ersten Advent je-doch als Totensonntag begangen wird, stieß das bei Teilen der kritischen Öf-fentlichkeit, insbesondere den Kir-chen, als ein kommerzielles Gebaren auf Ablehnung.

Privatisierung?Da Outsourcing im Trend lag, hatte

die Stadt Offenbach am Main entschie-den, den seit Ende der siebziger Jah-re von ihr veranstalteten Weihnachts-markt vollständig von einem privaten Betreiber durchführen zu lassen. Das war ein Verein, dessen ca. 100 Mit-glieder hauptsächlich aus dem Kreise des örtlichen Einzelhandels stamm-ten, die zum Teil selbst als Händler auf dem Weihnachtsmarkt tätig wa-ren. Nun wurde von diesem privaten Betreiber dem Inhaber eines Würst-chen-Standes für die Jahre 2004 und 2005 die Teilnahme am Weihnachts-markt verweigert. Hiergegen klagte er durch alle Instanzen bis zum Bun-desverwaltungsgericht (BVerwG) auf Feststellung, dass die Stadt nicht be-rechtigt sei, die Entscheidung über die Vergabe von Standplätzen durch pri-vate Dritte treffen zu lassen, sondern hierüber selbst entscheiden müsse.

Das BVerwG entschied dazu in einem Urteil gegen die vollständige Übertra-gung der Ausrichtung des Weihnachts-markts durch einen Privaten (BVerwG, Urteil vom 27.05.2009 - 8 C 10.08). Zunächst ging das BVerwG davon aus, dass es sich beim Weihnachtsmarkt nicht um eine wirtschaftliche Betäti-gung der Gemeinde handelt, sondern um eine öffentliche Einrichtung mit kulturellem, sozialen und traditions-bildenden Hintergrund, die schon lan-ge Zeit in der bisherigen kommunalen

Alleinverantwortung lag. Daraus wur-de gefolgert: „Aus dem Gebot der Si-cherung und Wahrung des Aufgaben-bestandes der Gemeinden ergibt sich, dass eine vollständige Übertragung von Aufgaben besonderer sozialer, kul-tureller und traditioneller Prägung wie ein Weihnachtsmarkt, an Dritte nicht zulässig ist.“

Eine Privatisierung mit der Absicht einer erhöhten Gewinnerzielung der privaten Veranstalter und in der Folge davon erhöhter Standgebühren würde gerade sozialschwächere Einwohner benachteiligen, die gesellschaftliche Kommunikation im örtlichen Bereich erschweren und darüber hinaus zur Kommerzialisierung des kommunalen Lebens mit beitragen.

Jedoch habe die Gemeinde die Mög-lichkeit, durch eine „formelle Privati-sierung“ bei der Veranstaltung etwa von Märkten, Messen, aber auch von Weihnachtsmärkten, die unmittel-bare Veranstaltungszuständigkeit der Gemeinde einer kommunalen Eigen-gesellschaft zu übertragen oder aber durch „funktionelle Privatisierung“ die Aufgabe, jedoch nicht die volle Ver-antwortung, an einen privaten Dritten zu übertragen. Die Rechtspflichten der Gemeinde gegenüber Beschickern, Be-suchern und Dritten beim Markt müs-sen fortbestehen.

Ein Weihnachtsmarkt mit kultu-rellem, sozialem und traditionsbilden-dem Charakter gehöre aber zur Wahr-nehmung der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft durch eine Ge-meinde. Bei der Veranstaltung eines Weihnachtsmarktes mit kommunalpo-litischer Relevanz, der zur Förderung der Kontakte der Gemeindebürger un-tereinander beiträgt, bei dem damit so-ziale und kulturelle Gesichtspunkte

Weihnachtsmärkte – Kommerz oder Kultur?

Fortsetzung auf Seite 3

Page 18: LINKS! Ausgabe 12/2015

Seite 2Kommunal-Info 10/2015

ImpressumKommunalpolitisches

Forum Sachsen e.V.Großenhainer Straße 99

01127 DresdenTel.: 0351-4827944 oder 4827945

Fax: 0351-7952453info@kommunalforum-sachsen.dewww.kommunalforum-sachsen.deRed., Satz und Layout: A. Grunke

V.i.S.d.P.: P. PritschaDie Kommunal-Info dient der kommunalpolitischen Bildung und Information und wird aus finanziellen Zuwendungen des

Sächsischen Staatsministeriums des Innern gefördert.

Das „Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz“ aus kommunaler Perspektive – ein Überblick

Von Konrad Heinze, CHemnitz

Ende September 2015 in den Bundes-tag eingebracht, wurde das „Asylver-fahrensbeschleunigungsgesetz“ bin-nen eines Monats verabschiedet und trat mit der Veröffentlichung im Bun-desgesetzblatt vom 23.10.2015 zum 24.10.2015 in Kraft. Es wurde vom er-sten Entwurf bis zur Verabschiedung von scharfer Kritik von Trägern der Wohlfahrtspflege, von Gewerkschaf-ten, Kirchen, Fachverbänden und Ver-einen sowie der Migrationsforschung begleitet.1 Mit dem „Asylverfahrens-beschleunigungsgesetz“2 wurden eine Reihe von Änderungen im Asylrecht vorgenommen, welche hier im Über-blick ohne Anspruch auf Vollständig-keit vorgestellt werden, so sie die kom-munale Ebene berühren.

Das Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) trägt nun den Titel Asylgesetz (AsylG), die Nummerierung der einzelnen Para-graphen bleibt unberührt. Die Anlage zu § 29a AsylG über die sogenannten „sicheren Herkunftsstaaten“ wurde um Albanien, Kosovo und Montenegro er-weitert. Damit werden Asylanträge von Menschen aus diesen Staaten zukünf-tig und in der Regel als „offensichtlich unbegründet“ abgelehnt.

„Sichere Herkunftsstaaten“Dieser Punkt ist kritisch zu betrach-

ten. Zum einen ist die Menschenrechts-lage in den genannten Staaten als auch in den übrigen Staaten des Balkans in Bezug auf die Minderheit der Roma und Sinti als verheerend zu bezeich-nen. Des Weiteren werden wiederholt Fälle von Bedrohungen und Angriffen auf JournalistInnen sowie der Einfluss-nahme auf und der Korruption durch die Justiz gemeldet. Zum anderen sind bereits im Juli 2015 die Zugangszahlen aus diesen Staaten im EASY-System signifikant zurückgegangen3 – noch vor der vom Bundesministerium des Innern initiierten „Aufklärungskam-pagne“, welche das Ziel hatte, die Zu-gangszahlen aus diesen Staaten zu ver-mindern. Im Oktober 2015 findet sich kein Balkanstaat mehr in der Top-5-Li-ste des EASY-Systems.4 „Die Diskus-sion um ‚sichere Herkunftsstaaten’ ist eine Scheindebatte: Die Fokussierung des Gesetzesentwurfs auf diese Grup-pe von Flüchtlingen wird sich insge-samt nur in geringem Maße auf eine Beschleunigung der Verfahren aus-wirken.“5 Darüber hinaus verschlech-tert sich mit der neuen Gesetzeslage die Rechtsstellung von Asylsuchenden aus den sogenannten „sicheren Herkunfts-staaten“ teils erheblich.

Über den neugeschaffenen § 63a AsylG wird die Ausstellung der „Be-scheinigung über die Meldung als Asylsuchender“ (BÜMA) als Regel-verfahren verstetigt. Demnach soll sie für den Zeitraum zwischen dem Asyl-begehren und der förmlichen Asylan-tragstellung auf einen Monat befristet ausgestellt werden, samt der Option, sie mehrfach um jeweils einen weite-ren Monat zu verlängern. Dies ist inso-fern von Bedeutung für die kommunale Ebene, als dass der Gesetzgeber es ver-

säumt hat, die aufenthalts- und sozial-rechtlichen Konsequenzen als auch de-ren Auswirkungen auf Fristen wie dem Zugang zum Arbeitsmarkt zu regeln, da sich die Fristberechnungen nach dem Erhalt der Aufenthaltsgestattung richtet. Hier ist mit Klarstellungen mit-tels gerichtlicher Entscheidungen zu rechnen.6

ErstaufnahmeeinrichtungenEin weiterer Punkt ist die Verlänge-

rung des verpflichtenden Aufenthaltes in einer Erstaufnahmeeinrichtung (EAE) von drei auf sechs Monate, für AntragstellerInnen aus den sogenann-ten „sicheren Herkunftstaaten“ gilt die

Verpflichtung über die gesamte Dauer des Asylverfahrens bis zur Entschei-dung des BAMF. Das hat einige Aus-wirkungen:

Zum ersten bezüglich der Auflagen zur räumlichen Beschränkung (Resi-denzpflicht). Diese gilt über die Dauer des Aufenthalts in einer EAE, demnach über sechs Monate, für Antragstelle-rInnen aus den sogenannten „sicheren Herkunftstaaten“ faktisch bis Verfah-rensende.7 Weiterhin ist nicht ersicht-lich wie ein verlängerter Aufenthalt in einer EAE die Asylverfahren verkür-zen soll. Vielmehr ist mit darauf hin-zuweisen, dass diese Maßnahme vor-rangig die Integration und Teilhabe an der Gesellschaft in den besonders sen-siblen, ersten Monaten des Aufenthalts behindert.

