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Spruchverfahren aktuell - Nr. 1/2017 SpruchZ 2017 Seite 1 Recht & Praxis bei Squeeze-out-Fällen, Delisting, Organverträgen, Fusionen und Übernahmeangeboten Nr. 1/2017 vom 19. Januar 2017 ISSN 2195-7274 Inhaltsübersicht Laufende Spruchverfahren: Aurea Software GmbH, S. 2; BuG Demag Cranes AG, S. 2; Dresdner Factoring, S. 3; ERGO Versicherungsgruppe Aktiengesellschaft, S. 4; Beherrschung GSW Immobilien AG, S. 4; HypoVereinsbank, S. 5; BuG MEDION AG, S. 6; WMF AG, S. 7 Abgeschlossene Spruchverfahren Aditron AG, S. 8 D+S europe AG, S. 9 „Bemerkenswerte Befunde“ von Prof. Knoll Fall 12: Relevanz der Beta-Adjustierung, S. 37 Die 2012 gegründete Zeitschrift „Spruchverfahren aktuell“ (kurz: SpruchZ) wird per E-mail verteilt und online verfügbar archiviert (u.a. unter http://de.slideshare.net/SpruchZ ). Sie erscheint jeweils nach Bedarf. Der Bezug ist kostenlos. Für Bestellungen und Abbestellungen wenden Sie sich bitte an den Herausgeber: [email protected] Die Zeitschrift dient lediglich der Information über die aktuelle Rechtsentwicklung. Sie kann eine umfassende rechtsanwaltliche Beratung nicht ersetzen. Spruchverfahren aktuell

Spruchverfahren aktuell (SpruchZ) Nr. 1/2017

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Page 1: Spruchverfahren aktuell (SpruchZ) Nr. 1/2017

Spruchverfahren aktuell - Nr. 1/2017

SpruchZ 2017 Seite 1

Recht & Praxis bei Squeeze-out-Fällen, Delisting, Organverträgen, Fusionen und Übernahmeangeboten

Nr. 1/2017 vom 19. Januar 2017 ISSN 2195-7274

Inhaltsübersicht

Laufende Spruchverfahren:

Aurea Software GmbH, S. 2; BuG Demag Cranes AG, S. 2; Dresdner Factoring, S. 3; ERGO Versicherungsgruppe Aktiengesellschaft, S. 4; Beherrschung GSW Immobilien AG, S. 4; HypoVereinsbank, S. 5; BuG MEDION AG, S. 6; WMF AG, S. 7

Abgeschlossene Spruchverfahren

Aditron AG, S. 8 D+S europe AG, S. 9

„Bemerkenswerte Befunde“ von Prof. Knoll

Fall 12: Relevanz der Beta-Adjustierung, S. 37

Die 2012 gegründete Zeitschrift „Spruchverfahren aktuell“ (kurz: SpruchZ) wird per E-mail verteilt

und online verfügbar archiviert (u.a. unter http://de.slideshare.net/SpruchZ). Sie erscheint jeweils

nach Bedarf. Der Bezug ist kostenlos. Für Bestellungen und Abbestellungen wenden Sie sich bitte an

den Herausgeber: [email protected]

Die Zeitschrift dient lediglich der Information über die aktuelle Rechtsentwicklung. Sie kann eine

umfassende rechtsanwaltliche Beratung nicht ersetzen.

Spruchverfahren aktuell

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Spruchverfahren aktuell - Nr. 1/2017

SpruchZ 2017 Seite 2

Laufende Spruchverfahren

Überprüfungsverfahren zum Squeeze-out bei der Aurea Software GmbH (früher: update Software AG)

Bei der rechtsformwechselnd aus der früher börsennotierten update Software AG entstandenen

Aurea Software GmbH, Wien, ist im letzten Jahr ein Gesellschafterausschluss (Squeeze-out)

beschlossen und eingetragen werden. Die Angemessenheit der von der Hauptgesellschafterin, der

Aurea Software FZ-LLC, Dubai, angebotenen Barabfindung wird in einem Überprüfungsverfahren

nach § 6 GesAusG geprüft (vergleichbar einem Spruchverfahren in Deutschland). Das dafür

zuständige Handelsgericht Wien hat die eingegangenen Überprüfungsanträge zu dem führenden

Aktenzeichen 71 Fr 17564/16 p verbunden. Mit Beschluss vom 11. Jänner 2017 wurde Frau

Rechtsanwältin Dr. Alexandra Biely zur gemeinsamen Vertreterin bestellt.

Bei mehreren früheren update-Aktionären hatte die Depotbank deren Aktien im Rahmen des

Rechtsformwechsels als angeblich "wertlos" ausgebucht (so dass diese nicht als GmbH-Gesellschafter

eingetragen wurden), siehe http://spruchverfahren.blogspot.de/2016/05/rechtsformwechsel-der-

update-software.html. Diese sollten daher ihre Depotunterlagen prüfen, um die Abfindung (und eine

ggf. erfolgenden Nachbesserung) entgegennehmen zu können. Eine automatische Zahlung erfolgt

nicht.

Handelsgericht Wien, Az. 71 Fr 17564/16 p

gemeinsame Vertreterin: Rechtsanwältin Dr. Alexandra Biely, A-1010 Wien

_______________

Spruchverfahren zum Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag mit der Demag Cranes AG: Erstinstanzlich keine Erhöhung

In dem seit 2012 laufenden Spruchverfahren zum Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag der

Demag Cranes AG, Düsseldorf, und der Terex Germany GmbH & Co. KG als herrschender Gesellschaft

gibt es erstinstanzlich keine Erhöhung. Das Landgericht Düsseldorf hat die Anträge auf Erhöhung der

Barabfindung und des Ausgleichs mit Beschluss vom 30. Dezember 2016 zurückgewiesen. Die

Antragsgegnerin muss jedoch die Kosten des Verfahrens, einschließlich der außergerichtlichen

Kosten der Antragsteller tragen.

Nach Ansicht des Landgerichts in der relativ kurzen Begründung ist eine Erhöhung der Barabfindung

über dem zugrunde gelegten durchschnittlichen Börsenkurs (EUR 45,52) nicht vorzunehmen. Bei der

Ertragswertmethode sei der Ansatz einer Marktrisikoprämie in Höhe von 5% nicht zu korrigieren (S.

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Spruchverfahren aktuell - Nr. 1/2017

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11 f). Auch der angenommene Betafaktor sei nicht zu beanstanden (S. 12). Auf den unter-

nehmenseigenen Betafaktor sei nicht abzustellen, da der Börsenkurs von der Marktentwicklung

abgekoppelt gewesen sei. Die Einholung eines weiteren Gutachtens zum Unternehmenswert sei

nicht erforderlich.

Gegen die erstinstanzliche Entscheidung können die Beteiligten innerhalb von einem Monat ab

Zustellung des Beschlusses Beschwerde einreichen (über die das OLG Düsseldorf als

Beschwerdegericht entscheidet).

Zu dem im Januar 2014 eingetragenen Ausschluss der Minderheitsaktionäre bei der in Terex Material

Handling & Port Solutions AG umbenannten Gesellschaft (inzwischen formwechselnd umgewandelt

in Terex MHPS GmbH) läuft unter dem Aktenzeichen 31 O 6/14 (AktE) ein weiteres Spruchverfahren,

siehe http://spruchverfahren.blogspot.de/2014/05/spruchverfahren-zum-squeeze-out-bei-

der_26.html. Bei dem Squeeze-out hatte die Antragsgegnerin eine deutlich höhere Barabfindung in

Höhe von Euro 60,48 angeboten.

LG Düsseldorf, Beschluss vom 30. Dezember 2016, Az. 31 O 19/12 (AktE) Verbraucherzentrale für Kapitalanlager e.V. u.a. ./. Terex Germany GmbH & Co. KG 105 Antragsteller gemeinsamer Vertreter: RA Dr. Peter Dreier, Düsseldorf Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin: Rechtsanwälte Freshfields Bruckhaus Deringer LLP, Frankfurt am Main

_______________

Spruchverfahren zum verschmelzungsrechtlichen Squeeze-out bei der Dresdner Factoring AG: LG Leipzig lehnt Anträge ab In dem Spruchverfahren zu dem verschmelzungsrechtlichen Squeeze-out bei der Dresdner Factoring

AG hat das Landgericht Leipzig die Spruchanträge mit nunmehr zugestelltem Beschluss vom 9.