Überdies müsste, um konfliktträch-tige Ballungen von Menschen auf en-gem Raum zu vermeiden, die Erst-aufnahmekapazität gleichsam der Aufenthaltsdauer verdoppelt werden. Insofern ist eine Erweiterung der bis-lang insgesamt 40 Erstaufnahme-objekte (EAE Chemnitz, Dresden, Leipzig, zzgl. 37 zeitweiliger Ein-richtungen8) als auch eine Anpassung der Kapazitätsplanung im Rahmen des Drei-Standorte-Konzeptes wahr-scheinlich. Für die kommunale Ebene bedeutet das: die Errichtung weiterer zeitweiliger Einrichtungen der EAE ist durchaus im Bereich des Möglichen.

Kita und SchuleZum zweiten verlängern sich die

Wartefristen des Zugangs zu Schulbil-dung und Kita-Besuch. Für Kinder von Asylsuchenden als auch für unbeglei-tete minderjährige Geflüchtete/unbe-gleitete minderjährige AusländerInnen besteht die allgemeine Schulpflicht gemäß §§ 26 bis 28 des sächsischen Schulgesetzes.9 Ebenso haben die Kin-der von Asylsuchenden Anspruch auf einen Platz in einer Kindertagesstätte. In beiden Fällen sind aber in der Regel Vorbedingungen zu erfüllen: Erteilung einer Aufenthaltsgestattung, Verlassen der EAE und Unterbringung in der zu-gewiesenen Kommune. Mit Inkraft-

treten des „Asylverfahrensbeschleuni-gungsgesetzes“ bedeutet dies, dass der Zugang zu Schulbildung erst nach frü-hestens sechs Monaten erfolgen kann. Kindern von AntragstellerInnen aus den sogenannten „sicheren Herkunfts-staaten“ wird der Zugang faktisch völ-lig versagt, was der gesetzlichen Schul-pflicht zuwiderläuft.

Wartefrist für ArbeitsmarktZum dritten wird mit der Verlänge-

rung des Aufenthalts in einer EAE die erst 2014 herabgesetzte Wartefrist für den Zugang zum Arbeitsmarkt folglich wieder angehoben. Während der ersten sechs Monate der Unterbringung in ei-ner EAE gilt ein generelles Arbeitsver-bot. Eine noch darüber hinausgehende Einschränkung gilt für Asylanträge aus den sogenannten „sicheren Her-kunftstaaten“, die nach dem 31.08.2015 gestellt wurden. Den betreffenden An-tragstellerInnen soll im Falle einer Ab-lehnung und der etwaigen Erteilung einer Duldung ein zwingendes Arbeits-verbot auferlegt werden, dass „auch die Aufnahme einer betrieblichen Berufs-ausbildung, eines Freiwilligendienstes oder eines Praktikums“10 ausschließt. Insofern werden durchaus vorhandene Initiativen klein- und mittelständiger Unternehmen, über das Angebot eines Ausbildungs- oder Arbeitsplatzes an der Aufenthaltsverfestigung eines ge-flüchteten Menschen mitzuwirken,

weiter erschwert.Allgemein soll die Abschiebung von

abgelehnten Asylsuchenden beschleu-nigt werden. Zu diesem Zweck wird die Aussetzung der Abschiebung (Dul-dung) auf jeweils maximal drei Monate reduziert, weiterhin soll ein Abschie-bungstermin nicht mehr angekündi-gt werden. Überdies ermöglicht das „Asylverfahrensbeschleunigungsge-setz“ drastische Leistungskürzungen, wenn betreffende Person aus selbst zu vertretenden Gründen nicht ausgereist ist oder die Abschiebung aus ebenfalls selbst zu vertretenden Gründen nicht vollzogen werden kann. Für diese Per-sonen sollen allein die Leistungen des

„notwendigen Bedarfes“ gewährt wer-den.

SachleistungenEiner der umstrittensten Punkte ist

die Rücknahme des erst im März 2015 gefassten Vorranges von Geld- vor Sachleistungen. Mit dem Inkrafttreten des „Asylverfahrensbeschleunigungs-gesetzes“ werden die Leistungen für den „notwendigen persönlichen Be-darf“ als auch für den „notwendigen Bedarf“ wieder generell in Form von Sachleistungen erbracht. Dies gilt für

Fortsetzung auf Seite 3

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Seite 3 Kommunal-Info 10/2015

die vollständige Dauer der Unterbrin-gung in einer EAE von sechs Mona-ten und kann ebenfalls in Teilen für die kommunale Anschlussunterbringung in Gemeinschaftsunterkünften gelten.

Sachleistungen in Form von Gut-scheinen oder Essens- und Kleidungs-paketen sind als enormes Hindernis hinsichtlich der Integration und Teil-habe von Geflüchteten einzuschätzen. „Erstens ist nicht belegbar, dass sie auf potenzielle Asylsuchende abschre-ckend wirken. Zweitens verursachen sie erhebliche Bürokratiekosten (...)“11 Der auf kommunaler Ebene entstehen-de Verwaltungsaufwand ist nicht genug zu betonen. Weiterhin nehmen Sach-leistungspakete keine Rücksicht auf individuelle/religiös bedingte Essge-wohnheiten oder gar medizinisch not-wendige Diäten.

Jedoch sieht die Änderung des Asyl-bewerberleistungsgesetzes durch das „Asylverfahrensbeschleunigungsge-setz“ für die Unterbringung in Unter-künften nach § 53 AsylG (kommu-nale Gemeinschaftsunterkünfte) eine Kann-Bestimmung vor. Insofern sei auf kommunaler Ebene im Interesse ei-ner humanen und auf Teilhabe ausge-richteten Unterbringungspolitik drin-gend von der Wiedereinsetzung des Sachleistungsprinzips abzuraten.

Hinsichtlich der Möglichkeit der kommunalen Einführung einer elektro-nischen Gesundheitskarte für Asylsu-chende und Geduldete ist festzuhalten, dass auch unter der Berücksichtigung des „Asylverfahrensbeschleunigungs-gesetzes“ die Initiative bei den Kom-munen verbleibt. Die Neufassung des § 264 Abs. 1 SGB V sieht ausdrücklich kein Vorbehalt oder Vetorecht der Län-der gegen ein entsprechendes kommu-nales Handeln vor.

Des Weiteren verpflichtet sich der Bund, beginnend mit dem 01.01.2016, die Länder bei der Unterbringung von Asylsuchenden und Geflüchteten fi-nanziell zu unterstützen. Hierfür wird eine Pro-Kopf-Pauschale von 670 EUR pro untergebrachter Person/Monat veranschlagt. Diese wird für 2016 als Abschlagszahlung geleistet und En-

de 2016 personenscharf abgerechnet. Dennoch ist zu beachten, dass in der Berechnung der Pauschale eine fünf-monatige Verfahrensdauer unterstellt wird (aktuell 7,1 Monate, nicht einge-rechnet die Wartezeit zwischen Regis-trierung als asylsuchend und der förm-lichen Asylantragstellung). Außerdem soll die Pauschale für Asylsuchende, denen keine Asylberechtigung nach Art. 16a GG oder ein Flüchtlingsschutz nach § 3 AsylG zugesprochen wird, nur für jeweils einen Monat erstattet wer-den.

Bau- und VergabevorschriftenEbenfalls die kommunale Ebene be-

treffend, sieht das „Asylverfahrensbe-schleunigungsgesetz“ eine Reihe von Änderungen hinsichtlich der Bau- und Vergabevorschriften von Unterkünf-ten zur Unterbringung von Asylsu-chenden vor. Bezugnehmend auf die BauGB-Novelle 2014 II ist nun hin-sichtlich der Umnutzung von Gebäu-den nicht mehr von „Geschäfts-, Büro- und Verwaltungsgebäuden“ die Rede, sondern allgemein von „baulichen An-lagen“.12 Ferner wurde § 246 BauGB um die Absätze 11 bis 17 erweitert. Diese sollen vor allem die Errichtung mobiler Unterkünfte sowie die Umnut-zung bestehender baulicher Anlagen erleichtern, im begrenzten Umfang das Abweichen von gegebenen Vorschrif-ten ermöglichen13 als auch Genehmi-gungsverfahren beschleunigen14.