Dezember 2016 zurückgewiesen. In der sehr kurzen Begründung verweist das Gericht lediglich

darauf, dass alleine auf den "Börsenwert" abgestellt werden könne. Auf die Ermittlung des

Unternehmenswerts nach einer sonstigen Wertmethode, wie etwa der Ertragswertmethode, komme

es nicht an (S. 8). Eine Marktenge nach § 5 Abs. 4 WpÜG-AngebV habe nicht vorgelegen. Auch aus

dem Umstand, dass ein eigener Betafaktor der Gesellschaft nicht habe festgestellt werden können,

ergebe sich keine Marktenge (S. 10). Dies habe an dem "Fehlen von signifikanten Parametern für die

Ermittlung des Betafaktors" gelegen.

Gegen diese Entscheidung haben zwischenzeitlich mehrere Antragsteller Beschwerden einlegen,

über die das OLG Dresden entscheiden wird.

LG Leipzig, Beschluss vom 9. Dezember 2016, Az. 01 HK O 2401/15 Arendts, A. u.a. ./. Dresdner Factoring AG 37 Antragsteller gemeinsamer Vertreter: RA Dr. Claus Wagner, 01277 Dresden

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Spruchverfahren zum Squeeze-out bei der ERGO Versicherungsgruppe Aktiengesellschaft geht in die Verlängerung

Gegen den Beschluss des Landgerichts Düsseldorf vom 14. Oktober 2016, mit dem dieses die

Barabfindung auf EUR 109,32 je ERGO-Aktie angehoben hatte (Erhöhung um 11,87%), haben sowohl

die Antragsgegnerin, die Münchener Rückversicherungs-Gesellschaft Aktiengesellschaft, wie auch

mehrere Antragsteller Beschwerden eingelegt. Über diese wird das OLG Düsseldorf entscheiden.

Die Antragsgegnerin argumentiert in ihrer Beschwerdeschrift vom 14. Dezember 2016 gegen die vom

Landgericht vorgenommenen Veränderungen am Kapitalisierungszinssatz. Das Gericht hatte den

Ansatz der Marktrisikoprämie mit 4,5% vor Steuern als "noch angemessen" eingeschätzt. Dies hält

die Antragsgegnerin für "unvertretbar".

LG Düsseldorf, Beschluss vom 14. Oktober 2016, Az. 33 O 72/10 AktE SdK Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger e.V. u.a. ./. Münchener Rückversicherungs-Gesellschaft Aktiengesellschaft 112 Antragsteller gemeinsamer Vertreter: Rechtsanwalt Dr. Peter Dreier, 40213 Düsseldorf Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin, Münchener Rückversicherungs-Gesellschaft Aktiengesellschaft: Rechtsanwälte Gleiss Lutz, 70173 Stuttgart

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Spruchverfahren zum Beherrschungsvertrag mit der GSW Immobilien AG: Beweisbeschluss des LG Berlin

Das Landgericht Berlin hat in dem Spruchverfahren zu dem Beherrschungsvertrag der Deutschen

Wohnen AG (als herrschender Gesellschaft) mit der GSW Immobilien AG einen Beweisbeschluss

getroffen. Laut dem Beschluss vom 20. Dezember 2016 soll Herr Dipl.-Kfm. WP StB Christoph Wollny

ein schriftliches Sachverständigengutachten über die Angemessenheit von Ausgleich und Abfindung

erstellen.

Der Sachverständige soll die Planungen der GSW (hier vor allem die außerhalb des regulären

Planungsprozesses der Gesellschaft erfolgten) auf Plausibilität überprüfen. So sei nicht aus-

zuschließen, dass die überaus dynamische Entwicklung des Berliner Marktes für Mietwohnungen

unterschätzt worden sei. Die starke Zuwanderung nach Berlin und der damit einhergehende stetig

ansteigende Nachfrageüberhang nach Wohnraum seien zum Bewertungsstichtag vorhersehbar

gewesen (S. 2). Auch soll der Gutachter prüfen, ob der in der Planung enthaltene, relativ moderate

Anstieg der Sollmieten von lediglich 1% ab 2019 als realistisch anzusehen ist (S. 3). Des Weiteren soll

er die Annahme einer dauerhaften Leerstandsquote von 2,6% überprüfen (S. 4).

Dem Gericht dränge sich angesichts der Anpassung bei den Instandhaltungskosten der Verdacht auf,

dass es sich bei den Planungsänderungen per 12. Dezember 2013 um "anlassbedingte Änderungen"

handele (S. 4). Daher sei eine Einflussnahme der Antragsgegnerin zu untersuchen. Im Übrigen sei zu

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Spruchverfahren aktuell - Nr. 1/2017

SpruchZ 2017 Seite 5

prüfen, ob die zum Bewertungsstichtag zu erwartenden (unechten) Synergien nachvollziehbar

ermittelt und plausibel zwischen beiden Unternehmen aufgeteilt worden seien (S. 5).

Hinsichtlich des Kapitalisierungszinssatzes soll der Ansatz eines einheitlichen Basiszinssatzes von

2,50% für den Stichtag überprüft werden (S. 5). Das Gericht hält die vom IDW vorgeschlagene

Rundung auf das nächste Viertelprozent für willkürlich. Lediglich die Überlegung sei gerechtfertigt,

mit einer Auf- oder Abrundung erkennbare Tendenzen in der weiteren Zinsentwicklung zu berück-

sichtigen. Für die Marktrisikoprämie sei von einem Nachsteuerwert von 4,5% auszugehen (S. 5).

Angesichts der zum Stichtag bestehenden Unterschiede in den Geschäftsmodellen von GSW und

Deutsche Wohnen hält das Gericht den Ansatz eines identischen Betafaktors für beide Unternehmen

nicht unbedingt für plausibel. Das unverschuldete Raw-Beta der GSW habe konsistent unter

demjenigen der Deutschen Wohnen gelegen (S. 6). Gerade in der näheren Zukunft dürften für die

GSW mit ihren ausschließlich in Berlin belegenen Wohnungsbeständen von höheren Wachs-

tumsraten als dem angesetzten Wachstumsabschlag von 1% auszugehen sein (S. 6).

Das LG Berlin hatte mit Verfügung vom 26. April 2016 eine Verbesserung des Umtauschverhältnisses

auf 1 : 2,75 vorgeschlagen (von 1 : 2,33) und eine Anhebung des Ausgleichs auf EUR 2,14 brutto bzw.

EUR 1,80 netto. Die Antragsgegnerin lehnte den gerichtlichen Vorschlag jedoch als überhöht ab,

siehe http://spruchverfahren.blogspot.de/2016/06/spruchverfahren-zum-beherrschungsvertra.html.

LG Berlin, Az. 102 O 49/14.SpruchG Neugebauer u.a. ./. Deutsche Wohnen AG 67 Antragsteller gemeinsamer Vertreter: RA Klaus Rotter, c/o Rotter Rechtsanwälte Partnerschaft mbH, 81379 München Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin, Deutsche Wohnen AG: Rechtsanwälte Squire Patton Boggs (US) LLP, 10117 Berlin

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Spannende Entwicklung im Spruchverfahren HypoVereinsbank: EUR 3,6

Milliarden fehlerhaft nicht berücksichtigt?

In dem Spruchverfahren zum Squeeze-out bei der HypoVereinsbank zeichnet sich eine neue

Entwicklung ab. Nach dem Vortrag des Verfahrensbevollmächtigten der Verbraucherzentrale für

Kapitalanleger e.V. soll ein Betrag von EUR 3,6 Milliarden "unterschlagen" worden sein. Der fixe

Kaufpreisbestandteil für den 2006 vereinbarten Verkauf des 71,03%-Anteils der österreichischen

Bank Austria (BA-CA) an der polnischen Bank BPH S.A. an die UniCredit, der vereinbarungsgemäß bis

Jahresende 2009 gestundet worden war, sei weder als Cash-flow noch auf andere Weise in die

Bewertung der BA-CA eingeflossen. Dies ergebe sich aus den Akten der Zentralen Staatsanwaltschaft

zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption (WKStA) in Wien (Az. 1 UT 5/15 f). Der

Wert der BA-CA hätte daher um den 2009 erfolgten Zahlungseingang in Höhe von EUR 3,6 Milliarden

korrigiert werden müssen.

LG München I, Az. 5 HK O 16226/08 SdK Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger e.V. u.a. ./. UniCredit S.p.A.