Über diesen Überblick aus kommu-naler Perspektive hinaus die sozial- und aufenthaltsrechtlichen Änderungen er-schließend darzustellen, würde den Umfang des Artikels sprengen. Von daher wird auf eine kleine Sammlung diesbezüglicher Artikel verwiesen (s.u. „Lesehinweise“).

Abschließend ist noch festzuhalten, dass das „Asylverfahrensbeschleu-nigungsgesetz“ nicht die letzte Asyl-rechtsänderung des Jahres 2015 bleiben wird. So wurde am 18.11.2015 ein neu-erlicher Gesetzesentwurf zur „Einfüh-rung beschleunigter Asylverfahren“ öffentlich, mit dessen Verabschiedung noch vor Jahreswechsel zu rechnen

prägend sind, sei es der Gemeinde ver-wehrt, sich der Verantwortung endgül-tig zu entledigen. „Sie muss sich Steue-rungs- und Einwirkungsmöglichkeiten zu einer dem Wohl der Gemeindeein-wohner verpflichteten Durchführung von traditionellen Weihnachtsmärkten vorbehalten.“

PositionspapierIn einem gemeinsamen Positionspa-

pier der kommunalen Spitzenverbände und dem Deutschen Schaustellerbund „Volksfeste als Teil gelebter traditio-neller Kultur“ vom November 2014 wird unterstrichen, dass die deutschen Volksfeste und Weihnachtsmärkte u.a.

� ein schützenwertes Kulturgut, �Orte der Integration und Identifika-

tion und �Aushängeschilder und Visitenkar-

ten der Kommunen sind. „Volksfeste mit ihrer z.T. über

1.200jährigen Geschichte, ihren über-lieferten Ritualen, Traditionsumzügen und lebendigen Bräuchen sind vieler-orts ein fester Bestandteil des Stadt- und Gemeindelebens. Diese Volksfeste sind kulturell verankert und halten Traditionen lebendig; sie haben eine besondere Bedeutung für die kultu-relle Identität von Kommunen. Sie un-terscheiden sich damit von beliebigen Stadt- und Straßenfesten.“

aG

Fortsetzung von Seite 1:

Weihnachtsmärkte ...

ist. Das darin beinhaltete „Asylpaket II“ sieht eine Reihe von rigiden Maß-nahmen vor. Darunter die Schaffung von „besonderen Aufnahmeeinrich-tungen“, in denen ein beschleunig-tes Asylverfahren mit deutlich ein-geschränktem Widerspruchs- und Klagerecht sowie ein nochmals ver-schärftes Residenzpflicht-Regime zur Anwendung kommen sollen, einen stark eingeschränkten Anspruch auf Familiennachzug als auch eine erheb-liche Beschränkung, gesundheitliche Gründe als Abschiebehindernis gel-tend zu machen.15

Lesehinweise: �GGUA Münster e.V. (Hrsg.): Ent-

rechtung per Gesetz. Bundesregie-rung plant umfassendes Desintegra-tionsprogramm für Flüchtlinge, vom 23.09.2015,

�Rat für Migration (Hrsg.): Stellung-nahme des „Rats für Migration“ (RfM) zur geplanten Asylrechts-Reform der Bundesregierung, vom 29.09.2015,

�Kalkmann, Michael: Wichtige Neu-erungen durch das Asylverfahrensbe-schleunigungsgesetz, in: ASYLMA-GAZIN 11/2015, S.365-366.

—1 Eine Sammlung von Stellungnahmen

zum Asylverfahrens-beschleunigungs-gesetz, erarbeitet von: Pro Asyl (Hrsg.): Asylrechtsverschärfung. Scharfer Wi-derspruch aus der Zivilgesellschaft, vom 25.09.2015.2 Der Maßnahmenkatalog des „Asyl-

verfahrens-beschleunigungsgesetz“ wird auch als „Asylpaket I“ bezeichnet.3 Vgl. Pro Asyl (Hrsg.): Unveröffent-

lichte Zahlen zeigen: Immer weniger Balkan-Flüchtlinge, vom 31.08.2015.4 Vgl. BAMF (Hrsg.): Weiter hoher

Asyl-Zugang im Oktober 2015, vom 06.11.2015.5 Vgl. Rat für Migration (Hrsg.): Stel-

lungnahme des „Rates für Migration“ (RfM) zur geplanten Asylrechts-Reform der Bundesregierung, vom 29.09.2015., S. 3.6 Vgl. Kalkmann, Michael: Wichtige

Neuerungen durch das Asylverfah-rens-beschleunigungsgesetz, in: ASYL-

MAGAZIN 11/2015, S. 365.7 Vgl. §§ 56 und 59a AsylG.8 Vgl. Landesdirektion Sachsen

(Hrsg.): Zeitweilige Unterkünfte im Rahmen der Erstaufnahme von Asylsu-chenden in Sachsen, Stand: 17.11.2015.9 „Das Kultusministerium aus Sach-

sen sicherte im März 2005 zu, dass trotz des Bestehens einer noch alten Verwal-tungsvorschrift aus dem Jahr 1992 mit gegenteiligem Inhalt, von der Schul-pflicht von Menschen mit unsicherem Aufenthaltsstatus ausgegangen wird.“ Vgl. dazu: Harmening, Björn: Aktuelle

Entwicklungen Oktober 2005. Schul-pflicht vs. Schulrecht von Flüchtlings-kindern in Deutschland, S. 1.10 Vgl. Voigt, Claudius: Entrechtung

per Gesetz. Bundesregierung plant um-fassendes Desintegrationsprogramm für Flüchtlinge, vom 23.09.2015, S. 2.11 Vgl. Rat für Migration (Hrsg.): Stel-

lungnahme des „Rates für Migration“ (RfM) zur geplanten Asylrechts-Reform der Bundesregierung, vom 29.09.2015., S. 2.12 Vgl. § 246 Abs. 8 BauGB.13 Vgl. § 246 Abs. 14 BauGB.14 Vgl. § 246 Abs. 15 BauGB.15 Vgl. Bundesministerium des Innern:

Referentenentwurf über das Gesetz zur Einführung beschleunigter Asylverfah-ren, Bearbeitungsstand 16.11.2015; und Pro Asyl (Hrsg.): Asylpaket II. Frontal-angriff auf das individuelle Asylrecht, vom 18.11.2015.

Unseren Leserinnen und Lesern wünschen wir ein frohes Weihnachtsfest und alles Gute für das neue Jahr 2016 !

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Seite 4Kommunal-Info 10/2015

EuGH: Vergabe öffentlicher Auf-träge darf an Mindestlohn gekop-pelt werden

Es verstößt nicht gegen das Unions-recht, wenn ein Bieter, der es ablehnt, sich zur Zahlung des Mindestlohns an seine Beschäftigten zu verpflichten, vom Verfahren zur Vergabe eines Auf-trags ausgeschlossen wird. Eine solche Verpflichtung stelle eine grundsätzlich zulässige zusätzliche Bedingung dar, da sie sich auf die Ausführung des Auf-trags beziehe, soziale Aspekte betreffe und durch das Ziel des Arbeitnehmer-schutzes gerechtfertigt sei, erläuterte der Gerichtshof der Europäischen Uni-on mit Urteil vom 17.11.2015 (Az.: C 115/14).

SachverhaltIm Juli 2013 schloss die Stadt Lan-

dau das Unternehmen RegioPost von der Beteiligung an einem Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auf-trags über Postdienstleistungen der Stadt aus, weil sich dieses Unterneh-men entgegen den Vorgaben der Verga-bebekanntmachung nicht verpflichtete, den Beschäftigten, die im Fall des Zu-schlags zur Ausführung der Leistungen eingesetzt würden, den Mindestlohn zu zahlen. Die Vergabebekanntmachung und die Vergabeunterlagen nahmen auf § 3 des Landestariftreuegesetzes (LT-TG) Rheinland Pfalz Bezug. Danach dürfen öffentliche Aufträge nur an Un-ternehmen vergeben werden, die sich bei Angebotsabgabe verpflichten, den zur Ausführung der Leistungen einge-setzten Beschäftigten ein Mindestent-gelt von 8,70 Euro brutto pro Stunde zu zahlen.

Richtlinie erlaubt zusätzliche Bedingungen

Das von RegioPost angerufene Ober-landesgericht fragte den Gerichts-hof, ob diese Rechtsvorgaben mit dem Unionsrecht und insbesondere mit der Richtlinie 2004/18 über die Koordi-nierung der Verfahren zur Vergabe öf-fentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge vereinbar sind. Nach der Richtlinie können Auf-traggeber zusätzliche Bedingungen für die Ausführung des Auftrags vor-geben, sofern sie mit dem Unionsrecht vereinbar sind und in der Vergabe-bekanntmachung oder in den Verga-beunterlagen angegeben werden. Diese Bedingungen können auch soziale As-pekte betreffen.