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Spruchverfahren aktuell - Nr. 1/2017

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Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag mit der MEDION AG: Gerichtlicher Gutachter kommt auf EUR 13,29 je Medion-Aktie

In dem Spruchverfahren zu dem 2011 abgeschlossenen Beherrschungs- und Gewinn-

abführungsvertrag zwischen der MEDION AG (als beherrschten Unternehmen) und der zum

chinesischen Lenovo-Konzern gehörenden Lenovo Germany Holding GmbH, Berlin, hat der mit

Beschluss vom 22. Oktober 2014 gerichtlich bestellte Sachverständige nunmehr sein Gutachten

vorgelegt. Herr Dr. Lars Franken, Wirtschaftsprüfer bei der IVC Independent Valuation & Consulting

Aktiengesellschaft Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, kommt in dem auf den 8. Dezember 2016

datierten Gutachten auf einen etwas höheren Barabfindungsbetrag als von der Antragsgegnerin

angeboten. Er ermittelt einen Unternehmenswert auf Basis des Ertragswertverfahrens in Höhe von

EUR 593,9 Mio., entsprechend EUR 13,29 je MEDION-Aktie. Die Hauptaktionärin hatte eine

Abfindung in Höhe von EUR 13,- je Medion-Stückaktie und einen Ausgleich in Höhe von EUR 0,82

brutto je Stückaktie angeboten. Nach Ansicht des Sachverständigen sind EUR 0,84 brutto bzw. EUR

0,71 netto (nach Abzug der Körperschaftssteuern inkl. Solidaritätszuschlag) als Ausgleichszahlung

angemessen.

Die Beteiligten können innerhalb von sechs Wochen zu dem Gutachten Stellung nehmen.

Landgericht Dortmund, Az. 20 O 4/12 (AktE) Vogel u.a. ./. Lenovo Germany Holding GmbH 63 Antragsteller gemeinsame Vertreterin: Rechtsanwältin Dr. Jutta Lommatzsch, Peters Rechtsanwälte Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin, Lenovo Germany Holding GmbH: Rechtsanwälte Latham, & Watkins LLP, 60323 Frankfurt am Main

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Spruchverfahren aktuell - Nr. 1/2017

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Spruchverfahren WMF AG: Deutliche Nachbesserung zu erwarten? Das Landgericht Stuttgart hat am 17. Januar 2017 das Spruchverfahren zu dem verschmelzungs-

rechtlichen Squeeze-out bei dem württembergischen Traditionsunternehmen WMF AG verhandelt

und dabei die sachverständigen Prüfer angehört, vgl.

http://spruchverfahren.blogspot.de/2016/08/spruchverfahren-zum-verschmelzungsrecht_11.html.

Das Gericht äußerte bei der Verhandlung Zweifel an dem für den Squeeze-out vorgerechneten Unter-

nehmenswert von nur knapp über EUR 800 Mio., nachdem WMF von KKR kurze Zeit später für rund

EUR 1,6 Mrd. an das französische Unternehmen SEB verkauft wurde.

Das Landgericht Stuttgart könnte daher einen Sachverständigen mit einer Überprüfung beauftragen

(wie von mehreren Antragstellern beantragt) und den Barabfindungsbetrag anheben. Bereits

unmittelbar nach der Durchführung des verschmelzungsrechtlichen Squeeze-outs hatte KKR die

Citigroup und die Deutsche Bank mit der Begleitung des Verkaufsprozesses beauftragt. Als möglicher

Verkaufspreis für die Gesellschaft wurde in einem Bericht der Nachrichtenagentur Reuters vom 4.

Dezember 2015 ein Betrag von sogar EUR 1,8 Milliarden genannt (das 12-fache des erwarteten

EBITDA in Höhe von EUR 150 Mio.), deutlich mehr als der unmittelbar zuvor den Minder-

heitsaktionären zugebilligte angebliche Wert des Unternehmens.

Die früher als Finedining Capital AG firmierende und zur KKR-Gruppe gehörende Hauptaktionärin

hatte eine Barabfindung in Höhe von EUR 58,37 je Stamm- und Vorzugsstückaktie der WMF AG

angeboten, vgl.

http://spruchverfahren.blogspot.de/2015/03/bekanntmachung-uber-die-barabfindung.html.