EuGH: Verpflichtung zur Abgabe eines Angebots mit Mindestlohn richtlinienkonform

Der EuGH hat die Regelung als recht-mäßig erachtet, nach der sich Bieter und deren Nachunternehmer in einer schriftlichen, ihrem Angebot beizufü-genden Erklärung verpflichten müssen, den Beschäftigten, die zur Ausführung der Leistungen eingesetzt werden sol-len, einen im Vorhinein festgelegten Mindestlohn zu zahlen. Die Richtlinie 2004/18 stehe dem nicht entgegen. Es liege eine nach der Richtlinie grund-sätzlich zulässige zusätzliche Bedin-gung vor, da sich die Verpflichtung auf die Ausführung des Auftrags bezie-he und soziale Aspekte betreffe. Auch sei die Verpflichtung transparent und nichtdiskriminierend und mit der Uni-

onsrichtlinie 96/71 über die Entsen-dung von Arbeitnehmern vereinbar, da sie sich aus einer Rechtsvorschrift ergebe, die einen Mindestlohnsatz im Sinne dieser Richtlinie vorsehe.

Mindestlohn durch Ziel des Arbeit-nehmerschutzes gerechtfertigt

Der Mindestlohn gehöre zum Schutz-niveau, das den von Unternehmen mit Sitz in anderen Mitgliedstaaten zur Ausführung des öffentlichen Auftrags entsandten Arbeitnehmern garantiert werden müsse. Zwar gelte der Min-destlohn nur für öffentliche Aufträge und nicht für private Aufträge: Doch sei diese Beschränkung die bloße Fol-ge davon, dass es für diesen Bereich spezielle Regeln des Unionsrechts ge-be (konkret die Richtlinie 2004/18). Auch wenn der Mindestlohn geeignet sei, den freien Dienstleistungsverkehr zu beschränken, könne er grundsätz-lich durch das Ziel des Arbeitnehmer-schutzes gerechtfertigt sein.

Bieter dürfen bei Weigerung aus-geschlossen werden

Die Richtlinie 2004/18 erlaube auch auf der Grundlage ihres Art. 26 Bieter auszuschließen, die sich weigern, eine Verpflichtung zur Zahlung des Min-destlohns bzw. zur Vorlage einer ent-sprechenden Erklärung einzugehen.

Anmerkung*Die Entscheidung des EuGH war

mit Spannung erwartet worden. Sie hat Auswirkungen über die konkrete Mindestlohnregelung in Rheinland-Pfalz auf andere Landesvergabe sowie Tariftreuegesetze in den Bundeslän-dern. Der EuGH hat in seiner jetzigen Entscheidung den Mindestlohn – an-ders als in der Rechtssache „Rüffert“ (C 346/06 vom 03.04.2008) für recht-mäßig erklärt. Dabei hat er u. a. als Be-gründung angegeben, dass in dem jetzt entschiedenen Fall „RegioPost“ der Mindestlohn in dem Gesetz selber ge-regelt sei und nicht nur eine einzelne Branche betreffe.

Auch hat der EuGH – anders als es noch in seiner Entscheidung vom 18.09.2014 „Bundesdruckerei“ an-klingt (C 549/13) – entschieden, dass auch ein Mindestlohn, der „nur“ für öf-fentliche Auftraggeber gelte und damit nicht für Aufträge von privaten Auf-traggebern, dennoch aus Gründen des Arbeitnehmerschutzes gerechtfertigt ist. Bund, Länder und Kommunen als Auftraggeber werden jedoch auch in Zukunft jeweils im Einzelfall beur-teilen müssen, ob die Koppelung eines konkreten Mindestlohns an die öffent-liche Auftragsvergabe rechtmäßig ist. Insoweit ist auch darauf hinzuweisen, dass das Verwaltungsgericht Düssel-dorf am 27.08.20 15 dem Verfassungs-gerichtshof NRW die Frage vorgelegt hat, ob das dortige Landestariftreue-gesetz (TVgG) verfassungsgemäß ist oder nicht wegen eines Verstoßes ge-gen die Tarifautonomie gegen die Ver-fassung verstößt.

—*Anmerkung des Dt. Städte- und Ge-meindebunds(www.dstgb-vis.de/, 23. November

2015)

Mindestlohn bei öffentlichen Aufträgen KonferenzHerausforderungen kommunaler Asylpolitik

am 12. und 13. Dezember 2015Penta-Hotel Chemnitz

Salzstraße 56, 09113 ChemnitzSamstag 12. Dezember

11:00 Eröffnung11:05 – 13:30 Themenblock I – Asylpolitik im Kontext von Land und BundFlucht und Asyl als Schwerpunktthema gegenwärtiger GesellschaftspolitikReferent: Prof. Dr. Martin GilloNeue Wege sind gefragt - Unterstützung der Kommunen durch den BundReferent: Michael Leutert, Mitglied des Dt. Bundestages13:30 Mittagspause15:00 – 17:30 Themenblock II – Betreuung von unbegleiteten minderjährigen Ausländer/innen in der KommuneDas „Clearinghaus“ der Arbeiterwohlfahrt ChemnitzReferent: Jürgen Tautz, Geschäftsführer AWO ChemnitzDie Wohngruppen des Kinder-, Jugend- und Familienhilfe e.V. ChemnitzReferent: Andreas Zschau, Kinder-, Jugend- und Familienhilfe Chemnitz e.V.Sonntag 13. Dezember11:00 Unterbringungskonzepte für Flüchtlinge im ländlichen RaumReferentin: Kati Hille, Beigeordnete, Landkreis SächsischeSchweiz-Osterzgebirge12:30 Mittagspause14:00 Selbstorganisation und Interessenvertretung von FlüchtlingenReferent: Nabil Yacoub, Sächsischer Migrantenbeirat15:00 – 17:30 Soziale Betreuung von FlüchtlingenReferent: Andreas Naumann, Sächsischer Flüchtlingsrat, Stadtrat DresdenUnkostenbeitrag: 10,- Euro / ermäßigt 5,- EuroFür die Teilnehmer/innen der Veranstaltung besteht vom Samstag auf Sonntag die Mög-lichkeit der Übernachtung im Konferenzhotel. Die Kosten hierfür werden vom Veran-stalter übernommen. Bei der Anmeldung bitte den Übernachtungswunsch mit angeben, damit entsprechende Zimmer reserviert werden können.

SeminarKreative Kommunen - Gegenseitiges Verhältnis und Handlungsoptionen für Kommunen und ihre

Kreativwirtschaftam 12. Dezember 2015, 10.30 bis 16.00 Uhr

in der „Projektschmiede“, Bautzner Straße 22 HH01099 Dresden

10.30 — 12.00 Uhr Impusreterate und DiskussionEinordnung des Seminars -Was wissen wir aktuell über die Sächsische Kreativwirtschaft? Mit Magnus Hecht, 2. Vorsitzender der LiveKomm (Dresden)Einführung in Kultur- und Kreativwirtschaft und ihre Besonderheiten auf säch-sischer Landes- und kommunaler EbeneMit Christian Rost, Experte für Kultur- und Kreativwirtschaft (Leipzig)Diskussion zu den Inputreferaten, Moderation: Sasann Scholz-Karas, Rosa-Luxemburg-Stiftung Sachsen (Dresden)Workshop 1:Kommunale Handlungsoptionen - Chancen und Grenzen Im Rahmen dieses Workshops sollen folgende Aspekte besprochen werden:

� Warum sollten Kommunen Kreative in ihrer Tätigkeit unterstützen? � Welche Möglichkeiten haben Kommunen und Kommunalpolitikerinnen im urbanen und

ländlichen Raum, die in ihrer Kommune Tätigen zu unterstützen? � Möglichkeiten entsprechender Förderprogramme wie EFRE und LEADER sowie Tipps

in Bezug auf die kleinteilige FörderkulisseMit Christian Rost Experte für Kultur- und Kreativwirtschaft, Ko-Autor Kulturwirtschafts-bericht des Freistaates Sachsen 2008 (Leipzig)Workshop 2:Ich bin Kreativer und was nun?Im Mittelpunkt dieses Workshops stehen ganz praktische Fragen wie z.B.:

� Was will ich als kreativer eigentlich erreichen? � Was kann ich und wo liegen meine Grenzen? � Wo kann ich mir im Notfall Hilfe in der Kommune holen?