LG Stuttgart, Az. 31 O 53/15 KfH SpruchG Jaeckel, P. u.a. ./. WMF Group GmbH 50 Antragsteller gemeinsamer Vertreter: RA Ulrich Wecker, 70182 Stuttgart Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin, WMF Group GmbH: Rechtsanwälte Hengeler Mueller, 80802 München

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Spruchverfahren aktuell - Nr. 1/2017

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Abgeschlossene Spruchverfahren

Spruchverfahren zum Squeeze-out bei der Aditron AG abgeschlossen: OLG Düsseldorf setzt Barabfindung auf EUR 30,87 fest (+ 16,5%)

In dem seit 2003 laufenden Spruchverfahren zur Übertragung der Aktien der Minderheitsaktionäre

der Aditron AG, Düsseldorf, auf die Rheinmetall AG hat das OLG Düsseldorf den Barabfindungsbetrag

mit dem nunmehr zugestellten Beschluss vom 15. Dezember 2016 auf 30,87 je Stammaktie

festgelegt. Gegenüber dem von der Hauptaktionärin angebotenen Betrag bedeutet dies eine

Anhebung um 16,5%. Die Antragsgegnerin muss (mit Ausnahme unzulässiger Anträge) die

außergerichtlichen Kosten der Antragsteller in der ersten Instanz und 50% der Kosten in der

Beschwerdeinstanz übernehmen.

Das LG Düsseldorf hatte den Barabfindungsbetrag erstinstanzlich sogar deutlich höher auf EUR 36,44

je Stammaktie heraufgesetzt (Anhebung um fast 38%). Die Antragsgegnerin war mit ihrer gegen den

Beschluss des Landgerichts vom 29. August 2012 eingereichte Beschwerde damit teilweise

erfolgreich.

Die Reduzierung gegenüber der erstinstanzlichen Entscheidung ergibt sich vor allem aus der

nachträglichen Anwendung des (für die Minderheitsaktionäre negativen) neueren IDW-Standards S1

in der Fassung 2005 (lange nach dem hier maßgeblichen Stichtag). Diese neuere Fassung sei nach

Auffassung des BGH eine methodische Verbesserung gegenüber dem vorhergehenden IDW S1 2000

(S. 22). Er sei daher als vorzugswürdig anzusehen und ggf. auch rückwirkend anzuwenden.

Eine Berechnung der Barabfindung allein anhand des Börsenwerts lehnt das OLG ab (S. 19). Eine

solche komme nur dann in Betracht, wenn eine "effektive Informationsbewertung" durch die

Marktteilnehmer vorliege. Hiervon zu unterscheiden sei die Frage, inwieweit der Börsenkurs die

Untergrenze der angemessenen Barabfindung bilde (S. 21).

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15. Dezember 2016, Az. I-26 W 25/12 (AktE). LG Düsseldorf, Beschluss vom 29. August 2012, Az. 33 O 126/06 AktE Frosch-Bollin u.a. ./. Rheinmetall AG 52 Antragsteller gemeinsamer Vertreter: RA Folker Künzel, 40589 Düsseldorf Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin, Rheinmetall AG: Rechtsanwälte Gleiss Lutz, 70173 Stuttgart

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Spruchverfahren aktuell - Nr. 1/2017

SpruchZ 2017 Seite 9

Spruchverfahren zum Squeeze-out bei der D+S europe AG ohne Erhöhung beendet In dem Spruchverfahren zum Ausschluss der Minderheitsaktionäre bei der D+S europe AG, Hamburg,

hatte das Landgericht Hamburg eine Erhöhung der Barabfindung abgelehnt (Beschluss vom 21. März

2014, Az. 404 HKO 72/10), siehe http://spruchverfahren.blogspot.de/2014/06/spruchverfahren-

squeeze-out-ds-europe.html. Das Hanseatische Oberlandesgericht (OLG Hamburg) hat nunmehr mit

Beschluss vom 28. Dezember 2016 (Aktenzeichen 13 W 60/14) die dagegen eingereichten

Beschwerden verschiedener Antragsteller zurückgewiesen. Eine Bekanntmachung erfolgte im

Bundesanzeiger vom 13. Januar 2017.

Gegen den Beschluss des OLG, gegen den kein Rechtsmittel gegeben ist, haben mehrere

beschwerdeführende Antragsteller Gehörsrüge erhoben, wobei sie mit einer nicht hinreichend

berücksichtigten Marktmanipulation durch die Antragsgegnerin argumentieren.

Die Antragsgegnerin Pyramus S.a.r.l., ein von mehreren Apax-Investmentfonds kontrolliertes

Investmentvehikel, hatte 2008 ein Übernahmeangebot in Höhe von EUR 13,- je D+S-Aktie

abgegeben. Bei dem 2009 beschlossenen und im Juni 2010 eingetragenen Squeeze-out wurden

jedoch nur EUR 9,87 je Aktie geboten.