Mit Thomas Richter, Freiberuflicher Kulturmanager und Coach (Sub Culture Office Dresden)15.00-16.00 Uhr Diskussionsrunde„Und was bedeutet das nun?“(Zusammenfassung der Ergebnisse des Tages, Ausblick, wie es weitergehen kann)Mit Annekatrin Klepsch, Kulturbürgermeisterin der Stadt Dresden, Magnus Hecht, Chri-stian Rost und Thomas Richter Teilnahmebeitrag: 5 Euro / ermäßigt 2 Euro (im Beitrag sind alkoholfreie Seminargetränke enthalten).Anmeldung zu den Veranstaltungen bitte unter: Impressum Kommunalpolitisches Forum Sachsen e.V. auf Seite 2 in dieser Ausgabe

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Liebe Leserinnen und Leser, wieder haben Terroristen das zivilisierte Zusammenleben angegriffen, diesmal in Paris. Nach dem, was wir wissen, waren die meisten Täter französische Staats-bürger. Dennoch schlugen manche den Bogen zur Asylpolitik. Sollen wir nun alle Touristen abweisen, weil vielleicht Terro-risten unter ihnen sein könnten?

Terrorismus ist eine Kommunikations-strategie, eine Falle. Gewalt gegen unseren Alltag soll uns in permanente Angst versetzen. Angst ist nützlich, treibt zur Vorsorge. Sie darf aber nicht unser Leben dominieren. Es wäre falsch, unsere Gesellschaft unfreier zu machen, Bürgerrechte einzuschränken. Der „Spiegel“ schrieb: „Es gehört zu den Zielen des IS, dass sich Muslime in Europa ausgegrenzt und stigmatisiert fühlen, weil es so wahrscheinlicher wird, sie eines Tages zu rekrutieren“. Wollen wir dem Terror die Existenzgrundlage entziehen, müssen wir tun, was der IS fürchtet: unsere Menschlichkeit, Grund-rechte, Toleranz verteidigen.

Viele sorgen sich um unsere Sicherheit. Diese Ängste dürfen sich nicht gegen Menschen richten, die vor Terror zu uns fliehen! Solidarität ist die wirksamste Antwort auf Terrorismus – auf den von Fanatikern, die religiöse Motive miss-brauchen, wie auf den von Fremdenfein-den, die Asylunterkünfte anzünden. Wer Terror aber mit Krieg bekämpfen will, wird nur mehr Terror ernten.

Jens Stoltenberg, Norwegens Ex-Mini-sterpräsident, sagte 2011 zum Massa-ker auf Utøya: „Wir werden unsere Werte nicht aufgeben. Unsere Antwort lautet: mehr Demokratie, mehr Offenheit, mehr Menschlichkeit“. Handeln wir souverän. Eine CharlieHebdo-Zeichnerin twitterte nach den Anschlägen: „Lasst uns unsere Freiheit nicht einschränken. Trinkt, lacht, spielt, esst, liebt euch, lebt!“

Rico Gebhardt Fraktionsvorsitzender

Sachsen altert. Das fordert unser Gesundheitssystem heraus – anstelle eines Ausbaus herrscht aber vieler-orts Ärztemangel. Nach Angaben der AOK Plus droht Unterversorgung ins-besondere im ländlichen Raum – mehr als ein Viertel der Hausärzte sei älter als 60 Jahre, Nachwuchs schwer zu finden. Krankenhäuser deckten schon heute notgedrungen einen Teil der ambulanten Versorgung ab.

Ärzte, die als Flüchtlinge nach Sach-sen kommen, könnten einen Beitrag zur Linderung des Mangels leisten. Das

wird aber nicht reichen. Die Linksfrak-tion fordert außerdem eine „Landes-offensive für eine bedarfsgerechte, flächendeckende und gut erreichbare medizinische Versorgung“ (Drucksache 6/1858). Sie soll aus vier Teilen beste-hen. Erstens soll die Staatsregierung in Berlin dafür kämpfen, dass die Versor-gungsplanung umgebaut wird. Bisher wird strikt zwischen ambulantem und stationärem Sektor unterschieden – stattdessen sollen beide gemeinsam betrachtet und die gesundheitliche, medizinische und pflegerische Versor-gung komplett erfasst werden. Vor Ort genau hinschauen, heißt die Devise: Dann lässt sich die bisherige Planung, die für fast alle Bereiche eine Überver-sorgung ausweist, an die Erfahrungen der Patientinnen und Patienten anpas-sen. Denn stundenlange Wartezeiten und monatelange Vorbestellzeiten, ins-besondere bei Fachärzten, sind schon heute nicht selten.

In Sachsen gibt es ein „Gemeinsames Landesgremium“ von Krankenkassen, Staatsregierung, Landesärztekam-mer, Kassenärztlicher Vereinigung, Krankenhausgesellschaft und Patien-tenvertretung. Es soll Empfehlungen für eine bessere Versorgung ausspre-chen. Zweiter Teil unserer Versor-gungsoffensive wäre eine Prüfung, ob

das Gremium erweitert werden kann, damit etwa Kommunen mit am Tisch sitzen.

Dritter Punkt ist eine „Feuerwehrlö-sung“ für Gebiete, in denen die Ver-sorgung besonders gefährdet ist. Hier sollen zusätzliche sektorenübergrei-fende Strukturen helfen. Finanzielle Anreize könnten nach dem Modell des Innovationsfonds auf Bundesebene geschaffen werden. Aus ihm könnten Beitrags- und Steuermittel in zusätz-liche medizinische Leistungen und in Forschung zur Versorgung fließen.

Viertes und letztes Begehr wäre eine Studie zur Krankenhausplanung. Im Allgemeinen sollte sie Aussagen zur Quantitäts- und Qualitätsentwicklung enthalten, im speziellen auf Pflege-leistungen und die Notfallversorgung eingehen. Weil Fachkräftemangel zu Arbeitsüberlastung führt, und diese wiederum zu schlechterer Versorgung, plädieren wir für realistische Pfle-geaufwanderfassungssysteme. Auch dafür schüfe die Studie die Vorausset-zungen. Sachsen soll insgesamt einen bedarfsgerechten Krankenhausplan bekommen.

Die Gesundheitspolitikerin der Frak-tion DIE LINKE, Susanne Schaper, zitierte in der Debatte ein Bibelwort: „Im Buch Markus Kapitel 4 Vers 12 steht geschrieben: ,... auf daß sie es mit sehenden Augen sehen und doch nicht erkennen und mit hörenden Ohren hören und doch nicht verstehen ...‘ Das scheint das allgemeine Motto der Staatsregierung zu sein“. Zu diesem Schluss gelange sie, weil die Staats-regierung in ihrer Stellungnahme zum Antrag mitgeteilt hatte, dass „eine all-umfassende Bedarfsermittlung und vorausschauende Gesamtplanung kei-nen zusätzlichen Nutzen für die Durch-führung der Versorgung bringt“. Das solle verstehen, wer will. Die Regierung habe zudem formuliert, dass „in den strukturschwachen Regionen sekto-renübergreifende Versorgungsstruktu-ren notwendig sind“. Weshalb sie dann den LINKEN Antrag ablehnte, der genau das fordere, sei ebenfalls nicht nach-vollziehbar. Schapers Erklärung: „Sie sprechen sich gegen unseren Antrag aus, nicht, weil er inhaltlich und sach-lich schlecht wäre, sondern schlicht-weg, weil ihnen das Parteilogo auf dem Titelblatt nicht passt“. Eigene Initiativen der Staatsregierung gegen Ärztemangel seien bisher wirkungslos geblieben.

Die Folgen einer verfehlten Gesund-heitspolitik können letzten Endes Men-schenleben kosten. Schaper kritisierte, dass besonders auf dem Land Ret-tungswagen inzwischen oft zu spät ein-treffen. Herzinfarkte seien die häufigste Todesursache in Sachsen, enden hier häufiger tödlich als im Bundesdurch-schnitt. „Bei einem Herzinfarkt zählt, wie bei jedem medizinischen Notfall, ganz besonders jede Minute. Dass die Staatsregierung untätig zuschaut, wenn Hilfsfristen nicht eingehalten werden, ist grob fahrlässig“. Die Koalitionsfrak-tionen lehnten dennoch alle vier Punkte ab. So dürften sich die Defizite schon bald weiter verstärken.

ParlamentsrePortNovember 2015 Fraktion DIE LINKE im Sächsischen Landtag

„ … auf daß sie es mit sehenden Augen sehen und doch nicht erkennen …“

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Page 22: LINKS! Ausgabe 12/2015

PARLAMENTSREPORTSeite 2 November 2015

Steuerflüchtlinge sind die einzigen Flüchtlinge, die der Wirtschaft schaden„Die sollen endlich arbeiten!“ – „Die nehmen uns die Arbeitsplätze weg!“

Besorgniserregende Bürger vertre-ten auch bei der Frage, ob und wie Geflüchtete in Arbeit zu bringen sind, widersprüchliche und oft abwertende Auffassungen. Dabei ist klar: Kom-men die mehrheitlich jungen Geflüch-teten zügig in Arbeit, profitieren nicht nur sie selbst, sondern auch die Wirt-schaft. Denn die Erwerbsbevölkerung schrumpft, in vielen Branchen werden Fach- und Hilfskräfte gesucht. In Sach-sen sind 30.000 Stellen offen, es gibt zu wenige hiesige Bewerber für die 7.500 unbesetzten Lehrstellen – vor allem im Bäcker- und Fleischerhand-werk, in Handel, Hotellerie und Gastro-nomie, manchen Elektroberufen sowie in der Gebäudereinigung.

Mit einer Aktuellen Debatte hat die Linksfraktion die Staatsregierung auf-gefordert, Geflüchteten den Arbeits-marktzugang zu erleichtern. Die für Wirtschaftspolitik zuständigen Abgeordneten der Linksfraktion, Nico Brünler und Luise Neuhaus-Wartenberg, verwiesen auf die Bereit-schaft der Wirtschaft, Geflüchtete in Arbeit zu bringen. Laut einer Befragung der sächsischen Industrie- und Han-delskammer sind knapp zwei Drittel der 2.600 befragten Unternehmen dazu bereit. Die Voraussetzungen für Inte-gration durch Bildung, Ausbildung und Arbeit seien „so gut wie selten“, befand Neuhaus-Wartenberg: „Der Arbeits-markt präsentiert sich in guter Verfas-sung. Die Arbeitslosenquote ist so nied-

rig wie seit 1990 nicht mehr“. Deshalb müssten Angebote der Handwerkskam-mern – etwa der zu Leipzig –, Ausbil-dungszentren zu füllen, schnell genutzt werden. „Das Konzept beinhaltet neben der Berufsausbildung den Spracher-werb, eine Unterkunft und sogar die Mitgliedschaft in einem Sportverein. Bis dato hat kein Flüchtling seinen Aus-bildungsplatz in Leipzig angetreten. Wie

kann das sein?“ Stattdessen weite die Bundesregierung die Arbeitsverbote für Geflüchtete aus, mit Zustimmung auch der sächsischen Staatsregie-rung. „Wie wäre es gewesen, mit der Unterzeichnung eines Ausbildungsver-trages ein Bleiberecht für die Dauer der Ausbildung und mindestens zwei Jahre danach im Job zu beschließen?

Die Handwerkskammern könnten ihre Angebote endlich in die Tat umsetzen“. Ihr Fraktionskollege Nico Brünler pflich-tete ihr bei: „Arbeiten zu können, ist oft die Basis für soziale Anerkennung und die Basis für soziale Integration“. Ange-bote zum Spracherwerb müssten aus-gebaut, Ehrenamtliche entlastet und die Asylverfahren endlich beschleunigt werden. „Bereits Anfang dieses Jah-

res war Deutschland Spitzenreiter in der Anzahl unbearbeiteter Asylanträge und in der Verfahrensdauer von Asyl-anträgen“. Der Freistaat solle Geflüch-teten zudem ein Willkommenspaket mit arbeitsmarktrelevanten Informationen anbieten und als Schnittstelle zu den Kammern fungieren. „Vor allem muss es eine Koordination zwischen einer

Arbeitsvermittlung und der örtlichen Wohnortverteilung geben“. Baden-Württemberg habe bereits ein solches Programm aufgelegt.

Zuwanderung belastet die Sozial- systeme weniger stark, als sie davon profitieren. Solange Flüchtlinge aber nicht arbeiten (dürfen), können sie auch keine Steuern und Sozialabga-ben zahlen. Die Prüfung vorhandener Qualifikationen, das Erlernen der deut-schen Sprache und nötigenfalls die Alphabetisierung müssen früher begin-nen. Dafür sind mehr Kurse und eine stärkere Kooperation von Aufnahme-einrichtungen, Arbeitsagentur, Hand-werkskammern, Wirtschafts- und Bran-chenverbänden notwendig. Auch wenn Geflüchtete keine unseren Standards entsprechende formale Qualifikation nachweisen können, haben sie oft Berufserfahrung – dann sind Praktika und Probearbeiten vonnöten. Außer-dem müssen bürokratische Hinder-nisse fallen, etwa die langwierige und sinnlose europaweite Vorrangprüfung. Teilweise produziert der Amtsschimmel Absurdes: So wurde einem syrischen Arzt die Approbation verweigert, weil er kein Führungszeugnis vorlegen konnte. Oh Wunder – die syrische Geheimpo-lizei, die ihn zuvor verfolgt hatte, wird ihm freilich keines ausstellen.

Geflüchtete sollen zum Gemeinwesen beitragen, was sie im Gegensatz zu Steuertricksern aus der ortsansässi-gen Oberschicht gern tun würden. Das sollte auch denen einleuchten, deren Geschäft die Panikmache ist.

Am 21. November 2015 fand im Volks-haus Dresden die Wohnungspolitische Konferenz der Fraktion DIE LINKE im Sächsischen Landtag statt. Wir haben besonderen Wert darauf gelegt, dass ein Austausch zwischen Vertreter_innen der Wohnungswirtschaft, der Wissenschaft, der Regierung und Oppo-sition sowie zivilgesellschaftlichen Initi-ativen zustande kommt. Dieser fand in regen, zum Teil kontroversen Debatten statt. Um den Diskussionsfluss nicht zu durchbrechen, haben wir kurzerhand die Workshops nicht parallel, sondern in großer Runde und aufeinanderfol-gend durchgeführt. Für die Bereitschaft der Diskutant_innen und der Modera-tion, auf die Dynamiken des Gespräch-sprozesses einzugehen, sei noch einmal mein Dank ausgesprochen.

So unterschiedlich die eingeladenen Gäste der Podiumsdiskussion und der Workshops waren, so differenziert waren auch die Positionen und Vor-schläge. Das Hauptproblem bleibt: Wie kann es uns gelingen, die Differenz zwischen steigenden Mieten und unzu-reichenden Einkommen (1.000 Euro Differenz zu westdeutschen Durch-schnittsarbeitseinkommen im Monat)

zu schließen? Trotz differenzierter Woh-nungsmärkte mit ihren Besonderheiten ist das ein sachsenweites Problem, auch wenn der Vertreter der Staatsregierung im gewohnten Zweckoptimismus bis auf einzelne Ausnahmen in Sachsen keine steigenden Kaltmieten sieht.

Die unterschiedlichen Blickwinkel ermöglichten verschiedene Schwer-punkte der Diskussion: die zu geringen

Einkommen, ein Anstieg der Alters-armut, die gestiegen Baukosten und Anforderungen bei Sanierungen und Neubau sowie der Mangel an Wohnraum in den Großstädten. Weil es dafür nicht nur eine Ursache gibt, schälte sich eine Reihe von Lösungsansätzen für die woh-nungspolitischen Problemlagen heraus. Neben der Verbesserung der Einkom-menssituation muss es einen Ausbau der diversen Förderprogramme geben.

Das beinhaltet auch die von allen Mit-diskutant_innen angeregte Wiederauf-nahme der sozialen Wohnraumförde-rung in Sachsen. In die Diskussion sind unterschiedliche Förderinstrumente eingebracht worden. Entsprechend dem Bedarf der verschiedenen Regionen sollten sowohl Subjektförderung (Wohn-geld) als auch Objektförderung (Baukos-tenzuschüsse) nebeneinander stehen. Zudem sind vor allem alternative Klein-projekte auf eine Anpassung von Förde-rungen und Darlehensfinanzierungen an ihre Bedürfnisse angewiesen.

Die Linksfraktion befindet sich mit einer an den Sachfragen orientierten Diskus-sion auf dem richtigen Weg, gemeinsam mit verschiedenen Akteuren in einem Gesprächsprozess Positionen und For-derungen für eine bedarfsgerechte Wohnungspolitik zu entwickeln. Als Ergebnis der Wohnungspolitischen Kon-ferenz wird in Kürze ein Reader entste-hen, der die Argumente nachvollziehbar macht und die Ergebnisse der Konfe-renz festhält. Danach sollen diese in ein Wohnungspolitisches Konzept münden. Auf die Diskussion dazu freue ich mich.