OLG Hamburg, Beschluss vom 28. Dezember 2016, Az. 13 W 60/14 LG Hamburg, Beschluss vom 21. März 2014, Az. 404 HKO 72/10 118 Antragsteller gemeinsamer Vertreter: RA Oliver Rosowski, c/o Hahn Rechtsanwälte, Hamburg Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin Pyramus S.a.r.l.: Milbank, Tweed, Hadley & McCloy LLP, München

Page 10: Spruchverfahren aktuell (SpruchZ) Nr. 1/2017

Spruchverfahren aktuell - Nr. 1/2017

SpruchZ 2017 Seite 10

Delisting-Fälle

msg life ag: Erwerbsangebot durch Hauptaktionärin an msg life-Aktionäre angekündigt, Delisting der msg life-Aktien beabsichtigt

(Leinfelden-Echterdingen, den 16. Januar 2017) - Die Hauptaktionärin der msg life ag, die msg

systems AG, die aktuell ca. 49,09 % der Aktien der msg life ag hält, hat dem Vorstand der msg life ag

heute mitgeteilt, ein freiwilliges öffentliches Erwerbsangebot für alle Aktien der msg life ag abgeben

zu wollen. Den Aktionären soll der gesetzlich vorgeschriebene Mindestpreis angeboten werden.

msg life beabsichtigt, zu gegebener Zeit nach Veröffentlichung der Angebotsunterlage ein Delisting

der Aktien der msg life ag durchzuführen und hierzu einen Antrag auf Widerruf der Zulassung der

Aktien zum Handel im regulierten Markt der Frankfurter Wertpapierbörse zu stellen. Eine Einführung

der msg life-Aktien an einem anderen regulierten Markt oder einer anderen Handelsplattform wird

nicht angestrebt.

Der Vorstand der msg life ag begrüßt nach Abstimmung mit dem Aufsichtsrat das geplante Vorgehen.

____________

Anmerkung der Redaktion: Bei der msg life ag handelt es sich um die ehemalige COR&FJA AG.

Page 11: Spruchverfahren aktuell (SpruchZ) Nr. 1/2017

Spruchverfahren aktuell - Nr. 1/2017

SpruchZ 2017 Seite 11

Bemerkenswerte Befunde © Prof. Dr. Leonhard Knoll

Bemerkenswerte Befunde - Fall 12: Relevanz der Beta-Adjustierung

In den bisherigen Fällen sind wir schon mehrfach auf Merkwürdigkeiten im Zusammenhang mit dem

Beta-Faktor gestoßen. Nachdem die Verwendung einer Peer Group dabei bereits im Fokus stand,

wollen wir heute eine andere Form der Bearbeitung des originär gemessenen Werts betrachten, die

sogenannte „Adjustierung“. Zurückgehend auf Arbeiten von Blume aus den siebziger Jahren wird

dabei heute als Standardprozedur für das „adjusted beta“ das originäre „raw beta“ mit 2/3 und der

Marktdurchschnitt 1 mit 1/3 gewichtet. Ob die Verwendung dieser Adjustierung zulässig ist, darf aus

mehreren Gründen bezweifelt werden. Im folgenden Fall 12 werden diese Gründe aber im

Hintergrund stehen und dafür elementare Zusammenhänge in den Vordergrund treten, die ganz

offensichtlich nicht allen Jongleuren anglophoner Beta-Variationen bekannt sind.

In einem Spruchverfahren vertrat die Antragsgegnerin in beiden Instanzen u.a. auch mit Verweis auf

den Ausschlussprüfer die folgende These:

„Unabhängig davon würde die Verwendung von Roh-Betafaktoren anstelle von adjustierten

Betafaktoren für die Vergleichsunternehmen ebenfalls zu einem gerundeten Betafaktor von

0,65 führen und somit das Ergebnis der Bewertung nicht beeinflussen.“

a) Gehen Sie zunächst davon aus, dass sie das Beta eines einzelnen Unternehmens betrachten,

keine Verschuldung vorliegt und die Standardadjustierung des „Roh-Betas“ (oder „raw beta“)

verwendet wird. Für welches raw beta weicht das adjusted beta nicht ab?

b) Gehen Sie jetzt davon aus, dass anstelle eines einzelnen Unternehmens der ungewichtete

Durchschnitt einer Gruppe von ebenfalls unverschuldeten Vergleichsunternehmen herangezogen

wird. Ändert sich das Ergebnis aus a)?