Enrico Stange, MdL

„Die eine Lösung für Fragen der Wohnungspolitik gibt es nicht“

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Page 23: LINKS! Ausgabe 12/2015

PARLAMENTSREPORTNovember 2015 Seite 3

Es gilt in Familien wie in Staatenbün-den: Ungerechtigkeit ist Gift für das zivilisierte Zusammenleben. Die wohl größte Errungenschaft des Kriegsjahr-hunderts, das hinter uns liegt, ist der Beginn der europäischen Einigung. Nach 45 Jahren des wankenden und 25 Jahren des sicheren Friedens wandelt sich Europa weiter, auch die EU. Flucht-bewegungen und (Binnen-)Migration belegen, dass es sich auch nach Jahr-zehnten noch nicht überall gleich gut leben lässt. Europa driftet auseinander.

Per Antrag forderte die Linksfraktion die „Stärkung der Sozialen Dimension der Europäischen Union für mehr sozi-ale Gerechtigkeit, Abbau von Arbeits-losigkeit, Beseitigung von Armut und Desintegration“. Das wäre gleichzeitig „ein Beitrag zur Aufhebung von Migra-tionsursachen“ (Drucksache 6/3058). Die Staatsregierung soll sich auf Bun-des- und europäischer Ebene für die soziale Dimension der EU einsetzen. Was heißt das?

SozialpartnerInnen auf europäischer, nationaler und regionaler Ebene soll-ten in ihrer Zusammenarbeit unter-stützt werden. Insbesondere vor dem Hintergrund der krisenhaften sozialen Entwicklungen in der EU müssen sie am sozialen Dialog um Wachstum und Beschäftigung beteiligt werden. Nötig sind europäische Mindeststandards für die einzelnen Sozialstaaten sowie mehr betriebliche Mitbestimmung durch europäische Betriebsräte. So könnte sich der Europäische Gewerkschafts-bund für einen europaweiten Mindest-lohn und eine europaweite Arbeits-losenversicherung einsetzen. Ein europäisches Investitionspaket könnte helfen, Arbeitsbedingungen zu verbes-sern, Langzeitarbeitslose und Migran-tInnen einzugliedern.

Anja Klotzbücher, Sprecherin für Europapolitik der Fraktion DIE LINKE, kritisierte das immense Wohl-standsgefälle innerhalb der EU. Die Mindestlöhne in Bulgarien, Rumänien, Litauen und Ungarn lagen im Januar

2015 unter 2 Euro. „Besonders deut-lich wird diese Diskrepanz auch zwi-schen Sachsen und den angrenzenden Staaten, in denen die Mindestlöhne ak-tuell 2 Euro (Tschechien) und 2,42 Euro (Polen) betragen“. Laut einer Eurostat-

Studie von 2014 sind 122 Millionen Menschen in der EU von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht, das ist jeder vierte Europäer oder jede vierte Europäerin. Sachsen komme, so Klotz-bücher, auch eine soziale Verantwor-tung für seine Nachbarn zu, „solange auch sächsische Betriebe ihre Produk-tion ins Ausland verlagern, um Lohn-kosten und Sozialabgaben zu sparen“.

Die Europäische Union müsse nicht nur eine Wirtschafts-, sondern auch eine Sozialunion sein, forderte Klotz-bücher. Davon hänge das Gelingen der Integration ab. Austeritätspolitik wie gegenüber Griechenland verschärfe

hingegen die Missstände. „Solange wirtschaftliche Aspekte als wichtiger gelten als die sozialen Folgeentwick-lungen, müssen wir sogar noch mit einer vehementen Verstärkung der innereuropäischen Migration rech-

nen“. Laut einer aktuellen Studie der Bertelsmann-Stiftung sprechen sich 77 % der deutschen Bevölkerung für verbindliche soziale Mindeststandards in Europa aus.

Die Sozialexpertin der Linksfraktion, Susanne Schaper, zeigte am Beispiel unseres Nachbarlandes Polen, welche Folgen es hat, wenn die soziale Dimen-sion der europäischen Einigung ver-nachlässigt wird. Dort wachse wie in Deutschland die Kluft zwischen Arm und Reich. Es gebe „heruntergekom-mene Stadtteile mit Wohnverhältnis-sen, die heutigen Wohnstandards nicht mehr entsprechen“ und andererseits

„abgeriegelte reiche Wohnsiedlungen, wie in Warschau“. Vor allem Frauen und junge Menschen seien Opfer von Armut, die Jugendarbeitslosigkeit liege bei 19,3 %. In Griechenland und Spa-nien betrage sie indes fast 50 %, in

Italien und Kroatien mehr als 40 %, im Kosovo und in Serbien über 50 %. Scha-per: „Diese Verhältnisse wirken sich direkt auch auf Sachsen aus. Unser Antrag zielt darauf ab, dass sich die Staatsregierung auf Bundes- und EU-Ebene dafür einsetzt, Fluchtursachen zu bekämpfen“.

Im Vertrag über die Europäische Union heißt es, dass sie soziale Ausgrenzung und Diskriminierung bekämpfen soll. Auch Sachsen ist aufgefordert, mitzu-helfen. Die CDU-SPD-Koalition sieht offenbar keinen Bedarf – und lehnte ab. Ein Beitrag zur Friedenssicherung ist das sicher nicht.

Ohne Ausgleich scheitert die europäische Einigung

Sachsens CDU-Fraktion widerspricht der brandenburgischenFrisch- und Abwassergebühren, Stra-ßenausbaubeiträge – Hausbesitzer wissen: Kommunalabgaben sind streit-anfällig. Wenn Kommunen Satzungen erlassen, die solche Abgaben regeln, kommt es oft zu vielen ähnlich gela-gerten Widersprüchen. Geht es vor Gericht, ist das für Anwohner oft mit hohen Kosten verbunden. Denn jeder muss für sich zahlen, auch wenn meh-rere Einwohner wegen des gleichen Anliegens den Rechtsweg beschreiten – etwa weil sie in einer Straße wohnen, für deren Ausbau die Kommune Stra-ßenausbaubeiträge erheben will.

Auch für das Rechtssystem haben sol-che Dopplungen schlimme Folgen. Die Häufung von Verwaltungsgerichtsstrei-tigkeiten bindet Personal und Zeit. Das belastet die Steuerkassen. Die juris-tische Datenbank „juris“ verzeichnet

allein 233 Oberverwaltungsgerichts-entscheidungen, die sich mittelbar oder unmittelbar mit dem Sächsischen Kom-munalabgabengesetz (KAG) beschäf-tigen. Hinzu kommen unzählige Ver-fahren vor Verwaltungsbehörden und Verwaltungsgerichten.

Die Linksfraktion schlägt ein „Gesetz über Musterverfahren in Kommunalab-gabenstreitigkeiten im Freistaat Sach-sen“ vor (Drucksache 6/1695). Kern-punkt: Künftig sollen Anwohner, die von einem ähnlichen oder gleichen Streit-gegenstand betroffen sind, nicht mehr einzeln den Rechtsweg beschreiten müssen. Stattdessen sollen diese Sach-verhalte in Musterverfahren nach § 363 Absatz 2 der Abgabenordnung geklärt werden, alle anderen Verfahren zu die-ser Problematik ruhen solange. So wer-den Verwaltungsverfahren zusammen-

geführt, was Verwaltungen, Gerichte und Anwohner entlastet. Um Rechts-streit vorzubeugen, sollen betroffene Anwohner künftig einbezogen werden, wenn Abgabesatzungen erarbeitet wer-den. Sie sollen ein umfassendes Ein-sichtsrecht erhalten.

André Schollbach, Sprecher für Kommunalpolitik der Fraktion DIE LINKE, zitierte aus einem Gesetzent-wurf, den die Landtagsfraktion der CDU in Brandenburg eingebracht hat: „Die Durchführung von Musterverfah-ren dient der Schaffung von Rechtssi-cherheit für die Beteiligten. Sie führt nicht nur zur Kostenersparnis für alle Bürger und Gemeinden, sie kann auch dazu beitragen, die Akzeptanz der Sat-zungen bei den Betroffenen zu erhö-hen. Schließlich entlastet sie auch die Verwaltungsgerichte“. Schollbach

befand: „Wir sollten uns den hervorra-genden Argumenten der Brandenbur-ger CDU anschließen und heute den Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE auf den Weg bringen“. In Mecklenburg-Vorpommern sei schon 2005 und mit gutem Erfolg eine ähnliche Regelung eingeführt worden. Auch in Sachsen könnten so eine einheitliche Rechts-anwendung erreicht, Verfahrenskosten reduziert, Behörden und Gerichte ent-lastet, Rechtssicherheit und Rechtsfrie-den gefördert werden.

Die sächsische CDU ließ sich allerdings von ihrer Nachbarfraktion nicht über-zeugen und lehnte den Vorstoß ab. Das ist ein weiteres Puzzleteil im finsteren Bild eines Freistaates, dessen Gerichte überlastet und dessen Einwohner zu wenig an der Regelung ihrer Angelegen-heiten beteiligt werden.