c) Beantworten Sie nunmehr Frage a) für das unlevered beta eines verschuldeten Unternehmens

und verwenden Sie dafür die folgende allgemeine Anpassungsformel:

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Spruchverfahren aktuell - Nr. 1/2017

SpruchZ 2017 Seite 12

mit:

, , ,

d) Ergibt sich eine Abweichung gegenüber dem Ergebnis aus c), wenn auf das durchschnittliche

unlevered beta einer Gruppe von Vergleichsunternehmen abgestellt wird?

e) Erscheint die Aussage der Antragsgegnerin hinsichtlich der Wertirrelevanz des adjustierten Betas

glaubwürdig? Was wäre ein erster einfacher Test in dieser Beziehung? Gehen Sie bei Ihrer

Antwort auch auf den Marktdurchschnitt des raw und des unlevered beta ein.

Lösungen:

a) Die Standardformel für die Adjustierung lautet:

Für die Irrelevanz gilt:

Also gibt es nur für keine Abweichung.

b) Für n Vergleichsunternehmen ergibt sich

Damit gilt für die Irrelevanz:

Nun muss also das durchschnittliche raw beta der Vergleichsunternehmen gleich eins sein.

Umgekehrt hat ein von 1 abweichendes adjusted beta Einfluss auf die Bewertung.

Page 13: Spruchverfahren aktuell (SpruchZ) Nr. 1/2017

Spruchverfahren aktuell - Nr. 1/2017

SpruchZ 2017 Seite 13

c) Für die Irrelevanz gilt nunmehr:

Also ändert sich gegenüber dem Ergebnis aus a) nichts!

d) Durchschnittswerte:

Irrelevanzkalkül:

Nun muss also der Durchschnitt der mit dem Nenner der Anpassungsformel

kapitalstrukturbereinigten raw betas gleich dem ebenfalls mit dem Nenner der Anpassungsformel

kapitalstrukturbereinigten Wert 1 sein.

Page 14: Spruchverfahren aktuell (SpruchZ) Nr. 1/2017

Spruchverfahren aktuell - Nr. 1/2017

SpruchZ 2017 Seite 14

e) Während der Marktdurchschnitt des raw beta qua definitione 1 beträgt, liegt der empirische

Marktdurchschnitt des unlevered Beta in einer Größenordnung von 0,75, wobei die verwendete

Anpassungsformel hier offensichtlich eine nicht zu vernachlässigende Rolle spielt. Damit die

Aussage der Antragsgegnerin zutrifft, müssen die folgenden Bedingungen gelten:

Das unlevered beta muss unterdurchschnittlich sein.

Die kapitalstrukturbereinigten raw betas der Vergleichsgruppe müssen dem um die

jeweilige Kapitalstruktur der Vergleichsunternehmen bereinigten Marktdurchschnitt

entsprechen.

Soll beides erfüllt werden, muss in der Vergleichsgruppe gegenüber dem Marktdurchschnitt ein bei

gleichem Gesamtrisiko deutlich höherer Verschuldungsgrad vorliegen. Entsprechend wäre ein erster

grober Test, die Verschuldungsgrade der Vergleichsunternehmen näherungsweise zu bestimmen. Ist

z.B. das Verhältnis von verzinslichen Nettoschulden zu Börsenkapitalisierung niedriger als im

Marktdurchschnitt, erhöhen sich ohnehin gegebene Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Aussage.

Fazit: Betrachtet man die schlicht wirkende Ausgangsbehauptung und was sich dahinter tatsächlich

verbirgt, kommt neben Zorn über das Insistieren der Antragsgegnerin anderweitig sogar Mitleid auf –

nicht nur mit einem unbedarften Leser, sondern auch (ausnahmsweise) mit dem Ausschlussprüfer,

der in seinem Bericht nichts dergleichen behauptet hatte!

Page 15: Spruchverfahren aktuell (SpruchZ) Nr. 1/2017

Spruchverfahren aktuell - Nr. 1/2017

SpruchZ 2017 Seite 15

Zeitschrift und Dokumente auf http://de.slideshare.net/SpruchZ

Impressum

______________________

Zeitschrift

Spruchverfahren aktuell

(SpruchZ)

6. Jahrgang

ISSN 2195-7274

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Spruchverfahren (IG Spruch),

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ARENDTS ANWÄLTE,

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(„Bemerkenswerte Befunde“)

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