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Page 24: LINKS! Ausgabe 12/2015

PARLAMENTSREPORTSeite 4 November 2015

Nachdem die Dresdner Abgeordnete Annekatrin Klepsch in das Amt der Beige-ordneten für Kultur und Tourismus der Landes-hauptstadt g e w ä h l t wurde, hat sie mit Wir-kung zum 31. Oktober ihr Landtags-m a n -

dat niedergelegt. Mithin bekommt die Fraktion DIE LINKE – nach einem Jahr Unterbrechung – wieder einen sorbi-schen Abgeordneten: Heiko Kosel (49), Historiker und Jurist, kehrt zurück. Von 1999 bis 2014 saß er schon einmal im Hohen Hause. Zwischenzeitlich sam-melte er Regierungserfahrung – als parlamentarisch-wissenschaftlicher Berater für Europapolitik, EU-För-derung und Entwicklungspolitik der Linksfraktion im Landtag Brandenburg. „Selbstverständlich wird die Vertre-tung der Belange des sorbischen Vol-kes im Sächsischen Landtag wie

schon in der Vergangenheit im Mittelpunkt meiner Arbeit stehen“, sagt er, und listet eine Reihe von Themen auf: Übernahme der Kosten der Schülerbe-förderung für Kinder aus sorbischen Familien, die Finanzierung der Stiftung für das sorbische Volk, daneben europapoliti-sche und andere länder-übergreifende Aspekte. Willkommen zurück!

Im Oktober nahm ich an einer sieben-tägigen Reise nach China teil. Weitere Mitglieder der Delegation unter Leitung von Thomas Schmidt (CDU), Staatsmi-nister für Umwelt und Landwirtschaft, waren die SPD-Landtagsabgeordnete Simone Lang, VertreterInnen sächsi-scher Unternehmen und Wirtschafts-verbände, WissenschaftlerInnen sowie PolitikerInnen des Staatsministeriums für Umwelt und Landwirtschaft. Im Mittelpunkt der Gespräche in Peking, der Provinz Wuhan und in Chongqing stand die Verbesserung der säch-sisch-chinesischen Zusammenarbeit bei Umweltschutz, Land- und Res-sourcenwirtschaft. Vor allem während der Technologieforen in Wuhan und Chongqing kam es zu fruchtbringenden Unternehmenskontaktgesprächen zwi-schen den Mitgliedern der Delegation und möglichen PartnerInnen.

Während eines Gespräches im Minis-terium für Landwirtschaft der VR China ging es um die Verbesserung der Außenhandelsbeziehungen mit Sach-sen bei der Vermarktung von Milch und Fleisch. So bot die sächsische Seite beispielsweise Hilfe bei der Veredlung von Käse und anderen Milchprodukten sowie bei der Forschung und Entwick-lung landwirtschaftlicher Technik an.

Ich interessierte mich als Spreche-rin für Umwelt und Ressourcenwirt-schaft sowie als Mitglied im Aus-schuss für Umwelt und Landwirtschaft hauptsächlich für die neue Qualität des Umweltschutzes sowie des Was-ser- und Ökosystemmanagements. In Peking empfing uns Vizeministerin Cai Qihua im Ministerium für Wasserres-sourcen. Diskutiert wurden mögliche Hilfen Sachsens bei der Wasserver-sorgung, dem Gewässerschutz sowie

der Wasser- und Abwasserbehand-lung. Eines der größten Probleme Chi-nas ist die Luftverschmutzung in den Ballungsgebieten der Millionenstädte im Osten, hauptsächlich verursacht durch Großkraftwerke, Chemieindus-trie, metallerzeugende Betriebe und den Autoverkehr. Dessen Anteil wächst proportional zum Bruttoinlandsprodukt (BIP). China plant deshalb für 2016 bis 2018 die Einführung eines nationalen

Emissionshandelssystems. Doch nicht nur die Luftverschmutzung stellt ein großes Umweltproblem dar. Auch die Versorgung mit sauberem Trinkwasser sowie die nachhaltige und effiziente Abwasserentsorgung sind eine große Herausforderung. Diesen Problemen wird nun mehr und mehr Beachtung geschenkt. So werden in den ländli-chen Gegenden zunehmend zentrale biologische Kläranlagen gebaut. Davon überzeugten wir uns in einem Dorf, in dem das Abwasser von 150 Familien gesammelt und in Pflanzenkläranla-gen aufbereitet wird. Sonnenkollekto-ren produzieren die benötigte Energie. In Ezhou besichtigten wir einen Aqua-kulturbetrieb, für den man das Wasser des Jangtse nutzt. Dessen Wasserqua-lität wird mit modernster Technik über-wacht und gesteuert. Auf 35 Hektar gedeihen so nicht nur hochwertiges Gemüse, Wein und Lotos, es werden auch Krebse gezüchtet – ein Beispiel,

wie nachhaltiges Wassermanagement auch in China bereits praktiziert wird.

In Hankou besichtigten wir ein ehema-liges Fabrikgelände, auf dem bis 1990 Textilfarben produziert wurden. Bis Mitte Mai 2016 müssen nun auf dem 20 Hektar großen Gelände 300.000 Kubik-meter Boden saniert werden. Die Erde ist bis in 13 Meter Tiefe mit Schwerme-tallen und anderen organischen Schad-stoffen kontaminiert. Vor diesem Hin-tergrund bekamen unsere mitgereisten Experten auf dem Gebiet der Bodensa-nierung die Möglichkeit, ihre 25-jährige Erfahrung bei der Reinigung kontermi-nierter Böden einzubringen und Alter-nativverfahren vorstellen.

Während der Reise fanden wir in den chinesischen PolitikerInnen und WirtschaftvertreterInnen offene GesprächspartnerInnen. Auch deshalb konnten konkrete Anfragen gestellt und Kontakte entwickelt werden. So wurde eine neue Qualität der sächsisch-chi-nesischen Beziehungen erreicht, die für die Zukunft beste Voraussetzungen für eine Zusammenarbeit schafft, von der beide Seiten profitieren können.

Dr. Jana Pinka, MdL

ImpressumFraktion DIE LINKE im Sächsischen LandtagBernhard-von-Lindenau-Platz 101067 Dresden

Telefon: 0351/493-5800Telefax: 0351/493-5460

E-Mail: [email protected]

V.i.S.d.P.: Marcel BraumannRedaktion: Kevin Reißig

Sachsen zu Gast in China: Umwelt schützen, Ressourcen nutzen!

Heiko Kosel ist zurück

Plenarspiegel

November 2015 Die 23. und 24. Sitzung des 6. Sächsischen Landtages fanden am 19. und 20. November 2015 statt.

Die Fraktion DIE LINKE war mit folgenden parlamentarischen Initiativen vertreten:

Aktuelle Stunde

„Geflüchtete über Sprache, Ausbildung und Beschäftigung integrieren – Jetzt Angebote der Wirtschaft und des Handwerks nutzen!“

Anträge

„Stärkung der Sozialen Dimen-sion der Europäischen Union für mehr soziale Gerechtigkeit, Abbau von Arbeitslosigkeit, Beseitigung von Armut und Desintegration – gleichzeitig ein Beitrag zur Aufhebung von Migrationsursachen“ (Drs 6/3058)

„Landesoffensive für eine bedarfsgerechte, flächende-ckende und gut erreichbare medizinische Versorgung in Sachsen“ (Drs 6/1858)

Gesetzentwürfe

„Gesetz über Musterverfahren in Kommunalabgabenstreitigkeiten im Freistaat Sachsen“ (Drs 6/1695)

Sammeldrucksache 6/3248 mit den Anträgen der Linksfrak-tion

„Zukunft der Ausbildung und des Berufsbilds von Erzieherinnen und Erziehern im Freistaat Sachsen“ (Drs 6/1767)

„Soziale Arbeit an den Schulen im Freistaat Sachsen in den kommenden Schuljahren sichern!“ (Drs 6/2134)

Drucksachen (Drs) und Rede beiträge unter

www.linksfraktion-sachsen.de

Regionaltour für „Ein besseres Schulgesetz in Sachsen“

Mittwoch, 9. Dezember 2015 – Röhrsdorf/Dohna

„Willkommen in Sachsen?“ Perspektiven für eine menschen-würdige Aufnahme und Teilhabe Geflüchteter. Podiumsdiskussion zur Auswertung der Willkom-menstour.

Freitag, 11. Dezember 2015, 14 Uhr, Sächsischer Landtag, Raum A300

Infos unter www.linksfrak-tionsachsen.de/index.php?section=calendar

Termine